Willi Weismann

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Willi Weismann (* 21. Januar 1909 in Mülheim an der Ruhr; † Juni 1983 in München) war ein Verleger in der deutschen Nachkriegszeit. Er verlegte unter anderem Werke von Elias Canetti, Hermann Broch und Hans Henny Jahnn. Zudem gilt er als Miterfinder des Falt-Buchumschlags.[1]

Willi Weismann entstammt einer protestantischen Familie, deren Wurzeln bis in die Reformationszeit zurückreichen. Einer seiner Vorfahren war Ehrenreich Weismann, Abt der protestantischen Klosterschule Maulbronn und Verfasser verschiedener theologischer Schriften. Weismanns Vater besaß eine Buchdruckerei. Nachdem er 1916 im Ersten Weltkrieg in der Schlacht an der Somme gefallen war, wurde Willi in den Heimatort des Vaters, nach Wilhelmsdorf, in ein pietistisches Knabeninstitut (Zieglersche Anstalten) geschickt.

Während des Zweiten Weltkriegs war er Mitglied in einem Widerstandskreis nach Vorbild von Ernst Niekisch und pflegte Kontakte zum Widerstandsverlag und seinen Autoren Friedrich Georg Jünger und Alexander Mitscherlich. Zusammen mit Herbert Burgmüller besorgte er Herausgabe und Vertrieb der deutschen Ausgabe der Literaturzeitschrift Das Silberboot von Ernst Schönwiese. Bis zu seiner Einberufung in den Krieg war er selbständiger Verlagsvertreter und so in der Lage, auch illegale Literatur anzubieten und Kontakte zwischen den verschiedenen Widerstandskreisen aufrechtzuerhalten. Zwischen 1936 und 1938 überstand er mehrere Haussuchungen und kurzzeitige Verhaftungen. Nach Kriegseinsatz an der Ostfront Anfang 1945 kehrte er nach Deutschland zurück und wurde als Fernmelder in der Vermittlungsstelle Hochland in München eingesetzt. Hier schloss er sich der Widerstandsgruppe O7 an und beteiligte sich am Aufstand in München vom 29./30. April 1945. In den letzten Kriegstagen wurde er in Abwesenheit zum Tode verurteilt. Als selbsternannter Polizeikommissar beteiligte sich Weismann an der kampflosen Übergabe Münchens an die Amerikaner am 30. April 1945. Durch die Aktionen der O7 war die Sprengung der letzten Isarbrücke vereitelt worden und ein letzter Flugangriff der Amerikaner wurde abgeblasen.[2][3]

Nach Kriegsende gründete er Anfang des Jahres 1946 einen literarischen Verlag, den Willi Weismann Verlag München, mit dem er an die literarische Avantgarde der 1920er und 1930er Jahre anknüpfen, deutsche Exilautoren zurückholen und dem deutschen Leser nach zwölf Jahren Diktatur zum Anschluss an die Entwicklungen der Weltliteratur verhelfen wollte. Sein erstes Projekt war die Literaturzeitschrift Die Fähre (1946–1947), später umbenannt in Literarische Revue (1947–1949). Diese ambitionierten literarischen Projekte finanzierte er mit einem zweiten Verlag, dem Magazinverlag, in dem hauptsächlich Kriminalliteratur erschien sowie das skandalträchtige Blatt Das neue Magazin, das ihm zeitweise eine Auflage von 200.000 Stück und zahlreiche Prozesse wegen Gefährdung der Jugend und Sittenwidrigkeit einbrachte. Seine Kontakte nach Leipzig in der DDR, seine Mitgliedschaft im Kulturbund der DDR und seine Bemühungen um eine Verständigung auf literarischer Ebene zwischen Ost und West (Starnberger Gespräch) schürten Verdächtigungen, er sei Anhänger des Kommunismus. Nach mehreren Haussuchungen, Beschlagnahmungen von Büchersendungen nach dem Besuch der Leipziger Buchmesse und Prozessen wegen des Besitzes von staatsgefährdender Literatur konnte er seinen literarischen Verlag nicht länger halten.

Willi Weismann gründete 1954 den Parabelverlag und verlegte in der Folgezeit nur noch Kinderbücher.[1]

  • Jochen Meyer, Bernhard Zeller (Hrsg.): Broch, Canetti, Jahnn: Willi Weismann und sein Verlag, 1946–1954. In: Marbacher Magazin. 33 (1985), Deutsche Schillergesellschaft, Marbach am Neckar.
  • Ortrun Huber (Red.): Wortmasken: Texte zu Leben und Werk von Elias Canetti. Carl Hanser Verlag, München/Wien 1985, ISBN 978-3-446-18275-2 (enthält einen längeren Aufsatz zur Beziehung Canettis zu Weismann).
  • Kai Schlüter: Die Fähre / „Literarische Revue“. Analyse einer Literaturzeitschrift der ersten Nachkriegsjahre (1945–1949). Archiv für Geschichte des Buchwesens Band 24. Frankfurt am Main 1982.
  • Christina Bylow: Hermann Broch und der Verleger Willi Weismann. Ein Beitrag zur Entstehungsgeschichte des Romans „Die Schuldlosen“ (1945–1951). Archiv für Geschichte des Buchwesens. Band 22. Frankfurt am Main 1992.
  • Hans Altenhein, Georg Patzer: Vergessene Verlage. 10-teilige Serie im Börsenblatt für den deutschen Buchhandel. Heft 52/ 2. Juli 1999 – Heft 18/ 3. März 2000.
  • Julia Frohn: Literaturaustausch im geteilten Deutschland 1945–1972. Ch. Links Verlag, Berlin 2014, ISBN 978-3-86153-807-3. Darin wird dem Willi Weismann Verlag ein eigenes Kapitel gewidmet, S. 303–319 (Willi Weismann Verlag – vom Scheitern deutsch-deutscher Ambitionen am Paragrafen 93).
  • Reinhard WittmannWeismann, Willi. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 27, Duncker & Humblot, Berlin 2020, ISBN 978-3-428-11208-1, S. 676 f. (Digitalisat).

Einzelnachweise

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  1. a b Klaus Garber: Kritik in Kürze. In: Die Zeit. 21 (1985). (online)
  2. Sonderheft des Münchener Magazins 1947, Heft 4: o7. Sonderdruck für die Angehörigen der o7. Im Nachlass A: Weismann im Deutschen Literaturarchiv Marbach am Neckar
  3. Kathrin Kuna: Der Briefwechsel zwischen Hermann Broch und Willi Weismann. Diplomarbeit, Wien 2008, S. 24 ff. (online)