Handeln

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Das Handeln oder eine Handlung ist ein Ereignis, das ein Handelnder für einen Zweck ausführt und von der Absicht der Person geleitet wird.[1][2][3] Die erste Frage in der Philosophie des Handelns besteht darin, zu bestimmen, wie sich Handlungen von anderen Verhaltensformen, wie unwillkürlichen Reflexen, unterscheiden.[4][5] Laut Ludwig Wittgenstein geht es darum, herauszufinden, „was übrigbleibt, wenn ich von der Tatsache, dass ich meinen Arm hebe, die abziehe, dass mein Arm sich hebt“.[6] Es besteht weitgehend Einigkeit darüber, dass die Antwort auf diese Frage mit den Absichten des Handelnden zu tun hat. Autofahren ist also eine Handlung, da der Handelnde die Absicht hat, dies zu tun, aber Niesen ist ein bloßes Verhalten, da es unabhängig von der Absicht des Handelnden geschieht. Die vorherrschende Theorie der Beziehung zwischen der Absicht und dem Verhalten ist der Kausalismus:[1] Autofahren ist eine Handlung, weil es durch die Absicht des Handelnden verursacht wird, dies zu tun. Nach dieser Auffassung unterscheiden sich Handlungen von anderen Ereignissen durch ihre kausale Geschichte.[2] Zu den kausalistischen Theorien gehören der Ansatz von Donald Davidson, der Handlungen als Körperbewegungen definiert, die durch Absichten auf die richtige Weise verursacht werden, und volitionalistische Theorien, denen zufolge Volitionen oder Handlungsversuche einen Kernaspekt von Handlungen bilden. Nicht-kausalistische Theorien hingegen sehen Absichten oft nicht als Ursache der Handlung, sondern als deren Bestandteil an.

Eine wichtige Unterscheidung bei Handlungen besteht zwischen nicht-grundlegenden Handlungen, die ausgeführt werden, indem eine andere Handlung ausgeführt wird, und Basishandlungen, bei denen dies nicht der Fall ist. Die meisten philosophischen Diskussionen über Handlungen konzentrieren sich auf physische Handlungen in Form von Körperbewegungen. Viele Philosophen betrachten jedoch geistige Handlungen als eine eigenständige Art von Handlung, welche ganz andere Merkmale als körperliche Handlungen aufweisen. Überlegungen und Entscheidungen sind Prozesse, die Handlungen oft vorausgehen und zu ihnen führen. Handlungen können rational oder irrational sein, je nachdem, aus welchem Grund sie ausgeführt werden. Das Problem der Verantwortung steht in engem Zusammenhang mit der Handlungsphilosophie, da wir die Menschen in der Regel für das verantwortlich machen, was sie tun.

Konzeptionen

Konzeptionen des Handelns versuchen zu bestimmen, was alle Handlungen gemeinsam haben oder was ihre wesentlichen Merkmale sind. Kausalistische Theorien, wie Donald Davidsons Ansatz oder Standardformen des Volitionalismus, gehen davon aus, dass kausale Beziehungen zwischen den mentalen Zuständen des Handelnden und dem daraus resultierenden Verhalten für Handlungen wesentlich sind. Nach Davidson sind Handlungen körperliche Bewegungen, die durch Absichten auf die richtige Weise verursacht werden. Volitionalistische Theorien beziehen den Begriff der Volitionen in ihre Darstellung von Handlungen ein. Volitionen werden als Formen der Aufbringung von Mitteln in der eigenen Macht verstanden und unterscheiden sich von der bloßen Absicht, etwas später zu tun. Nicht-kausalisten hingegen bestreiten, dass Absichten oder ähnliche Zustände Handlungen verursachen.

Davidsons Ansatz

Die bekannteste Darstellung von Handlungen, die manchmal einfach als Standarddarstellung bezeichnet wird, stammt von Davidson. Er geht davon aus, dass Handlungen körperliche Bewegungen sind, die durch Absichten verursacht werden.[7] Davidson erklärt die Absichten selbst in Bezug auf Glaubenshaltungen und Begierden.[1] So beruht beispielsweise die Handlung des Umlegens eines Lichtschalters zum einen auf dem Glauben des Handelnden, dass diese Körperbewegung das Licht anschalten wird, und zum anderen auf der Begierde, Licht zu haben.[8] Aufgrund ihrer Abhängigkeit von psychologischen Zuständen und kausalen Beziehungen wird diese Position als eine humeanische Handlungstheorie betrachtet.[9] Laut Davidson zählt nicht nur das körperliche Verhalten als Handlung, sondern auch die Folgen, die sich daraus ergeben. Die Bewegung des Fingers, der den Schalter umlegt, ist also Teil der Handlung, ebenso wie die Elektronen, die sich durch den Draht bewegen, und die Glühbirne, die sich einschaltet. Einige Folgen sind in der Handlung enthalten, auch wenn der Handelnde sie nicht beabsichtigt hat.[2][5] Es reicht aus, dass das, was der Handelnde tut, „unter einem Aspekt beschrieben werden kann, der es absichtlich macht“.[10][5] Wenn also beispielsweise das Umlegen des Lichtschalters den Einbrecher alarmiert, dann ist die Alarmierung des Einbrechers Teil der Handlung.[1] In einem Beispiel aus Elizabeth Anscombes Manuskript Intention kann das Abpumpen von Wasser zugleich ein Fall von Vergiftung der Bewohner sein.[11]

Eine Schwierigkeit bei Handlungstheorien, die versuchen, Handlungen durch kausale Beziehungen zwischen mentalen Zuständen und Körperbewegungen zu charakterisieren, sogenannten kausalistische Theorien, ist das, was als abwegige Kausalketten bezeichnet wird.[4] Eine Kausalkette ist abwegig, wenn die Absicht dazu führt, dass das Ziel zwar erreicht wird, aber auf eine sehr ungewöhnliche Weise, die nicht beabsichtigt war. In diesem Fall werden die Fähigkeiten des Handelnden nicht in der geplanten Weise ausgeübt.[1] Zum Beispiel bildet ein Kletterer die Absicht, den Kletterer unter ihm zu töten, indem er das Seil loslässt. Eine abwegige Kausalkette wäre, dass der erste Kletterer nicht absichtlich die haltende Hand öffnet, sondern aufgrund seiner Absicht so nervös wird, dass ihm das Seil durch die Hand rutscht und so zum Tod des anderen Kletterers führt.[12] Davidson geht auf dieses Problem ein, indem er Fälle von abwegiger Kausalität aus seiner Darstellung ausschließt, da sie keine Beispiele für absichtliches Verhalten im strengen Sinne sind. Körperliches Verhalten stellt also nur dann eine Handlung dar, wenn es durch Absichten in der richtigen Weise verursacht wurde.

Ein wichtiger Einwand gegen Davidsons Handlungstheorie ist, dass sie die Rolle des Handelnden bei der Erzeugung der Handlung nicht berücksichtigt. Diese Rolle könnte beinhalten, darüber nachzudenken, was zu tun ist, eine Alternative zu wählen und sie dann auszuführen.[7] Ein weiterer Einwand lautet, dass bloße Absichten anscheinend nicht ausreichen, um Handlungen hervorzurufen, dass andere zusätzliche Elemente, nämlich Volitionen oder Handlungsversuche, notwendig sind. Zum Beispiel hat John Searle darauf hingewiesen, dass es eine kausale Kluft zwischen der Absicht, etwas zu tun, und der tatsächlichen Ausführung zu geben scheint. Diese Kluft muss durch einen Willensakt überwunden werden.[7]

Volitionalismus

Volitionalisten versuchen, diese Mängel von Davidsons Ansatz zu überwinden, indem sie den Begriff der Volition oder des Versuchens in ihre Handlungstheorie aufnehmen.[7] Volitionen und Handlungsversuche sind Formen der Bejahung von etwas, genau wie Absichten.[7] Sie lassen sich von Absichten unterscheiden, weil sie auf die Ausführung einer Handlung im Hier und Jetzt gerichtet sind, im Gegensatz zu Absichten, die auf die Zukunft gerichtete Pläne für ein späteres Handeln beinhalten.[7][13] Manche Autoren unterscheiden auch Volitionen als Willensakt von Handlungsversuchen als dem Aufbringen der Mittel, die in der eigenen Macht stehen.[14] Es wurde jedoch argumentiert, dass diese Terme als ein einheitlicher Begriff behandelt werden können, da es für die Handlungstheorie keinen wichtigen Unterschied zwischen den beiden gibt, weil sie bezüglich der Erklärung dieselbe Rolle spielen. Diese Rolle umfasst zum einen die Erfahrungsebene,[5] die darin besteht, etwas zu versuchen, anstatt nur zu beabsichtigen, es später zu tun. Zum anderen gehört dazu auch die metaphysische Ebene in Form der mentalen Verursachung, die die Kluft zwischen mentaler Absicht und körperlicher Bewegung überbrückt.[15][7]

Der Volitionalismus als Theorie zeichnet sich durch drei Kernthesen aus: (1) dass jede körperliche Handlung von einem Versuch begleitet wird, (2) dass Versuche stattfinden können, ohne körperliche Bewegungen hervorzurufen, und (3) dass bei erfolgreichen Versuchen der Versuch die Ursache für die Körperbewegung ist.[7][5] Die zentrale Idee des Versuchsbegriffs findet sich in der zweiten These. Sie beinhaltet die Behauptung, dass einige unserer Versuche zu erfolgreichen Handlungen führen, während andere entstehen, ohne zu einer Handlung zu führen.[16] Aber auch in einem erfolglosen Fall gibt es noch etwas: Es unterscheidet sich davon, es gar nicht zu versuchen.[7] Beispielsweise kann eine gelähmte Person, nachdem sie eine neue Behandlung erhalten hat, testen, ob die Behandlung erfolgreich war, indem sie versucht, ihre Beine zu bewegen. Der Versuch und Fehlschlag, die Beine zu bewegen, unterscheidet sich von der Absicht oder dem Wunsch, dies später zu tun: Nur im ersten Fall erfährt der Patient, dass die Behandlung erfolglos war.[7] Es gibt einen Sinn, in dem Versuche entweder stattfinden oder nicht, aber nicht fehlschlagen können, im Gegensatz zu Handlungen, deren Erfolg ungewiss ist.[16][4] Dieser Gedankengang hat einige Philosophen zu der Annahme veranlasst, dass das Versuchen selbst eine Handlung ist: eine besondere Art von Handlung, die als Basishandlung bezeichnet wird.[1] Diese Behauptung ist jedoch problematisch, da sie zu einem bösartigen Regress zu führen droht: Wenn etwas eine Handlung ist, weil es durch eine Volition verursacht wurde, dann müssten man eine weitere Volition postulieren, aufgrund dessen der erste Versuch als Handlung angesehen werden kann.[4][17]

Eine einflussreiche Kritik an den volitionalen Erklärungen von Handlungen stammt von Gilbert Ryle. Er argumentiert, dass Volitionen entweder aktiv sind, in welchem Fall der oben erwähnte Regress unvermeidlich ist, oder nicht, in welchem Fall sie nicht erforderlich wären, da ihre Existenz keine erklärende Funktion übernimmt.[5] Aber es wurde behauptet, dass dies ein falsches Dilemma darstellt: dass Volitionen also eine erklärende Rolle spielen können, ohne zu einem bösartigen Regress zu führen. John Stuart Mill vermeidet beispielsweise dieses Problem, indem er davon ausgeht, dass Handlungen aus zwei Teilen bestehen: einer Volition und der ihr entsprechenden körperlichen Bewegung.[5]

Mithilfe der Volitionen lässt sich auch erklären, wie der Handelnde über sein eigenes Handeln Bescheid weiß. Dieses Wissen darüber, was man tut oder zu tun versucht, ist direkt durch Introspektion verfügbar: Der Handelnde muss sein Verhalten nicht durch Sinneswahrnehmung beobachten, um zu diesem Wissen zu gelangen, im Gegensatz zu einem externen Beobachter.[1][5] Die Erfahrung der Handlungsmacht beinhaltet Volitionen und kann von der Erfahrung von Freiheit unterschieden werden, welche den zusätzlichen Aspekt beinhaltet, dass man zwischen verschiedenen Handlungsalternativen wählen kann.[5] Eine Volition ist aber auch dann möglich, wenn es keine zusätzlichen Alternativen gibt.[5]

Volitionalisten vertreten in der Regel die Auffassung, dass es einen kausalen Zusammenhang zwischen Volitionen und Körperbewegungen gibt.[7] Kritiker haben darauf hingewiesen, dass diese Position uns von unserem Körper zu entfremden droht, da sie eine strikte Unterscheidung zwischen unserer Handlungsmacht und unserem Körper einführt, was uns nicht so erscheint.[7][18] Eine Möglichkeit, diesen Einwand zu umgehen, besteht in der Behauptung, dass Volitionen körperliche Bewegungen konstituieren, d. h. ein Aspekt von ihnen sind, anstatt sie zu verursachen.[18] Eine andere Möglichkeit, diesen Einwand zu entkräften, besteht darin, zu behaupten, dass Volitionen nicht nur die anfänglichen Auslöser von Körperbewegungen sind, sondern dass es sich um kontinuierliche Aktivitäten handelt, die die Körperbewegungen steuern, während sie stattfinden.[7][19]

Nicht-Kausalismus

Nicht-kausalistische oder anti-kausalistische Theorien bestreiten, dass Absichten oder ähnliche Zustände Handlungen verursachen.[20][21][22] Sie widersprechen damit kausalistischen Theorien wie Davidsons Ansatz oder Standardformen des Volitionalismus. Sie stimmen normalerweise darin überein, dass Absichten für Handlungen wesentlich sind.[23] Dies bringt die Schwierigkeit mit sich, die Beziehung zwischen Absichten und Handlungen auf nicht-kausale Weise zu erklären.[20] Zu diesem Thema wurden einige Vorschläge gemacht, aber dies ist immer noch ein offenes Problem, da keiner von ihnen nennenswerte Unterstützung gefunden hat. Der teleologische Ansatz beispielsweise geht davon aus, dass diese Beziehung nicht im Sinne einer Wirkursache, sondern im Sinne einer Zweckursache zu verstehen ist.[24] Ein Problem bei diesem Ansatz besteht darin, dass die beiden Formen der Verursachung einander nicht ausschließen. Nur wenige Theoretiker bestreiten, dass Handlungen teleologisch im Sinne von zielgerichtet sind. Aber die Vorstellung eines Ziels im Kopf des Handelnden kann gleichzeitig als Wirkursache fungieren.[20] Aufgrund dieser Probleme sind die meisten Argumente für Nicht-Kausalismus negativ: Sie stellen Einwände dar, die darauf hinweisen, warum kausalistische Theorien versagen.[20][25] Wichtig unter ihnen sind Argumente der abwegigen Kausalität: dass ein Verhalten nur dann eine Handlung darstellt, wenn es durch eine Absicht in der richtigen Weise verursacht wurde, nicht aber in irgendeiner Weise. Diese Kritik konzentriert sich auf die Schwierigkeiten, die Kausalisten bei der expliziten Formulierung der Unterscheidung zwischen richtiger und abwegiger Kausalität haben.[26]

Eine wichtige Herausforderung für den Nicht-Kausalismus geht auf Davidson zurück.[23][26] Wie er betont, haben wir normalerweise viele verschiedene Gründe, dieselbe Handlung auszuführen. Aber wenn wir sie ausführen, handeln wir oft aus einem Grund, aber nicht aus einem anderen.[26][25] Ein Grund für Abdul, zu seiner Krebsbehandlung zu erscheinen, ist zum Beispiel, dass er Prostatakrebs hat. Ein weiterer Grund ist, dass es im Wartebereich seine Lieblingszeitung gibt. Abdul ist sich beider Gründe bewusst, aber er führt diese Handlung nur wegen des ersteren Grundes durch. Kausalistische Theorien können diese Tatsache durch eine kausale Beziehung erklären: Der erstere, aber nicht der letztere Grund, verursacht die Handlung. Die Herausforderung für nicht-kausalistische Theorien besteht darin, eine überzeugende nicht-kausale Erklärung für diese Tatsache zu liefern.[26][25]

Individuation

Das Problem der Individuation betrifft die Frage, ob zwei Handlungen identisch sind oder wie Handlungen zu zählen sind. Zum Beispiel drückte John Wilkes Booth am 14. April 1865 den Abzug seiner Waffe, feuerte einen Schuss ab und tötete Abraham Lincoln. Bei einer feinkörnigen Theorie der Individuation sind das Abdrücken, das Abfeuern und das Töten drei verschiedene Handlungen.[4] In ihrer extremsten Form gibt es für jeden Handlungstyp eine eigene Handlung.[5] Da beispielsweise „Singen“ und „lautes Singen“ zwei unterschiedliche Handlungstypen sind, führt jemand, der laut singt, mindestens diese beiden unterschiedlichen Handlungen aus.[4] Diese Sichtweise hat die unintuitive Konsequenz, dass selbst die einfachsten Ausübungen der Handlungsmacht zu einer Vielzahl von Handlungen führen. Theorien der grobkörnigen Individuation von Handlungen hingegen besagen, dass Ereignisse, die einander konstituieren oder verursachen, als eine Handlung zu zählen sind.[4][2] Nach dieser Auffassung ist die Handlung des Abdrückens des Abzugs identisch mit der Handlung des Abfeuerns der Waffe und mit der Handlung des Tötens von Lincoln. Indem er all diese Dinge tat, führte Booth also nur eine Handlung aus. Eine Intuition zugunsten dieser Sichtweise ist, dass wir oft eine Sache tun, indem wir eine andere Sache tun:[2] Wir schießen die Waffe, indem wir den Abzug betätigen, oder wir schalten das Licht ein, indem wir den Schalter umlegen. Ein Argument gegen diese Sichtweise ist, dass die verschiedenen Ereignisse zu unterschiedlichen Zeitpunkten stattfinden können.[5] So erlag Lincoln beispielsweise am nächsten Tag seinen Verletzungen, also eine ganze Weile nach dem Schuss. Dies wirft die Frage auf, wie man erklären kann, dass zwei Ereignisse, die zu unterschiedlichen Zeiten stattfinden, identisch sind.[5]

Handlung oder Handlungsverbund: die Einheit einer Handlung

Oft bestehen Handlungen aus mehreren Einzelvollzügen. Die Handlung „frühstücken“ besagt, dass man sich etwas zum Trinken macht und Obst oder Brot isst.

Der Satz „Deutschland führte bis Mai 1945 Krieg in Europa (mit dem Ziel, die politische Vorherrschaft in Europa zu entscheiden)“ bezeichnet grammatisch eine Handlung, die in Wirklichkeit aus vielen zusammenhängenden Handlungen (Handlungsverbünden) besteht [Kriegswirtschaft, politische Taktik, einzelne Schlachten innerhalb eines Feldzuges, mehrere Feldzüge (Krieg im Osten und Westen) …]

Mehrere Einzelvollzüge und Handlungsverbünde kann man als eine Handlung ansprechen. Dabei entsteht die Frage, wie sich ein Handlungsverbund von wirklich unterschiedlichen Handlungen unterscheiden lässt. Unterschiedliche Handlungen lassen sich von einer Anzahl von Einzelvollzügen einer Handlung oder von einem Handlungsverbund dadurch unterscheiden, dass unterschiedliche Handlungen auch unterschiedliche oder die gleichen (nicht „dieselben“!) Zwecke haben, und dass ein einziger Handlungsverbund oder eine Handlung aus mehreren Einzelvollzügen jedoch denselben Zweck für alle seine Handlungen hat.

Das Kriterium für die Einheit einer Handlung ist also, ob Einzelvollzüge oder Handlungsverbünde ein und dasselbe Ziel haben.

Arten

Grundlegend und nicht-grundlegend

Eine wichtige Unterscheidung zwischen Handlungen ist die zwischen grundlegenden und nicht-grundlegenden Handlungen. Diese Unterscheidung steht in engem Zusammenhang mit dem Problem der Individuation, da sie ebenfalls von der Vorstellung abhängt, eine Sache durch oder aufgrund einer anderen Sache zu tun, wie ein Licht einzuschalten, indem man einen Schalter umlegt.[27][28][29] In diesem Beispiel ist das Umlegen des Schalters grundlegender als das Einschalten des Lichts. Aber das Einschalten des Lichts kann ihrerseits eine andere Handlung konstituieren, wie die Handlung, den Einbrecher zu alarmieren. Üblicherweise wird angenommen, dass die so zusammengesetzte Kette oder Hierarchie von Handlungen eine grundlegende Ebene hat, auf der sie aufhört.[27][5] Die Handlung auf dieser grundlegenden Ebene wird als Basishandlung bezeichnet: Sie wird nicht dadurch ausgeführt, dass man etwas anderes tut.[4] Aus diesem Grund sind Basishandlungen einfach, während nicht-grundlegende Handlungen komplex sind.[27]

Es wird oft angenommen, dass Körperbewegungen Basishandlungen sind, wie das Drücken des Fingers gegen den Abzug, während die Folgen dieser Bewegungen, wie das Abfeuern der Waffe, nicht-grundlegende Handlungen sind.[4] Es scheint jedoch, dass Körperbewegungen selbst aus anderen Ereignissen (Muskelkontraktionen)[5] bestehen, welche ihrerseits aus anderen Ereignissen (chemische Prozesse) bestehen. Anscheinend sind diese grundlegenderen Ereignisse aber keine Handlungen, da sie nicht unter unserer direkten willentlichen Kontrolle stehen.[1][5] Eine Möglichkeit, diese Komplikationen zu lösen, ist die Annahme, dass Basishandlungen den einfachsten Befehlen entsprechen, die wir befolgen können.[27] Diese Position schließt die meisten Formen von Muskelkontraktionen und chemischen Prozessen aus der Liste der Basishandlungen aus, da wir die entsprechenden Befehle normalerweise nicht direkt befolgen können. Was nach dieser Sichtweise als Basishandlung zählt, hängt von den Fähigkeiten des Handelnden ab.[27] Das Kontrahieren eines bestimmten Muskels ist also eine Basishandlung für einen Handelnden, der gelernt hat, dies zu tun. Für die Einstufung als Basishandlung ist nicht nur wichtig, was der Handelnde tun kann, sondern auch, was er tatsächlich tut. Das Heben der rechten Hand kann also nur dann als Basishandlung gelten, wenn es direkt mit der rechten Hand erfolgt. Wenn der Handelnde seine linke Hand benutzt, um die rechte Hand zu heben, dann ist das Heben der rechten Hand keine Basishandlung mehr.[1][5]

Eine gegensätzliche Sichtweise identifiziert Basishandlungen nicht mit körperlichen Bewegungen, sondern mit mentalen Volitionen.[1] Eine Motivation für diese Position ist, dass Volitionen das direkteste Element in der Kette der Handlungsmacht sind: Sie können nicht scheitern, im Gegensatz zu körperlichen Handlungen, deren Erfolg zunächst ungewiss ist.[4] Ein Argument gegen diese Position ist, dass sie zu einem bösartigen Regress führen kann, wenn sie mit der Annahme gepaart wird, dass eine vorhergehende Volition erforderlich ist, damit die genannte Volition eine Handlung darstellt.[17] Aus diesem Grund vertreten Volitionisten häufig die Ansicht, dass Volitionen Handlungen verursachen oder Teile von Handlungen sind, aber selbst keine vollständigen Handlungen darstellen.

Körperlich und geistig

Philosophen haben den Begriff der Handlung vor allem im Hinblick auf physische Handlungen untersucht, welche in der Regel als Körperbewegungen verstanden werden.[10][17] In dieser Hinsicht ist es nicht ungewöhnlich, körperliche Bewegungen als einzige Form des Handelns zu verstehen.[7] Einige Volitionisten hingegen behaupten, dass alle Handlungen mental sind, weil sie aus Volitionen bestehen. Diese Position ist jedoch mit verschiedenen Problemen verbunden, wie im entsprechenden Abschnitt weiter oben erläutert. Es gibt jedoch einen möglichen Mittelweg zwischen diesen beiden extremen Positionen, der die Existenz sowohl körperliche als auch geistiger Handlungen zulässt.[17] Verschiedene mentale Ereignisse wurden als Kandidaten für nicht-physische Handlungen vorgeschlagen, wie Vorstellen, Urteilen oder Erinnern.[17]

Eine einflussreiche Darstellung mentaler Handlungen stammt von Galen Strawson, der davon ausgeht, dass mentale Handlungen darin bestehen, „die Übermittlung von Inhalten an das eigene Bewusstseinsfeld auszulösen“.[17][30] Nach dieser Auffassung sind die Ereignisse des Vorstellens, Beurteilens oder Erinnerns streng genommen keine mentalen Handlungen, aber sie können die Produkte mentaler Handlungen sein.[17] Mentale Handlungen im engeren Sinne sind vorbereitend oder katalytisch: Sie bestehen darin, den Geist darauf vorzubereiten, dass diese Inhalte entstehen.[30] Sie schaffen günstige Bedingungen, können aber nicht sicherstellen, dass die beabsichtigten Inhalte erscheinen.[17] Strawson verwendet die Analogie des Herunterspringens von einer Mauer, bei der das Springen selbst (das dem Auslösen entspricht) als Handlung betrachtet wird, aber das Fallen (das der Anwesenheit eines Inhalts entspricht) ist keine Handlung mehr, da es außerhalb der Kontrolle des Handelnden liegt.[17][30] Candace L. Upton und Michael Brent wenden ein, dass diese Darstellung mentaler Handlungen nicht vollständig ist.[17] In Anlehnung an mentale Aktivitäten, die während der Meditation stattfinden, argumentieren sie, dass Strawsons Darstellung verschiedene Formen mentaler Handlungen auslässt, wie das Aufrechterhalten der Aufmerksamkeit auf einem Objekt oder das Entfernen eines Inhalts aus dem Bewusstsein.[17]

Ein Grund für die Zweifel an der Existenz mentaler Handlungen ist, dass mentale Ereignisse oft unwillkürliche Reaktionen auf innere oder äußere Reize zu sein scheinen und daher nicht unter unserer Kontrolle stehen.[17] Ein weiterer Einwand gegen deren Existenz besteht darin, dass die Standarddarstellung von Handlungen in Bezug auf Absichten für mentale Handlungen zu versagen scheint. Das Problem dabei ist, dass die Absicht, über etwas nachzudenken, bereits den Inhalt des Gedankens beinhalten muss. Der Gedanke ist also nicht mehr erforderlich, da die Absicht den Inhalt bereits selbst „denkt“. Dies führt zu einem bösartigen Regress, da eine weitere Absicht notwendig wäre, um die erste Absicht als Handlung zu charakterisieren.[17] Ein Einwand nicht nur gegen mentale Handlungen, sondern auch gegen die Unterscheidung zwischen physischen und mentalen Handlungen ergibt sich aus der Schwierigkeit, strenge Kriterien zur Unterscheidung der beiden zu finden.[31]

Philosophie

Scholastik

Die Scholastik als Hauptströmung der mittelalterlichen Philosophie nannte das Was einer Handlung „Gegenstand“ (obiectum) und das Worum-willen die „Absicht(intentio) einer Handlung.[32] Zum Beispiel lügt jemand (Aktivität/Tatbestand) um sich a) einen Vorteil zu verschaffen (Motiv) oder b) einen Juden vor der Gestapo versteckt zu halten (Motiv). „Die Motive geben das Worum-willen der Handlung oder die Ziele/Zwecke an“[33] und was in einer Handlung getan wird, „erweist sich als Mittel, sie (die Ziele/Zwecke) zu erreichen“.[34]

Die Struktur einer Handlung: die Zweckmittelrelation

Handlungsmittel und Handlungszweck sind die beiden Elemente, aus denen eine Handlung besteht: „Handlungen sind nur verstehbar, wenn sie unter dem Gesichtspunkt betrachtet werden, ob sie Mittel darstellen, das gewünschte Ziel zu erreichen.“[34] Soll das Handlungsmittel tatsächlich dem Handlungsziel dienen, „dann muss man ihre Zweckmittelrationalität (Max Weber) […] prüfen.“[34] Eine Handlung besteht also strukturell aus drei Wirklichkeiten: aus zwei Elementen (Mittel und Zweck) und einer Relation (Zweckmittelrelation: ob das Mittel der Handlung dem Zweck entspricht).

Ethik

Ethik als philosophisches Fach bedenkt alles Handeln nach einer letzten (absoluten) Zweck-Mittel-Relation – insofern die Ethik darauf abzielt, „eine umfassende Handlungsorientierung […] zu leisten“.[35] So fragt die Ethik z. B., ob und unter welchen Bedingungen Kriege vernünftig sind (erlaubt sind oder gar geboten sind, sogenannte gerechte Kriege) und welche Arten von Kriegsführung moralisch unerlaubt sind („ungerechte Kriege“). Dabei reflektiert sie drei Handlungsstrukturelemente:

  • den Tatbestand einer Handlung (z. B. Bürgerkrieg gegen Tyrannen),
  • die Handlungsfolgen (Güterabwägungstheorie): ob oder unter welchen Bedingungen die schlechten Folgen einer Handlung in Kauf zu nehmen sind, damit ein guter Handlungszweck überhaupt erfüllt werden kann („Die Theorie der Güterabwägung bildet das Kernstück einer jeden Ethik.“[36]) und
  • das Höchste Gut (höchste Ziel/Zweck) von Handlungen, das allererst mögliche gute Handlungszwecke normiert (als gut erscheinen lässt), da „jede umfassende Güterabwägung erfordert, dass es […] ein Gut“ geben muss, das anderen „Gütern als Maßstab der Abwägung gelten kann“[37] – weil anders (ohne ein höchstes Gut) Güterabwägungen nicht allgemein einsichtig dargestellt werden können, sondern (vom ersten unbestimmten Glied her) beliebig oder different sind. Somit ist außer der Güterabwägungstheorie die Begründung des Höchsten Gutes eine wesentliche Aufgabe der Ethik. „Für die menschliche Person bedeutet das ethisch höchste Gut zugleich auch das Lebensziel, das allem Sinn gibt. Es beantwortet die identitätsstiftende Frage nach dem Lebenssinn.“[38] In der Ethik werden z. B. folgende Bestimmungen des Höchsten Gutes diskutiert:
    • dass jede Person nie in einer Handlung als Mittel zu einem Zweck gebraucht, der nicht im Interesse der Person liegt (Selbstzwecklichkeit des Menschen, Personenwürde) oder
    • das Glück der größtmöglichen Zahl oder
    • die Lebensentfaltung aller auf die Dauer und im Ganzen.
Beispiel

Fragt man historisch (faktisch, rein militärisch) nach der Zweckmittelrationalität des Satzes „Deutschland führte bis Mai 1945 Krieg in Europa“, so sind die Historiker sich einig, dass die Kriegserklärung gegen die Sowjetunion nicht in einer rationalen Relation stand zum Handlungsziel, durch die kriegerischen Handlungen ab 1939 (Überfall auf Polen, Frankreichfeldzug, Luftkrieg gegen England) die politische Vorherrschaft in Europa zu gewinnen, denn der Zweifrontenkrieg überforderte die deutschen Kräfte. Nehmen wir an, Deutschland hätte den Luftkrieg gegen England gar nicht begonnen, sondern hätte das eroberte West- und Osteuropa politisch konsolidiert – wäre der Polen- und Frankreich-Feldzug dann zweckrational gewesen? Diese Frage ist von der Frage danach zu unterscheiden, ob die Handlung im moralischen Sinne gut gewesen wäre.

Psychologie

Handeln gehört auch zum Kerngebiet der Motivationspsychologie. Zielbasierte, motivationspsychologische Theorien gehen davon aus, dass Menschen sich Ziele setzen (können), nach denen sie ihr Handeln ausrichten. Ob ein Ziel gesetzt wird, hängt davon ab, inwieweit es als wünschbar und durchführbar erlebt wird bzw. mit einer Strategie oder einem Lebensplan vereinbar ist. Andererseits lässt sich Handeln (theoretisch) auf motivationale Sachverhalte zurückführen.[39]

Handeln ist motiviert und daher (im Normalfall) zielgerichtet. Handeln strebt die Befriedigung eines Bedürfnisses oder die Vermeidung eines Schadens an. Mit der Einbeziehung der Motivation thematisiert die Handlungstheorie die inneren Prozesse, die zwischen der Wahrnehmung der Umgebung, der aktuellen Motivlage und dem Tun vermitteln.

Dietrich Dörner erstellte ein Modell, welches Handeln in verschiedene Stationen unterteilte. Dabei ist es nicht wichtig, dass diese Stufen linear abgearbeitet werden:

  • Absichtsauswahl
  • Zielelaboration
  • Informationssammlung und Hypothesenbildung
  • Prognose
  • Planen
  • Entscheidung und kontrolliertes Tun


Auch in der Neuropsychologie werden das Handeln und die Handlungssteuerung heute zunehmend untersucht: Dabei spielen dort vor allem das Konzept der exekutiven Funktionen und der Selbstregulation sowie das Aufdecken der neurobiologischen Korrelate dieser Funktionen eine sehr wichtige Rolle.[40]

Handeln ist im Sinne der neueren Psychologie bzw. Pädagogik vor allem ein Instrument der Sozialisation. Als Interaktion gewinnt der Sachverhalt seine sozialisatorische Bedeutung. Indem der Mensch in sozialen Gefügen handelt

  • erwirbt er Wissen
  • lernt er, sich in ähnlichen Situationen zu verhalten
  • gewinnt er gestalterische Kompetenzen, die ihm Einfluss auf seine soziale und materielle Umwelt ermöglichen (siehe Handlungskompetenz).[41]

Eine Existenzsicherung stellt das Handeln als Interaktion zwischen Kind und Bezugspersonen in der frühen Kindheit dar. Kinder ohne diese oder ausreichende Interaktionsmöglichkeiten haben bedeutende Persönlichkeitsstörungen, die von langer Dauer sind und nicht immer (vollständig) therapiert werden können.[42]

Menschen (im Alter) ohne sozial relevante Handlungsmöglichkeiten geraten in große psychische Bedrängnis, erachten sich als wertlos und fühlen sich an den Rand ihrer Existenz gedrängt (Suizid, Depression).

Handlungstäuschung

Handlungstäuschung beschreibt in der Psychologie eine intentional irreführende Handlung anderer Personen. Aus der Wahrnehmung dieser Täuschung resultiert eine Reaktion auf die erwartete Handlung, die jedoch nur angetäuscht wird und nicht der Intention des Täuschenden entspricht. Durch höhere motorische Handlungserfahrung kann eine Verbesserung im Erkennen von Täuschungen erzielt werden. Beispielsweise können regelmäßige Basketballspieler besser angetäuschte Aktionen des Gegenspielers (z. B. Pässe) wahrnehmen.

Pädagogik

In der Pädagogik geht es insbesondere um das Handeln des Erziehenden, das grundsätzlich daran orientiert sein sollte, das Kind/den Jugendlichen zu fördern. Förderung ist ein Komplex unterschiedlicher und methodisch durchdachter Handlungen, die der Entwicklung des Kindes bzw. seiner möglichst effektiven Sozialisation dienen.[43]

In der Pädagogik gibt es verschiedene Systeme, die Handlungen beschreiben, die man als effektiv bzw. wenig effektiv im Sinne der Sozialisation des Kindes/Jugendlichen bezeichnen könnte. Die Diskussion über Erziehungsstile[44] ist z. B. eine Erörterung von Handlungsvarianten und deren Möglichkeiten der Realisierung (vor allem eine Systematisierung von Handlungen). Ähnlich ist es mit der Darstellung von sinnvollen und weniger sinnvollen Maßnahmen der Erziehung (Handlungskomplexen) in unterschiedlichen Situationen.

Handlungen des Erziehenden werden meist in Beziehung gesetzt zu den Erziehungsinstitutionen, in denen sie realisiert werden (sollen): Erziehungshandeln in der Familie, in der Vorschulerziehung, in der Schule, in der Ausbildung usw. In diesen Dynamiken spielen freilich die Kinder (die zu Erziehenden) eine herausragende Rolle als Mitgestalter der Erziehungssituation.

Im gänzlich anderen Zusammenhang wurden in den 1970er Jahren von dem Erziehungswissenschaftler Andreas Gruschka die Handlungsweise (des Erziehenden) und ihre Reflexion in die Ausbildung eingebracht: Das Erziehungshandeln von Praktikantinnen und Erzieherinnen sollte nunmehr reflektiert werden. Der Ansatz fand Eingang in die Erzieherinnenausbildung in Nordrhein-Westfalen und wurde im Verlauf der letzten Jahrzehnte in den Berufskollegs des Landes ausdifferenziert und systematisiert.[45]

Rechtswissenschaft

Bloßes Handeln wird erst bei der Rechtshandlung rechtlich bedeutsam. Diese setzt zivilrechtlich Handlungsfähigkeit und strafrechtlich Deliktsfähigkeit voraus. Von diesem Verständnis analysiert das Strafrecht in der Rechtswissenschaft die Rechtshandlung als prinzipiell willentlich und die Tathandlung als schuldhaft: Ohne eine gewisse (vom Gesetzgeber unterstellte) Freiheit des Willens gäbe es keine Schuld, also auch keine gesetzliche Strafe.[46]

Soziologie

Namentlich ist „Handeln“ – und zwar als soziales Handeln – zu einem wichtigen Grundbegriff der Soziologie geworden.[47]

Soziale Positionen in der Gesellschaft und ein von ihnen gestütztes Selbstbewusstsein kann sich der Einzelne (Akteur) mit Hilfe sinnhaften Handelns und Gestaltens im Rahmen von Arbeit sowie von weiteren Handlungsformen (Kunst, Spiel) erobern und bewahren. Zum Beispiel lassen sich die häufigen Handlungsschwächen von Langzeitarbeitslosen auch als Entzug der Zugänge zu sozialen Positionen kraft eigenen Handelns erklären, die ihnen soziale Anerkennung und Identität vermitteln könnten.

Verwandte Begriffe

Überlegung und Entscheidung

Überlegungen und Entscheidungen sind für Handlungen relevant, da sie häufig dem Handeln vorausgehen. Oft stehen dem Handelnden mehrere Handlungsoptionen offen.[4] In solchen Fällen erfüllt das Überlegen die Funktion, die verschiedenen Optionen zu bewerten, indem sie die Gründe für und gegen sie abwägt. Die Entscheidung ist dann der Prozess, eine dieser Alternativen auszuwählen und die Absicht zu bilden, sie auszuführen, was dann zu einer Handlung führt.[4][48]

Erklärung und Rationalität

Erklärungen können als Antworten auf Warum-Fragen charakterisiert werden.[49][50] Bei Erklärungen von Handlungen geht es um den Grund, wegen dem der Handelnde die Handlung ausgeführt hat. Die einfachste Antwort auf diese Frage bezieht sich auf die Begierde des Handelnden. Zum Beispiel ging John zum Kühlschrank, weil er eine Begierde nach Eiscreme hatte. Die Glaubenshaltungen des Handelnden sind ein weiteres relevantes Merkmal für Handlungserklärungen.[4] Die Begierde nach Eiscreme erklärt also nicht, dass John zum Kühlschrank gegangen ist, es sei denn, sie ist gepaart mit Johns Glauben, dass sich Eiscreme im Kühlschrank befindet. Die Begierde zusammen mit dem Glauben wird oft als Grund für die Handlung bezeichnet.[4][5] Kausalistische Handlungstheorien gehen normalerweise davon aus, dass dieser Grund die Handlung erklärt, weil er die Handlung verursacht.[4][7]

Ein Verhalten, das keinen Grund hat, ist keine Handlung, da es nicht beabsichtigt ist. Jede Handlung hat einen Grund, aber nicht jede Handlung hat einen guten Grund. Nur Handlungen mit guten Gründen gelten als rational.[51] Zum Beispiel wäre Johns Handlung, zum Kühlschrank zu gehen, als irrational anzusehen, wenn sein Grund dafür schlecht ist, z. B. weil sein Glaube, dass sich im Kühlschrank Eiscreme befindet, lediglich auf Wunschdenken beruht.[52]

Verantwortung

Das Problem der Verantwortung steht in engem Zusammenhang mit der Philosophie des Handelns, da wir normalerweise Menschen für das verantwortlich machen, was sie tun. Aber in gewisser Hinsicht ist das Problem der Verantwortung umfassender, da wir nicht nur dafür verantwortlich sein können, etwas zu tun, sondern auch dafür, etwas nicht zu tun, sogenannte Unterlassungen.[4][2][5] Beispielsweise kann ein Fußgänger, der Zeuge eines schrecklichen Autounfalls wird, moralisch dafür verantwortlich sein, einen Krankenwagen zu rufen und, wenn möglich, direkt Hilfe zu leisten. Zusätzlich zu dem, was der Handelnde getan hat, ist auch relevant, was der Handelnde sonst hätte tun können, d. h. welche Fähigkeiten und Handlungskapazitäten er hatte.[53] Die Absichten des Handelnden sind auch für die Verantwortung relevant, aber wir können für Dinge verantwortlich sein, die wir nicht beabsichtigt haben. So kann beispielsweise ein Kettenraucher negative Auswirkungen auf die Gesundheit der Menschen in seiner Umgebung haben. Dies ist eine Nebenwirkung seines Rauchens, die nicht Teil seiner Absicht ist. Der Raucher kann dennoch für diesen Schaden verantwortlich sein, entweder weil er sich dieser Nebenwirkung bewusst war und beschlossen hat, sie zu ignorieren, oder weil er sich dessen hätte bewusst sein müssen, sogenannte Fahrlässigkeit.[54]

Siehe auch

Handlungstheorien

Weblinks

Wikiquote: Handeln – Zitate
Wiktionary: handeln – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Einzelnachweise

  1. a b c d e f g h i j George Wilson, Samuel Shpall, Juan S. Piñeros Glasscock: Action. In: The Stanford Encyclopedia of Philosophy. Metaphysics Research Lab, Stanford University, 2016;.
  2. a b c d e f Ted Honderich: The Oxford Companion to Philosophy. Oxford University Press, 2005, Action (philpapers.org).
  3. Rupert Lay: Philosophie für Manager. ECON-Verlag, 1989, ISBN 978-3-430-15914-2, S. 72.
  4. a b c d e f g h i j k l m n o p Robert Audi: The Cambridge Dictionary of Philosophy. Cambridge University Press, 1999, action theory (philpapers.org).
  5. a b c d e f g h i j k l m n o p q r s Edward Craig: Routledge Encyclopedia of Philosophy. Routledge, 1996, Action (philpapers.org).
  6. Action theory. In: Encyclopedia Britannica. Abgerufen am 1. März 2021 (englisch).
  7. a b c d e f g h i j k l m n o Joshua Stuchlik: From Volitionalism to the Dual Aspect Theory of Action. In: Philosophia. 41. Jahrgang, Nr. 3, 2013, S. 867–886, doi:10.1007/s11406-013-9414-9 (philpapers.org).
  8. Jeff Malpas: Donald Davidson: 2.1 Reasons as Causes. In: The Stanford Encyclopedia of Philosophy. Metaphysics Research Lab, Stanford University, 2019, abgerufen am 1. März 2021.
  9. Peter Railton: The Oxford Handbook of Ethical Theory. Oxford University Press, 2006, Humean Theory of Practical Rationality, S. 265–81 (philpapers.org).
  10. a b Noa Latham: Meditation and Self-Control. In: Philosophical Studies. 173. Jahrgang, Nr. 7, 2016, S. 1779–1798, doi:10.1007/s11098-015-0578-y (philpapers.org).
  11. Gertrude Anscombe: Intention. Harvard University Press, 2000, ISBN 0-674-00399-3, S. 37–45.
  12. Berent Enç: Causal Theories of Intentional Behavior and Wayward Causal Chains. In: Behavior and Philosophy. 32. Jahrgang, Nr. 1, 2004, S. 149–166 (philpapers.org).
  13. Ted Honderich: The Oxford Companion to Philosophy. Oxford University Press, 2005, Volution (philpapers.org).
  14. Frederick Adams, Alfred R. Mele: The Intention/Volition Debate. In: Canadian Journal of Philosophy. 22. Jahrgang, Nr. 3, 1992, S. 323–337, doi:10.1080/00455091.1992.10717283 (philpapers.org).
  15. Ted Honderich: The Oxford Companion to Philosophy. Oxford University Press, 2005, Trying (philpapers.org).
  16. a b Michael Kühler, Markus Rüther: Handbuch Handlungstheorie: Grundlagen, Kontexte, Perspektiven. J.B. Metzler, 2016, ISBN 978-3-476-02492-3, 7. Handlungsversuche (springer.com).
  17. a b c d e f g h i j k l m Michael Brent, Candace Upton: Meditation and the Scope of Mental Action. In: Philosophical Psychology. 32. Jahrgang, Nr. 1, 2019, S. 52–71, doi:10.1080/09515089.2018.1514491 (philpapers.org).
  18. a b Adrian Haddock: At one with our actions, but at two with our bodies. In: Philosophical Explorations. 8. Jahrgang, Nr. 2, Juni 2005, ISSN 1386-9795, S. 157–172, doi:10.1080/13869790500095939 (philpapers.org).
  19. Carl Ginet: On Action. Cambridge University Press, 1990 (philpapers.org).
  20. a b c d George Wilson, Samuel Shpall: Action: 3. The Explanation of Action. In: The Stanford Encyclopedia of Philosophy. Metaphysics Research Lab, Stanford University, 2016;.
  21. Jiajun Hu: Actions Are Not Events: An Ontological Objection to the Causal Theory of Action. 2018, 1. Introduction (tennessee.edu).
  22. Stewart C. Goetz: A Noncausal Theory of Agency. In: Philosophy and Phenomenological Research. 49. Jahrgang, Nr. 2, 1988, S. 303–316, doi:10.2307/2107978 (philpapers.org).
  23. a b Markus Schlosser: Agency. In: The Stanford Encyclopedia of Philosophy. Metaphysics Research Lab, Stanford University, 2019, abgerufen am 14. Mai 2021.
  24. Jiajun Hu: Actions Are Not Events: An Ontological Objection to the Causal Theory of Action. 2018, 6. Conclusion (tennessee.edu).
  25. a b c Matthieu Queloz: Davidsonian Causalism and Wittgensteinian Anti-Causalism: A Rapprochement. In: Ergo: An Open Access Journal of Philosophy. 5. Jahrgang, Nr. 20201214, 2018, S. 153–72, doi:10.3998/ergo.12405314.0005.006 (philpapers.org).
  26. a b c d Jiajun Hu: Actions Are Not Events: An Ontological Objection to the Causal Theory of Action. 2018, 5. A Davidsonian Challenge (tennessee.edu).
  27. a b c d e Michael Kühler, Markus Rüther: Handbuch Handlungstheorie: Grundlagen, Kontexte, Perspektiven. J.B. Metzler, 2016, ISBN 978-3-476-02492-3, 6. Basishandlungen (springer.com).
  28. Ted Honderich: The Oxford Companion to Philosophy. Oxford University Press, 2005, Basic action (philpapers.org).
  29. Basic action. In: Encyclopedia Britannica. Abgerufen am 1. März 2021 (englisch).
  30. a b c Galen Strawson: Mental Ballistics or the Involuntariness of Spontaniety. In: Proceedings of the Aristotelian Society. 103. Jahrgang, Nr. 3, 2003, S. 227–257, doi:10.1111/j.0066-7372.2003.00071.x (philpapers.org).
  31. Yair Levy: What is 'Mental Action'? In: Philosophical Psychology. 32. Jahrgang, Nr. 6, 2019, S. 971–993, doi:10.1080/09515089.2019.1632427 (philpapers.org).
  32. Peter Knauer: Handlungsnetze - Über das Grundprinzip der Ethik. Frankfurt am Main 2002, ISBN 3-8311-0513-8, PDF (Memento des Originals vom 9. März 2012 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.jesuiten.org.
  33. Otfried Höffe: Lexikon der Ethik. Verlag C. H. Beck, 1992 (4), S. 315 f.
  34. a b c Otfried Höffe: Lexikon der Ethik. Verlag C. H. Beck, 1992 (4), S. 316.
  35. Peter Koslowski: Prinzipien der ethischen Ökonomie. J. C. B. Mohr (Paul Siebeck), 1988, S. 137.
  36. Rupert Lay: Ethik für Manager. ECON Verlag, 1989, S. 85.
  37. Peter Koslowski: Prinzipien der ethischen Ökonomie. J. C. B. Mohr (Paul Siebeck), 1988, S. 170.
  38. Rupert Lay: Über die Kultur des Unternehmens. ECON Verlag, 1992, S. 71.
  39. Vgl.: Falko Rheinberg: Motivation. Kohlhammer, 5. Aufl., Stuttgart 2004.
  40. Sandra V. Müller: Störungen der Exekutivfunktionen. Hogrefe Verlag, Göttingen 2013.
  41. Norbert Kühne: Interaktion als Förderung. In: Praxisbuch Sozialpädagogik. Band 7, S. 9–34; Bildungsverlag EINS, Köln 2009, ISBN 978-3-427-75415-2.
  42. Siehe Entwicklungspsychologie bzw. Hospitalismus; siehe auch Liselotte Ahnert: Bindungstheorie.
  43. Norbert Kühne: Interaktion als Förderung. In: Praxisbuch Sozialpädagogik. Band 7, S. 9–34; Bildungsverlag EINS, Köln 2009, ISBN 978-3-427-75415-2.
  44. A. und R. Tausch: Erziehungspsychologie.
  45. Norbert Kühne: Die Systematisierung pädagogischer Auffassungen in Unterricht und Praktikum. In: Didacta Nova. Pädagogik-Unterricht - ein notwendiger Beitrag zur Schulentwicklung. Schneider, Hohengehren 1999, ISBN 3-89676-142-0, S. 108 ff.
  46. Heinz-Gerd Schmitz: Zur Legitimität der Kriminalstrafe. Philosophische Erörterungen. Berlin 2001, S. 14 ff.
  47. Max Weber: Wirtschaft und Gesellschaft. 1922 u. ö., § 1.
  48. Klemens Szaniawski: Philosophy of decision making. In: Acta Psychologica. 45. Jahrgang, Nr. 1, 1. August 1980, ISSN 0001-6918, S. 327–341, doi:10.1016/0001-6918(80)90041-4 (englisch, sciencedirect.com).
  49. G. Randolph Mayes: Theories of Explanation: 4. Contemporary Developments in the Theory of Explanation. In: Internet Encyclopedia of Philosophy. Abgerufen am 1. März 2021.
  50. Bradford Skow: Reasons Why. Oxford University Press UK, 2016, 2. From Explanations to Why-Questions (philpapers.org).
  51. Maria Alvarez: Reasons for action, acting for reasons, and rationality. In: Synthese. 195. Jahrgang, Nr. 8, 1. August 2018, ISSN 1573-0964, S. 3293–3310, doi:10.1007/s11229-015-1005-9 (englisch).
  52. P. G. Sturdee: Irrationality and the Dynamic Unconscious: The Case for Wishful Thinking. In: Philosophy, Psychiatry, and Psychology. 2. Jahrgang, Nr. 2, 1995, S. 163–174 (philpapers.org).
  53. Matthew Talbert: Moral Responsibility. In: The Stanford Encyclopedia of Philosophy. Metaphysics Research Lab, Stanford University, 2019, abgerufen am 1. März 2021.
  54. Matt King: The Problem with Negligence. In: Social Theory and Practice. 35. Jahrgang, Nr. 4, 2009, S. 577–595, doi:10.5840/soctheorpract200935433 (philpapers.org).