„Friedrich Cerha“ – Versionsunterschied
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Mit 17 Jahren wurde Friedrich Cerha im Jahr 1943 als Luftwaffenhelfer verpflichtet und musste seinen Dienst in Achau, südlich von Wien, verrichten. Schon dort beteiligte er sich an Widerstandshandlungen. Nach einem Semester an der Universität wurde er im November 1944 in eine Offiziersschule in Dänemark beordert. Dort nahm er einen Stoß blanko unterschriebener Marschbefehle an sich und desertierte. Nach einiger Zeit, in der er es schaffte, sich innerhalb des deutschen Gebiets mit Hilfe seiner Marschpapiere unentdeckt aufzuhalten, wurde er bei einem russischen Vorstoß in der Nähe in Pommern in eine Einheit eingegliedert. Später desertierte er ein zweites Mal und schlug sich bis ins westliche Österreich durch. Dort lebte er mehrere Monate in den Bergen, um als Soldat der Wehrmacht der Gefangenschaft durch die Alliierten zu entgehen.<ref>[https://cba.fro.at/333495 "Wörtlich – Friedrich Cerha"], Radio [[Orange 94.0]], 16. u. 23. Jänner 2017</ref> |
Mit 17 Jahren wurde Friedrich Cerha im Jahr 1943 als Luftwaffenhelfer verpflichtet und musste seinen Dienst in Achau, südlich von Wien, verrichten. Schon dort beteiligte er sich an Widerstandshandlungen. Nach einem Semester an der Universität wurde er im November 1944 in eine Offiziersschule in Dänemark beordert. Dort nahm er einen Stoß blanko unterschriebener Marschbefehle an sich und desertierte. Nach einiger Zeit, in der er es schaffte, sich innerhalb des deutschen Gebiets mit Hilfe seiner Marschpapiere unentdeckt aufzuhalten, wurde er bei einem russischen Vorstoß in der Nähe in Pommern in eine Einheit eingegliedert. Später desertierte er ein zweites Mal und schlug sich bis ins westliche Österreich durch. Dort lebte er mehrere Monate in den Bergen, um als Soldat der Wehrmacht der Gefangenschaft durch die Alliierten zu entgehen.<ref>[https://cba.fro.at/333495 "Wörtlich – Friedrich Cerha"], Radio [[Orange 94.0]], 16. u. 23. Jänner 2017</ref> |
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Der auch im hohen Alter weiterhin kompositorisch tätige Cerha tritt vor allem als Komponist orchestraler Werke hervor, so z. B. ein Konzert für Schlagwerk und Orchester für [[Martin Grubinger]] (UA 2009). |
Der auch im hohen Alter weiterhin kompositorisch tätige Cerha tritt vor allem als Komponist orchestraler Werke hervor, so z. B. ein Konzert für Schlagwerk und Orchester für [[Martin Grubinger]] (UA 2009). |
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⚫ | Der [[Musikwissenschaft]]ler [[Werner Grünzweig]] charakterisiert das Frühwerk Cerhas im Loseblatt-Lexikon ''[[Komponisten der Gegenwart]]'' wie folgt: „Nach Kriegsende setzte sich Cerha zunächst mit dem im Konzertleben und Unterrichtsbetrieb vorherrschenden [[Neoklassizismus (Musik)|Neoklassizismus]] auseinander. Das 1947/1948 geschriebene, 1954 überarbeitete ''Divertimento'' ist eine [[Hommage]] an [[Igor Strawinsky|Strawinsky]]. Später wurden die Werke [[Anton Webern]]s und ab 1956 die [[Serielle Musik|seriellen Techniken]] der [[Avantgarde#Avantgarde in der Musik|Avantgarde]] zu Ausgangspunkten für weitere selbständige kompositorische Entwicklungen (''Relazioni fragili'', ''Espressioni fondamentali'', ''Intersecazioni''). Mit ''Mouvements'', ''Fasce'' und seinem ''Spiegel''-Zyklus (1960/1961) hat er sich eine von traditionellen Formulierungen gänzlich freie Klangsprache geschaffen.“<ref>{{Literatur |Autor=Werner Grünzweig |Hrsg=[[Hanns-Werner Heister]], Walter-Wolfgang Sparrer |Titel=Friedrich Cerha |Sammelwerk=Komponisten der Gegenwart |Nummer=2. Nachlieferung |Verlag=edition text+kritik |Ort=München |Datum=1992 |Kommentar=Loseblattwerk, daher keine Seitenangabe}}</ref> |
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Die Musik- und Theaterwissenschaftlerin Sigrid Wiesmann beschreibt diese Phase im ''Metzler Komponisten Lexikon'' ähnlich: „C., von Jugend auf kompositorisch interessiert, hat alle Strömungen der Musik unserer Zeit erfahren und sich in seinen Klangkombinationen doch nie diesen Strömungen untergeordnet. Wenige Anklänge an Stravinsky sind sehr früh überwunden, die Musik der [[Wiener Schule (Moderne)|Wiener Schule]] wird nur als gedankliche Basis erarbeitet. Selbst seriell konzipierte Stücke wie ''Relazioni fragili'' für [[Cembalo]] und Orchester (1956–57/1975) sind anders seriell, als man es gelernt hat. Klangkompositionen wie ''Trois mouvements'' für Orchester (1960) werden nicht zu Wolkenbildern, sondern zu Zuständen, innerhalb derer sich Klangliches konsequent in kleinsten Schritten verändert. Vielleicht ist dies C.s ‚Ausbrechen‘: daß er in allen seinen kompositorischen Entwicklungsphasen schon außerhalb einer Strömung denkt und schreibt, ehe sie noch als solche deklariert wurde.“<ref name="Wiesmann">{{Literatur |Autor=Sigrid Wiesmann |Hrsg=[[Horst Weber (Musikwissenschaftler)|Horst Weber]] |Titel=Cerha, Friedrich |Sammelwerk=Metzler Komponisten Lexikon. 340 werkgeschichtliche Porträts |WerkErg=Mit 313 Abbildungen |Verlag=Verlag J. B. Metzler |Ort=Stuttgart/Weimar |Datum=1992 |Seiten=150 f |ISBN=3-476-00847-9}}</ref> |
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Mit ''Mouvements'', ''Fasce'' und seinem ''Spiegel''-Zyklus (1960/1961) hat er sich eine von traditionellen Formulierungen gänzlich freie Klangsprache geschaffen. Sie unterscheidet sich von scheinbar Ähnlichem in gleichzeitig und unabhängig davon entstandenen Werken von [[György Ligeti|Ligeti]] oder [[Krzysztof Penderecki|Penderecki]] vor allem dadurch, dass fassbare Entwicklungsvorgänge eine entscheidende Rolle spielen und im Verein mit nicht-linearen Prozessen großformale Zusammenhänge stiften, die das Gesamtwerk zu einem kohärenten System, zu einer Art Kosmos werden lassen. |
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Im Bühnenstück ''Netzwerk'', auf der Basis der bewusst heterogenes Material einbegreifenden ''Exercises'' (1962–1967) entstanden, wechseln die Perspektiven zwischen Massenreaktionen und wie unter dem Mikroskop herangezogenen Individualbereichen. Stilistisch und strukturell [[Regression (Musik)|regressive Elemente]] brechen in eine [[Purismus (Kunst)|puristische Klangwelt]] ein und schaffen komplexe Verhältnisse von Störung und Ordnung in einem Organismus, der dem Bild einer „Welt als [[vernetztes System]]“ <!---Zitat? Sagt wer?---> |
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In den ''Spiegeln'' von 1960/61 bahne sich, schreibt Wiesmann, „zum ersten Mal ein theatralischer Aspekt an, da C. die musikalischen Vorgänge mit bildhaften Vorstellungen verknüpft hat.“ <ref name="Wiesmann" /> |
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<!---Nach einer Reihe von Instrumentalwerken, die im Interesse einer Erweiterung des ihm verfügbaren Materials direkten Bezug auf historische [[Idiom (Spracheigentümlichkeit)|Idiome]] nehmen (''Curriculum'', ''Sinfonie''), sind in der Oper ''Baal'' (1974–1980) alle bisher erreichten Strukturformen nahtlos ineinander verwoben. Der einzelne tritt nun provokant ins Zentrum des Interesses, aber die Palette reicht von [[Umkehrung|spiegelähnlichen]] Klangfeldern, die für Urgrundhaftes stehen, bis zu eindeutig artikulierten melodisch-harmonischen Gestalten, in denen sich das differenzierte Beteiligtsein des Individuums äußert. In der Oper ''Der Rattenfänger'' (1984–1986) werden zusätzlich vor allem [[Polyrhythmus|polyrhythmische]] Bildungen mit [[Leitmotiv|leitmotivischer]] Bedeutung für Aufruhr und Unruhe integriert. Eine Wiederaufnahme von Auseinandersetzungen mit verschiedenen Formen von [[Folklore]] bezieht sich in kleineren Arbeiten wie den ''Keintaten'' (1982–1984, nach [[Ernst Kein]]) und Chansons (u. a. nach Texten der [[Wiener Gruppe]]) auf eine Stilisierung und Verfremdung des [[Wiener Idiom]]s. In den zum Teil [[mikrotonal]]en Streichquartetten verstärken hingegen Einflüsse aus außereuropäischer Musik die Tendenzen zu polyrhythmischen und [[Polymetrik|polymetrischen]] Bildungen. Die letzten Werke (''Langegger Nachtmusik III'', ''Drittes Streichquartett'') bestätigen erneut, dass es Cerhas – schon 1962 einsetzendes – Interesse bleibt, eine Vielfalt von heute Erfahrbarem in komplexen musikalischen Organismen zu bewältigen.<ref>Werner Grünzweig: ''Friedrich Cerha''. In: ''[[Komponisten der Gegenwart]]'' (KDG)</ref> ---> |
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[[Lothar Knessl]], Musikjournalist mit Schwerpunkt auf der [[Neue Musik|Neuen Musik]], findet die Kompositionen Cerhas „unangepasst“. Dies bedeute „einerseits, dass Cerhas Kompositionen für die Bühne – und nicht nur diese – zwar von den Klangbildern ihrer Entstehungszeit durchdrungen sind, vielleicht auch subkutan den Zeitgeist reflektieren.“ Er führt weiter aus: „Vorrangig aber sind sie abseits von einer meist flüchtigen Modeströmung formuliert, gefestigt durch eine wandlungsfähige Tonsprache, die sich summarisch als Personalstil agnoszieren lässt: unverkennbar Cerha, abseits von jeglichem polystilistischen Mischmasch und schon dadurch unangepasst. Andererseits bezieht sich ‚unangepasst‘ existenziell auf die Hauptprotagonisten seiner Bühnenwerke. Wie diesen, außerhalb von Gesellschaftsnormen stehenden, Individuen zu begegnen ist, liegt im Ermessen des Rezipienten, Sympathie nicht ausgeschlossen.“<ref>{{Literatur |Autor=Lothar Knessl |Hrsg=[[Matthias Henke]], Gerhard Gensch |Titel=Unangepasst. Zum Bühnenschaffen von Friedrich Cerha |Sammelwerk=Mechanismen der Macht. Friedrich Cerha und sein musikdramatisches Werk |Reihe=Archiv der Zeitgenossen – Sammlung künstlerischer Vor- und Nachlässe, Krems. Schriften |Band=Band 1 |Auflage=1 |Verlag=Studienverlag |Ort=Innsbruck/Wien/Bozen |Datum=2016 |Seiten=15–26 |Fundstelle=hier S. 15 |ISBN=978-3-7065-5196-0}}</ref> |
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Die Opern ''Baal'' (1974–1980), ''Der Rattenfänger'' (1984–1986) und ''Der Riese vom Steinfeld'' (1997–1999), die alle unter der Kurzformel (oder „[[Etikett|Label]]“<ref>{{Literatur |Autor=Matthias Henke |Hrsg=Matthias Henke, Gerhard Gensch |Titel=Vorwort |Sammelwerk=Mechanismen der Macht. Friedrich Cerha und sein musikdramatisches Werk |Reihe=Archiv der Zeitgenossen – Sammlung künstlerischer Vor- und Nachlässe, Krems. Schriften |Band=Band 1 |Auflage=1 |Verlag=Studienverlag |Ort=Innsbruck/Wien/Bozen |Datum=2015-04 |Seiten=9–11 |Fundstelle=hier S. 10 |ISBN=978-3-7065-5196-0}}</ref>) „Mechansismen der Macht“ zusammengefasst werden können,<ref>{{Literatur |Autor=Gerhard Gensch |Hrsg=[[Matthias Henke]], Gerhard Gensch |Titel=Mechanismen der Medienmacht. Zur Rezeption des musikalischen Schaffens von Friedrich Cerha in deutschsprachigen Printmedien |Sammelwerk=Mechanismen der Macht. Friedrich Cerha und sein musikdramatisches Werk |Reihe=Archiv der Zeitgenossen – Sammlung künstlerischer Vor- und Nachlässe, Krems. Schriften |Band=Band 1 |Auflage=1 |Verlag=Studienverlag |Ort=Innsbruck/Wien/Bozen |Datum=2016 |Seiten=219–230 |Fundstelle=hier S. 226 |ISBN=978-3-7065-5196-0}}</ref> sind die meistbeachtesten Werke von Cerha. Das Ausmaß der medialen Aufmerksamkeit, die deren Uraufführungen entgegengebracht wurde, „übertrifft deutlich, was Uraufführungen anderer zeitgenössischer Opern im zeitlichen Umfeld zuteil wurde“.<ref>{{Literatur |Autor=Gerhard Gensch |Hrsg=[[Matthias Henke]], Gerhard Gensch |Titel=Mechanismen der Medienmacht. Zur Rezeption des musikalischen Schaffens von Friedrich Cerha in deutschsprachigen Printmedien |Sammelwerk=Mechanismen der Macht. Friedrich Cerha und sein musikdramatisches Werk |Reihe=Archiv der Zeitgenossen – Sammlung künstlerischer Vor- und Nachlässe, Krems. Schriften |Band=Band 1 |Auflage=1 |Verlag=Studienverlag |Ort=Innsbruck/Wien/Bozen |Datum=2016 |Seiten=219–230 |Fundstelle=hier S. 220 |ISBN=978-3-7065-5196-0}}</ref> Dabei polarisierte insbesondere ''Baal'': „Zwischen überschwänglicher Bewunderung und Zustimmung […] bis zu stark kritischen Positionen […] reicht die Spannbreite der medialen Berichterstattung, für die Tageszeitungen in ihren Kulturteilen großzügig Platz einräumen.“<ref>{{Literatur |Autor=Gerhard Gensch |Hrsg=[[Matthias Henke]], Gerhard Gensch |Titel=Mechanismen der Medienmacht. Zur Rezeption des musikalischen Schaffens von Friedrich Cerha in deutschsprachigen Printmedien |Sammelwerk=Mechanismen der Macht. Friedrich Cerha und sein musikdramatisches Werk |Reihe=Archiv der Zeitgenossen – Sammlung künstlerischer Vor- und Nachlässe, Krems. Schriften |Band=Band 1 |Auflage=1 |Verlag=Studienverlag |Ort=Innsbruck/Wien/Bozen |Datum=2016 |Seiten=219–230 |Fundstelle=hier S. 223 f |ISBN=978-3-7065-5196-0}}</ref> |
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* 1964 [[Theodor-Körner-Preis]] |
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* 1992: 1. Preis beim Kompositionswettbewerb des International Center of New Music Sources (ICONS) in Turin (für 1. Streichquartett) |
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== Werke == |
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Version vom 3. September 2017, 09:30 Uhr
Friedrich Cerha (* 17. Februar 1926 in Wien) ist ein österreichischer Komponist und Dirigent.
Leben
Mit 17 Jahren wurde Friedrich Cerha im Jahr 1943 als Luftwaffenhelfer verpflichtet und musste seinen Dienst in Achau, südlich von Wien, verrichten. Schon dort beteiligte er sich an Widerstandshandlungen. Nach einem Semester an der Universität wurde er im November 1944 in eine Offiziersschule in Dänemark beordert. Dort nahm er einen Stoß blanko unterschriebener Marschbefehle an sich und desertierte. Nach einiger Zeit, in der er es schaffte, sich innerhalb des deutschen Gebiets mit Hilfe seiner Marschpapiere unentdeckt aufzuhalten, wurde er bei einem russischen Vorstoß in der Nähe in Pommern in eine Einheit eingegliedert. Später desertierte er ein zweites Mal und schlug sich bis ins westliche Österreich durch. Dort lebte er mehrere Monate in den Bergen, um als Soldat der Wehrmacht der Gefangenschaft durch die Alliierten zu entgehen.[1]
Cerha erhielt seine Ausbildung an der Wiener Musikakademie (Violine, Komposition, Musikerziehung) und an der Universität Wien (Musikwissenschaften, Germanistik, Philosophie). 1958 gründete er gemeinsam mit Kurt Schwertsik das Ensemble die reihe, das vor allem zeitgenössische Musik in Österreich aufführte. Neben seiner Kompositionstätigkeit trat er als Interpret von Werken Alban Bergs, Arnold Schönbergs und Anton Weberns auf. Für Alban Bergs Oper Lulu, die Berg selbst nicht vollenden konnte, instrumentierte Cerha nach Notizen Bergs unausgeführt gebliebene Abschnitte des 3. Akts. Die Uraufführung der Oper fand 1979 unter Pierre Boulez in Paris statt.
Ab 1959 war Cerha Lehrer an der Hochschule für Musik und darstellende Kunst in Wien und von 1976 bis 1988 dort Professor für „Komposition, Notation und Interpretation neuer Musik“. Zu seinen Schülern zählen unter anderem Georg Friedrich Haas, Dirk D’Ase und Karlheinz Essl.
Friedrich Cerha trat auch als Opernkomponist hervor, darunter
- Baal nach Bertolt Brecht, UA 1981 bei den Salzburger Festspielen unter Christoph von Dohnányi,
- Der Rattenfänger nach Carl Zuckmayer, UA 1987 beim Steirischen Herbst in Graz unter eigener Leitung,
- Der Riese vom Steinfeld, Text von Peter Turrini, UA 2002 an der Wiener Staatsoper unter Michael Boder.
Weitere Erstaufführungen seiner Werke fanden im Jänner 2006 (Impulse für großes Orchester, ein Auftragswerk der Wiener Philharmoniker zum 150-jährigen Jubiläum ihres Bestehens) sowie im März 2006 (Konzert für Sopransaxophon und Orchester aus dem Jahre 2004) statt.
Der auch im hohen Alter weiterhin kompositorisch tätige Cerha tritt vor allem als Komponist orchestraler Werke hervor, so z. B. ein Konzert für Schlagwerk und Orchester für Martin Grubinger (UA 2009).
Stil und Rezeption
Der Musikwissenschaftler Werner Grünzweig charakterisiert das Frühwerk Cerhas im Loseblatt-Lexikon Komponisten der Gegenwart wie folgt: „Nach Kriegsende setzte sich Cerha zunächst mit dem im Konzertleben und Unterrichtsbetrieb vorherrschenden Neoklassizismus auseinander. Das 1947/1948 geschriebene, 1954 überarbeitete Divertimento ist eine Hommage an Strawinsky. Später wurden die Werke Anton Weberns und ab 1956 die seriellen Techniken der Avantgarde zu Ausgangspunkten für weitere selbständige kompositorische Entwicklungen (Relazioni fragili, Espressioni fondamentali, Intersecazioni). Mit Mouvements, Fasce und seinem Spiegel-Zyklus (1960/1961) hat er sich eine von traditionellen Formulierungen gänzlich freie Klangsprache geschaffen.“[2]
Die Musik- und Theaterwissenschaftlerin Sigrid Wiesmann beschreibt diese Phase im Metzler Komponisten Lexikon ähnlich: „C., von Jugend auf kompositorisch interessiert, hat alle Strömungen der Musik unserer Zeit erfahren und sich in seinen Klangkombinationen doch nie diesen Strömungen untergeordnet. Wenige Anklänge an Stravinsky sind sehr früh überwunden, die Musik der Wiener Schule wird nur als gedankliche Basis erarbeitet. Selbst seriell konzipierte Stücke wie Relazioni fragili für Cembalo und Orchester (1956–57/1975) sind anders seriell, als man es gelernt hat. Klangkompositionen wie Trois mouvements für Orchester (1960) werden nicht zu Wolkenbildern, sondern zu Zuständen, innerhalb derer sich Klangliches konsequent in kleinsten Schritten verändert. Vielleicht ist dies C.s ‚Ausbrechen‘: daß er in allen seinen kompositorischen Entwicklungsphasen schon außerhalb einer Strömung denkt und schreibt, ehe sie noch als solche deklariert wurde.“[3]
In den Spiegeln von 1960/61 bahne sich, schreibt Wiesmann, „zum ersten Mal ein theatralischer Aspekt an, da C. die musikalischen Vorgänge mit bildhaften Vorstellungen verknüpft hat.“ [3]
Lothar Knessl, Musikjournalist mit Schwerpunkt auf der Neuen Musik, findet die Kompositionen Cerhas „unangepasst“. Dies bedeute „einerseits, dass Cerhas Kompositionen für die Bühne – und nicht nur diese – zwar von den Klangbildern ihrer Entstehungszeit durchdrungen sind, vielleicht auch subkutan den Zeitgeist reflektieren.“ Er führt weiter aus: „Vorrangig aber sind sie abseits von einer meist flüchtigen Modeströmung formuliert, gefestigt durch eine wandlungsfähige Tonsprache, die sich summarisch als Personalstil agnoszieren lässt: unverkennbar Cerha, abseits von jeglichem polystilistischen Mischmasch und schon dadurch unangepasst. Andererseits bezieht sich ‚unangepasst‘ existenziell auf die Hauptprotagonisten seiner Bühnenwerke. Wie diesen, außerhalb von Gesellschaftsnormen stehenden, Individuen zu begegnen ist, liegt im Ermessen des Rezipienten, Sympathie nicht ausgeschlossen.“[4]
Die Opern Baal (1974–1980), Der Rattenfänger (1984–1986) und Der Riese vom Steinfeld (1997–1999), die alle unter der Kurzformel (oder „Label“[5]) „Mechansismen der Macht“ zusammengefasst werden können,[6] sind die meistbeachtesten Werke von Cerha. Das Ausmaß der medialen Aufmerksamkeit, die deren Uraufführungen entgegengebracht wurde, „übertrifft deutlich, was Uraufführungen anderer zeitgenössischer Opern im zeitlichen Umfeld zuteil wurde“.[7] Dabei polarisierte insbesondere Baal: „Zwischen überschwänglicher Bewunderung und Zustimmung […] bis zu stark kritischen Positionen […] reicht die Spannbreite der medialen Berichterstattung, für die Tageszeitungen in ihren Kulturteilen großzügig Platz einräumen.“[8]
Auszeichnungen
- 1964: Theodor-Körner-Preis
- 1971: Förderungspreis des Bundesministeriums für Unterricht und Kunst und Wissenschaft
- 1974: Preis der Stadt Wien für Musik
- 1986: Großer Österreichischer Staatspreis für Musik
- 1986: Goldenes Ehrenzeichen des Landes Steiermark
- 1986: Ehrenmedaille der Bundeshauptstadt Wien in Gold
- 1988: Ehrenmitglied des Wiener Konzerthauses
- 1992: 1. Preis beim Kompositionswettbewerb des International Center of New Music Sources (ICONS) in Turin (für 1. Streichquartett)
- 2005: Österreichisches Ehrenzeichen für Wissenschaft und Kunst
- 2006: „Goldener Löwe“ der Musik-Biennale Venedig
- 2007: Ehrenmitglied der Gesellschaft der Musikfreunde in Wien
- 2008: Goldenes Ehrenzeichen für Verdienste um das Land Wien
- 2010: Silbernes Komturkreuz des Ehrenzeichens für Verdienste um das Bundesland Niederösterreich
- 2011: Musikpreis Salzburg
- 2012: Ernst von Siemens Musikpreis
- 2017: Ehrendoktorwürde der Universität Siegen[9]
Werke
Schriften
- Der Turandotstoff in der deutschen Literatur (Dissertation: Universität Wien 1950)
- Schriften: ein Netzwerk (Verlag Lafitte: Wien 2001) - Textsammlung und Werkeinführungen
Kompositionen
- Opern
- Netzwerk, 1981
- Baal, 1974/81 – Text: Bertolt Brecht
- Der Rattenfänger, 1987 – Text: Carl Zuckmayer
- Komplettierung der Oper Lulu von Alban Berg, 1962–78
- Der Riese vom Steinfeld, 2002 – Text: Peter Turrini, 2002
- Onkel Präsident, 2013 – Text: Peter Wolf und Friedrich Cerha. UA: 1. Juni 2013, Staatstheater am Gärtnerplatz, München.
- Spiegel I–VII, 1960–72
- Sinfonie, 1975
- Requiem für Hollensteiner, 1982/83
- Baal-Gesänge, 1983
- Keintaten, 1983 ff.
- Momentum für Karl Prantl, 1988
- Fünf Stücke für Klarinette in A, Violoncello und Klavier, 1999–2000
- Konzert für Sopransaxophon und Orchester, 2003–2004
- Konzert für Violine und Orchester, 2004
- Quintett für Oboe und Streichquartett, 2007[10]
- Konzert für Schlagzeug und Orchester, 2007–2008
- Like a Tragicomedy für Orchester, 2008–2009
- Bruchstück, geträumt für Ensemble, 2009
- Paraphrase über den Anfang der 9. Symphonie von Beethoven, 2010
- Zebra-Trio, für Streichtrio, 2011
- Tagebuch für Orchester, 2012
- Drei Sätze für Orchester, 2015
Literatur
- Lothar Knessl: Friedrich Cerha. Schriften – Ein Netzwerk. In: Komponisten unserer Zeit. Band 28. Verlag Lafite, Wien 2001, ISBN 978-3-85151-065-2, S. 312.
- Sabine Töfferl: Friedrich Cerha - Doyen der österreichischen Musik der Gegenwart. Eine Biografie. New Academic Press, Wien 2017. ISBN 978-3-7003-1981-8, 296 Seiten.
- Harald Kaufmann: Notizen über Friedrich Cerha. Anlässlich der Uraufführung von „Spiegel III“ in Stockholm. In: Werner Grünzweig, Gottfried Krieger (Hrsg.): Von innen und außen. Schriften über Musik, Musikleben und Ästhetik. Wolke, Hofheim 1993, S. 100–103.
- Nikolaus Urbanek: Spiegel des Neuen. Musikästhetische Untersuchungen zum Werk Friedrich Cerhas. In: Varia Musicologica. Band 4. Peter Lang, Bern / Berlin / Bruxelles / Frankfurt am Main / New York / Oxford / Wien 2005, ISBN 978-3-03910-445-1.
- Lukas Haselböck (Hrsg.): Friedrich Cerha. Analysen – Essays – Reflexionen. Rombach Verlag KG, Freiburg i. Br./Berlin/Wien 2006.
- Matthias Henke, Gerhard Gensch (Hrsg.): Mechanismen der Macht. Friedrich Cerha und sein musikdramatisches Werk. Studienverlag, Innsbruck 2016.
Weblinks
- Werke von und über Friedrich Cerha im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Offizielle Website
- Friedrich Cerha bei der Universal Edition
- Friedrich Cerha beim Ricordi Verlag
- Ensemble die reihe
- Friedrich Cerha Music Information Center Austria (abgerufen am 30. Oktober 2013)
- Werkverzeichnis, Biografie und Vorlass von Friedrich Cerha Archiv der Zeitgenossen (Donau-Universität Kems)
- Archivaufnahmen mit und über Friedrich Cerha in der Österreichischen Mediathek (Interviews, Radiobeiträge, Vorträge)
- "Wörtlich – Friedrich Cerha", Radio Orange 94.0, 16. u. 23. Jänner 2017
- Karlheinz Essl: Mein Lehrer Friedrich Cerha (1987)
- Karlheinz Essl: Laudatio auf Friedrich Cerha (2017)
Einzelnachweise
- ↑ "Wörtlich – Friedrich Cerha", Radio Orange 94.0, 16. u. 23. Jänner 2017
- ↑ Werner Grünzweig: Friedrich Cerha. In: Hanns-Werner Heister, Walter-Wolfgang Sparrer (Hrsg.): Komponisten der Gegenwart. 2. Nachlieferung. edition text+kritik, München 1992 (Loseblattwerk, daher keine Seitenangabe).
- ↑ a b Sigrid Wiesmann: Cerha, Friedrich. In: Horst Weber (Hrsg.): Metzler Komponisten Lexikon. 340 werkgeschichtliche Porträts. Mit 313 Abbildungen. Verlag J. B. Metzler, Stuttgart/Weimar 1992, ISBN 3-476-00847-9, S. 150 f.
- ↑ Lothar Knessl: Unangepasst. Zum Bühnenschaffen von Friedrich Cerha. In: Matthias Henke, Gerhard Gensch (Hrsg.): Mechanismen der Macht. Friedrich Cerha und sein musikdramatisches Werk (= Archiv der Zeitgenossen – Sammlung künstlerischer Vor- und Nachlässe, Krems. Schriften). 1. Auflage. Band 1. Studienverlag, Innsbruck/Wien/Bozen 2016, ISBN 978-3-7065-5196-0, S. 15–26, hier S. 15.
- ↑ Matthias Henke: Vorwort. In: Matthias Henke, Gerhard Gensch (Hrsg.): Mechanismen der Macht. Friedrich Cerha und sein musikdramatisches Werk (= Archiv der Zeitgenossen – Sammlung künstlerischer Vor- und Nachlässe, Krems. Schriften). 1. Auflage. Band 1. Studienverlag, Innsbruck/Wien/Bozen 2015, ISBN 978-3-7065-5196-0, S. 9–11, hier S. 10.
- ↑ Gerhard Gensch: Mechanismen der Medienmacht. Zur Rezeption des musikalischen Schaffens von Friedrich Cerha in deutschsprachigen Printmedien. In: Matthias Henke, Gerhard Gensch (Hrsg.): Mechanismen der Macht. Friedrich Cerha und sein musikdramatisches Werk (= Archiv der Zeitgenossen – Sammlung künstlerischer Vor- und Nachlässe, Krems. Schriften). 1. Auflage. Band 1. Studienverlag, Innsbruck/Wien/Bozen 2016, ISBN 978-3-7065-5196-0, S. 219–230, hier S. 226.
- ↑ Gerhard Gensch: Mechanismen der Medienmacht. Zur Rezeption des musikalischen Schaffens von Friedrich Cerha in deutschsprachigen Printmedien. In: Matthias Henke, Gerhard Gensch (Hrsg.): Mechanismen der Macht. Friedrich Cerha und sein musikdramatisches Werk (= Archiv der Zeitgenossen – Sammlung künstlerischer Vor- und Nachlässe, Krems. Schriften). 1. Auflage. Band 1. Studienverlag, Innsbruck/Wien/Bozen 2016, ISBN 978-3-7065-5196-0, S. 219–230, hier S. 220.
- ↑ Gerhard Gensch: Mechanismen der Medienmacht. Zur Rezeption des musikalischen Schaffens von Friedrich Cerha in deutschsprachigen Printmedien. In: Matthias Henke, Gerhard Gensch (Hrsg.): Mechanismen der Macht. Friedrich Cerha und sein musikdramatisches Werk (= Archiv der Zeitgenossen – Sammlung künstlerischer Vor- und Nachlässe, Krems. Schriften). 1. Auflage. Band 1. Studienverlag, Innsbruck/Wien/Bozen 2016, ISBN 978-3-7065-5196-0, S. 219–230, hier S. 223 f.
- ↑ Ehrendoktorwürde für Friedrich Cerha | Universität Siegen. Abgerufen am 18. Mai 2017.
- ↑ Zwischen Schlaf und Wachen. In: FAZ, 28. Dezember 2011, S. 37
Personendaten | |
---|---|
NAME | Cerha, Friedrich |
KURZBESCHREIBUNG | österreichischer Komponist und Dirigent |
GEBURTSDATUM | 17. Februar 1926 |
GEBURTSORT | Wien |
- Komponist klassischer Musik (20. Jahrhundert)
- Komponist (Österreich)
- Komponist (Oper)
- Deserteur
- Träger des österreichischen Ehrenzeichens für Wissenschaft und Kunst
- Träger des Goldenen Ehrenzeichens für Verdienste um das Land Wien
- Träger des Silbernen Komturkreuzes des Ehrenzeichens für Verdienste um das Bundesland Niederösterreich
- Träger des Großen Österreichischen Staatspreises für Musik
- Träger des Goldenen Ehrenzeichens des Landes Steiermark
- Träger der Ehrenmedaille der Bundeshauptstadt Wien in Gold
- Theodor-Körner-Preisträger
- Mitglied der Bayerischen Akademie der Schönen Künste
- Mitglied der Sächsischen Akademie der Künste
- Absolvent der Universität für Musik und darstellende Kunst Wien
- Dirigent
- Österreicher
- Musiker (Wien)
- Geboren 1926
- Mann