„Cyanobakterien“ – Versionsunterschied

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[[Thomas Cavalier-Smith]] nennt 6 Ordnungen, von denen er die Gloeobacterales (mit der einzigen Gattung ''[[Gloeobacter]]'') in eine eigene [[Abteilung (Biologie)|Unterabteilung]] Gloeobacteria stellt und die andere Unterabteilung, die [[Phycobacteria]], in die Klassen Chroobacteria (Ordnungen Chroococcales, Pleurocapsales, Oscillatoriales) und Hormogoneae (Nostocales, Stigonematales) aufteilt.<ref>T. Cavalier-Smith: ''The neomuran origin of archaebacteria, the negibacterial root of the universal tree and bacterial megaclassification.'' In: ''Int J Syst Evol Microbiol'', Band 52, Teil 1, 2002, S. 7–76, PMID 11837318 ([http://ijs.sgmjournals.org/content/journal/ijsem/10.1099/00207713-52-1-7?crawler=true&mimetype=application/pdf PDF]{{Toter Link|url=http://ijs.sgmjournals.org/content/journal/ijsem/10.1099/00207713-52-1-7?crawler=true&mimetype=application%2Fpdf |date=2019-03 |archivebot=2019-03-11 10:36:17 InternetArchiveBot }}).</ref>
[[Thomas Cavalier-Smith]] nennt 6 Ordnungen, von denen er die Gloeobacterales (mit der einzigen Gattung ''[[Gloeobacter]]'') in eine eigene [[Abteilung (Biologie)|Unterabteilung]] Gloeobacteria stellt und die andere Unterabteilung, die [[Phycobacteria]], in die Klassen Chroobacteria (Ordnungen Chroococcales, Pleurocapsales, Oscillatoriales) und Hormogoneae (Nostocales, Stigonematales) aufteilt.<ref>T. Cavalier-Smith: ''The neomuran origin of archaebacteria, the negibacterial root of the universal tree and bacterial megaclassification.'' In: ''Int J Syst Evol Microbiol'', Band 52, Teil 1, 2002, S. 7–76, PMID 11837318 ([http://ijs.sgmjournals.org/content/journal/ijsem/10.1099/00207713-52-1-7?crawler=true&mimetype=application/pdf PDF]{{Toter Link|url=http://ijs.sgmjournals.org/content/journal/ijsem/10.1099/00207713-52-1-7?crawler=true&mimetype=application%2Fpdf |date=2019-03 |archivebot=2019-03-11 10:36:17 InternetArchiveBot }}).</ref>


== Bedeutung für die Entwicklung von Tieren und Pflanzen ==
== Bedeutung für die Atmosphäre ==

Vor etwa 2,5 Milliarden Jahren veränderten die sich im Wasser massenhaft verbreitenden Vorläufer der heutigen Cyanobakterien entscheidend die Lebensbedingungen auf der Erde. Sie nutzten das Sonnenlicht zur Photosynthese und setzten als Abfallprodukt Sauerstoff (O<sub>2</sub>) frei. Diese massenhafte Produktion von Sauerstoff führte schließlich zu einer entscheidenden Veränderung der sauerstofflosen Atmosphäre in eine sauerstoffhaltige Atmosphäre ([[Große Sauerstoffkatastrophe]]).<ref>Heinrich D. Holland: ''The oxygenation of the atmosphere and oceans''. In: ''Philosophical Transactions of the Royal Society B'', Band 361, S. 903–915. {{DOI|10.1098/rstb.2006.1838}}.</ref><ref>J. M. Olson: ''Photosynthesis in the archean era.'' In: ''Photosynthesis Research'', Band 88, Nummer 2, 2006, S. 109–117. PMID 16453059.</ref>
Vor etwa 2,5 Milliarden Jahren veränderten die sich im Wasser massenhaft verbreitenden Vorläufer der heutigen Cyanobakterien entscheidend die Lebensbedingungen auf der Erde. Sie nutzten das Sonnenlicht zur Photosynthese und setzten als Abfallprodukt Sauerstoff (O<sub>2</sub>) frei. Diese massenhafte Produktion von Sauerstoff führte schließlich zu einer entscheidenden Veränderung der sauerstofflosen Atmosphäre in eine sauerstoffhaltige Atmosphäre ([[Große Sauerstoffkatastrophe]]).<ref>Heinrich D. Holland: ''The oxygenation of the atmosphere and oceans''. In: ''Philosophical Transactions of the Royal Society B'', Band 361, S. 903–915. {{DOI|10.1098/rstb.2006.1838}}.</ref><ref>J. M. Olson: ''Photosynthesis in the archean era.'' In: ''Photosynthesis Research'', Band 88, Nummer 2, 2006, S. 109–117. PMID 16453059.</ref>


Nach der [[Endosymbiontentheorie]] waren Vorfahren der heutigen Cyanobakterien die Vorläufer der [[Chloroplasten]] in grünen Pflanzen. Dafür spricht sowohl die übereinstimmende Zellanatomie als auch ein Satz übereinstimmender biochemischer Merkmale, welche die Cyanobakterien gleich wie die Chloroplasten von den Eigenschaften der Eukaryontenzellen unterscheiden.
Nach der [[Endosymbiontentheorie]] waren Vorfahren der heutigen Cyanobakterien die Vorläufer der [[Chloroplasten]] in grünen Pflanzen. Dafür spricht sowohl die übereinstimmende Zellanatomie als auch ein Satz übereinstimmender biochemischer Merkmale, welche die Cyanobakterien gleich wie die Chloroplasten von den Eigenschaften der Eukaryontenzellen unterscheiden.


== Gewässerbelastung ==
== Gewässerbelastung und Bedeutung für die Tierwelt ==
[[Datei:CyanobacteriaFishpond.jpg|miniatur|„[[Algenblüte|Blaualgenblüte]]“ in einem Fischteich (Näheres in der Bildbeschreibung)]]
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[[Datei:Cyanobacteria Fishpond2.jpg|miniatur|Schlierenartige „Blaualgenblüte“ mit Aufrahmung an der Wasseroberfläche in einem Fischteich]]
[[Datei:Cyanobacteria Fishpond2.jpg|miniatur|Schlierenartige „Blaualgenblüte“ mit Aufrahmung an der Wasseroberfläche in einem Fischteich]]
Eine Massenentwicklung von Cyanobakterien kann die Wasserqualität stark vermindern und die Gewässernutzung deutlich einschränken. Sie produzieren eine Vielzahl von [[Sekundärmetabolite]]n, die als [[Allelochemikalie]]n, [[Antibiotikum|Antibiotika]], [[Hormon]]e und [[Toxin]]e wirken und z.&nbsp;B. Fische und [[Zooplankton]] schädigen können. Einige der Toxine gehören zu den stärksten natürlichen Giften und können auch für Menschen gesundheitsgefährdend sein. So können bei Badenden etwa allergische Hautreaktionen entstehen und auch Entzündungen. Schluckt man cyanobakterienhaltiges Wasser, kann es zudem Magen- und Darminfektionen geben.<ref>[https://www.swrfernsehen.de/landesschau-rp/gutzuwissen/Immer-wenn-die-Temperaturen-steigen-Gefahr-durch-Blaualgen-in-Badeseen,video-686.html ''Gefahr durch Blaualgen in Badeseen''] SWR.de. Abgerufen am 17. November 2019</ref>
Eine Massenentwicklung von Cyanobakterien kann die Wasserqualität stark vermindern und die Gewässernutzung deutlich einschränken. Sie produzieren eine Vielzahl von [[Sekundärmetabolite]]n, die als [[Allelochemikalie]]n, [[Antibiotikum|Antibiotika]], [[Hormon]]e und [[Toxin]]e wirken und z.&nbsp;B. Fische und [[Zooplankton]] schädigen können. Einige der Toxine gehören zu den stärksten natürlichen Giften und können auch für Menschen gesundheitsgefährdend sein. So können bei Badenden etwa allergische Hautreaktionen entstehen und auch Entzündungen. Schluckt man cyanobakterienhaltiges Wasser, kann es zudem Magen- und Darminfektionen geben.<ref>[https://www.swrfernsehen.de/landesschau-rp/gutzuwissen/Immer-wenn-die-Temperaturen-steigen-Gefahr-durch-Blaualgen-in-Badeseen,video-686.html ''Gefahr durch Blaualgen in Badeseen''] SWR.de. Abgerufen am 17. November 2019</ref>


Im Jahr 2017 war im [[Tegeler See]] in Berlin, 2019 im [[Mandichosee]] bei Augsburg<ref>Gönül Frey: ''Toter Hund: Es war tatsächlich die Giftalge. Lechtstaustufe 23: Bei einem von drei verendeten Tieren ist die Todesursache eindeutig nachgewiesen''. In: ''[[Augsburger Allgemeine]]'' vom 23. August 2019, S. 29. [https://www.augsburger-allgemeine.de/friedberg/Toter-Hund-am-Mandichosee-Es-war-tatsaechlich-die-Giftalge-id55237561.html Online].</ref> die Konzentration des Cyanobakteriengifts [[Anatoxin A]] so hoch, dass Tiere daran starben.<ref>[https://www.morgenpost.de/bezirke/reinickendorf/article210907923/Neuartige-Blaualge-im-Tegeler-See-toetete-drei-Hunde.html ''Neuartige Blaualge im Tegeler See tötete drei Hunde''] Morgenpost.de. Abgerufen am 27. Juli 2018</ref><ref>[http://www.tagesspiegel.de/berlin/nach-hundesterben-am-tegeler-see-so-kann-man-sich-vor-blaualgen-schuetzen/19930122.html ''So kann man sich vor Blaualgen schützen''] tagesspiegel.de. Abgerufen am 27. Juli 2018</ref> Es handelte sich um Cyanobakterien der Gattung ''[[Tychonema]]'', die auch mikroskopisch in den Seen nachgewiesen wurden.<ref>Jutta Fastner, Camilla Beulker, Britta Geiser, Anja Hoffmann, Roswitha Kröger, Kinga Teske, Judith Hoppe, Lars Mundhenk, Hartmud Neurath, Daniel Sagebiel, Ingrid Chorus: ''Fatal Neurotoxicosis in Dogs Associated with Tychoplanktic, Anatoxin-a Producing ''Tychonema'' sp. in Mesotrophic Lake Tegel, Berlin''. In: ''Toxins'' 2018, 10, 60, DOI: 10.3390/toxins10020060.</ref> Im Sommer 2020 starben 6 Hunde nach einem Bad im [[Neuenburgersee]] infolge vermuteter erhöhter 'Blaualgenkonzentration', sodass ein Badeverbot erlassen wurde.<ref>[https://www.srf.ch/news/panorama/cyanobakterien-im-see-vermutet-neuenburg-schliesst-mehrere-badestraende '' Cyanobakterien im See vermutet - Neuenburg schliesst mehrere Badestrände''] srf.ch. Abgerufen am 31. Juli 2020</ref>
Im Jahr 2017 war im [[Tegeler See]] in Berlin, 2019 im [[Mandichosee]] bei Augsburg<ref>Gönül Frey: ''Toter Hund: Es war tatsächlich die Giftalge. Lechtstaustufe 23: Bei einem von drei verendeten Tieren ist die Todesursache eindeutig nachgewiesen''. In: ''[[Augsburger Allgemeine]]'' vom 23. August 2019, S. 29. [https://www.augsburger-allgemeine.de/friedberg/Toter-Hund-am-Mandichosee-Es-war-tatsaechlich-die-Giftalge-id55237561.html Online].</ref> die Konzentration des Cyanobakteriengifts [[Anatoxin A]] so hoch, dass Tiere daran starben.<ref>[https://www.morgenpost.de/bezirke/reinickendorf/article210907923/Neuartige-Blaualge-im-Tegeler-See-toetete-drei-Hunde.html ''Neuartige Blaualge im Tegeler See tötete drei Hunde''] Morgenpost.de. Abgerufen am 27. Juli 2018</ref><ref>[http://www.tagesspiegel.de/berlin/nach-hundesterben-am-tegeler-see-so-kann-man-sich-vor-blaualgen-schuetzen/19930122.html ''So kann man sich vor Blaualgen schützen''] tagesspiegel.de. Abgerufen am 27. Juli 2018</ref> Es handelte sich um Cyanobakterien der Gattung ''[[Tychonema]]'', die auch mikroskopisch in den Seen nachgewiesen wurden.<ref>Jutta Fastner, Camilla Beulker, Britta Geiser, Anja Hoffmann, Roswitha Kröger, Kinga Teske, Judith Hoppe, Lars Mundhenk, Hartmud Neurath, Daniel Sagebiel, Ingrid Chorus: ''Fatal Neurotoxicosis in Dogs Associated with Tychoplanktic, Anatoxin-a Producing ''Tychonema'' sp. in Mesotrophic Lake Tegel, Berlin''. In: ''Toxins'' 2018, 10, 60, DOI: 10.3390/toxins10020060.</ref> Im Sommer 2020 starben 6 Hunde nach einem Bad im [[Neuenburgersee]] infolge vermuteter erhöhter 'Blaualgenkonzentration', sodass ein Badeverbot erlassen wurde.<ref>[https://www.srf.ch/news/panorama/cyanobakterien-im-see-vermutet-neuenburg-schliesst-mehrere-badestraende '' Cyanobakterien im See vermutet - Neuenburg schliesst mehrere Badestrände''] srf.ch. Abgerufen am 31. Juli 2020</ref>

In den Vereinigten Staaten erkranken seit den 1990er Jahren gehäuft Vögel, Fische und Reptilien im [[Südstaaten|Südosten der Vereinigten Staaten]] an einer tödlich verlaufenden neurologischen Erkrankung namens ''aviäre vakuoläre Myelinopathie''. Dafür verantwortlich ist ein Toxin einer Cyanobakterien-Art, ein Bi-[[Indolalkaloide|Indolalkaloid]] mit fünf [[Brom]]-Atomen. Mit Brom allein synthetisieren die Cyanobakterien allerdings noch keine großen Mengen des Nervengifts. In die Höhe schnellt die Produktion erst unter Stressfaktoren, wie dem Abfall der Wassertemperatur.<ref>{{Internetquelle |url=https://www.faz.net/aktuell/wissen/leben-gene/seeadler-in-den-usa-was-vergiftet-das-wappentier-17302105.html?utm_source=pocket-newtab-global-de-DE |titel=Was vergiftet Amerikas Seeadler? |werk=FAZ |abruf=26.04.2021}}</ref><ref>{{Literatur |Autor=Steffen Breinlinger, Tabitha J. Phillips, Brigette N. Haram, Jan Mareš, José A. Martínez Yerena |Titel=Hunting the eagle killer: A cyanobacterial neurotoxin causes vacuolar myelinopathy |Sammelwerk=Science |Band=371 |Nummer=6536 |Datum=2021-03-26 |ISSN=0036-8075 |DOI=10.1126/science.aax9050 |PMID=33766860 |Online=https://science.sciencemag.org/content/371/6536/eaax9050 |Abruf=2021-04-26}}</ref>


Nach dem Absterben der Cyanobakterienmassen wird bei deren mikrobiellem Abbau Sauerstoff verbraucht. Dadurch wird die Sauerstoffkonzentration im Gewässer oft stark verringert, was zu einem [[Fischsterben]] führen kann.
Nach dem Absterben der Cyanobakterienmassen wird bei deren mikrobiellem Abbau Sauerstoff verbraucht. Dadurch wird die Sauerstoffkonzentration im Gewässer oft stark verringert, was zu einem [[Fischsterben]] führen kann.

Version vom 26. April 2021, 14:46 Uhr

Cyanobakterien

Zellfäden von Nostoc sp.

Systematik
Klassifikation: Lebewesen
Domäne: Bakterien (Bacteria)
Abteilung: Cyanobakterien
Klasse: Cyanobakterien
Wissenschaftlicher Name der Abteilung
„Cyanobacteria“
(ex Stanier 1974) Cavalier-Smith 2002
Wissenschaftlicher Name der Klasse
Cyanobacteria

Die Cyanobakterien (von griech. κυανός kyanós, „blau“, daher auch Blaugrünbakterien) bilden eine Abteilung der Domäne Bacteria. Sie zeichnen sich vor allen anderen Bakterien durch ihre meist, aber nicht in jeder Art vorhandene Fähigkeit zur oxygenen Photosynthese aus. Früher wurden sie zu den Phycophyta (Algen) gerechnet und als Klasse Cyanophyceae (Blaualgen) geführt.[1] Einige Cyanobakterien enthalten neben anderen Photosynthese-Farbstoffen blaues Phycocyanin und ihre Farbe ist deshalb blaugrün. Darum wurden sie „Blaualgen“ genannt und diese Bezeichnung wurde für alle Cyanobakterien verwendet – auch für diejenigen, die kein Phycocyanin enthalten und nicht blaugrün gefärbt sind. Cyanobakterien besitzen im Gegensatz zu Algen keinen echten Zellkern und sind somit als Prokaryoten nicht mit den als „Algen“ bezeichneten eukaryotischen Lebewesen verwandt, sondern gehören zu den Bakterien. Cyanobakterien zählen zu den ältesten Lebensformen überhaupt. Sie können die Richtung des Lichteinfalls wahrnehmen.[2]

Etwa 2000 Arten von Cyanobakterien sind benannt, die in fünf bis sieben Ordnungen eingeteilt werden. Cyanobakterien mit oxygener Photosynthese nennt man auch Oxyphotobacteria. Als nichtphotosynthetische Cyanobakterien zählen Sericytochromatia und Melainabacteria.

Merkmale und Vorkommen

Cyanobakterien sind gramnegativ und ein- bis vielzellig. Bei mehrzelligen Cyanobakterien ist die Anordnung der Zellen hintereinander in langen Fäden (zum Beispiel Anabaena und Oscillatoria), flächig (zum Beispiel Merismopedia) oder räumlich (zum Beispiel Pleurocapsa und Microcystis).

Cyanobakterien kommen ubiquitär überwiegend in Süßwasser und Feuchtböden vor, aber auch in Meereswasser, auf Baumrinde und auf Gesteinsoberflächen.[3]

Photosynthese bei Oxyphotobacteria

Blaue und schwarze „Tintenstriche“ an der Nordflanke der Alpspitze
Blaualgen in der Blauen Grotte (Malta)

Die Photosynthese der Cyanobakterien findet an bzw. in deren Thylakoidmembranen statt und läuft dort ähnlich wie in den Thylakoiden der Chloroplasten der eukaryotischen Algen, Moose, Farne und Samenpflanzen ab. Die Cyanobakterien nutzen für ihre Photosynthese nicht nur den Teil des Lichtspektrums, den auch die grünen Pflanzen verwenden, sondern sie haben neben Chlorophyll a einen zusätzlichen Antennenkomplex in Form von Phycobilisomen, in denen Phycobiline, nämlich Phycocyanin (blau) oder Phycoerythrin (rot), enthalten sind. Phycocyanin verleiht vielen Cyanobakterien ihre bläuliche Färbung, manchen (z. B. Spirulina, Planktothrix rubescens) verleiht Phycoerythrin eine rote Färbung. Da das Verhältnis der einzelnen Pigmente zueinander stark schwanken kann, erscheinen Cyanobakterien mitunter auch grün oder sogar schwarz (‚Tintenstriche‘). Phycobiline ermöglichen die Nutzung eines größeren Bereichs des Lichtspektrums (in der Grünlücke der Pflanzen, dem Wellenlängenbereich von ca. 500 bis 600 nm). Die Effizienz der Lichtverwertung ist bei Phycoerythrin sogar größer als beim Chlorophyll. Cyanobakterien können auf diese Weise ausgesprochene Schwachlichtbereiche erfolgreich besiedeln, wie z. B. die Unterseite von Flussgeröll oder tiefe Schichten in Seen.

Einige Cyanobakterien können auch eine anoxygene Photosynthese mit Schwefelwasserstoff als Reduktionsmittel betreiben, sie bilden dabei also keinen Sauerstoff (O2).[4][5] Vor kurzem wurde ein Cyanobakterium entdeckt (UCYN-A, engl. unicellular N2-fixing cyanobacteria in „group A“), bei dem das Photosystem II fehlt.[6] Photosystem II enthält den wasserspaltenden Komplex, so dass dieses Cyanobakterium keine oxygene Photosynthese betreiben kann. Im Gegensatz zu oxygenen photoautotrophen Lebewesen fixiert dieser Stamm nicht Kohlenstoffdioxid (CO2) im Calvin-Benson-Basham-Zyklus und ist photoheterotroph.[7] UCYN-A assimiliert aber elementaren Stickstoff (N2), indem er ihn reduziert.

Nichtphotosynthetische Cyanobakterien

Durch Genomanalysen ribosomaler 16S-RNA wurden Cyanobakterien identifiziert, die keine Photosynthese betreiben. Sie werden als Melainabacteria und Sericytochromatia in der Literatur geführt.[8][9] Weitere Genomanalysen haben ergeben, dass in beiden Stämmen die Gene für die Photosynthese fehlen. Infolgedessen haben sie sich stammesgeschichtlich von den Vorläufern der jetzigen Oxyphotobacteria abgespalten, bevor diese über horizontalen Gentransfer zur Photosynthese befähigt wurden. Dies deutet auch darauf hin, dass der gemeinsame Vorläufer aller Cyanobakterien selbst nicht photosynthetisch aktiv war.

Stoffwechsel

„Blaualgenblüte“ in einem Baggerteich, durch Winddrift in einer Gewässerecke stark konzentriert
Kugelige Kolonien gallertiger Süßwasser-Cyanobakterien, sogenannte Teichpflaumen

Viele Cyanobakterien können Stickstofffixierung betreiben: In Heterozysten wandeln sie molekularen Stickstoff (N2) in Ammonium (NH4+) um.

Cyanobakterien produzieren sehr unterschiedliche Toxine. Am bekanntesten sind die Microcystine bei Vertretern der Gattung Microcystis. Darüber hinaus konnte selbst in nicht näher verwandten Arten ein Neurotoxin, die giftige Aminosäure β-Methylamino-alanin (BMAA) nachgewiesen werden. Ausgehend von einem oft vermehrten Auftreten von Cyanobakterien bei sogenannten „Algenblüten“ können beim Verzehr von Fischen oder Muscheln solche Toxine und auch BMAA über die Nahrungskette in den menschlichen Organismus gelangen und gelegentlich zu tödlichen Vergiftungen führen.

Cyanobakterien sind in der Naturstoffchemie sehr intensiv untersucht worden. Die identifizierten Sekundärmetaboliten zeigen sehr unterschiedliche pharmakologische Wirkungen.[10]

Forscher der Carnegie Institution fanden Anfang 2006, dass im Yellowstone-Nationalpark lebende Cyanobakterien einen im Tag-Nacht-Rhythmus wechselnden Stoffwechsel betreiben: tagsüber Photosynthese und nachts Stickstofffixierung. Dies ist nach heutigem Wissensstand einmalig.

Systematik

Zur Taxonomie der Cyanobakterien existieren mehrere Systeme.

Taxonomie nach NCBI

Die Taxonomie-Datenbank des US-amerikanischen National Center for Biotechnology Information (NCBI) teilt nur zwei von insgesamt 7 Ordnungen in Familien ein. Bergey’s Manual of Systematic Bacteriology[11] verwendet anstelle von Ordnung und Familie die selbst erfundenen Ränge Subsection und Subgroup, welche statt mit Namen mit römischen Ziffern bezeichnet werden, da nicht alle gebräuchlichen Ordnungen und Familien nach dem Bacteriological Code gültig beschrieben wurden.

Taxonomie nach NCBI[12]

  • Ordnung Gloeobacterales (Klasse Gloeobacteria): 1 Gattung, Gloeobacter

Die Gattung Acaryochloris wird vom NCBI in keine Ordnung eingereiht.

Taxonomie nach Cavalier-Smith

Thomas Cavalier-Smith nennt 6 Ordnungen, von denen er die Gloeobacterales (mit der einzigen Gattung Gloeobacter) in eine eigene Unterabteilung Gloeobacteria stellt und die andere Unterabteilung, die Phycobacteria, in die Klassen Chroobacteria (Ordnungen Chroococcales, Pleurocapsales, Oscillatoriales) und Hormogoneae (Nostocales, Stigonematales) aufteilt.[13]

Bedeutung für die Atmosphäre

Vor etwa 2,5 Milliarden Jahren veränderten die sich im Wasser massenhaft verbreitenden Vorläufer der heutigen Cyanobakterien entscheidend die Lebensbedingungen auf der Erde. Sie nutzten das Sonnenlicht zur Photosynthese und setzten als Abfallprodukt Sauerstoff (O2) frei. Diese massenhafte Produktion von Sauerstoff führte schließlich zu einer entscheidenden Veränderung der sauerstofflosen Atmosphäre in eine sauerstoffhaltige Atmosphäre (Große Sauerstoffkatastrophe).[14][15]

Nach der Endosymbiontentheorie waren Vorfahren der heutigen Cyanobakterien die Vorläufer der Chloroplasten in grünen Pflanzen. Dafür spricht sowohl die übereinstimmende Zellanatomie als auch ein Satz übereinstimmender biochemischer Merkmale, welche die Cyanobakterien gleich wie die Chloroplasten von den Eigenschaften der Eukaryontenzellen unterscheiden.

Gewässerbelastung und Bedeutung für die Tierwelt

Blaualgenblüte“ in einem Fischteich (Näheres in der Bildbeschreibung)
Schlierenartige „Blaualgenblüte“ mit Aufrahmung an der Wasseroberfläche in einem Fischteich

Eine Massenentwicklung von Cyanobakterien kann die Wasserqualität stark vermindern und die Gewässernutzung deutlich einschränken. Sie produzieren eine Vielzahl von Sekundärmetaboliten, die als Allelochemikalien, Antibiotika, Hormone und Toxine wirken und z. B. Fische und Zooplankton schädigen können. Einige der Toxine gehören zu den stärksten natürlichen Giften und können auch für Menschen gesundheitsgefährdend sein. So können bei Badenden etwa allergische Hautreaktionen entstehen und auch Entzündungen. Schluckt man cyanobakterienhaltiges Wasser, kann es zudem Magen- und Darminfektionen geben.[16]

Im Jahr 2017 war im Tegeler See in Berlin, 2019 im Mandichosee bei Augsburg[17] die Konzentration des Cyanobakteriengifts Anatoxin A so hoch, dass Tiere daran starben.[18][19] Es handelte sich um Cyanobakterien der Gattung Tychonema, die auch mikroskopisch in den Seen nachgewiesen wurden.[20] Im Sommer 2020 starben 6 Hunde nach einem Bad im Neuenburgersee infolge vermuteter erhöhter 'Blaualgenkonzentration', sodass ein Badeverbot erlassen wurde.[21]

In den Vereinigten Staaten erkranken seit den 1990er Jahren gehäuft Vögel, Fische und Reptilien im Südosten der Vereinigten Staaten an einer tödlich verlaufenden neurologischen Erkrankung namens aviäre vakuoläre Myelinopathie. Dafür verantwortlich ist ein Toxin einer Cyanobakterien-Art, ein Bi-Indolalkaloid mit fünf Brom-Atomen. Mit Brom allein synthetisieren die Cyanobakterien allerdings noch keine großen Mengen des Nervengifts. In die Höhe schnellt die Produktion erst unter Stressfaktoren, wie dem Abfall der Wassertemperatur.[22][23]

Nach dem Absterben der Cyanobakterienmassen wird bei deren mikrobiellem Abbau Sauerstoff verbraucht. Dadurch wird die Sauerstoffkonzentration im Gewässer oft stark verringert, was zu einem Fischsterben führen kann.

Die Bedingungen für starke Vermehrung von Cyanobakterien sind vielfältig und nicht immer eindeutig zu klären. Hoher Phosphat- und evtl. Stickstoffgehalt im Wasser – verursacht beispielsweise durch ungeklärte Abwässer mit Waschmittelrückständen oder durch Tierausscheidungen – können in Verbindung mit höheren Wassertemperaturen die Entwicklung der Bakterien begünstigen.[24]

Siehe auch

Literatur

  • Thomas Börner: Die Toxine der Cyanobakterien: Neue bioaktive Verbindungen. In: Biologie in unserer Zeit, Band 31, Nummer 2, 2001, S. 108–115, ISSN 0045-205X
  • Toxinbildende Cyanobakterien (Blaualgen) in bayerischen Gewässern – Massenentwicklungen, Gefährdungspotential, wasserwirtschaftlicher Bezug. Materialienband 125, Bayerisches Landesamt für Umwelt, Augsburg Dezember 2006, ISBN 3-940009-08-3.

Weblinks

Commons: Cyanobakterien – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
Wikibooks: Cyanobakterien – Lern- und Lehrmaterialien

Einzelnachweise

  1. Der Name Cyanophyceae für die einzige Klasse der Abteilung Cyanobacteria wird auch heute noch verwendet, etwa von Algaebase.
  2. Nils Schuergers et al.: Cyanobacteria use micro-optics to sense light direction. In: eLife. Band 5, 2016, ISSN 2050-084X, S. e12620, doi:10.7554/eLife.12620, PMID 26858197, PMC 4758948 (freier Volltext) – (elifesciences.org [abgerufen am 26. April 2016]). Cyanobacteria use micro-optics to sense light direction (Memento des Originals vom 26. April 2016 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/elifesciences.org
  3. Cyanobakterien im Kompaktlexikon der Biologie, abgerufen am 31. Januar 2017.
  4. Y. Cohen et al.: Sulphide-dependent anoxygenic photosynthesis in the cyanobacterium Oscillatoria limnetica. In: Nature, Band 257, 1975, S. 489–492.
  5. Etana Padan: Facultative anoxygenic photosynthesis in cyanobacteria. In: Annual Review of Plant Physiology, Band 30, 1979, S. 27–40.
  6. J. P. Zehr u. a.: Globally distributed uncultivated oceanic N2-fixing cyanobacteria lack oxygenic photosystem II. In: Science, Band 322 (5904), 2008, S. 1110–1112, PMID 19008448, doi:10.1126/science.1165340
  7. E. F. DeLong: Interesting things come in small packages. In: Genome Biology, Band 11, Nummer 5, 2010, S. 118, doi:10.1186/gb-2010-11-5-118
  8. Rochelle M. Soo, at al.: On the origins of oxygenic photosynthesis and aerobic respiration in Cyanobacteria. In: Science. Band 355, Nr. 6332, 31. März 2017, S. 1436–1440, doi:10.1126/science.aal3794, PMID 28360330.
  9. Robert E. Blankenship: How Cyanobacteria went green. In: Science. Band 355, Nr. 6332, 31. März 2017, S. 1372–1373, doi:10.1126/science.aam9365, PMID 28360281.
  10. Falch B.: Was steckt in Cyanobakterien? In: Pharmazie in unserer Zeit. Band 25, Nr. 6, 1996, S. 311–321, doi.org/10.1002/pauz.19960250608
  11. George M. Garrity (Hrsg.): Bergey’s Manual of Systematic Bacteriology. 2. Auflage, Band 1: The Archaea and the deeply branching and phototrophic Bacteria. Springer, New York 2001. Zitiert nach J.P. Euzéby: List of Prokaryotic names with standing in Nomenclature (LPSN) (Memento des Originals vom 28. November 2008 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.bacterio.cict.fr.
  12. NCBI (National Center for Biotechnology Information) Taxonomy Browser: Cyanobacteria, abgerufen am 27. Oktober 2007
  13. T. Cavalier-Smith: The neomuran origin of archaebacteria, the negibacterial root of the universal tree and bacterial megaclassification. In: Int J Syst Evol Microbiol, Band 52, Teil 1, 2002, S. 7–76, PMID 11837318 (PDF@1@2Vorlage:Toter Link/ijs.sgmjournals.org (Seite nicht mehr abrufbar, festgestellt im März 2019. Suche in Webarchiven)  Info: Der Link wurde automatisch als defekt markiert. Bitte prüfe den Link gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.).
  14. Heinrich D. Holland: The oxygenation of the atmosphere and oceans. In: Philosophical Transactions of the Royal Society B, Band 361, S. 903–915. doi:10.1098/rstb.2006.1838.
  15. J. M. Olson: Photosynthesis in the archean era. In: Photosynthesis Research, Band 88, Nummer 2, 2006, S. 109–117. PMID 16453059.
  16. Gefahr durch Blaualgen in Badeseen SWR.de. Abgerufen am 17. November 2019
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