„Gustav Gundlach“ – Versionsunterschied

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'''Gustav Gundlach''' [[Jesuiten|SJ]] (* [[3. April]] [[1892]] in [[Geisenheim]]; † [[23. Juni]] [[1963]] in [[Mönchengladbach]]) war ein deutscher [[Jesuit]]. Der katholische Sozialethiker, [[Sozialphilosoph]] und [[Sozialwissenschaftler]] gilt als Repräsentant der [[Katholische Soziallehre|katholischen Soziallehre]] des frühen 20. Jahrhunderts.
'''Gustav Gundlach''' [[Jesuiten|SJ]] (* [[3. April]] [[1892]] in [[Geisenheim]]; † [[23. Juni]] [[1963]] in [[Mönchengladbach]]) war ein deutscher [[Jesuit]]. Der katholische Sozialethiker, [[Sozialphilosoph]] und [[Sozialwissenschaftler]] gilt als Repräsentant der [[Katholische Soziallehre|katholischen Soziallehre]] in der Mitte des 20. Jahrhunderts. Er hat an mehreren [[Enzyklika|Enzykliken]] mitgewirkt.


== Leben ==
== Leben ==
Nach dem Besuch des [[Heinrich-von-Gagern-Gymnasium (Frankfurt)|Kaiser-Friedrichs-Gymnasiums (heute: Heinrich-von-Gagern-Gymnasium)]] in [[Frankfurt am Main]] studierte er [[Philosophie]] an der [[Albert-Ludwigs-Universität Freiburg|Universität Freiburg im Breisgau]], wo er den badischen Neukantianismus kennenlernte. Dort wurde er Mitglied der katholischen Studentenverbindung K.D.St.V. Hohenstaufen im [[Cartellverband der katholischen deutschen Studentenverbindungen|CV]]. Nach fünf Semestern brach er das Studium ab und trat dem Orden der [[Jesuiten]] bei, sein Studium verbrachte er an der PTH des [[Ignatiuskolleg (Valkenburg)|Ignatiuskolleg]] in [[Valkenburg aan de Geul|Valkenburg]] in den Niederlanden. Dann studierte er Volkswirtschaft in Berlin und promovierte 1927 bei [[Werner Sombart]] mit „''Zur Soziologie der katholischen Ideenwelt und des Jesuitenordens''“.
Nach dem Besuch des [[Heinrich-von-Gagern-Gymnasium (Frankfurt)|Kaiser-Friedrichs-Gymnasiums (heute: Heinrich-von-Gagern-Gymnasium)]] in [[Frankfurt am Main]] studierte er [[Philosophie]] an der [[Albert-Ludwigs-Universität Freiburg|Universität Freiburg im Breisgau]], wo er den badischen Neukantianismus kennenlernte. Dort wurde er Mitglied der katholischen Studentenverbindung K.D.St.V. Hohenstaufen im [[Cartellverband der katholischen deutschen Studentenverbindungen|CV]]. Nach fünf Semestern brach er das Studium ab und trat dem Orden der [[Jesuiten]] bei, sein Theologiestudium absolvierte er an der PTH des [[Ignatiuskolleg (Valkenburg)|Ignatiuskolleg]] in [[Valkenburg aan de Geul|Valkenburg]] in den Niederlanden. Dann studierte er Volkswirtschaft in Berlin und promovierte 1927 bei [[Werner Sombart]] mit „''Zur Soziologie der katholischen Ideenwelt und des Jesuitenordens''“.


Seit 1929 hatte er eine Professur für Sozialphilosophie und -ethik an der [[Philosophisch-Theologische Hochschule Sankt Georgen|Hochschule Sankt Georgen]] in Frankfurt am Main inne. Zusätzlich war er von 1934 bis 1962 Professor an der [[Päpstliche Universität Gregoriana|Päpstlichen Universität Gregoriana]] in Rom. Er gehörte zu den engen Beratern der Päpste [[Pius XI.]] (Enzyklika ''[[Quadragesimo anno]]'', 1931) und [[Pius XII.]], deren Soziallehre stark von deutschen Jesuiten mitbeeinflusst wurde. Gundlach prägte stark die Sozialethiker [[Wilhelm Weber (Priester)|Wilhelm Weber]] und [[Anton Rauscher]] SJ, aber auch den Schweizer Theologen [[Hans Küng]].<ref>{{Literatur |Autor=Hans Küng |Titel=Erkämpfte Freiheit: Erinnerungen |Verlag=Piper ebooks |Datum=2014-02-17 |ISBN=978-3-492-96697-9 |Online=https://books.google.com/books?id=5hoVAwAAQBAJ&newbks=0&printsec=frontcover&dq=gundlach&hl=de |Abruf=2021-05-18}}</ref>
Seit 1929 hatte er eine Professur für Sozialphilosophie und -ethik an der [[Philosophisch-Theologische Hochschule Sankt Georgen|Hochschule Sankt Georgen]] in Frankfurt am Main inne. Ordensziel war eine Anknüpfung an den Sozialphilosophen [[Heinrich Pesch]]. Zusätzlich war Gundlach von 1934 bis 1962 Professor an der [[Päpstliche Universität Gregoriana|Päpstlichen Universität Gregoriana]] in Rom. Er gehörte zu den engen Beratern der Päpste [[Pius XI.]] (Enzyklika ''[[Quadragesimo anno]]'', 1931) und [[Pius XII.]], deren Soziallehre stark von deutschen Jesuiten mitbeeinflusst wurde. Gundlach prägte stark die Sozialethiker [[Wilhelm Weber (Priester)|Wilhelm Weber]] und [[Anton Rauscher]] SJ, aber auch ab 1948 den Schweizer Theologen [[Hans Küng]].<ref>{{Literatur |Autor=Hans Küng |Titel=Erkämpfte Freiheit: Erinnerungen |Verlag=Piper ebooks |Datum=2014-02-17 |ISBN=978-3-492-96697-9 |Online=https://books.google.com/books?id=5hoVAwAAQBAJ&newbks=0&printsec=frontcover&dq=gundlach&hl=de |Abruf=2021-05-18}}</ref>


Papst [[Johannes XXIII.]] wandte sich für einen Entwurf seiner Sozialenzyklika [[Mater et magistra]] (1961) zunächst an Gundlach, war aber vom doktrinären Stil des Konzepts enttäuscht. Gundlach verließ Rom und errichtete 1962 in [[Mönchengladbach]] eine katholisch-soziale Forschungsstelle, die auch in späteren Jahren die Gundlach’schen Ansätze fortführte. Die [[Katholische Sozialwissenschaftliche Zentralstelle Mönchengladbach|Katholische Sozialwissenschaftliche Zentralstelle]] war für Jahrzehnte die Koordinations- und Leitstelle für den Sozialen Katholizismus in Deutschland und darüber hinaus. Nach der Ernennung von [[Joseph Höffner]] zum Bischof von Münster hat Gundlach einen Lehrauftrag für Christliche Sozialwissenschaft an der Universität Münster angenommen.<ref>Manfred Hermanns: Sozialethik im Wandel der Zeit. Paderborn: Schöningh 2006, S. 310</ref>
Papst [[Johannes XXIII.]] wandte sich für einen Entwurf seiner Sozialenzyklika [[Mater et magistra]] (1961) zunächst an Gundlach, war aber vom doktrinären Stil des Konzepts enttäuscht. Gundlach verließ Rom und errichtete 1962 in [[Mönchengladbach]] eine katholisch-soziale Forschungsstelle, die auch in späteren Jahren die Gundlach’schen Ansätze fortführte. Die [[Katholische Sozialwissenschaftliche Zentralstelle Mönchengladbach|Katholische Sozialwissenschaftliche Zentralstelle]] war für Jahrzehnte die Koordinations- und Leitstelle für den Sozialen Katholizismus in Deutschland und darüber hinaus. Nach der Ernennung von [[Joseph Höffner]] zum Bischof von Münster hat Gundlach einen Lehrauftrag für Christliche Sozialwissenschaft an der Universität Münster angenommen.<ref>Manfred Hermanns: Sozialethik im Wandel der Zeit. Paderborn: Schöningh 2006, S. 310</ref>
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== Umstrittene Positionen zu Atomkrieg und Antisemitismus ==
== Umstrittene Positionen zu Atomkrieg und Antisemitismus ==


Nach seiner Lehre ist die [[Person]] Ursprung und Ziel allen gesellschaftlichen Lebens. Die Gesellschaft ist keine Summe oder Integration von „Individuen“, sondern Koordination der Personen. Sie wirken solidarisch auf die Verwirklichung der von Gott gesetzten Werte im Wandel der Geschichte. In Raum und Zeit organisieren sie sich notwendig mit Familie, Eigentum und Staat. Da Gundlach zunehmend das [[Privateigentum]] zu einem absoluten Recht aufwertete, verlor er bereits in den 1950er Jahren bei den Theologiestudenten in Rom an Zustimmung. Man fragte ihn kritisch: „Wenn das Privateigentum einen so hohen Rang hat, gab es dann im Paradies auch Privateigentum?“
Nach seiner Lehre ist die [[Person]] Ursprung und Ziel allen gesellschaftlichen Lebens. Die Gesellschaft ist keine Summe oder Integration von „Individuen“, sondern Koordination der Personen. Sie wirken solidarisch auf die Verwirklichung der von Gott gesetzten Werte im Wandel der Geschichte. In Raum und Zeit organisieren sie sich notwendig mit Familie, Eigentum und Staat. Da Gundlach zunehmend das [[Privateigentum]] zu einem absoluten Recht aufwertete<ref>{{Literatur |Autor=Gustav Gundlach |Titel=Das Privateigentum und Seine Soziale Pflichtigkeit |Sammelwerk=Eigentum und Eigentümer in Unserer Gesellschaftsordnung |Verlag=VS Verlag für Sozialwissenschaften |Ort=Wiesbaden |Datum=1960 |Reihe=Veröffentlichungen der Walter-Raymond-Stiftung |ISBN=978-3-322-99099-0 |DOI=10.1007/978-3-322-99099-0_1 |Seiten=19–33}}</ref>, verlor er bereits in den 1950er Jahren bei den Theologiestudenten in Rom an Zustimmung. Man fragte ihn kritisch: „Wenn das Privateigentum einen so hohen Rang hat, gab es dann im Paradies auch Privateigentum?“ Gundlach lehnte auch das [[Godesberger Programm]] der SPD als sozialistisch ab.


In seiner Interpretation einer Schrift Papst Pius XII. über den gerechten Krieg ''Bellum iustum'' folgend behauptete Gundlach, ein atomarer Verteidigungskrieg sei sittlich gerechtfertigt. Bei der Schrift von Papst Pius XII. handelt es sich um eine Neuinterpretation der [[Gerechter Krieg|Lehre des gerechten Krieges]], die sich ausgehend von Texten des [[Augustinus von Hippo|hl. Augustinus]] (354–430) entwickelte. Diese Neuinterpretation durch Pius XII. war stark vom Kalten Krieg und einem potentiellen atomaren Konflikt zwischen den USA und der [[Sowjetunion]] beeinflusst. Während Pius XII. die Verwendung der [[Atombombe]] in engsten Grenzen eventuell für sittlich gerechtfertigt hielt, wenn Freiheit, Würde oder Glauben eines Volkes bedroht sind, ging Gundlach davon aus, dass mit diesen Worten der „Schutz des christlichen Glaubens“ gemeint sei. Dem Wissen um den mehrfachen [[Overkill]] in Bezug auf Atomwaffen begegnete Gundlach mit dem Argument, dass die Zerstörung der Welt eine Manifestation Gottes sei und die Welt ohnehin nicht für die Ewigkeit geschaffen wurde. Gleichzeitig lehnte Gundlach aber eine Verantwortung für die Entscheidung zum Atomkrieg ab:<ref>''G. Gundlach'': Die Lehre Pius XII vom modernen Krieg (StZ 164 (1958–1959), 13</ref>
In seiner Interpretation einer Schrift Papst Pius XII. über den gerechten Krieg ''Bellum iustum'' folgend behauptete Gundlach, ein atomarer Verteidigungskrieg sei sittlich gerechtfertigt. Bei der Schrift von Papst Pius XII. handelt es sich um eine Neuinterpretation der [[Gerechter Krieg|Lehre des gerechten Krieges]], die sich ausgehend von Texten des [[Augustinus von Hippo|hl. Augustinus]] (354–430) entwickelte. Diese Neuinterpretation durch Pius XII. war stark vom Kalten Krieg und einem potentiellen atomaren Konflikt zwischen den USA und der [[Sowjetunion]] beeinflusst. Während Pius XII. die Verwendung der [[Atombombe]] in engsten Grenzen eventuell für sittlich gerechtfertigt hielt, wenn Freiheit, Würde oder Glauben eines Volkes bedroht sind, ging Gundlach davon aus, dass mit diesen Worten der „Schutz des christlichen Glaubens“ gemeint sei. Dem Wissen um den mehrfachen [[Overkill]] in Bezug auf Atomwaffen begegnete Gundlach mit dem Argument, dass die Zerstörung der Welt eine Manifestation Gottes sei und die Welt ohnehin nicht für die Ewigkeit geschaffen wurde. Gleichzeitig lehnte Gundlach aber eine Verantwortung für die Entscheidung zum Atomkrieg ab:<ref>''G. Gundlach'': Die Lehre Pius XII vom modernen Krieg (StZ 164 (1958–1959), 13</ref>
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*Anton Rauscher : Gustav Gundlach 1892 - 1963. In: ''Zeitgeschichte in Lebensbildern.'' Bd. 2. Münster: Aschendorff 2000, S. 159–176.
*Anton Rauscher : Gustav Gundlach 1892 - 1963. In: ''Zeitgeschichte in Lebensbildern.'' Bd. 2. Münster: Aschendorff 2000, S. 159–176.
* {{Literatur |Autor=Johannes Schwarte |Titel=Gustav Gundlach S. J. (1892-1963). Maßgeblicher Repräsentant der katholischen Soziallehre während der Pontifikate Pius' XI und Pius' XII |Verlag=Schöningh |Ort=München/Paderborn/Wien |Datum=1975 |ISBN=3-506-70209-2}}
* {{Literatur |Autor=Johannes Schwarte |Titel=Gustav Gundlach S. J. (1892-1963). Maßgeblicher Repräsentant der katholischen Soziallehre während der Pontifikate Pius' XI und Pius' XII |Verlag=Schöningh |Ort=München/Paderborn/Wien |Datum=1975 |ISBN=3-506-70209-2}}
*Johannes Schwarte: ''Die Auseinandersetzung mit dem Sozialismus bei Gustav Gundlach S.J.(1892-1963)'', in: JCSW 16 (1975), S. 83–137 <ref>{{Internetquelle |url=https://www.uni-muenster.de/Ejournals/index.php/jcsw/issue/view/JCSW16 |titel=Auseinandersetzung mit dem Sozialismus |werk=Jahrbuch für Christliche Sozialwissenschaften |abruf=2021-05-18}}</ref>


== Weblinks ==
== Weblinks ==

Version vom 18. Mai 2021, 10:42 Uhr

Gustav Gundlach SJ (* 3. April 1892 in Geisenheim; † 23. Juni 1963 in Mönchengladbach) war ein deutscher Jesuit. Der katholische Sozialethiker, Sozialphilosoph und Sozialwissenschaftler gilt als Repräsentant der katholischen Soziallehre in der Mitte des 20. Jahrhunderts. Er hat an mehreren Enzykliken mitgewirkt.

Leben

Nach dem Besuch des Kaiser-Friedrichs-Gymnasiums (heute: Heinrich-von-Gagern-Gymnasium) in Frankfurt am Main studierte er Philosophie an der Universität Freiburg im Breisgau, wo er den badischen Neukantianismus kennenlernte. Dort wurde er Mitglied der katholischen Studentenverbindung K.D.St.V. Hohenstaufen im CV. Nach fünf Semestern brach er das Studium ab und trat dem Orden der Jesuiten bei, sein Theologiestudium absolvierte er an der PTH des Ignatiuskolleg in Valkenburg in den Niederlanden. Dann studierte er Volkswirtschaft in Berlin und promovierte 1927 bei Werner Sombart mit „Zur Soziologie der katholischen Ideenwelt und des Jesuitenordens“.

Seit 1929 hatte er eine Professur für Sozialphilosophie und -ethik an der Hochschule Sankt Georgen in Frankfurt am Main inne. Ordensziel war eine Anknüpfung an den Sozialphilosophen Heinrich Pesch. Zusätzlich war Gundlach von 1934 bis 1962 Professor an der Päpstlichen Universität Gregoriana in Rom. Er gehörte zu den engen Beratern der Päpste Pius XI. (Enzyklika Quadragesimo anno, 1931) und Pius XII., deren Soziallehre stark von deutschen Jesuiten mitbeeinflusst wurde. Gundlach prägte stark die Sozialethiker Wilhelm Weber und Anton Rauscher SJ, aber auch ab 1948 den Schweizer Theologen Hans Küng.[1]

Papst Johannes XXIII. wandte sich für einen Entwurf seiner Sozialenzyklika Mater et magistra (1961) zunächst an Gundlach, war aber vom doktrinären Stil des Konzepts enttäuscht. Gundlach verließ Rom und errichtete 1962 in Mönchengladbach eine katholisch-soziale Forschungsstelle, die auch in späteren Jahren die Gundlach’schen Ansätze fortführte. Die Katholische Sozialwissenschaftliche Zentralstelle war für Jahrzehnte die Koordinations- und Leitstelle für den Sozialen Katholizismus in Deutschland und darüber hinaus. Nach der Ernennung von Joseph Höffner zum Bischof von Münster hat Gundlach einen Lehrauftrag für Christliche Sozialwissenschaft an der Universität Münster angenommen.[2]

Hans Küng überliefert die Wut, mit der Gundlach sich um 1950 wünschte, Msgr. Montini (später Papst Paul VI.) „liquidieren“ zu dürfen (weil dieser Reformwillige für französische Arbeiterpriester und Arbeitermitbestimmung in den Betrieben eintrat). Gundlach starb 1963 plötzlich, keine 48 Stunden nach dessen Wahl zum Papst. Über den kausalen Zusammenhang spekuliert zumindest Küng.[3]

Umstrittene Positionen zu Atomkrieg und Antisemitismus

Nach seiner Lehre ist die Person Ursprung und Ziel allen gesellschaftlichen Lebens. Die Gesellschaft ist keine Summe oder Integration von „Individuen“, sondern Koordination der Personen. Sie wirken solidarisch auf die Verwirklichung der von Gott gesetzten Werte im Wandel der Geschichte. In Raum und Zeit organisieren sie sich notwendig mit Familie, Eigentum und Staat. Da Gundlach zunehmend das Privateigentum zu einem absoluten Recht aufwertete[4], verlor er bereits in den 1950er Jahren bei den Theologiestudenten in Rom an Zustimmung. Man fragte ihn kritisch: „Wenn das Privateigentum einen so hohen Rang hat, gab es dann im Paradies auch Privateigentum?“ Gundlach lehnte auch das Godesberger Programm der SPD als sozialistisch ab.

In seiner Interpretation einer Schrift Papst Pius XII. über den gerechten Krieg Bellum iustum folgend behauptete Gundlach, ein atomarer Verteidigungskrieg sei sittlich gerechtfertigt. Bei der Schrift von Papst Pius XII. handelt es sich um eine Neuinterpretation der Lehre des gerechten Krieges, die sich ausgehend von Texten des hl. Augustinus (354–430) entwickelte. Diese Neuinterpretation durch Pius XII. war stark vom Kalten Krieg und einem potentiellen atomaren Konflikt zwischen den USA und der Sowjetunion beeinflusst. Während Pius XII. die Verwendung der Atombombe in engsten Grenzen eventuell für sittlich gerechtfertigt hielt, wenn Freiheit, Würde oder Glauben eines Volkes bedroht sind, ging Gundlach davon aus, dass mit diesen Worten der „Schutz des christlichen Glaubens“ gemeint sei. Dem Wissen um den mehrfachen Overkill in Bezug auf Atomwaffen begegnete Gundlach mit dem Argument, dass die Zerstörung der Welt eine Manifestation Gottes sei und die Welt ohnehin nicht für die Ewigkeit geschaffen wurde. Gleichzeitig lehnte Gundlach aber eine Verantwortung für die Entscheidung zum Atomkrieg ab:[5]

„...wenn die Welt untergehen sollte, wäre das auch kein Argument gegen unsere Argumentation. Denn wir haben erstens sicher Gewissheit, dass die Welt nicht ewig dauert, und zweitens haben wir nicht die Verantwortung für das Ende der Welt. Wir können dann sagen, dass Gott, der Herr, der uns durch seine Vorsehung in eine solche Situation geführt hat oder hineinkommen ließ, wo wir dieses Treuebekenntnis zu seiner Ordnung ablegen müssen, dann auch die Verantwortung übernimmt.“

(Diese Position wurde von Sozialethikern, aber auch Kirchenrechtlern wie Alfredo Ottaviani und, ihm folgend, vom II. Vatikanum, insb. Gaudium et spes Nr. 82, eindeutig abgelehnt.)

Im vom Regensburger Bischof Michael Buchberger herausgegebenen Lexikon für Theologie und Kirche schrieb Gundlach (1930), dass eine „staatspolitisch orientierte Richtung des Antisemitismus“, vertreten mit in seinen Augen moralisch und rechtlich vertretbaren Mitteln, legitim sei, die „Stärkung der positiv sittlich-gläubigen Faktoren im Judentum gegen die liberalen, dem sittlichen Nihilismus am meisten zugänglichen ,Assimilationsjuden‘, die ... im Lager der Weltplutokratie wie des Weltbolschewismus gegen die menschliche Gesellschaft zerstörend wirken und dadurch dunkle Züge der vom Heimatboden vertriebenen jüdischen Volksseele auslösen ...“ Rassisch begründeten Antisemitismus lehnt er ab, verteidigt jedoch Maßnahmen der Kirche „gegen den Einfluss des wirtschaftenden u. geistigen Judentums.[6]

Ehrungen

  • 1962 Großes Bundesverdienstkreuz
  • 1962 Festschrift Freiheit und Verantwortung in der modernen Gesellschaft (überreicht von Joseph Höffner zum 70. Geburtstag von Gustav Gundlach)

Werke

  • Gustav Gundlach: Die Ordnung der menschlichen Gesellschaft. 2 Bde. Hrsg. von der Katholischen Sozialwissenschaftlichen Zentralstelle Mönchengladbach. Köln 1964.
  • Gustav Gundlach: Verantwortliches Christentum in Gesellschaft und Staat. Referate gehalten bei der Jahrestagung der Arbeitsgemeinschaft der katholischen deutschen Frauen. Paderborn 1958.

Literatur

  • Joseph Höffner: Gustav Gundlach. Biographische Skizze. In: Jahrbuch des Instituts für Christliche Sozialwissenschaften. 3. Bd. Münster: Verlag Regensberg 1962, S. 7–13.
  • Anton Rauscher SJ: Gundlach, Gustav. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 7, Duncker & Humblot, Berlin 1966, ISBN 3-428-00188-5, S. 316 (Digitalisat).
  • Anton Rauscher: Gundlach, Gustav. In: Walter Kasper (Hrsg.): Lexikon für Theologie und Kirche. 3. Auflage. Band 4. Herder, Freiburg im Breisgau 1995, Sp. 1102 f.
  • Anton Rauscher: Gustav Gundlach: 1892 - 1963. Schöningh, München u. a. 1988, ISBN 3-506-70862-7.
  • Anton Rauscher : Gustav Gundlach 1892 - 1963. In: Zeitgeschichte in Lebensbildern. Bd. 2. Münster: Aschendorff 2000, S. 159–176.
  • Johannes Schwarte: Gustav Gundlach S. J. (1892-1963). Maßgeblicher Repräsentant der katholischen Soziallehre während der Pontifikate Pius' XI und Pius' XII. Schöningh, München/Paderborn/Wien 1975, ISBN 3-506-70209-2.
  • Johannes Schwarte: Die Auseinandersetzung mit dem Sozialismus bei Gustav Gundlach S.J.(1892-1963), in: JCSW 16 (1975), S. 83–137 [7]

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Hans Küng: Erkämpfte Freiheit: Erinnerungen. Piper ebooks, 2014, ISBN 978-3-492-96697-9 (google.com [abgerufen am 18. Mai 2021]).
  2. Manfred Hermanns: Sozialethik im Wandel der Zeit. Paderborn: Schöningh 2006, S. 310
  3. Hans Küng: Erkämpfte Freiheit: Erinnerungen. Piper ebooks, 2014, ISBN 978-3-492-96697-9, S. 146 f. (google.com [abgerufen am 18. Mai 2021]).
  4. Gustav Gundlach: Das Privateigentum und Seine Soziale Pflichtigkeit. In: Eigentum und Eigentümer in Unserer Gesellschaftsordnung (= Veröffentlichungen der Walter-Raymond-Stiftung). VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden 1960, ISBN 978-3-322-99099-0, S. 19–33, doi:10.1007/978-3-322-99099-0_1.
  5. G. Gundlach: Die Lehre Pius XII vom modernen Krieg (StZ 164 (1958–1959), 13
  6. Freiburger Rundbrief :: Versteckte und verpasste Botschaft für die Juden. Abgerufen am 18. Mai 2021.
  7. Auseinandersetzung mit dem Sozialismus. In: Jahrbuch für Christliche Sozialwissenschaften. Abgerufen am 18. Mai 2021.