Adriano Sofri

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Adriano Sofri (* 1. August 1942 in Triest) ist ein italienischer Politiker, Intellektueller, freier Journalist, Autor.

Adriano Sofri war eine zentrale Figur in der außerparlamentarischen italienischen Politik der 1960er- und 1970er-Jahre als führende Persönlichkeit der linksradikalen Organisation Lotta Continua (Fortwährender Kampf), die er 1969 gegründet hatte.

Adriano Sofri

Bombenanschläge

Am 12. Dezember 1969 waren innerhalb einer Stunde vier Bomben detoniert, drei davon in Rom: zwei am Altar des Vaterlandes an der Piazza Venezia, eine in einem unterirdischen Gang der Banca Nazionale del Lavoro. Insgesamt wurden bei den Anschlägen über 100 Menschen verletzt und 16 Menschen getötet. Die radikale Linke, allen voran Lotta Continua, erhob damals den Vorwurf, dass es sich bei den Attentaten um ein „Staatsmassaker“ (Strage di Stato) gehandelt hätte. Das Motiv sei gewesen, eine „Strategie der Spannung“ zu schaffen, um die im „heißen Herbst“ rebellierenden Linken zu demoralisieren und begleitet von Rufen nach Sicherheit und Ordnung die Aufrüstung des Staates gegen die Protestbewegung voranzutreiben. Ab etwa 1990 wurden diese Vorwürfe im Zuge der Aufdeckung der Geheimorganisation Gladio teilweise bestätigt, und es zeigte sich, dass die italienische Strategie der Spannung auf einem weitverzweigten, konspirativen Netzwerk beruhte. Die Aufklärung dieser Zusammenhänge dauert bis heute an.

Unmittelbar nach dem Blutbad begann eine Hexenjagd gegen die Linke. Von der Mailänder Polizei wurden eine Reihe von Verhaftungen vorgenommen. Schon am 17. Dezember wurde der Anarchist Pietro Valpreda von der Presse als „Schlächter“ und „brutale Bestie“ präsentiert. Er saß bis Ende 1972 im Gefängnis, mit 5 anderen Anarchisten, und wurde erst 1985 freigesprochen.

Der Fall Pinelli

Zu den Anarchisten, die unmittelbar nach der Explosion festgenommen wurden, gehörte auch der 41-jährige Eisenbahner Giuseppe („Pino“) Pinelli. Kommissar Calabresi, der ihn verhörte, wollte vor allem Auskünfte über den „irren Valpreda“. Pinelli wurde ohne Haftbefehl festgehalten; gegen Mitternacht des 15. auf den 16. Dezember stürzte er aus dem vierten Stock des Polizeipräsidiums und starb. Viele glaubten (u. a. Dario Fo), dass er ermordet wurde, weil es Widersprüche in den Versionen der Polizisten gab.

Der Fall Calabresi

In diesem Zusammenhang führte Lotta Continua eine Kampagne, in der der Polizeikommissar Luigi Calabresi beschuldigt wurde, für den Tod Pinellis verantwortlich zu sein. Am 17. Mai 1972 wurde Calabresi ermordet.

1988 wurden Adriano Sofri und Giorgio Pietrostefani von der italienischen Justiz als Auftraggeber des Mordes an Calabresi angeklagt und Ovidio Bompressi und Leonardo Marino als Täter. In einer langen Serie von Gerichtsverhandlungen, die sich von 1988 an auf zwei Jahrzehnte ausdehnte, wurde Sofri auf Grund der Aussage von Leonardo Marino, der einstmals selbst Lotta-Mitglied war, 1997 zu 22 Jahren verurteilt, die er im Gefängnis von Pisa absitzt. Das Urteil wurde im Jahre 2000 bestätigt und ist seither unanfechtbar. Die Verurteilung wurde von vielen Personen als ungerecht empfunden, so beteiligen sich Persönlichkeiten wie Umberto Eco oder Hans Magnus Enzensberger an Initiativen zu seiner Freilassung. Der Verurteilte hingegen verzichtete auf Gnadengesuche und forderte stattdessen die Wiedergutmachung des ihm zugefügten Unrechts und seine vollständige Rehabilitation.

Adriano Sofri verbüßte einen Großteil der Strafe im Gefängnis San Giovanni Bosco in Pisa. Im Juni des Jahres 2005 wurde ihm Halbfreiheit gewährt, um in der Scuola Normale Superiore in Pisa an Aufräumarbeiten in den Archiven von Eugenio Garin und Sebastiano Timpanaro mitzuarbeiten. Im November 2005 wurde er vom Boerhaave-Syndrom befallen, einer recht seltenen Erkrankung der Speiseröhre. Der schlechte Gesundheitszustand führte zu seiner Einlieferung in das Santa Chiara-Krankenhaus von Pisa und zur Unterbrechung der Haftzeit. Seit 2007 konnte Sofri den Rest seiner Strafe aus gesundheitlichen Gründen als Hausarrest abbüßen. Die 22-jährige Haftzeit endete im Januar 2012.

Siehe auch

Weblinks