Avner Werner Less

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Avner Werner Less, auch Avner W. Less (* 18. Dezember 1916 in Berlin; † 7. Januar 1987 in Zürich) war ein israelischer Polizist, der 1960/61 in Jerusalem im Zuge des Eichmann-Prozesses die Verhöre Adolf Eichmanns leitete.

Ausbildung und Beruf

Less war der Sohn des als Freiwilliger in den Ersten Weltkrieg gezogenen Julius Less. Less besuchte in Berlin die Höhere Waldschule Charlottenburg, flüchtete nach der Machtübergabe an die Nationalsozialisten 1933 nach Frankreich und setzte dort seine landwirtschaftliche Ausbildung fort.[1] Less heiratete in Frankreich 1936 die ebenfalls geflohene Hamburgerin Vera Gonsiorowski.

1938 wanderte Less nach Palästina aus und arbeitete dort während der ersten Jahre auf Orangenplantagen. Von 1941 bis 1948 war er Polizist bei der Mandatspolizei in Haifa und Preiskontrolleur für den dortigen Distrikt. Nach der Gründung Israels 1948 trat er in den israelischen Staatsdienst ein und war zunächst als Leiter der Import-Export-Sektion im Handels- und Industrieministerium tätig, dann als Vizedirektor der Rechtsabteilung für die Preiskontrolle im Distrikt Haifa. Ab 1951 war Less Polizeioffizier in der Abteilung Wirtschaftsverbrechen, von 1954 bis 1968 zeitweilig tätig im Auslandsdienst als Attaché und Konsul in New York City und Paris sowie als ständiger Vertreter Israels bei den Jahreskonferenzen der UNO-Rauschgift-Kommission (UNFDAC) in Genf und bei Interpol.[2]

Verhörer Eichmanns

Von 1960 bis 1961 war Less mit der Leitung des Verhörs von Adolf Eichmann betraut und verhörte ihn selbst 275 Stunden lang. Less beschreibt Eichmann als einen „geborenen Lügner, der nur die Wahrheit sagen wird, wenn sie ihm nützlich erscheint.“[3] Less musste seine Verhörtaktik des Öfteren ändern, da Eichmann meist weitschweifig und ausweichend antwortete. Um Eichmann zu spontanen Stellungnahmen zu veranlassen und dabei die Wahrheit zu sagen, las Less ihm von Zeit zu Zeit aus Dokumenten vor.

Vor Gericht versuchte Eichmann, die Richter von der Unwichtigkeit seiner Person zu überzeugen, und spielte die Rolle eines unbedeutenden Beamten, der mit Kadavergehorsam seiner Pflicht nachkam. Less stellte im Nachherein fest, es sei einfach verblüffend, mit wie viel Naivität viele Prozessbeobachter Eichmann dabei „auf den Leim krochen“.[4] Nach dem Prozess trat Less als ein vielbefragter Zeitzeuge in der Öffentlichkeit auf.

Tätigkeit in der Schweiz

Ab 1968 nahm Less seinen ständigen Aufenthalt in der Schweiz. Bis 1971 war er Mitarbeiter der Banque de Crédit International Genève. Ab 1972 war er zuständig für interne Sicherheitsangelegenheiten der Bank Robinson AG in Basel, von 1976 bis 1979 Mitarbeiter der Gesellschaft für Bankrevisionen in Basel und ab 1979 interner Kontrolleur der Neutra Treuhand AG in Zürich.

Beisetzung

Less wurde zunächst getrennt von seiner 1980 verstorbenen Frau Vera bestattet, da die jüdischen Gemeinden fehlende Religionszugehörigkeit bemängelten. 27 Jahre später wurde das Ehepaar gemäß seinem letzten Willen nebeneinander in Avner Werner Less’ alter Heimatstadt Berlin begraben. In Anwesenheit des Sohnes Alon Less wurden am 23. Mai 2014 beide Urnen auf dem Alten Friedhof Berlin-Wannsee beigesetzt, die Zeremonie von Andreas Nachama geleitet.[5][6]

Mutter Betty Less

Am selben Tag wurden vor dem Wohnhaus der Familie in der Berlin-Schöneberg, Kleiststraße 31, vier Stolpersteine zum Andenken an den Vater von Avner Werner Less und drei weitere Familienangehörige verlegt.[5]

Schriften

  • „Lüge! Alles Lüge!“ – Aufzeichnungen des Eichmann-Verhörers. Rekonstruiert von Bettina Stangneth. Zürich/Hamburg 2012, ISBN 978-3-7160-2689-2
  • (Hrsg.): Schuldig – Das Urteil gegen Adolf Eichmann. Mit einem Nachwort von Jochen von Lang. Frankfurt am Main 1987, ISBN 3-610-08432-4
  • mit Jochen von Lang: Tonbandaufzeichn. d. israel. Verhöre. Severin und Siedler, Berlin [West] 1982, mit 66 faks. Dokumenten.
  • Adolf Eichmann = Adolf Aikhman 5. [S.l.] Police d'Israel, Quartier général, 6ème bureau [1961] (hebräisch) (d.i.: Vernehmungsprotokolle)

Literatur

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Klaus Urner et al. (Hrsg.): Das Archiv für Zeitgeschichte und seine Bestände. Zürich 1999, ISBN 3-85823-763-9, S. 101.
  2. AfZ online Archiv der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich
  3. Avner Werner Less: „Lüge! Alles Lüge!“ Zürich & Hamburg 2012, S. 194.
  4. Avner Werner Less: „Lüge! Alles Lüge!“. Zürich/Hamburg 2012, S. 220–222.
  5. a b Berliner Abendschau (Rundfunk Berlin-Brandenburg); Sendung vom 23. Mai 2014.
  6. orte-der-erinnerung.de Das Ehepaar Less wird wiedervereint nach 27 Jahren. In: Berliner Morgenpost, 26. Mai 2014