Bulat Schalwowitsch Okudschawa

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Briefmarke Russlands, Bulat Okudschawa, 1999 (Michel Nr. 760, Scott Nr. 6546)

Bulat Schalwowitsch Okudschawa (russisch Булат Шалвович Окуджава, georgisch ბულატ ოკუჯავა, wiss. Transliteration Bulat Šalvovič Okudžava; * 9. Mai 1924 in Moskau; † 12. Juni 1997 in Paris) war ein sowjetischer Dichter und Chansonnier. Der oppositionelle Künstler und Mitbegründer des russischen Autorenliedes galt als der Georges Brassens der Sowjetunion.

Leben

Er wurde als Sohn eines georgischen Vaters und einer armenischen Mutter geboren. Der Vater war ein hoher KP-Funktionär in Moskau. 1937 wurden die Eltern verhaftet und der Vater als angeblicher deutscher Spion erschossen. Die Mutter verbrachte als „Frau eines Vaterlandsverräters“ 18 Jahre in verschiedenen Arbeitslagern des Gulag. Okudschawa zog zu Verwandten nach Tiflis. 1941 wurde er zur Armee eingezogen und kämpfte im Zweiten Weltkrieg als Artillerist. 1945 absolvierte er in Tiflis das Abitur, studierte bis 1950 an der Staatlichen Universität Tiflis Philologie und wurde Lehrer im Dorf Schamordino in der Oblast Kaluga, später in Kaluga. Nach der Rehabilitation seiner Mutter wechselte er 1956 zurück in seine Heimatstadt Moskau.

Er wurde Redakteur im Verlag Molodaja Gwardija (dt. ‚Junge Garde‘), später Leiter des Lyrikressorts der Wochenzeitung Literaturnaja Gaseta. In der Phase der Entstalinisierung trat er mit nonkonformistischen Gedichten auf und begleitete sie auf der Gitarre. Die ersten hatte er bereits in Tiflis geschrieben und vergeblich zu veröffentlichen versucht. Sie waren meist metaphorisch und melancholisch. Entsprechend seinen Jugenderfahrungen hatten sie einen pazifistischen Grundton und wandten sich gegen Unterdrückung durch den Staat. Weil die Medien Okudschawa versperrt waren, waren Privatwohnungen in Moskau seine Bühne.

Okudschawa 1976 im Palast der Republik in Ostberlin

Dort wurden die Lieder auf Tonband mitgeschnitten und verbreiteten sich als Magnitisdat schnell in der gesamten Sowjetunion. Junge Leute kauften sich Tonbandgeräte, griffen zur Gitarre und sangen die Lieder nach. Okudschawa wurde zum Sprachrohr der sowjetischen Nachkriegsgeneration.

In den 1960er Jahren wurden seine Lieder in Filmen verwendet. Er verfasste Drehbücher. Zugleich wandte sich Okudschawa gegen die Zensur in der Literatur, unterzeichnete Petitionen gegen die Inhaftierung von Autoren sowie die Repressionen gegen Alexander Solschenizyn. In den 1980er Jahren schrieb er verschiedene Prosawerke.

Büste Okudschawas in Kielce

Okudschawa war auch in Polen sehr beliebt. Anfang der 1980er Jahre übersetzte Wolf Biermann Lieder von Bulat Okudschawa ins Deutsche und nahm A kak perwaja ljubow (A как первая любовь, dt. Ach die erste Liebe macht das Herz mächtig schwach) in sein Konzertprogramm auf.

Nach dem Ende der Sowjetunion wurde er 1992 von Boris Jelzin in die Begnadigungskommission des russischen Präsidenten berufen, die Fehlurteile der sowjetischen Justiz korrigieren sollte. Er gehörte ihr bis zu seinem Tode an.

Okudschawa starb auf einer Lesereise in Paris und wurde in Moskau auf dem Wagankowo-Friedhof begraben. Seine Geburtsstadt ehrte ihn mit einem Denkmal im Stadtviertel Arbat. Die vom russischen Präsidenten unterstützte Bulat-Okudschawa-Stiftung sammelt die über die ganze Welt verstreuten Audio- und Video-Mitschnitte seiner Rezitationen und Konzerte. Insgesamt handelt es sich um rund 200 Lieder und etwa 1.000 Gedichte. Seine Lieder werden heute noch zum Erlernen der russischen Sprache verwendet.[1]

Okudschawa war mit Olga Arzymowitsch verheiratet. Er sprach außer russisch auch georgisch.

Auszeichnungen

Weiteres

Der Asteroid (3149) Okudzhava, 1981 von der tschechischen Astronomin Zdeňka Vávrová entdeckt, wurde nach ihm benannt.[2] Okudschawa besang die Moskauer Straße Arbat im Lied über den Arbat. In der Straße Arbat befindet sich heute das Okudschawa-Haus (Haus Nr. 43) und ein Denkmal Okudschawas.

Werke

  • Bulat Okudshawa: Gedichte und Chansons. Kindler, München 1969
  • Bulat Okudžava: Der fröhliche Trommler: Lieder, Chansons, Balladen. Damokles-Verlag, Ahrensburg 1969
  • Bulat Okudshawa: Auswahl. Neues Leben, Berlin 1975
  • Bulat S. Okudzava: Die Erlebnisse des Polizeiagenten Schipow bei der Verfolgung des Schriftstellers Tolstoj: Roman. Deutscher Taschenbuch-Verlag, München 1977
  • Bulat Okudžava: Proza i poezija. Possev, Frankfurt a. Main 1977
  • Bulat Okudshawa: Der arme Awrossimow oder die Abenteuer eines Geheimschreibers: Roman. Volk & Welt, Berlin 1971
  • Bulat Okudshawa: Merci oder die Abenteuer Schipows. Volk & Welt, Berlin, 1981
  • Bulat Okudschawa: Die Reise der Dilettanten I: Petersburg, Bertelsmann 1978, Rowohlt 1982
  • Bulat Okudschawa: Die Reise der Dilettanten II: Die Flucht, Bertelsmann 1979, Rowohlt 1986
  • Bulat Okudshawa: Die Reise der Dilettanten: Aus den Aufzeichnungen des Oberlieutnants im Ruhestand Amiran Amilachwari, Aufbau 1981
  • Bulat Okudshawa: Romanze vom Arbat. Lieder, Gedichte. Hrsg. von Leonhard Kossuth. Volk & Welt, Berlin 1985, ISBN 3-353-00245-6
  • Bulat Okudshawa: Begegnung mit Bonaparte: historischer Roman. Volk & Welt, Berlin 1986
  • Bulat Okudshawa: Frau meiner Träume: wahre Geschichten. Volk & Welt, Berlin 1991, ISBN 3-353-00876-4
  • Bulat Okudshawa: Reise in die Erinnerung. Glanz und Elend eines Liedermachers. Aufbau, Berlin 1997, ISBN 3-7466-1451-1
  • Vladimir S. Vysockij, Aleksandr A. Galic, Bulat S. Okudzava: Russische Liedermacher. Reclam, Stuttgart 2000, ISBN 3-15-018056-2

Diskografie

  • Bulat Okudshawa: Lieder 2. Pläne Pop, 1989
  • Bulat Okudshava: Poka semlja jeschtscho wertitsja (Пока земля еще вертится). SLRecords, 1994
  • Bulat Okudshava: A kak perwaja ljubow... (А как первая любовь) SLRecords, 1997
  • Bulat Okudshava: Amerikanski konzert (Американский концерт). SoLyd Records, 1998
  • Bulat Okudshava: Kogda opustejet Parisch … Posledni konzert w Parische (Когда опустеет Париж... Последний концерт в Париже). 2002
  • Bulat Okudshava: Tschudesny wals: Konzert 1969 (Чудесный вальс: Концерт 1969). 2002

Literatur

  • Elena Bogdanova: Ein Dichter in Russland ist mehr als ein Dichter …: B. Okudshawa. In: Literatur um 11, Heft XV, Marburg 1998, S. 132–139
  • Dagmar Boss: Das sowjetische Autorenlied. Verlag Otto Sagner, München 1985, ISBN 3-87690-323-8.

Weblinks

Commons: Bulat Schalwowitsch Okudschawa – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Vladimir Tumanov: Usings Songs in the Foreign Language Classroom. (PDF); mit Jeff Tennant: Russian Language Journal. 54 (177–179), 2000, S. 13–33.
  2. Dictionary of Minor Planet Names – Seite 260