Corps Palaiomarchia
Das Corps Palaiomarchia ist eine Studentenverbindung im Hallenser Senioren-Convent. Als Corps im Kösener Senioren-Convents-Verband steht Palaiomarchia zu Mensur und Couleur. Der Name ist ein Kunstwort für Altmark (griech. παλαιός = alt und lat. marcha = die Mark).
Couleur und Wahlspruch
Die Farben der Altmärker sind orange-weiß-schwarz (von unten gezählt) mit silberner Perkussion. Füchse tragen ein orange-weiß-orange Fuchsenband mit silberner Perkussion. Die Mützenfarbe ist orange. Der Wahlspruch des Corps lautet Concordia fidesque per vitam mortemque![1]
Geschichte
Palaiomarchia wurde am 28. Oktober 1844[2] durch Studenten des Gymnasiums in Stendal als geschlossenes Kränzchen gegründet, das sich drei Jahre später eine Constitution gab und im Februar 1847 während einer Sezession des Hallenser Senioren-Convents als Corps dem damals aus Borussia und Pomerania bestehenden Neuen Hallenser SC beitrat. Im Wintersemester 1851/52 schloss sich Palaiomarchia dem alten SC an. Nach einer anfänglichen Blütezeit litt das Corps vor allem durch den Deutschen Krieg und den Deutsch-Französischen Krieg unter Personalmangel und musste am 4. November 1871 den aktiven Betrieb einstellen.[3] 1882 erfolgte die Rekonstitution.
Das erste eigene Corpshaus, nach Plänen von Stadtbaurat Hetzel aus Naumburg am Jägerplatz Nr. 16 errichtet, konnte im Mai 1890 bezogen werden.[4] Es wurde 1913 durch das heutige Haus in der Heinrich-und-Thomas-Mann-Straße ersetzt.
Nach dem Ersten Weltkrieg engagierten sich Altmärker im Hochschulring deutscher Art und beteiligten sich an vorderster Front bei den Märzkämpfen in Mitteldeutschland. Der Erstchargierte kam dabei in Galgenberg (Halle) ums Leben.
Bewährung
Im Sommersemester 1935 waren in allen studentischen Verbindungen die neuen Regeln des Allgemeinen Deutschen Waffenrings umgesetzt, so dass nur aufgenommen werden durfte, wer den Rassegesetzen der Nationalsozialisten entsprach. Sechs Aktive des Corps Palaiomarchia fanden nun heraus dass zwei Alte Herren des Corps Juden waren. Sie forderten den sofortigen Ausschluss der beiden. Beide waren hochdekorierte Teilnehmer des Ersten Weltkrieges und hatten sich auch um das Corps außerordentlich verdient gemacht. Dazu kam, dass beide nach den herrschenden Rassegesetzen nur als Vierteljuden angesehen worden wären und die seit 1933 geltenden Ausnahmeregeln für das Berufsbeamtentum zutrafen. Die Studenten drohten mit Austritt. Am 29. August meldete die Mitteldeutsche National-Zeitung „Palaiomarchia hat jüdische Corpsbrüder. Nationalsozialisten verlassen unter Protest das Corps“.[5] Um weiteren Schaden vom Corps abzuwenden, baten die beiden Alten Herren darum austreten zu dürfen. Dies wurde abgelehnt und gleichzeitig den sechs aktiven Studenten mit Ausschluss gedroht. Der Corpsführer sagte dazu: „Wer immer die Farben meines Corps trägt, ist mein Corpsbruder ... Ich opfere meinen Bruder weder für meine eigene noch für die Sache meiner Rasse.“ [6]
Aufgrund der Weigerung, sich dem Arierparagraphen und der Gleichschaltung zu unterwerfen, schloss Hans Heinrich Lammers das Corps im August 1935 aus dem KSCV aus. Das Corps musste am 11. Oktober 1935 suspendieren.
Kiel
In der Nachkriegszeit nach dem Zweiten Weltkrieg in Deutschland wurde der Altmärker-Verein gemäß Anordnung der britischen Militärregierung Nr. 122 am 15. Januar 1948 in Hamburg registriert.[7] Das Corps Palaiomarchia rekonstituierte am 10. Dezember 1949 in Kiel.
Collegium Albertinum
An der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel fanden sich im Wintersemester 1946/47 sieben Jurastudenten zusammen. Als ehemalige Wehrmachtsoffiziere wollten sie sich und jüngeren Kommilitonen helfen. Der Kreis benannte sich nach Christian Albrecht (Schleswig-Holstein-Gottorf), dem Gründer der CAU. Dem förmlichen Zulassungsantrag beim britischen University Education Control Officer wurde noch im Dezember 1946 stattgegeben. Im Sommersemester 1947 beschloss das CA, den Anschluss an eine alte Studentenverbindung zu suchen.[8] Im Sommersemester 1949 erging der Beschluss, sich speziell den Corps zuzuwenden. Ab September 1949 führte das CA das Couleur violett-weiß-violett, die Farben der CAU. Über Waltraud Randolf, die spätere Frau von Gerd Wollburg, trat das CA mit Joachim Jacobs-Martini Thuringiae Jena in Verbindung. Er vermittelte im November 1949 den Kontakt zu dem Altmärker Günther Niewerth, weil Palaiomarchia in Kiel rekonstituieren wollte. Zwei Tage nach der Rekonstitution am 10. Dezember 1949 nahm Palaiomarchia die Mitglieder des Collegium Albertinum auf.[9] Zu den 20 Mitgliedern zählten Wolfgang Doberauer, Wolfgang Erich, Hans Pries, Heribert Schareck, Werner Schattmann und Gerd Wollburg.
Erweiterung
Am 14. Januar 1950 erfolgte der Zusammenschluss mit dem am Vortag (vermeintlich) rekonstituierten Corps Masovia zum gemeinsamen Corpsburschen-Convent der Palaiomarchia-Masovia. Der sollte indessen nur so lange bestehen, wie eine Rückverlegung der beiden Corps an ihre Heimatorte unmöglich war.
Heimkehr
Mit der sog. Deutschen Wiedervereinigung setzten sich die meisten Alten Herren der Palaiomarchia-Masovia im Januar 1991 für eine Rückverlegung des Corps Palaiomarchia nach Halle ein. Am 4. Mai 1991 rekonstituierte das Corps im alten Corpshaus. Das Corps Palaiomarchia-Masovia blieb in Kiel bestehen. Masovia beschloss im Oktober 2000 auf dem Altmärkerhaus, ihren Sitz von Kiel nach Potsdam zu verlegen.
Als präsidierendes Vorortcorps stellte Palaiomarchia 1996 den Vorsitzenden des oKC.
Auswärtige Beziehungen
Palaiomarchia unterhält ein Eisernes Kartell mit Palaiomarchia-Masovia in Kiel und ein innig befreundetes Verhältnis mit Rhenania Freiburg.[10] Befreundet ist sie mit den Corps Starkenburgia, Guestphalia Bonn, Masovia, Marchia Berlin, Moenania, Palatia-Guestphalia, Austria, Guestfalia und Rhaetia. Sie wird zum blauen Kreis gezählt. Vor der großen Suspension von 1874 bis 1882 stand sie in Verhältnisverträgen mit Corps anderer Kreise.[11]
Mitglieder
In alphabetischer Reihenfolge
- Kurt Hermann Alverdes (1896–1959), Anatom in Königsberg, Halle und Leipzig
- Erich Bauer (1885–1972), Rechtsanwalt und Entomologe in Goslar
- Wilhelm von Becker (1835–1924), Oberbürgermeister von Dortmund, Düsseldorf und Köln, Ehrenbürger der Stadt Köln, Vizepräsident des preußischen Herrenhauses
- Erich Bock (1907–1994), Sanitätsoffizier
- Carl Rudolf Bohtz (1864–1922), Mitglied des Reichstags
- Woldemar Born (1834–1912), Bürgermeister von Delitzsch, Bürgermeister und Ehrenbürger von Zeitz, Mitglied des Preußischen Abgeordnetenhauses und des Provinziallandtags der Provinz Sachsen
- Robert Bosse (1832–1901), Preußischer Staatsminister
- Wilhelm Brindlinger (1890–1967), Oberbürgermeister von Memel
- Franz Büttner Pfänner zu Thal (1859–1919), Kunsthistoriker und Gemälderestaurator
- Otto Buhbe (1903–1993), Landwirt, Synodaler und Kommunalpolitiker
- Max Clairon d’Haussonville (1836–1899), Regierungspräsident in Köslin und Kassel
- Kurd Dalen (1884–1941), Industriejurist
- Ludwig Denecke (1906–1996), Germanist und Bibliothekar
- Wilhelm Eichhoff (1833–1895), Sozialdemokrat und oppositioneller Schriftsteller
- Herbert Fox (1903–1993), Bergingenieur und Wirtschaftsführer
- Bernhard von Goeschen (1833–1923), Kreishauptmann der Kreise Hoya und Harburg, Landrat des Landkreises Harburg
- Friedrich August Heyer (1869–1959), Konsularbeamter, Wirtschaftshistoriker Großbritanniens
- Bernhard Hofmann (1889–1954), Konsistorialpräsident in Magdeburg
- Wilko von Klüchtzner (1877–1956), thüringischer Finanzminister
- Bernhard Köttgen (1909–1999), Verwaltungsjurist, Offizier und Richter
- Hans Löwe (1903–1989), Professor für Tierzucht
- Hans Lüdecke (1896–1972), Professor für Pflanzenbau in Göttingen
- Werner Lüttge (1895–1979), Geburtshelfer und Frauenarzt
- Eduard Meier (1834–1899), Begründer der oberschlesischen Eisenindustrie
- Ludolf Parisius (1827–1900), Ehrenmitglied der Palaiomarchia, Jurist, Publizist, liberaler Politiker und Heimatforscher
- Henning Piper (1931–2012), Richter am Bundesgerichtshof a.D.
- Gustav Nachtigal (1834–1885), Afrikaforscher, deutscher Generalkonsul in Tunis
- Eggert Reeder (1894–1959), Verwaltungsjurist, Chef der deutschen Militärverwaltung in Nordfrankreich und Belgien
- Otto Schlüter (1872–1959), Professor für Geographie in Halle
- Wilhelm Schneidewind (1860–1931), Professor für Agrikulturchemie an der Universität Halle
- Karl-Ludwig Stellmacher (1909–2001), Mathematiker an der University of Maryland
- Walter Telemann (1882–1920), Radiologe
- Adolf Thiele (1867–1933), Medizinalbeamter
- Erich Ullrich (1913–1998), Wirtschaftsjurist in Unterfranken
- Carl Wiggert (1903–1983), Landwirt, Verwaltungsjurist und Bankier
Träger der Klinggräff-Medaille
Mit der Klinggräff-Medaille des Stiftervereins Alter Corpsstudenten wurde ausgezeichnet:
- Jörg Richter (1996)
Literatur
- Friedrich Wilhelm Koenig:[12] Aus zwei Jahrhunderten. Geschichte der Studentenschaft und des studentischen Korporationswesens auf der Universität Halle. Halle an der Saale 1894.
- Friedrich Wilhelm Koenig: Geschichte des Corps Palaiomarchia zu Halle a. S. nach den noch vorhandenen Protokollen des CC und des Hallenser SC. Halle an der Saale 1903.
- Thorsten Lehmann: Die Hallenser Corps im Deutschen Kaiserreich. Halle 2007.
Weblinks
Einzelnachweise
- ↑ Eintracht und Treue durch Leben und Tod
- ↑ E. H. Eberhard: Handbuch des studentischen Verbindungswesens. Leipzig, 1924/25, S. 57.
- ↑ L. Denecke: Palaiomarchia im SS 1874. Corpszeitung der Altmärker-Masuren 55, Kiel 1974, S. 1210–1212
- ↑ Academische Monatshefte 8 (1891/92), S. 39
- ↑ Mitteldeutsche National Zeitung, Halle, 29.August 1935, BA Kobl. R128, f.74 und Kös. Arch.
- ↑ Lammers, Vom Fall Palaiomarchia bis zum Ausschluss des Kösener SC, BA Koblenz. R128, 101.
- ↑ Aktenzeichen W 553, 1, c (7)
- ↑ Wolfgang Erich: Die Entwicklung des Collegium Albertinum von seiner Gründung im Jahre 1946 an bis zum Anschluß an die Palaiomarchia-Masovia im Wintersemester 1949/50. Corpszeitung der Altmärker-Masuren
- ↑ Günter Ernesti: Vom Collegium Albertinum zum Corps Palaiomarchia-Masovia. Kiel, Boyens Verlag 2008.
- ↑ Ludwig Denecke: Rhenania und Palaiomarchia. Zum 90-jährigen Bestehen einer Freundschaft. Corpszeitung der Altmärker-Masuren 57, Kiel 1975, S. 1257–1259
- ↑ Wilhelm Schrader-Rottmers: Die Beziehungen der Palaiomarchia zu anderen Corps von 1844 bis 1950 (1. Folge). Zeitung der Altmärker-Masuren 49, Kiel 1971, S. 1033–1037
- ↑ G. Daniel: Fr. W. Koenig. Corpszeitung der Altmärker-Masuren 79, Kiel 1986, S. 2365 f.