Deutschordensballei An der Etsch und im Gebirge

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Dies ist eine alte Version dieser Seite, zuletzt bearbeitet am 28. September 2016 um 10:41 Uhr durch Mai-Sachme (Diskussion | Beiträge). Sie kann sich erheblich von der aktuellen Version unterscheiden.
Zur Navigation springen Zur Suche springen
Die Ordensballeien im Reich
Kommenden der Ballei Bozen (1788)

Die Deutschordensballei An der Etsch und im Gebirge war die regionale Organisation des Deutschen Ordens im Gebiet der mittelalterlichen Grafschaft Tirol.

Struktur

Die Ballei unterstand ursprünglich dem Deutschmeister. Kurz vor 1300 wurde sie dem Hochmeister unterstellt.[1] So wurde die Ballei zur Kammerballei, in der der Hochmeister berechtigt war, den Landkomtur zu ernennen.[2] Seit 1269 ist der Komtur von Bozen gleichzeitig Landkomtur. 1520 wurde die Kammerballei an den Deutschmeister verpfändet und nicht wieder ausgelöst. Auf Grund dieser unklaren Zuordnung konnte sich die Ballei eine gewisse Unabhängigkeit bewahren.

Der Landkomtur der Ballei war seit 1534 auf Grund seiner territorialen Besitzungen Mitglied des Tiroler Landstandes und im Tiroler Landtag auf der zweiten (= geistlichen) Bank vertreten.[3] Der Kauf und Verkauf von Gütern sowie die Besetzung von Pfarreien blieb allein dem Landkomtur vorbehalten. Die Ballei war wirtschaftlich schwach und spielte im 13. und 14. Jahrhundert eine Rolle, als sie die Möglichkeit der Unterkunft für Ordensritter auf dem Weg nach Italien und ins Heilige Land bot. Mit dem Verlust von Akkon sank die Bedeutung der Ballei weiter.

Deutschhaus in Bozen (1910)

Sitz des Landkomturs war Bozen.

Geschichte

Keimzelle der Ballei war eine Schenkung der Bozener Eheleute Gerold und Mechthild aus dem Jahre 1202,[4] die zur Gründung eines Hospitals und einer Kirche (Johannes der Täufer) am Virglfuß führte. Wegen der Lage am Eisack kam es zu vielen Überschwemmungen, so dass der Orden 1392 den Ansitz Weggenstein kaufte und 1400 zum Sitz der Ballei machte. Die von der Kommende Bozen geführten Filialspitäler in Lengmoos (ab 1234) und Sterzing (ab 1254) wurden zu eigenen Kommenden. Ab 1269 gab es einen Landkomtur, der von 1534 bis 1918 eine Stimme im Tiroler Landtag hatte.

Mit der bayerischen Besetzung Tirols zur Zeit Napoleons wurden bis 1811 die geistlichen Gebiete säkularisiert und der Deutsche Orden verlor alle seine Besitztümer. Unter Kaiser Franz II. wurde der Orden restituiert und erhielt 1819 faktisch seine Gebiete und Rechte zurück. 1834 verzichtete Kaiser Franz II. offiziell auf alle Anrechte nach Artikel 12 des Pressburger Friedens und der Orden wurde zu einem selbständigen geistlichen Institut in Österreich. Diesen Stand konnte er bis 1929 bewahren, als unter Mussolini der Deutsche Orden enteignet wurde. Teilweise konnten Häuser und Grundbesitz für den Orden erhalten werden, er ging auf in der Familiarengemeinschaft des Deutschen Ordens.

Kommenden

Kommende von bis Anmerkung Bild
Kommende Bozen 9. April 1202[5] 1929 1202 wurde auf Initiative und mit Geld der Eheleute Gerold und Mechthild ein Hospital unter Leitung des Deutschen Ordens eingerichtet.[6] 1929 von Italien säkularisiert.[7]
Kommende Lana 16. April 1396 Neben der Pfarrei Lana gehörten noch Völlan und Gargazon zur Kommende.[8]
Kommende Lengmoos 1234 1929 1234 kaufte der Deutsche Orden das Spital in Lengmoos.[9] Der heute noch existierende Bau entstand um 1625.
Kommende Sankt Leonhard 1219 1811 1219 schenkte Kaiser Friedrich II. dem Deutschen Orden die Pfarrei. 1811 von Bayern besetzt und säkularisiert.
Kommende Schlanders 1305 1811 1235 schenkte Kaiser Friedrich II. Hermann von Salza die Pfarrei.[10] 1811 von Bayern besetzt und säkularisiert.[11]
Kommende Sterzing 27. November 1254 1929 Die Stifterin des Hospitals zu Sterzing, Adelhaid von Taufers, schenkte dieses sowie die Pfarrkirche dem Deutschen Orden.[12]
Kommende Trient 27. April 1283 1673 1283 erhielt der Deutsche Orden das St.-Anna-Kloster der Augustiner-Chorherren.[13] Die Kommende war wirtschaftlich nicht mehr rentabel und wurde verkauft.[14]
Kommende Weggenstein siehe Kommende Bozen, Ballei an der Etsch

Situation heute

Heute besteht die Ballei „An der Etsch und im Gebirge“ der Familiaren (dritter Zweig des Deutschen Ordens) in Südtirol. Seit 2010 gehört die Komturei „Am Inn und Hohen Rhein“ zur Ballei. Das Gebäude der Kommende Lengmoos ist immer noch im Besitz des Deutschen Ordens. Es dient heute als seelsorgerisches und kulturelles Zentrum für das Eisacktal.

Der Deutsche Orden betreut seit 1202 die Pfarrei Lana; daneben werden die Pfarreien Herz Jesu in Gargazon, Mariä Himmelfahrt in Lengmoos, St. Leonhard in Oberinn, St. Leonhard von Limoges in St. Leonhard in Passeier, Mariä Himmelfahrt in Sarnthein, Herz-Jesu in Siebeneich, St. Luzia in Unterinn, St. Joseph in Vilpian, St. Severin in Völlan und St. Vigilius in Wangen vom Orden betreut. Zur Ballei gehört noch das Marianum-Deutschhaus in sowie das Riglerheim (ein Studentenwohnheim) in Bozen.[15]

Deutschordenskirche St. Antonius in Siebeneich

Literatur

  • Hans Georg Böhm: Die Deutschordens-Ballei Südtirol „An der Etsch und im Gebirge“. Heft Nr. 4, Bad Mergentheim 1987
  • Damian Hung: Kommenden des Deutschen Ordens
  • Klaus Militzer: Die Geschichte des Deutschen Ordens. Stuttgart 2005.
  • Heinz Noflatscher (Hrsg.): Der Deutsche Orden in Tirol. Die Ballei an der Etsch und im Gebirge. Verlags-Anstalt Athesia, Marburg/Bozen 1991 (= Quellen und Studien zur Geschichte des Deutschen Ordens 43).
  • Marian Tumler: Der Deutsche Orden im Werden, Wachsen und Wirken bis 1400 mit einem Abriß der Geschichte des Ordens von 1400 bis zur neuesten Zeit. Wien 1955.

Anmerkungen

  1. Klaus Militzer: Die Geschichte des Deutschen Ordens. Stuttgart 2005, S. 53f.
  2. Klaus Militzer: Die Geschichte des Deutschen Ordens. Stuttgart 2005, S. 132.
  3. Franz-Heinz von Hye: Die Ballei an der Etsch und die Landkommende Bozen. In: Der Deutsche Orden in Tirol. Bozen 1991, S. 76f.
  4. Justinian Ladurner: Urkundliche Beiträge zur Geschichte des Deutschen Ordens in Tirol. Innsbruck 1861, S. 9ff.
  5. Franz-Heinz von Hye: Die Ballei an der Etsch und die Landkommende Bozen S. 329-330; in: Der Deutsche Orden in Tirol; Bozen 1991.
  6. Justinian Ladurner: Urkundliche Beiträge zur Geschichte des Deutschen Ordens in Tirol, S. 9ff; Innsbruck 1861.
  7. Franz-Heinz von Hye: Die Ballei an der Etsch und die Landkommende Bozen S. 77; in: Der Deutsche Orden in Tirol; Bozen 1991.
  8. Marian Tumler: Der Deutsche Orden im Werden, Wachsen und Wirken bis 1400 mit einem Abriß der Geschichte des Ordens von 1400 bis zur neuesten Zeit, S. 89;Wien 1955.
  9. Klaus Militzer. Die Geschichte des Deutschen Ordens, S. 53; Kohlhammer Verlag, 2005
  10. Franz-Heinz von Hye: Auf den Spuren des Deutschen Ordens in Tirol, S. 288; Bozen 1991.
  11. Josef Nössing: Der Deutsche Orden in Tirol, S. 392ff; Bozen 1991
  12. Franz-Heinz von Hye: Auf den Spuren des Deutschen Ordens in Tirol, S. 232; Bozen 1991.
  13. Marian Tumler: Der Deutsche Orden im Werden, Wachsen und Wirken bis 1400 mit einem Abriß der Geschichte des Ordens von 1400 bis zur neuesten Zeit, S. 88; Wien 1955
  14. Franz-Heinz von Hye: Auf den Spuren des Deutschen Ordens in Tirol, S. 322; Bozen 1991.
  15. http://www.pfarrei-lana.org/de/pfarrei/deutschorden/17-0.html