Dyspnoe

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Klassifikation nach ICD-10
R06.0 Dyspnoe
ICD-10 online (WHO-Version 2019)

Als Dyspnoe (von Vorlage:GrS δυσ dys ‚schwierig‘ und πνοή pnoe ‚Atmung‘), deutsch Lufthunger, Atemlosigkeit, Atemnot, Kurzatmigkeit wird eine unangenehm erschwerte Atemtätigkeit bezeichnet. Laien sprechen auch von „Luftnot“. Dieser Begriff ist jedoch mehrdeutig, denn analog zur Notsituation, bei der ein Schiff in „Seenot“ gerät, kann auch ein Flugzeug in „Luftnot“ geraten. Am ehesten trifft noch der Begriff „Atembeschwerden“. Ursachen, Wahrnehmung und Folgen dieses Symptoms können sehr unterschiedlich sein. Treten solche Beschwerden nur unter körperlicher Belastung auf, handelt es sich um eine Belastungsdyspnoe, besteht die Atemnot schon in Ruhe, dann wird von einer Ruhedyspnoe gesprochen. Atemnot beim Sprechen heißt Sprechdyspnoe. Bei einer Orthopnoe kann die bestehende Ruhedyspnoe nur durch aufrechtes Sitzen und den Einsatz der Atemhilfsmuskulatur gebessert werden.

Definition

Die American Thoracic Society definiert Atemnot (dyspnea) seit 1999 als subjektive Erfahrung von Atembeschwerden, bestehend aus qualitativ unterschiedlichen Empfindungen wechselnder Intensität. Physiologische, psychologische, soziale und Umwelt-Faktoren wirken zusammen. Atemnot kann weitere körperliche Reaktionen und Verhaltensreaktionen hervorrufen.[1]

Ursachen

Die Mechanismen, die zur Wahrnehmung von Dyspnoe als unangenehmer Empfindung führen, sind noch nicht genau bekannt. Die Atmung ist die einzige Vitalfunktion des Organismus, die außer von den automatischen Zentren im Hirnstamm (Formatio reticularis) auch von der Großhirnrinde gesteuert wird. Die Inselrinde könnte dabei eine wichtige Rolle spielen, denn deren Verletzung reduziert Atemnot und Schmerzen.[2]

Der Atemantrieb wird normalerweise nicht durch Sauerstoffmangel, sondern durch Anstieg des Kohlenstoffdioxidgehaltes im arteriellen Blut ausgelöst. Das ist sinnvoll, da der Kohlenstoffdioxidgehalt im Blut schneller ansteigt, als der Sauerstoffgehalt sinkt. Bei Patienten, die beispielsweise wegen Lungenerkrankungen einen dauerhaft erhöhten Kohlenstoffdioxidgehalt des Blutes aufweisen, kommt es zu einer Gewöhnung, so dass die Atemnot nicht mehr über einen Anstieg des Kohlenstoffdioxidgehaltes (Hyperkapnie) gesteuert wird, sondern über ein Absinken des Sauerstoffgehaltes (Hypoxie). Bei solchen Patienten kann daher bei Atemnot die unkontrollierte Zufuhr von medizinischem Sauerstoff zu einer Abnahme des Atemantriebs bis hin zum Atemstillstand führen.

Atemnot kann reflektorisch entstehen, etwa durch einen Schlag auf Solarplexus, oder Ausdruck von Krankheiten des Brustkorbes sein (Rippenbruch, Wirbelblockade, Pleuraerguß). Psychisch verursachte Hyperventilation ist harmlos, kann aber subjektiv große Atemnot verursachen. Schwerwiegende Ursachen von Ateminsuffizienz, Hyperkapnie und Dyspnoe sind Lungen- und Herzerkrankungen und Verlegungen der Atemwege, z. B.

Diagnostik

Es ist sinnvoll, die Stärke der Atemnot auf einer Skala zu erfassen. Ein Standardinstrument zur Einschätzung des funktionellen Status von Patienten mit Herz- und Lungenerkrankungen ist die modifizierte NYHA-Klassifikation. Mit der Borg Dyspnoe Skala kann versucht werden, das subjektive Dyspnoe-Empfinden von Patienten während oder sofort nach einem Leistungstest einzustufen.[3] In der Palliativmedizin wird zunehmend die Edmonton Symptom Assessment System (ESAS) auch für die Beurteilung der Dyspnoe eingesetzt, wobei hier Patientenaussagen wohl noch zu wenig berücksichtigt werden.[4]

Objektive Anzeichen für eine Dyspnoe sind: tiefere Atemzüge, eine erhöhte Atemfrequenz, Einziehungen und der Einsatz der Atemhilfsmuskulatur im Sitzen, evtl. Stehen. Eine Zyanose muss nicht, aber kann als Zeichen eines Sauerstoffmangels vorhanden sein.

Wenn keine Ursache offensichtlich ist, ist es ratsam, Augenmerk auf mögliche Beziehungskonflikte („dicke Luft“) zu richten, siehe auch: Psychoonkologie, Psychotherapie

Angst vor Ersticken (und unter Schmerzen leiden zu müssen) ist auch bei fehlender Dyspnoe die häufigste Angst von Palliativpatienten, deren Angehörigen und behandelnden Ärzten. Ungefähr die Hälfte aller Tumorpatienten leiden im Verlauf ihrer Erkrankung unter Atemnot. In der Palliativversorgung stehen allerdings nicht mehr diagnostische Abklärungen und die Behandlung der Grunderkrankung, sondern eine symptomorientierte Therapie im Vordergrund der Bemühungen. Jede neu auftretende Atemnot muss deshalb mit möglichst einfachen und den Patienten nicht belastenden Untersuchungen abgeklärt werden.[5]

Therapie

Wenn möglich, sollte zunächst die Ursache identifiziert und behandelt werden, z.B. kann ein Pleuraerguss abpunktiert werden, eine Pneumonie mit Antibiotika behandelt werden, ein allergisches Asthma mit Kortikoidinhalation behandelt werden usw.

Atemnot, die sich so nicht beeinflussen lässt, wird als refraktär bezeichnet und palliativ (lindernd) behandelt. Es gibt dafür Allgemeinmaßnahmen, nichtmedikamentöse und medikamentöse Interventionen. Eigeninitiative und Selbstkontrolle des Patienten sollten dabei gefördert werden.

  • Allgemeinmaßnahmen sind körperliche Aktivität, Änderungen im Tagesrhythmus, Beruhigung des Patienten und der Angehörigen, Rituale gegen die Luftnot. Wichtig ist die Information, dass akute Atemnot fast nie zum Ersticken führt.

Siehe auch

Weblinks

Quellen und Einzelbelege

  1. ATS Board of directors: AMERICAN THORACIC SOCIETY - Dyspnea: Mechanisms, Assessment, and Management: A Consensus Statement. In: Am. J. Respir. Crit. Care Med. Band 159, Nr. 1, 1999, S. 321–340, PMID 9872857. Volltext (engl.)
  2. Daniela Schön, Michael Rosenkranz, Jan Regelsberger, Bernhard Dahme, Christian Büchel, Andreas von Leupoldt: Reduced Perception of Dyspnea and Pain after Right Insular Cortex Lesions. In: American Journal of Respiratory and Critical Care Medicine. Band 178, 2008, S. 1173–1179, doi:10.1164/rccm.200805-731OC, PMID 18776150.
  3. IGPTR: Wenn die Luft wegbleibt
  4. Cheryl Nekolaichuk: The Edmonton Symptom Assessment System: a 15-year retrospective review of validation studies (1991–2006). In: Palliative Medicine. Band 22, Nr. 2, 2008, S. 111–122, doi:10.1177/0269216307087659.
  5. S. Husebø, E. Klaschik: Palliativmedizin. 4. Auflage. Springer, 2006, ISBN 3-540-29888-6, S. 276 ff.
  6. Bausewein/Simon 2013.
  7. E. Aulbert, F. Nauck, L. Radbruch (Hrsg.): Lehrbuch der Palliativmedizin. Schattauer, 2007, ISBN 978-3-7945-2361-0 (S. 386ff.).
  8. R. Viola, C. Kiteley, N. Lloyd, J. A. Mackay, J. Wilson, R. Wong, Supportive Care Guidelines Group: The management of dyspnea in cancer patients: a clinical practice guideline. Cancer Care Ontario (CCO), Toronto (ON) 2006 Nov 6. (Evidence-based series; no. 13-5)