Eisenbahnprojekt Wasserfallen

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Überreste des Nordportals von Reigoldswil

Die Wasserfallenbahn – nicht zu verwechseln mit der gleichnamigen Seilbahn – war ein Eisenbahnprojekt in der Nordwestschweiz, das letztlich an fehlenden Finanzen scheiterte. Gemäss Plan sollte die Wasserfallenbahn eine möglichst kurze, nahe an der Luftlinie liegende Eisenbahnstrecke zwischen Basel und Bern ermöglichen unter dem Höhenzug Wasserfallen nahe der Baselbieter Ortschaft Reigoldswil.

Projekt- und Baugeschichte

Erste derartige Pläne datierten aus dem Jahr 1849, als Robert Stephenson mit der Planung eines Eisenbahnnetzes zwischen Basel, Bern und Zürich beauftragt wurde und dieser einen Tunnel in etwa auf Höhe der Wasserfallen vorschlug.[1] Nachdem der Bundesrat jedoch ein Konzept mit nur einem Juradurchstich verlangte (der Stephenson-Plan hätte einen zweiten Durchstich auf der Strecke Basel-Zürich benötigt) und schliesslich 1858 der Hauensteintunnel zwischen Olten und Läufelfingen in Betrieb genommen wurde, geriet das Projekt zunächst wieder in Vergessenheit.

Mit dem Eisenbahngesetz von 1873 flammte die Idee neu auf, da dieses Gesetz verlangte, dass Güterzüge auf der kürzesten und direktesten Route hätten geführt werden müssen. Eine Wasserfallenlinie hätte sich also trotz der konkurrierenden Hauensteinlinie unter Umständen profitabel betreiben können. Die Kantone Basel-Landschaft und Solothurn stellten am 4. Juni 1873 ein Konzessionsgesuch zum Bau und Betrieb der Linie. Bereits tags zuvor hatte auch die Schweizerische Centralbahn (SCB) (u.a. Betreiberin der Hauensteinlinie) ein gleiches Konzessionsgesuch eingereicht.[1] Die Konzession wurde letztlich der SCB erteilt, die diese unter anderem durch eine Klausel in der Konzession der Gäubahn erhielt.

1873 begannen zwischen Reigoldswil und Mümliswil die Bauarbeiten mit dem Aushub des Tunnels durch 250 Arbeiter. Bereits 1874 musste der Bau der Linie aufgrund mangelnder Finanzen eingestellt werden. Der Tunnel selbst wurde nur auf einem kurzen Teilstück im Rohbau erstellt, das Nordportal ist heute noch erhalten.

Das Scheitern dieses Eisenbahnprojekts trug dazu bei, dass die Waldenburgerbahn realisiert werden konnte. Auch die Industrie in Balsthal, die damals hoffte, via Wasserfallenbahn Anschluss an das schweizerische Eisenbahnnetz zu finden, suchte nach deren Scheitern nach anderen Lösungen und baute schliesslich die Oensingen-Balsthal-Bahn (OeBB).

Das abrupte Ende der Bauarbeiten war für die vom Bau betroffenen Gemeinden ein finanzielles Desaster. In der Folge des Scheiterns gab es eine Prozesslawine mit Expertisen und Gegenexpertisen. Letztlich wurde die SCB zu Entschädigungszahlungen an die Gemeinden verurteilt, gleichzeitig aber auch von der Verpflichtung zum Bau der Wasserfallenbahn enthoben.[1]

Gründe des Scheiterns

Die Gründe des Scheiterns sind bis heute umstritten. In dieser Zeit herrschte in der Schweiz generell ein Eisenbahnfieber. Das für die Planung und den Bau von Eisenbahnlinien konstituierte Eisenbahnkomitee musste sich mit zahlreichen, oft konkurrierenden Routenvorschlägen befassen, viele kamen nicht zustande.

Ein Grund des Scheiterns war, dass zu dieser Zeit schon ein Juradurchstich in der Nähe in Betrieb war: Der Hauensteintunnel war schon am 1. Mai 1858 eröffnet worden. Die Linienführung der Strecke über SissachLäufelfingenOlten deckte einen Grossteil der Verkehrsbedürfnisse der damaligen Zeit ab. Weil die Wasserfallenbahn in Konkurrenz zur Linie durch den Hauenstein gestanden hätte, war keine grosse Rendite des Projektes zu erwarten. Deshalb war die Beschaffung der notwendigen Mittel für den Bau der Wasserfallenbahn nicht erfolgreich, zudem stand die endgültige Linienführung ausserhalb des Tunnels noch nicht fest.

Als möglich wird auch erachtet, dass die SCB als Konzessionsinhaberin das Projekt bewusst sabotierte. Sie war alles andere als erpicht darauf, die Strecke zu vollenden, da sie schon im Besitz der Hauensteinlinie war und nicht einen Teil des (Güter-)Verkehrs an die Wasserfallenbahn abtreten wollte. Die Centralbahn sorgte dafür, dass die finanziellen Risiken bei einem allfälligen Scheitern in erster Linie bei Bauunternehmen hängen blieben. Auch achtete sie darauf, dass nur fremdes Kapital zum Einsatz kam. Mit dem Erwerb der Konzession und dem Baubeginn konnte sie verhindern, dass ein Konkurrenzunternehmen die Linie erstellte und später in direkter Konkurrenz zur Hauensteinlinie betreiben würde. Auch hätte Olten seine Stellung als Eisenbahnknotenpunkt (den es bis heute innehat) möglicherweise verloren. Die SCB (und später die SBB als Nachfolgerin) verlängerte die Konzession für die Wasserfallenbahn bis 1916, als der Hauenstein-Basistunnel zwischen Olten und Tecknau gebaut wurde.[1]

Gegen die These der absichtlichen Sabotage kann sprechen, dass die SCB zeitgleich zur Wasserfallenbahn zusammen mit der Schweizerischen Nordostbahn die Bötzbergbahn von Pratteln nach Brugg baute, diese Strecke verband Basel mit Zürich und konkurrenzierte direkt die SCB-Strecke Basel-Zürich via Olten. Die Voraussetzungen bei der Bötzbergstrecke waren jedoch anders. Denn es darf angenommen werden, dass die SCB die Bötzbergbahn schlicht nicht verhindern konnte. Die Bötzbergstrecke hätte die SCB somit so oder so bauen müssen, wenn man die Strecke nicht der Konkurrenz überlassen wollte. Dazu war sie zusammen mit der Aargauische Südbahn von Anfang an als Zubringer zur Gotthardbahn gedacht, der zu jener Zeit einzigen Schweizer Verbindung durch die Alpen. Die zu erwartende Rendite war demnach höher als bei der Wasserfallenbahn, bei welcher vornehmlich nationaler Verkehr zu erwarten war. Das finanzielle Risiko konnte mit der Zusammenarbeit mit den NOB zusätzlich merklich verringert werden.

Einzelnachweise

  1. a b c d Alex Capus: Via Olten. In: NZZ Folio. Juli 2003.

Literatur

  • Gustav Adolf Frey: Zur Geschichte der Wasserfallenbahn. Mit Kartenbeilage und Anhang: Erinnerungen an den Bahnbau 1874/75. Landschäftler, Liestal 1939 (Sonderdruck aus: Baselbieter Heimatblätter; 1938, Nr. 4 und 1939, Nr. 1 und 2).
  • Peter Heim: Verkehr. In: Geschichte des Kantons Solothurn. Band 4.2. Lehrmittelverlag Kanton Solothurn, Solothurn 2011, ISBN 978-3-905470-51-2, S. 195–198 (Abschnitt «Das Drama an der Wasserfallen»).