Expressset

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Unterschiedliche Expresssets
Expressschlinge mit Gummifixierung

Ein Expressset (kurz Exe genannt, häufig auch nicht ganz korrekt Expressschlinge) ist ein Sicherungsmittel, das beim Klettern eingesetzt wird. Es besteht aus zwei Karabinerhaken, die durch eine vernähte Bandschlinge, die Expressschlinge, miteinander verbunden sind. Die wichtigste Anwendung ist das Anlegen einer flexiblen Verbindung zwischen dem Seil und einem Fixpunkt, vor allem einer Zwischensicherung.

Funktion

Ein wesentlicher Vorteil von Expresssets gegenüber einem einzelnen Karabiner ist, dass die Bewegungen des Seiles durch die Schlinge und das Gewicht der Karabiner gedämpft und weniger auf den Sicherungspunkt übertragen werden. Das ist bei einem sensibel gelegten Klemmkeil oder einer Zackenschlinge besonders wichtig, da diese nur in vorgesehenen Richtungen belastet werden dürfen und durch Bewegung herausgehebelt werden können.[1]

Ein Vorteil, der auch im modernen Sportklettern mit Bohrhaken zum Tragen kommt, ist die Verkürzung des Seilverlaufs. Das Seil hat auch einen größeren Abstand zur Wand, wodurch es weniger Reibung erfährt, der Kletterer somit weniger Seilzug verspürt und das Seil leichter nachziehen kann.[2][3][4]

Gegenüber einer Verbindung von Fixpunkt und Karabiner mittels Bandschlinge hat das Expressset den Vorteil der schnellen und einfachen Anwendung.[4]

Konstruktion

Expresssets bestehen zumeist aus zwei Aluminium-Schnappkarabinern und einer Bandschlinge aus Polyamid oder ähnlichem Material, die die beiden Karabiner verbindet.[5] Die Länge der verbindenden Schlinge beträgt meist zumindest 10 cm, es werden jedoch auch deutlich längere Exemplare angeboten.[6]

Moderne Expressschlingen haben meist eine größere und eine kleinere Öffnung. Die Öffnungen der Karabiner können in die gleiche oder in entgegengesetzte Richtungen zeigen.[2] Die größere Öffnung dient für den geraden "bergseitigen" Karabiner, wohingegen die kleinere Öffnung für den gebogenen Schnapper verwendet wird. Oft wird der gebogene Karabiner zusätzlich mit einer Gummihülle fixiert, da so das Einhängen erleichtert wird, wohingegen die größere Öffnung für den bergseitigen Karabiner die Flexibilität des Expresssets gewährleistet.[5] Darüber hinaus hat das Fixieren des Karabiners die Funktion, im Falle eines Sturzes eine gefährliche Querbelastung des Karabiners zu vermeiden. Manche Experten schätzen diesen Vorteil als so wichtig ein, dass sie zu Expressschlingen mit Gummifixierung auch am felsseitigen Karabiner raten.[7] Die Sicherheitsforschung der Alpenvereine empfiehlt jedoch den wandseitigen Karabiner nicht zu fixieren. Im Gegenteil sollte ein möglichst lockeres Auge benutzt werden, um ein mögliches Verkanten des Karabiners im Bohrhaken und daraus resultierende ungünstige Quer- und Biegebelastungen zu verhindern, die zu einem Bruch des Karabiners führen können.[8]

Sicherheit

Vorlage:Infobox EN Beim Klettern hat sich eine Reißfestigkeit für die Expressschlinge und eine Bruchfestigkeit für die Karabinerhaken von 22 kN bewährt. Die für Expressschlingen gültige Norm ist die EN 566. Sie schreibt vor, dass die Schlingen der Expresssets mindestens 22 kN Bruchkraft aufweisen (bei normierter Testausführung) und dass sich die Nähte farblich vom Bandmaterial abheben müssen.[9]

Die Reißfestigkeit der Schlingen von Expresssets sinkt mit zunehmendem Alter, dabei konnte aber bei einer Untersuchung[9] kein genereller, signifikanter Zusammenhang zwischen dem Alter und der Reißfestigkeit gefunden werden. Auch das Material (Polyamid versus Mischgewebe) hat keinen signifikanten Einfluss auf die Reißfestigkeit älterer Schlingen. Allerdings zeigte sich ein klarer Zusammenhang zwischen dem Aussehen und der Reißfestigkeit. Zerfledderte, ausgefranste oder gar angerissene Expresssetschlingen halten weniger. Insgesamt kommt die genannte Untersuchung zum Schluss, dass die vorgefundene, alterungsbedingte Reißkraftabnahme bis auf 9 kN sicherheitsmäßig noch akzeptabel ist.

Expresssets sollten bei wöchentlichem oder häufigerem Gebrauch ungefähr alle fünf Jahre und bei seltenerem Gebrauch alle sieben bis zehn Jahre ausgewechselt werden.[9] Außerdem sollten die Schlingen der Expresssets ausgewechselt werden,

Anwendung

Eine mit einem Expressset eingehängte Zwischensicherung
Karabinerabnutzung an einem Expressset: Oben seilseitige Abschleifung, unten hakenseitig mit potentiell seilgefährdenden Riefen

Ein Kletterer im Vorstieg führt die notwendige Anzahl an Expresssets an den Materialschlaufen seines Klettergurtes mit sich. Der Karabiner eines Expresssets wird bei jeder Zwischensicherung mit dem geraden Schnapper in den Haken (oder andere Fixpunkte) eingehängt und das Seil durch den Karabiner mit dem gebogenen Schnapper geführt. Dies sollte stetig so beibehalten werden, da scharfkantige Haken Riefen im Metall der Karabiner hinterlassen können. Solche Beschädigungen beeinträchtigen nicht die Festigkeit des Karabiners, würden jedoch ein eventuell durch ihn laufendes Seil beschädigen.[10] Das Seil wird dabei stets von der Wand ausgehend nach außen durch den Karabiner geführt, da ansonsten ein versehentliches Aushängen des Seils möglich ist. Des Weiteren sollte die Schlinge so eingehängt werden, dass die Öffnung des Schnappers mit dem Seil der Kletterrichtung entgegenweist, ansonsten ist auch in diesem Fall ein Aushängen denkbar.[11]

Häufig finden Expressschlingen verschiedener Längen Verwendung. Längere Schlingen führen zu einer großen Verlängerung der Sturzhöhe,[6] bieten jedoch die Möglichkeit, auch bei ungünstig platzierten Zwischensicherungen einen geraden Seilverlauf zu gewährleisten,[2] was insbesondere im alpinen Gelände häufig notwendig ist.[12]

Während sie zumeist nach dem Klettern wieder entfernt werden, ist es bei besonders schwierigen Routen auch üblich, die Expresssets längere Zeit (auch zur Verwendung durch andere Kletterer) zu belassen (Pinkpoint).[5] In Kletterhallen sind Expresschlingen meist dauerhaft an der Wand angebracht.

Abseits von ihrem üblichen Verwendungszweck werden Expresssets auch für andere Zwecke gebraucht. Beispielsweise eignen sie sich zum Bau einer Gardaschlinge, finden aber auch etwa beim Standplatzbau Verwendung.[13]

Geschichte

Die Erfindung des Expresssets im heutigen Sinne wird dem amerikanischen Kletterer Jim Erickson zugeschrieben. Lange Zeit war es üblich, entweder einzelne Karabiner einzuhängen oder Bandschlingen zu verwenden, die nur in der Länge von 8 Fuß erhältlich waren. Erickson erkannte bereits in den 1960er-Jahren die Vorteile einer kurzen Verbindung zweier Karabiner im modernen Sportklettern und verwendete improvisierte Expressschlingen. Im Januar 1972 fertigte er schließlich vier vorgefertigte 9 Inch lange Expresssets an, die sich bald durchzusetzen begannen. Es gibt jedoch auch Berichte von der Verwendung ähnlicher Konstruktionen im Yosemite Valley durch andere Kletterer bereits um 1970.[3]

Literatur

  • Peter Albert: Zerreissprobe. Im Test: Schlingen der Exen. In: Climb! Nr. 9, 2008, S. 34–39.

Weblinks

Commons: Expresssets – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
Wikibooks: Expresssets – Lern- und Lehrmaterialien

Quellen

  1. Klemmgeräte, abgerufen am 26. November 2012.
  2. a b c Craig Luebben: Rock Climbing: Mastering Basic Skills. The Mountaineers Books, 2004, ISBN 978-0-89886-743-5, S. 70.
  3. a b Matt Samet, Mike Tea, Dave Pegg: Climbing Dictionary. The Mountaineer Books, 2011, ISBN 978-1-59485-502-3, S. 173.
  4. a b Quickdraw, spadout.com, abgerufen am 25. November 2012
  5. a b c Andrew Bisharat: Sport Climbing: From Top Rope to Redpoint, Techniques for Climbing Success. The Mountaineer Books, 2009, ISBN 978-1-59485-270-1, S. 72–74.
  6. a b Pit Schubert: Alpine Seiltechnik: Ausrüstung – Technik – Sicherheit. 10. Auflage. Bergverlag Rother, München 1997, ISBN 978-3-7633-6083-3, S. 13.
  7. Pit Schubert: Sicherheit und Risiko in Fels und Eis 01. Erlebnisse und Ergebnisse aus der Sicherheitsforschung des Deutschen Alpenvereins. 8. Auflage. Bergverlag Rother, München 2009.
  8. Chris Semmel: Karabinerbruch x2. In: Deutscher Alpenverein, Österreichischer Alpenverein, Alpenverein Südtirol, Schweizer Alpen-Club (Hrsg.): bergundsteigen. Nr. 2. Innsbruck 2012, S. 52–55 (www.bergundsteigen.at [abgerufen am 4. August 2014]).
  9. a b c d Peter Albert: Zerreissprobe. Im Test: Schlingen der Exen. In: Climb! Nr. 9, 2008, S. 34–39.
  10. Pit Schubert: Schnapper, Schrauber und Gefährten. Normprüfung von Karabinern. In: Deutscher Alpenverein, Österreichischer Alpenverein, Alpenverein Südtirol, Schweizer Alpen-Club (Hrsg.): bergundsteigen. Nr. 1. Innsbruck 2004, S. 66 (PDF [abgerufen am 29. April 2015]).
  11. Robert Renzler: Die 12 (Kletter-)Gebote. Die Kletterregeln des Alpenvereins, Teil 2. In: Deutscher Alpenverein, Österreichischer Alpenverein, Alpenverein Südtirol, Schweizer Alpen-Club (Hrsg.): bergundsteigen. Nr. 2. Innsbruck 2000, S. 12 (PDF [abgerufen am 29. April 2015]).
  12. The Mountaineers: Mountaineering: Freedom of the Hills, 50th Anniversary. The Mountaineers Books, 2010, ISBN 978-1-59485-137-7, S. 259.
  13. Emanuel Wassermann, Michael Wicky: stand. seil ein. kommen. Standplatzbau in (Plaisir-)Mehrseillängenrouten. In: Deutscher Alpenverein, Österreichischer Alpenverein, Alpenverein Südtirol, Schweizer Alpen-Club (Hrsg.): bergundsteigen. Nr. 2. Innsbruck 2007, S. 52–59.