Georg Heim

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Georg Heim als Lehrer (1906)

Georg Heim, genannt der Bauerndoktor, (* 24. April 1865 in Aschaffenburg; † 17. August 1938 in Würzburg) war ein bayerischer Agrarpolitiker und Führer der katholischen Bauernbewegung in Bayern. Er war Mitbegründer der Bayerischen Volkspartei (BVP) und Wortführer des bayerischen Separatismus nach dem Zusammenbruch des Kaiserreiches.

Leben und Beruf

Georg Heim wurde 1865 in Aschaffenburg geboren, nach dem Abitur in Würzburg studierte er von 1885 bis 1889 Neue Sprachen und Wirtschaftswissenschaften, zunächst zwei Semester in Würzburg und dann in München. 1893 wurde er bei Lujo Brentano zum Dr. oec. publ. promoviert; im selben Jahr war er nach öffentlicher Kritik am Ministerium nach Wunsiedel versetzt worden. Von 1896 bis 1906 arbeitete er als Mittelschullehrer in Ansbach.

Er gründete 1900 die landwirtschaftliche Zentralgenossenschaft der bayerischen Bauernvereine mit Sitz in Ansbach, ab 1907 in Regensburg,[1] deren geschäftsführender Direktor er auch war. Neben den typischen geschäftlichen Aktivitäten einer landwirtschaftlichen Genossenschaft betrieb sie Waisenhäuser, Kliniken und Bildungseinrichtungen,[2] darunter die Bauernuniversität in Regensburg, die von 1907 bis 1932 existierte.[1]

Heim war Begründer der bayerischen Landvolkshochschulbewegung. 1907 begann er, im Rahmen des landwirtschaftlichen Genossenschaftswesens Volkshochschulkurse in Regensburg zu geben. Schwerpunkt dieser Kurse waren Langzeitpädagogik und ganzheitliche Bildung für die Bevölkerung insbesondere in der an Regensburg angrenzenden strukturschwachen Region Niederbayern-Oberpfalz und im Hinterland um den Bayerischen Wald. Die bayerischen Bauernverbände schlossen sich 1898 unter Heim zum bayerischen Bauernverein zusammen. Zum 1. April 1918 gründete er die Handelspolitische Vereinigung der landwirtschaftlichen Körperschaften Bayerns einschließlich Müllerei und Mälzerei, deren Ziel es war, die geplante Zollunion mit Österreich-Ungarn zu verhindern, in der Heim Nachteile für die bayerische Landwirtschaft sah. 1920 wurde Heim Präsident der Bayerischen Bauernkammer.

Heim machte die Fuchsmühler Holzschlacht vom 30. Oktober 1894 über die Amberger Volkszeitung publik. Er brachte als Landtagsabgeordneter 1904/05 den Holzstreit zwischen Baron von Zoller und den Holzrechtlern zu einer friedlichen Einigung.

In Würzburg schloss Heim sich als Student 1894 der Burschenschaft Adelphia an, im dritten Semester in München wurde er aktives Mitglied des K.S.St.V. Alemannia München (in dessen Festschrift zum 25. Gründungsjubiläum er 1906 erwähnt und abgebildet ist) und später Ehrenmitglied des KStV Erwinia, beide im KV, ferner war er Mitglied der katholischen bayerischen Studentenverbindung K.B.St.V. Rhaetia. Seine Mitgliedschaft in der Burschenschaft Adelphia gab er auf, als diese darauf hinwies, es sei nicht möglich, Mitglied der Deutschen Burschenschaft zu sein und gleichzeitig einem anderen Verband anzugehören.

Während und nach dem Zusammenbruch des Kaiserreiches infolge der Kriegsereignisse im Herbst und Winter 1918 vertrat Heim – vor allem in zahlreichen Artikeln des „Bayerischen Kuriers“ – eine strikt separatistische Haltung. Bayern sollte aus dem Deutschen Reich austreten und einen Zusammenschluss mit Vorarlberg, Tirol, Salzburg und Oberösterreich suchen. Während der kurzzeitigen Regierungszeit Kurt Eisners attackierte Heim den Ministerpräsidenten mehrfach mit antisemitischen Untertönen (was unter anderem die Kritik Max Webers provozierte).[3] Auch die Forderung nach Einführung einer Warenhaussteuer, die z. B. gegen Oscar Tietz und Georg Wertheim gerichtet war, diente ihm als Mittel judenfeindlicher Agitation. 1901 stellte er im bayerischen Landtag einen Antrag zur Beschränkung von Juden in der Justiz „im Verhältnisse der israelitischen Bevölkerung zur Gesamtbevölkerung“. Daneben zeichnete er das Bild einer angeblichen „jüdischen Pressemacht“ und definierte Juden wie auch Nicht-Juden in rassischen Kategorien.[4]

Heims Haltung zum Nationalsozialismus ist noch nicht gut erforscht. 1934 hielt er sich in Sankt Ludwig versteckt. Angeblich bestand die Absicht, ihn im Zusammenhang mit dem Röhm-Putsch ermorden zu lassen,[5] doch liegen dokumentarische Belege hierfür nicht vor.

Partei

Heim war ursprünglich Mitglied des Zentrums. Am 12. November 1918, nach Beginn der Novemberrevolution, gehörte er zu den Gründern der Bayerischen Volkspartei (BVP), die zunächst noch keine vollständig Abtrennung von der Zentrumspartei vollzog. Die BVP zielte vielmehr darauf, den Einfluss der Bayern innerhalb der Zentrumspartei zu stärken. Zugleich sollte die Macht Berlins in Bayern zurückgedrängt werden. Heim vertrat explizit die Forderung eines Austritts Bayerns aus dem Deutschen Reich („Los-von Preußen“-Bewegung): „Wir haben es satt, für die Zukunft von Berlin regiert zu werden. Wir lehnen die preußische Vorherrschaft ab. Bayern den Bayern“ soll er gesagt haben.

Am 9. Januar 1920 beschloss die BVP auf ihrem Münchener Parteitag die Loslösung ihrer Abgeordneten in der Nationalversammlung von der Zentrumsfraktion. Auf Betreiben Heims beteiligte sich die BVP nicht am Berliner Parteitag des Zentrums im selben Jahr. Heim scheute auch nicht vor Allianzen mit der Sozialdemokratie zurück. Auf die Dauer – bedingt auch durch die Festigung der Weimarer Republik – geriet Heim in eine Außenseiterposition. 1925 wurde er nach inneren Streitigkeiten abgewählt.

Abgeordneter

Heim gehörte bis 1907 dem Gemeinderat und bis 1911 dem Magistrat von Regensburg an. Von 1897 bis 1911 war er Mitglied der Kammer der Abgeordneten im Königreich Bayern und von 1918 bis 1928 Landtagsabgeordneter im Freistaat Bayern. Dem Reichstag des Kaiserreiches gehörte er von 1897 bis 1912 für den Wahlkreis Oberpfalz 5 (Neustadt an der Waldnaab) an.[6] 1919/20 war er Mitglied der Weimarer Nationalversammlung. Im Gegensatz zur Mehrheit der Zentrumsfraktion stimmte er am 22. Juni 1919 nicht für die Unterzeichnung des Versailler Vertrages, sondern enthielt sich der Stimme. Anschließend war er bis Mai 1924 erneut Reichstagsabgeordneter.

Ehrungen

Nach Heim sind die Dr.-Heim-Straße in der Bergstadt Auerbach/OPf und in Pocking, die Dr.-Georg-Heim-Straße in Bad Kissingen, die Dr.-Georg-Heim-Allee in Landshut und die Heimstraße in Aschaffenburg benannt.

Zitat

  • Wir (Anm.: die Bayern) hatten schon eine Kultur, als sich in der Mark Brandenburg noch die Wildschweine den Arsch an den Fichten gewetzt haben.

Literatur

  • Helge Dvorak: Biographisches Lexikon der Deutschen Burschenschaft. Band I Politiker, Teilband 2: F–H. Heidelberg 1999, S. 276 f.
  • Hermann Renner: Georg Heim als Agrarpolitiker bis zum Ende des Ersten Weltkriegs. Dissertation, Ludwig-Maximilians-Universität München, 1957
  • Hermann Renner: Georg Heim, der Bauerndoktor. Lebensbild eines „ungekrönten Königs“. München 1960
  • Hermann Renner: Heim, Georg. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 8, Duncker & Humblot, Berlin 1969, ISBN 3-428-00189-3, S. 267 f. (Digitalisat).
  • Alfred Wolfsteiner: Georg Heim. Bauerngeneral und Genossenschaftler, Pustet, Regensburg 2014.

Weblinks

Commons: Georg Heim – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. a b Alois Schmid (Hrsg.): Handbuch der bayerischen Geschichte. Begründet von Max Spindler. 2. vollständig überarbeitete Auflage. Band 4: Das neue Bayern. Von 1800 bis zur Gegenwart. 1. Teilband: Staat und Politik. Beck, München 2003, ISBN 3-406-50451-5, S. 355 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
  2. Oliver Braun: Bayerischer Christlicher Bauernverein, 1898–1933. In: Historisches Lexikon Bayerns. 28. Februar 2012, abgerufen am 23. Oktober 2013.
  3. Max Weber: Briefe 1918–1920 (Max Weber Gesamtausgabe II/10, 1), 304 [Brief an Else Jaffé vom 15. November 1918; siehe dort die Erläuterungen der Herausgeber).
  4. Hannes Ludyga: „Georg Heim.“ In: Wolfgang Benz (Hg.): Handbuch des Antisemitismus. Judenfeindschaft in Geschichte und Gegenwart. Band 2/1, Berlin 2009, S. 346 f.
  5. Alfred Wendehorst: Das Bistum Würzburg 1803–1957. Würzburg 1965, S. 96.
  6. Reibel, Carl-Wilhelm: Handbuch der Reichstagswahlen 1890–1918. Bündnisse, Ergebnisse, Kandidaten. Zweiter Halbband. Düsseldorf: Droste Verlag, 2007, S. 1041–1044 (Handbücher zur Geschichte des Parlamentarismus und der politischen Parteien. Bd. 15)