Grzegorz Rossoliński-Liebe

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Dies ist eine alte Version dieser Seite, zuletzt bearbeitet am 2. April 2016 um 09:54 Uhr durch Uli.ch (Diskussion | Beiträge) (Auszeichnungsfehler korrigiert | Helfer gesucht). Sie kann sich erheblich von der aktuellen Version unterscheiden.
Zur Navigation springen Zur Suche springen
Grzegorz Rossoliński-Liebe (2012)

Grzegorz Rossoliński-Liebe (* 1979 in Zabrze, Polen)[1] ist ein in Berlin lebender Historiker, der über den Holocaust, Nationalismus, Antisemitismus und Faschismus in Mittel- und Osteuropa forscht.

Studium und wissenschaftliche Tätigkeiten

Von 1999 bis 2005 studierte Rossoliński-Liebe Kulturwissenschaften mit Schwerpunkten Osteuropäische Geschichte und Kulturgeschichte an der Europa-Universität Viadrina.[2] Seine Doktorarbeit über Stepan Bandera und seinen politischen Kult schrieb er an der University of Alberta und an der Universität Hamburg und verteidigte sie 2012 an der Universität Hamburg.[3] Er arbeitete als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Stiftung Denkmal für die Ermordeten Juden Europas und dem Wiener Wiesenthal Institut für Holocaust-Studien.[4] 2012–2014 arbeitete er am Friedrich-Meinecke-Institut der Freien Universität Berlin in einem Postdoc-Projekt über die Erinnerung der ukrainischen Diaspora an den Holocaust.[5] Er publizierte die erste wissenschaftliche Biographie von Stepan Bandera, die sich auch tiefgehend mit dem politischen Mythos und dem politischen Kult des ukrainisch-faschistischen Politikers und der Geschichte seiner Bewegung auseinandersetzt. Omer Bartov, Susanne Heim, Antony Polonsky, John-Paul Himka, Mark von Hagen und Arnd Bauerkämper hoben verschiedene starke Seiten der sehr gründlich recherchierten und den Personenkult entmystifizierenden Monografie hervor.[6]

Politische Reaktion und Proteste

Im Rahmen eines akademischen Programms, das zur Aufgabe hatte, die neue Forschung zur ukrainischen Geschichte in der Ukraine zu präsentieren, plante die Heinrich Böll Stiftung, der Deutsche Akademische Austauschdienst und die deutsche Botschaft in Kiew Rossoliński-Liebe zu sechs Vorträgen über Stepan Bandera und die Massengewalt der OUN und UPA in Lemberg, Dnipropetrowsk und Kiew einzuladen. Von den für Februar und März 2012 eingeplanten Vorträgen konnten jedoch Räume nur für zwei Veranstaltungen in Dnipropetrowsk und zwei in Kiew gefunden werden. Drei von ihnen wurden teilweise wenige Stunden vor dem Beginn der Veranstaltung abgesagt. Im Endeffekt fand nur eine Veranstaltung im Gebäude der deutschen Botschaft in Kiew unter Schutz der Polizei statt. Vor dem Gebäude demonstrierten ca. 100 Personen, darunter auch Mitglieder der rechtsextremen und populistischen Swoboda-Partei. Sie versuchten einige Hundert interessierte Besucher, darunter viele Studenten und Wissenschaftler, zu überzeugen, den Vortrag nicht zu besuchen. Die Demonstranten behaupteten, dass Rossoliński-Liebe der Enkel von Joseph Goebbels und ein „liberaler Faschist aus Berlin“ sei.[7] In Reaktion zu diesen Ereignissen unterschrieben 97 Personen, darunter Etienne François, Alexandr Kruglov, Gertrud Pickhan, Susanne Heim, Alexander Wöll, Dovid Katz, Delphine Bechtel, Per Anders Rudling und Mark von Hagen die Petition “For Freedom of Speech and Expression in Ukraine”.[8]

Publikationen (Auswahl)

Monographien:

  • Stepan Bandera: The Life and Afterlife of a Ukrainian Nationalist: Fascism, Genocide, and Cult. Ibidem, Stuttgart 2014, ISBN 978-3-8382-0604-2.

Herausgeberschaft:

  • mit Lutz Henke und Philipp Ther: Eine neue Gesellschaft in einer alten Stadt. Erinnerung und Geschichtspolitik in Lemberg anhand der Oral History. Wydawnictwo Atut, Wrocław 2007, ISBN 978-83-7432-265-2.
  • mit Regina Fritz und Jana Starek: Alma mater antisemitica. Akademisches Milieu, Juden und Antisemitismus an den Universitäten Europas zwischen 1918 und 1939. New Academic Press, Wien 2016, ISBN 978-3-7003-1922-1.

Aufsätze:

  • Bandera und Nikifor – zwei Modernen in einer Stadt. Die „nationalbürgerliche“ und die „weltbürgerliche“ Moderne in Lemberg. In: Lutz Henke, Grzegorz Rossoliński, Philipp Ther (Hrsg.): Eine neue Gesellschaft in einer alten Stadt. ATUT, Wrocław 2007, S. 109–124.
  • Umbenennungen in der Ziemia Lubuska nach 1945. In: Bernd Vogenbeck (Hrsg.): Terra Transoderana: zwischen Neumark und Ziemia Lubuska. Bebra, Berlin 2008, S. 59–68.
  • Der Raum der Stadt Lemberg in den Schichten seiner politischen Denkmäler. In: Kakanien Revisited. Bd. 12 (2009), S. 1–21.
  • Der polnisch-ukrainische Historikerdiskurs über den polnisch-ukrainischen Konflikt 1943–1947. In: Jahrbücher für Geschichte Osteuropas. Bd. 57 (2009), S. 54–85.
  • Die Stadt Lemberg in den Schichten ihrer politischen Denkmäler. In: ece-urban. The Online Publications Series of the Center for Urban History of East Central Europe. Nr. 6, Lviv, Oktober 2009.
  • Celebrating Fascism and War Criminality in Edmonton. The Political Myth and Cult of Stepan Bandera in Multicultural Canada. In: Kakanien Revisited. Bd. 12 (2010), S. 1–16.
  • The „Ukrainian National Revolution“ of 1941. Discourse and Practice of a Fascist Movement. In: Kritika: Explorations in Russian and Eurasian History. Bd. 12 (2011), H. 1, S. 83–114.
  • Debating, Obfuscating and Disciplining the Holocaust: Post-Soviet Historical Discourses on the OUN-UPA and other Nationalist Movements. In: East European Jewish Affairs. Bd. 42 (2012), H. 3, S. 199–241.
  • Der Verlauf und die Täter des Lemberger Pogroms vom Sommer 1941. Zum aktuellen Stand der Forschung. In: Jahrbuch für Antisemitismusforschung. Bd. 22 (2013), S. 207–243.
  • Erinnerungslücke Holocaust. Die ukrainische Diaspora und der Genozid an den Juden. In: Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte. Bd. 62 (2014), H. 2, S. 397–430.
  • The Fascist Kernel of Ukrainian Genocidal Nationalism. In: The Carl Beck Papers in Russian & East European Studies. No. 2402, Mai 2015, doi:10.5195/cbp.2015.204.
  • Remembering and Forgetting the Past: Jewish and Ukrainian Memories of the Holocaust in western Ukraine. In: Yad Vashem Studies. Bd. 43 (2015), H. 2, S. 13–50.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Jahrbuch für Antisemitismusforschung. Bd. 22 (2013), S. 293.
  2. Grzegorz Rossolinski-Liebe, Arbeitsbereich Prof. Dr. Arnd Bauerkämper, http://www.geschkult.fu-berlin.de/e/fmi/arbeitsbereiche/ab_bauerkaemper/Mitarbeiter/Grzegorz_Rossolinski-Liebe.htm
  3. Dr. Grzegorz Rossoliński-Liebe, Friedrich-Meinecke-Institut, http://www.geschkult.fu-berlin.de/e/fmi/mitglieder/Wissenschaftliche_Mitarbeiterinnen_und_Mitarbeiter/rossolinski.html
  4. Projekt: „Every person has a name“, http://www.museumsbund.de/fileadmin/geschaefts/dokumente/Wir_Projekte/Rossolinski__Every_Person_has_a_Name.pdf; “Forschungsleitlinien für den VWI-Vollbetrieb in Vorbereitung,” VWI im Fokus 2011, 13
  5. Grzegorz Rossolinski-Liebe, Arbeitsbereich Prof. Dr. Arnd Bauerkämper, http://www.geschkult.fu-berlin.de/e/fmi/arbeitsbereiche/ab_bauerkaemper/Mitarbeiter/Grzegorz_Rossolinski-Liebe.htm
  6. Grzegorz Rossolinski-Liebe: Stepan Bandera: The Life and Afterlife of a Ukrainian Nationalist. Fascism, Genocide, and Cult (Ibidem Press: Stuttgart, 2014), http://www.ibidemverlag.de/Stephan-Bandera--The-Life-and-Afterlife-of-a-Ukrainian-Fascist-1685.html
  7. Per Anders Rudling and Jared McBride, “Ukrainian Academic Freedom and Democracy Under Siege” http://www.algemeiner.com/2012/03/01/ukrainian-academic-freedom-and-democracy-under-siege
  8. Delphine Bechtel, "Freedom of Speech on Collaboration by Ukrainian Nationalists against Jews under threat in Ukraine" http://www.winnipegjewishreview.com/article_detail.cfm?id=2328&sec=3