Hans-Thilo Schmidt

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Dies ist eine alte Version dieser Seite, zuletzt bearbeitet am 13. Mai 2016 um 19:07 Uhr durch Woches (Diskussion | Beiträge) (korr. - Kryptographie ≠ Kryptologie; vgl. http://d-nb.info/959477292). Sie kann sich erheblich von der aktuellen Version unterscheiden.
Zur Navigation springen Zur Suche springen
Die deutsche Schlüsselmaschine Enigma
Schlüsselanleitung zur Enigma - Der Schlüssel M[1] (Das im Original in der Mitte des Buchdeckels befindliche Hoheitszeichen wurde hier wegretuschiert. Die Originalansicht ist als Scan im Abschnitt Weblinks verfügbar.)

Hans-Thilo Schmidt (* 13. Mai 1888; † 19. September 1943 in Berlin), Decknamen „HE“, „Asché“ und „Source D“, war ein Spion, der während der 1930er Jahre Geheimnisse über die deutsche Schlüsselmaschine Enigma an den französischen Geheimdienst verkaufte.

Leben

Schmidt war während der Zeit der Weimarer Republik ein Mitarbeiter in der Chiffrierstelle des Reichswehrministeriums. Dort hatte er Zugang zu geheimen Unterlagen, wie der Gebrauchsanleitung (H.Dv.g.13 = Heeres-Dienstvorschrift, geheim, Nr.13) und der Schlüsselanleitung (H.Dv.g.14) für die Enigma. Aus finanziellen Gründen entschloss er sich Anfang 1931 zur Kontaktaufnahme zum „Service de Renseignement“, dem französischen Geheimdienst. Der Leiter dieser Stelle, die die Deckbezeichnung „Bolek“ trug, war der französische Capitaine (Hauptmann) und spätere Général Gustave Bertrand. Dieser war zunächst misstrauisch und befürchtete, dass es sich bei Schmidt um einen Doppelagenten handeln könnte. Dennoch ließ er den Kontakt zu Schmidt nicht abreißen, wobei dafür hauptsächlich einer seiner Mitarbeiter, der französische Agent Rodolphe Lemoine mit dem Decknamen „Rex“ zuständig war. Rex diente auch als Dolmetscher zwischen Schmidt und Bertrand, da Schmidt kein Französisch sprach.

Hans-Thilo Schmidt erhielt die Tarnbezeichnung „HE“. Diese Buchstabenkombination ähnelt in französischer Aussprache dem Wort „Asché“, das folglich zu Schmidts Decknamen wurde. Im Oktober 1931 lieferte er die Gebrauchsanleitung und die Schlüsselanleitung an die Franzosen. Darüber hinaus verriet er geheime Schlüsseltafeln, die die Walzenlage, Ringstellung und Steckerverbindungen für die Monate September und Oktober 1932 enthielten. Dies war besonders wertvoll, da damit zwei unterschiedliche Quartale abgedeckt wurden, denn zu dieser Zeit waren erst drei Walzen (I bis III) bei der Enigma im Einsatz und die Walzenlage wurde noch nicht täglich (dies geschah erst ab Oktober 1936), sondern nur vierteljährlich gewechselt.

Der französische Geheimdienst leitete die Unterlagen an britische und polnische Stellen weiter. Während Franzosen und Briten nur wenig Nutzen aus diesen Unterlagen ziehen konnten, waren sie für die polnischen Codeknacker um Marian Rejewski sehr wertvoll, um noch im Jahre 1932 wichtige Einbrüche in die Enigma-Verschlüsselung zu erzielen. So gelang es ihnen, im Nachhinein eine Vielzahl von abgehörten verschlüsselten deutschen Funksprüchen zu entschlüsseln und, was noch wichtiger war, damit die Verdrahtung der Schlüsselwalzen der Enigma zu erschließen.

Schmidt war noch bis 1938 in der inzwischen in Reichskriegsministerium umbenannten Dienststelle tätig. Das von ihm zur Verfügung gestellte Material ermöglichte es dem polnischen Biuro Szyfrów (deutsch: „Chiffrenbüro“) die erste Generation der Enigma-Maschinen zu brechen. Die polnische Arbeitsgruppe wurde nach dem deutschen Polenfeldzug im Jahr 1939 nach Frankreich evakuiert. Ihr Beitrag legte den Grundstein zur Entzifferung der mit der Enigma verschlüsselten deutschen Funksprüche durch die Briten während des Zweiten Weltkriegs im englischen Bletchley Park.

Schmidt wurde am 23. März 1943 von Lemoine an die Gestapo verraten und am 1. April 1943 in Berlin verhaftet. Er starb durch Selbstmord am 19. September 1943 in der Haft durch Gift, das ihm seine Tochter Gisela in die Zelle geschmuggelt hatte.

Sein älterer Bruder Rudolf Schmidt war deutscher General (zuletzt Generaloberst), der im Zuge der Spionageaffäre bereits am 10. April 1943 von seinem Kommando abgezogen und nach Deutschland beordert worden.

Literatur

  • Friedrich L. Bauer: Entzifferte Geheimnisse. Methoden und Maximen der Kryptologie. 3., überarbeitete und erweiterte Auflage. Springer, Berlin u. a. 2000, ISBN 3-540-67931-6.
  • Gustave Bertrand: Énigma ou la plus grande énigme de la guerre 1939-1945. Librairie Plon, Paris 1973.
  • Rudolf Kippenhahn: Verschlüsselte Botschaften, Geheimschrift, Enigma und Chipkarte. Rowohlt, Reinbek bei Hamburg 1999. ISBN 3-499-60807-3
  • Oberkommando der Wehrmacht (OKW): Gebrauchsanleitung für die Chiffriermaschine Enigma. H.Dv.g. 13. Berlin 1937.
  • OKW: Schlüsselanleitung zur Schlüsselmaschine Enigma. H.Dv.g. 14. Berlin 1940.
  • OKW: Allgemeine Schlüsselregeln für die Wehrmacht. H.Dv.g. 7. Berlin 1944.
  • Hugh Sebag-Montefiore: Enigma – The battle for the code. Cassell Military Paperbacks, London 2004. ISBN 0-304-36662-5

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Oberkommando der Kriegsmarine: Der Schlüssel M – Verfahren M Allgemein. Berlin 1940. Abgerufen: 4. Nov. 2013, S. 23. PDF; 0,7 MB