Horst Hennig (Mediziner)

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Horst Hennig als Unterabteilungsleiter II in der Inspektion des Sanitäts- und Gesundheitswesens der Bundeswehr im Bundesministerium der Verteidigung 1982

Horst Hennig (* 28. Mai 1926 in Siersleben) ist ein pensionierter deutscher Sanitätsoffizier. Da er sich 1950 in Halle mit einigen Kommilitonen gegen Studentenratswahlen per Einheitsliste gestellt hatte, wurde er verhaftet und von den sowjetischen Besatzungsbehörden zu 25 Jahren Lagerhaft verurteilt.

Leben

Als 14-Jähriger besuchte Hennig ab November 1940 die Unteroffiziervorschule zu Marienberg im Erzgebirge. Am 25. Februar 1945 geriet er im Raum Bitburg in US-amerikanische Kriegsgefangenschaft. Am 1. Juni 1946 kam er mit dem britischen Lazarettschiff Aba nach Hamburg. Am 8. März 1948 bestand er die Reifeprüfung in Halle (Saale). Zum Sommersemester 1948 immatrikulierte er sich an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg für Medizin. Im 4. vorklinischen Semester wurde er als Mitglied einer oppositionellen Studentengruppe am 10. März 1950 vom sowjetischen MWD verhaftet.[1] Nach zwei Monaten kam es im Mai 1950 zum zweitägigen „Prozess“ vor einem sowjetischen Militärtribunal im Gefängnis Roter Ochse. Ohne Verteidiger und Dolmetscher wurden Hennig und sechs weitere Studenten nach Artikel 58 des Strafgesetzbuches der RSFSR zu 25 Jahren Zwangsarbeit verurteilt. Da Moskau auch eine Verurteilung wegen Spionage wünschte, wurde Hennig im September 1950 auch nach Art. 58-6 verurteilt. Seit Januar 1951 im Arbeitslager Workuta, beteiligte er sich am 1. August 1953 am Gefangenenstreik im Lager 10 des Schachtes 29. Die Niederschlagung des Streiks durch Soldaten der Roten Armee kostete 64 Tote und 123 Schwerverletzte. Durch Konrad Adenauers Intervention in Moskau wurde Hennig im Dezember 1955 nach West-Berlin repatriiert.

Ab dem Sommersemester 1956 studierte er wieder Medizin an der Universität zu Köln. Nach drei Semestern bestand er im Sommersemester 1957 das Physikum. Das erste klinische Semester verbrachte er an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg. Bei seinem Interesse am Segelflug wurde er Mitglied des Akaflieg Freiburg. Die Voraussetzungen für das medizinische Staatsexamen erfüllte er so rasch wie möglich. Ihm wurde erlaubt, unter Wilhelm Tönnis und seinem Oberarzt Friedrich Loew eine Doktorarbeit während des Studiums vorzulegen. Am 8. Mai 1961 wurde er zum Dr. med. promoviert.[2] Medizinalassistent war er in Kliniken der Stadt Köln, unter anderem bei Hans Schulten.

Am 31. März 1962 approbiert, trat er am 1. Juni 1962 in den Sanitätsdienst der Bundeswehr. Ohne die übliche Einweisung an der Sanitätsakademie der Bundeswehr wurde er als Truppenarzt an die Sanitätsstaffel der Technischen Schule der Luftwaffe 3 in Faßberg beordert. Nach der fünfmonatigen Probezeit als aktiver Sanitätsoffizier übernommen, wurde er zum Taktischen Luftwaffengeschwader 71 „Richthofen“ versetzt. 1965 und 1971 war er an der United States Air Force School of Aerospace Medicine in San Antonio. Mit der Lockheed F-104 und ihren Problemen war er (auch als Mitflieger) tief vertraut. 1968 wurde er als einer der ersten Bundeswehroffiziere nach Israel eingeladen. Nach einigen Jahren beim Jagdbombergeschwader 43 wurde er im Oktober 1973 als Oberstarzt Kommandeur der Sanitätsschule der Luftwaffe. Zum 1. Oktober 1976 wurde er an das Bundesministerium der Verteidigung versetzt. Als Referent II 1 oblagen ihm Führung, Planung und Einsatz des Sanitätsdienstes der Bundeswehr. Nach drei Jahren kam er als Leitender Sanitätsoffizier zum Luftwaffenamt. Am 1. Oktober 1980 kehrte er als Generalarzt und Unterabteilungsleiter an das Verteidigungsministerium zurück. Am 28. März 1983 wurde er von Staatssekretär Joachim Hiehle in den Ruhestand verabschiedet.

Rehabilitierung und Erinnerung

Im September 1992 reiste er nach Moskau, um die Rehabilitierung der mit ihm verurteilten Studenten zu beantragen. Im NKWD-Archiv in der Lubjanka konnte er seine Prozessunterlagen einsehen. Schon im nächsten Monat rehabilitierte die Generalstaatsanwaltschaft der Russischen Föderation Hennig und seine Kommilitonen. 1993 und 1995 reiste er mit ehemaligen Gulag-Häftlingen nach Moskau und Workuta.[3][4] 1995 waren unter den Begleitern Günter Kießling, Erwin Jöris, Horst Schüler, Reinhard Gramm, Wolfgang Schuller, Wilfriede Otto, Stefan Karner und Maren Köster-Hetzendorf. Eine Gedenkveranstaltung in Workuta erinnerte an die Niederschlagung des Streiks. Der Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge weihte eine Gedenkstätte für die Erschossenen und Verletzten des Aufstandes vom 1. August 1953 ein.

Seit 1992 veröffentlicht Hennig Zeitzeugenberichte in Büchern, Film und Funk. Er lebt in Köln.[5]

Ehrenämter

Werke

  • mit Jan Foitzik (Hrsg.): Begegnungen in Workuta. Erinnerungen, Zeugnisse, Dokumente. 2., durchgesehene Auflage. Leipziger Universitätsverlag 2003, ISBN 3-936522-26-X.
  • mit Sybille Gerstengarbe: Opposition, Widerstand und Verfolgung an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg 1945–1961 – eine Dokumentation. Leipziger Universitätsverlag 2009. ISBN 978-3-86583-262-7.

Ehrungen

Literatur

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Vermerk der Universität zum Abgang: „15.6.1950 gestr[ichen] wegen Nicht-Rückmeldung zum Sommersemester 1950, lt. Reg. Erlaß Az 6335.“
  2. Dissertation: Nachuntersuchungsergebnisse operativ und konservativ behandelter Myelomeningocelen und Meningocelen.
  3. http://www.spiegel.de/fotostrecke/vergessener-gulag-aufstand-das-massaker-von-workuta-fotostrecke-110416-11.html Vergessener Gulag-Aufstand: Das Massaker von Workuta (spiegel.de, 2013)
  4. Günter Müller-Hellwig
  5. Horst Hennig (workuta.de)
  6. Peter Mees: Sächsischer Verdienstorden für Generalarzt a.D. Dr. Hennig. Wehrmedizinische Monatsschrift. 60. Jahrgang, Heft 8, 22. August 2016, S. 263