Hypertext

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Ein Hypertext (engl. Aussprache [ˈhaɪ̯pɐˌtɛkst], deutsch Übertext) ist ein Text, der mit einer netzartigen Struktur von Objekten Informationen durch Querverweise (Hyperlinks) zwischen Hypertext-Knoten verknüpft. Hypertext wird in Auszeichnungssprachen geschrieben, die neben Format-Anweisungen auch Befehle für Hyperlinks enthalten; die bekannteste ist die Hypertext Markup Language (HTML) für Internetdokumente.

Beschreibung und Nutzen

Hypertexte bieten gegenüber der linearen Informationsdarstellung den Vorteil, komplexe Informationen vergleichsweise redundanzarm vermitteln zu können. Redundanzfreiheit spart erstens Speicher und vereinfacht zweitens die Wartung und Aktualisierung von Inhalten, weil ein zentral hinterlegter Wert nur einmal geändert werden muss, um an allen Stellen angezeigt zu werden, die mit dem Wert verknüpft sind.

Die assoziative Struktur eines Hypertextes entspricht dabei besser der Funktionsweise des menschlichen Denkens, als das in rein linearen Texte möglich ist. Unser Denken arbeitet vernetzt, ähnlich wie die Strukturen eines Hypertextes aufgebaut sind. Rolf Schulmeister verwendet dafür in diesem Zusammenhang den Verweis auf die „kognitive Plausibilitätshypothese“.[1]

In Hypertext ist die Reihenfolge variabel, in der Wortschaftbestandteile (lexia) präsentiert werden. Marie-Laure Ryan vertritt die Ansicht, dass die Beschreibung von Hypertext als nicht-linear nicht ganz zutreffend sei, denn was im Leseprozess ausgewählt wird, behalte dennoch eine lineare Ordnung („sequential order“). Stattdessen schlägt Ryan für diese Eigenart der Hypertexte den Begriff multilinear vor.[2]

Probleme

Ein Problem beim Arbeiten mit Hypertext ist das gezielte Auffinden von Informationen. Während literate Menschen über Jahrhunderte in der Rezeption von linearen Texten geschult worden sind, begann man erst mit der zunehmenden Verbreitung des World Wide Web seit Mitte der 1990er Jahre den Umgang mit komplexen Hypertexten zu erlernen. Hilfsmittel wie Suchmaschinen und Suchfunktionen auf den Webseiten unterstützen den Nutzer.

Ein weiteres Problem ist das Navigieren in Hypertexten, da vor allem in den Anfangsjahren häufig eine vom Autor vorgegebene Lesestruktur (z. B. Guided Tour) fehlte. Heute verfügen Hypertexte in der Regel über eine ausgefeilte Navigation. Als Folge eines Übermaßes an Querverweisen kann ein sogenannter Information Overload, die Überflutung mit ungeordneten Informationen und eine Desorientiertheit im weit verzweigten Netz von Texten (Lost in Hyperspace) entstehen. Die Lesegewohnheiten spielen hierbei eine wichtige Rolle. So haben online-affine Nutzer weniger Schwierigkeiten damit, das Lesen eines Textes zu unterbrechen, um einem Querverweis zu folgen.

Problemlösungsansätze bieten virtuelle Mindmaps und Web-Ontologien. Erst in Ansätzen gelöst ist das Problem der Visualisierung von Hypertexten, also die grafisch aufbereitete Darstellung der typischerweise netzwerkförmigen und daher nicht hierarchisch präsentierbaren Struktur eines Hypertextes (siehe auch Hyperbolic Tree).

Geschichte und Entwicklung

Hypertextuelle Strukturen sind seit Jahrhunderten bekannt; die im Aufschreibesystem der Neuzeit ausdifferenzierten Erschließungshilfen für lineare Texte wie Inhaltsverzeichnisse, Indizes, Querverweise und Fußnoten sowie jegliche Verweissysteme entsprechen funktional einem Hypertext. Eine fiktionale Erzählung, welche mit und für die Hypertextstruktur geschrieben wird, bezeichnet man als Hyperfiction; wird diese in Printform veröffentlicht, ist sie als Offline-Hyperfiction zu bezeichnen. Der Unterschied besteht darin, dass zum einen die Verweisziele nicht vor Ort präsent sein müssen, und zum anderen, dass das Verfolgen der Verweise nicht mechanisiert bzw. automatisiert ist. Als Vorläufer heutiger digitaler Hypertexte gilt daher beispielsweise Agostino Ramellis Bücherrad aus dem 16. Jahrhundert und Roussels Lesemaschine, eine Art Wechselrad für Notizzettel, siehe Zettels Traum von Arno Schmidt. Literaturgeschichtlich prominent ist James Joyce’ vertracktes Werk Finnegans Wake, das an semantische Netze des Hypertextes erinnert. Die erste bewusst als solche veröffentlichte Offline-Hyperfiction ist „Afternoon – A story“ von Michael Joyce.

Das moderne Hypertext-Konzept wurde von Vannevar Bush im Jahr 1945 in einem Artikel As We May Think im Journal The Atlantic Monthly erwähnt. Er sprach darin über ein zukünftiges System Memex (für Memory Extender), das das Wissen eines bestimmten Gebietes elektronisch aufbereitet leicht zugänglich darstellen kann. Diese Idee lag bereits der 1931 in den USA patentierten „Statistischen Maschine“ von Emanuel Goldberg zugrunde.[3] Die Kernidee des Konzepts ist zum einen, dass das Verfolgen von Verweisen mit elektronischer Hilfe erleichtert wird und zum anderen, dass Bücher und Filme aus einer Bibliothek verfügbar gemacht und angezeigt werden können. Die Idee von Hypertext ist also von Anfang an mit alten Utopien von der „universellen Bibliothek“ verbunden. Daher ist es kein Zufall, dass der Herausgeber der Universalklassifikation Paul Otlet als frühester Pionier des Hypertext gilt und diese Universalsprache völkerverbindend einsetzen wollte. Er gilt nicht von ungefähr als Mitbegründer des Völkerbunds, aus dem die UNO hervorging.

Ein Beispiel für ein hypertext-artiges Gedicht sind die Hunderttausend Milliarden Gedichte von Raymond Queneau (1961). Der Gesellschaftswissenschaftler Ted Nelson (Projekt Xanadu) prägte den Begriff „Hypertext“ im Jahr 1965.

Roberto Busa gilt als Begründer der wissenschaftlichen Anwendung der EDV in den Geisteswissenschaften (Digital Humanities) und Erfinder des Index Thomisticus. Anstatt kalkulierter 40 Jahre konnte mittels IBM-Technik die Aufgabe in sieben Jahren erledigt werden. Es entstand der sogenannte Index Thomisticus, ein 56-bändiges Werk mit 70.000 Seiten.[4] Busa wurde somit zu einem der Pioniere in der Anwendung von Computern in der Lexikographie, Texthermeneutik und Computerlinguistik und späteren Informationstechnologien für die Textanalyse, Lexikographie und Literatur als Vorläufer von Hypertext, Internet und Wikipedia.[5]

Eines der ersten Hypertextsysteme, das einer größeren Gruppe zugänglich war, war HyperCard von Apple und wurde als Teil der Softwareausstattung eines Macintosh ausgeliefert.

Das heute am weitesten verbreitete Hypertext-System ist der Internetdienst World Wide Web (WWW), obwohl ihm einige wichtige Funktionen früherer Hypertextsysteme fehlen. So ist zum Beispiel das Problem der so genannten toten Links im WWW ungelöst, die nicht oder nicht mehr zum gewünschten Ziel führen. Auch die Einführung der Uniform Resource Identifiers (URIs) ist über die im Web gebräuchlichen URLs nur unvollständig erfüllt. Im Gegenzug erlaubt das WWW aber auch das Einbinden von nichtsprachlichen Datentypen wie Bildern, was als Hypermedia bezeichnet wird. Dadurch ist das WWW, obwohl auf Hypertext beruhend, streng genommen ein Hypermedia-System. Die Sprache, in der die Texte des World Wide Web beschrieben werden, heißt Hypertext Markup Language; Web-Dokumente werden von Webtextern und Webdesignern konzipiert und erstellt.

Typen von Hypertext-Systemen

Bereits 1987 listete Jeffrey Conklin 18 verschiedene Hypertext Systeme auf. Man unterscheidet folgende vier Typen in Hypertext-Strukturen:

  • Systeme mit einfachen Einheiten, assoziativen Verknüpfungen und Browsing,
  • Systeme mit strukturierten Einheiten und typisierten Verknüpfungen. Das Browsing beruht auf dem Prinzip der direkten Manipulation.
  • Systeme mit strukturierten Einheiten und typisierten Verknüpfungen. Das Browsing beruht weitgehend auf dem Prinzip der direkten Manipulation, jedoch auch auf autorengestützten Pfaden.
  • Systeme auf der Grundlage von durch wissensbasierte Techniken strukturierten Einheiten und typisierten Verknüpfungen. Die Navigation ist nach dialogischen, kooperativen Prinzipien organisiert.

Siehe auch

Literatur

  • Jakob Krameritsch: Geschichte(n) im Netzwerk. Hypertext und dessen Potenziale für die Produktion, Repräsentation und Rezeption der historischen Erzählung. (Medien in der Wissenschaft. Bd 43). Waxmann, Münster 2007, ISBN 978-3-8309-1835-6.
  • George P. Landow: Hypertext 3.0. Critical Theory and New Media in a Era of Globalization. 3. Auflage. Johns Hopkins Univ. Press, Baltimore Md 2005, ISBN 0-8018-8257-5.
  • Christiane Heibach: Literatur im elektronischen Raum, Suhrkamp, Frankfurt am Main 2003, ISBN 3-518-29205-6 (zuvor: Literatur im Internet: Theorie und Praxis einer kooperativen Ästhetik.), Universität Heidelberg, Dissertation, 2000, Abstract.
  • Stefan Iske: Vernetztes Wissen. Hypertext-Strategien im Internet. Bertelsmann, Bielefeld 2002, ISBN 3-7639-0151-5.
  • Stephan Porombka: Hypertext. Zur Kritik eines digitalen Mythos. Fink, München 2001, ISBN 3-7705-3573-1.
  • Rainer Hammwöhner: Offene Hypertextsysteme. Das Konstanzer Hypertextsystem (KHS) im wissenschaftlichen und technischen Kontext. Univ.-Verl. Konstanz, Konstanz 1997, ISBN 3-87940-608-1.
  • Peter Schnupp: Hypertext. Oldenbourg, München 1992, ISBN 3-486-21740-2.
  • Rainer Kuhlen: Hypertext. Ein nicht-lineares Medium zwischen Buch und Wissensbank. Springer, Berlin 1991, ISBN 3-87940-509-3.

Weblinks

Wiktionary: Hypertext – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Einzelnachweise

  1. Rolf Schulmeister: Grundlagen hypermedialer Lernsysteme. Wessley, Bonn 1996, ISBN 3-89319-923-3, S. 257.
  2. Marie-Laure Ryan, Narrative and Digitality: Learning to Think With the Medium, in: A Companion to Narrative Theory, edited by James Phelan and Peter J. Rabinowitz, Blackwell Publishing, Malden/Massachusetts and Oxford 2005, paperback edition 2008, ISBN 978-1-4051-1476-9 Inhaltsverzeichnis, pp. 515–528.
  3. Michael Buckland: Emanuel Goldberg, Electronic Document Retrieval, And Vannevar Bush’s Memex. In: Journal of the American Society for Information Science. New York 43.1992, 4 (May), ISSN 0002-8231, S. 284–294.
  4. „Religion: Sacred Electronics“, Time, 31. Dezember 1956, abgerufen am 15. August 2011
  5. „Morto padre Busa, è stato il pioniere“, Corriere del Veneto, abgerufen am 15. August 2011