Jesper Juul

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Jesper Juul

Jesper Juul (* 18. April 1948 in Vordingborg) ist ein dänischer Familientherapeut. Er ist Gründer und Leiter des Kempler Institute of Scandinavia in Odder in Dänemark und Autor zahlreicher Bücher um Familienbeziehungen und Erziehung.

Leben

Juul wuchs in Vordingborg, Herning und Ebeltoft auf. Nach dem Realschulabschluss fuhr er als Messejunge und Jungkoch für die dänische Reederei Det Østasiatiske Kompagni (East Asiatic Company) zur See. Anschließend arbeitete er als Erd- und Betonarbeiter sowie Tellerwäscher und Barkeeper.[1]

Von 1966 bis 1970 studierte er Geschichte und Religion am Marselisborg-Lehrerseminar.[1]

Nach dem Studium arbeitete Juul drei Jahre als Lehrer und Sozialpädagoge im Behandlungsheim „Bøgholt“ des Mannschatz-Schülers Harald Rasmussen in Viby bei Aarhus. Auf einem Kursus traf er den US-amerikanischen Psychiater und Familientherapeuten Walter Kempler und den dänischen Kinderpsychiater Mogens A. Lund, die seine Lehrer und Therapeuten wurden. Danach arbeitete er neun Jahre mit Gruppen alleinerziehender Mütter im Jugendzentrum der Kommune Aarhus. Daneben bildete er sich in Dänemark, den Niederlanden und den USA als Familientherapeut aus und arbeitete freiberuflich als Gruppentherapeut und Persönlichkeitstrainer.[1]

1979 gründete er mit Lund, dessen Frau Lis Keiser und in Zusammenarbeit mit Kempler das Kempler Institute of Scandinavia, das er bis 2006 leitete. Er ist dort weiterhin tätig als Lehrer und Berater.[1]

Seit 1991 arbeitet er ein Viertel jedes Jahres mit Flüchtlingsfamilien und Kriegsveteranen in Kroatien.[1]

2004 gründete Jesper Juul das Elternberatungsprojekt FamilyLab International. Es existieren mittlerweile selbständige Abteilungen in Dänemark, Deutschland, in der Schweiz, Italien, Kroatien, Norwegen, Österreich, Schweden und Slowenien. Diese bieten Seminare an, deren Leiter von Juul ausgebildet wurden. Bis zu seiner Erkrankung im November 2012 arbeitet er in neun Ländern.[1]

Im Dezember 2012 erkrankte er an Transverser Myelitis.[2] Er verbrachte 16 Monate in Rehabilitation in einem dänischen Krankenhaus und kehrte erst Mai/Juni 2014 nach Hause zurück. Er bezeichnet seinen Zustand als „behindert“ (“disabled”) – paralysiert im Unterkörper und als im Rollstuhl sitzend. Seit Juni 2014 kann er wieder schreiben und bietet Konsultationen und Supervision via E-Mail oder Webchats an da seine Sprachfunktion immer noch beeinträchtigt ist. In der Zwischenzeit spielen die „Country Leaders“ und „Seminar Leaders“ von FamilyLab International, sowie seine persönliche Assistentin Katharina Weiner aus Wien[3] eine wichtige Rolle.[4]

Jesper Juul hat einen erwachsenen Sohn aus erster Ehe und ist in zweiter Ehe geschieden.[1]

Pädagogik

Allgemeine traditionelle und moderne Erziehungsgrundsätze

Für traditionelle Erziehungsgrundsätze haben Werte wie Disziplin, gute Umgangsformen, Achtung und Gehorsam einen hohen Stellenwert (siehe auch autoritärer Erziehungsstil). Die Eltern-Kind-Beziehung ist durch ein hierarchisches Verhältnis geprägt. Die Eltern gelten als alleinige Machthaber innerhalb der Familie. Ein Beispiel für ein angewandtes Mittel der Eltern und Pädagogen ist die Schaffung von Respekt durch Gewalt.[5] Dazu zählen ebenso psychische „Verletzungen durch traumatisierende Verbalisierungen“.[6]:29

Moderne Erziehungsgrundsätze rücken mit Werten wie persönliche Selbständigkeit, eigene Urteilsfähigkeit und Selbstbewusstsein die Autonomie eines Kindes in den Vordergrund. Das vormals macht-geprägte Eltern-Kind-Verhältnis wird immer mehr zu einem partnerschaftlich-geprägten Verhältnis. Dem Kind wird dabei eine Mitgestaltung der Beziehung (Partizipation) eingeräumt.[5]

Juuls pädagogische Ansichten

Die Ansätze und Aussagen von Jesper Juul entsprechen laut Kerstin Guzmán einem autoritativen Erziehungsstil bzw. -konzept.[6]:65 Seine Arbeit wird unter anderem durch gestalttherapeutische, systemische und humanistische Ansätze der Familientherapie beeinflusst.[6]:29, 61 f.

Jesper Juul ist der Meinung, dass Kinder vollwertige Menschen sind, die nicht erst durch Anweisungen, Verbote und Strafen geformt werden müssen. Entscheidend sei die Art und Weise, wie die Eltern miteinander umgehen, Konflikte austragen und streiten. Die Art der Beziehung zwischen den Familienmitgliedern, Respekt voreinander und die Anerkennung der Würde des jeweils Anderen tragen zum Wohlergehen der Familie hauptsächlich bei.[7]

Laut Juul ist die gleichwürdige Behandlung „zwischen Eltern und Kind“ entscheidend. Kinder und Erwachsene sind zwar gleichwürdig, „Kinder haben allerdings nicht die gleichen Rechte und Pflichten wie Erwachsene“. Am Anfang der Erziehung führen die Eltern aufgrund ihrer „Erfahrung und Kompetenzen“ ihre Kinder. Im Laufe seiner Entwicklung lernt das Kind durch seine Eltern für sich selbst verantwortlich zu sein. Wird das Kind älter, müssen die Eltern lernen, „Führung und Verantwortung an die Kinder“ abzugeben.[6]:64

Kompetenz, Kooperation und Integrität eines Kindes

Juul geht davon aus, dass ein Kind von Geburt an sozial und emotional ebenso kompetent ist wie ein Erwachsener. Diese Kompetenz, die sich entsprechend der kindlichen Reife äußert, muss ihm nicht erst durch Erziehung beigebracht werden.[8]

Traditionelle Erziehung benutzt nach Juuls Auffassung überwiegend verbale Strategien wie Ermahnungen, Anweisungen und Erklärungen. Dabei wird ignoriert, dass Kinder Verhalten durch Imitation lernen. Kinder müssen beobachten und experimentieren dürfen, dann fügen sie sich durch Nachahmung in die Kultur ein. So kooperieren Kinder. Ein ständiger Strom von Ermahnungen und Erklärungen bewirkt, dass das Kind sich dumm oder falsch fühlt. Auch wenn der Umgangston eher freundlich und verständnisvoll ist, wird damit die Botschaft gesendet: „Du bist nicht richtig!“ und so dem Selbstbild und dem Selbstwertgefühl des Kindes großer Schaden zugefügt.[8]

Jedes auffällige Verhalten von Kindern und Jugendlichen kann man laut Juul auf zwei Ursachen zurückführen: Entweder haben Erwachsene die kindliche Integrität verletzt, oder die Kinder haben übermäßig kooperiert. Eltern und Experten konzentrieren sich regelmäßig auf das unangepasste Verhalten. Juul plädiert dafür, Kindern auf eine andere Art und Weise zu begegnen. Sein Konzept ist, herauszufinden, „wer das Kind ist“, und nicht zu erklären, „warum es sich so verhält“. Dieses Vorgehen hält Juul für den einzigen Weg, eine tragfähige Eltern-Kind-Beziehung herzustellen.[8]

Publikationen (Auswahl)

Nach Erscheinungsjahr:

  • Was gibt’s heute? Gemeinsam essen macht Familie stark. Walter, Düsseldorf 2002. (3. Auflage. Beltz, Weinheim 2009, ISBN 978-3-407-22918-2).
  • mit Helle Jensen: Vom Gehorsam zur Verantwortung. Für eine neue Erziehungskultur. Walter, Düsseldorf 2004. (3. Auflage. Beltz, Weinheim 2009, ISBN 978-3-407-22915-1).
  • Aus Erziehung wird Beziehung. Authentische Eltern – kompetente Kinder. Herder, Freiburg im Breisgau 2005, ISBN 3-451-05533-3.
  • Unser Kind ist chronisch krank. Ein Ratgeber für Eltern. Kösel, München 2005, ISBN 3-466-30683-3.
  • Was Familien trägt. Werte in Erziehung und Partnerschaft. Kösel, München 2006. (Beltz, Weinheim 2008, ISBN 978-3-407-22905-2).
  • Die kompetente Familie. Neue Werte in der Erziehung. Kösel, München 2007, ISBN 978-3-466-30752-4.
  • Nein aus Liebe. Klare Eltern – starke Kinder. Kösel, München 2008, ISBN 978-3-466-30776-0.
  • Dein kompetentes Kind. Auf dem Weg zu einer neuen Wertgrundlage für die ganze Familie. Neuübersetzung. Rowohlt, 2009, ISBN 978-3-499-62533-6.
  • Grenzen, Nähe, Respekt. Rowohlt, 2009, ISBN 978-3-499-62534-3.
  • mit Pernille W. Lauritsen: Frag Jesper Juul. Gespräche mit Eltern. Götz, Dörfles 2009, ISBN 978-3-902625-07-6.
  • Pubertät. Wenn Erziehen nicht mehr geht. Kösel, München 2010, ISBN 978-3-466-30871-2.
  • Elterncoaching: Gelassen erziehen. Beltz, Weinheim 2011, ISBN 978-3-407-85920-4.
  • Mann & Vater sein. Kreuz, Freiburg im Breisgau 2011, ISBN 978-3-451-61044-8.
  • Aus Stiefeltern werden Bonus-Eltern. Chancen und Herausforderungen für Patchwork-Familien. Kösel, München 2011, ISBN 978-3-466-30909-2.
  • Familienberatung: Perspektiven und Prozess. Voelchert, München 2012, ISBN 978-3-935758-21-5.
  • Das Familienhaus. Wie Große und Kleine gut miteinander auskommen. Kösel, München 2012, ISBN 978-3-466-30920-7.
  • Wem gehören unsere Kinder? Dem Staat, den Eltern oder sich selbst? Ansichten zur Frühbetreuung. Aus dem Englischen von Kerstin Schöps. Beltz, Weinheim an der Bergstrasse 2012, ISBN 978-3-407-85970-9.
  • Schulinfarkt. Was wir tun können, damit es Kinder, Eltern und Lehrern besser geht? Kösel, München 2013, ISBN 978-3-466-30984-9.[9]
  • Leitwölfe sein. Liebevolle Führung in der Familie. Beltz, Weinheim an der Bergstraße 2016, ISBN 978-3-407-86404-8.

Einzelnachweise

  1. a b c d e f g Jesper Juul. Biography. , abgerufen am 6. Oktober 2014.
  2. Julia Schaaf: Neue Erziehungsmethoden: „Führen wie ein Wolf“, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 15. Februar 2016.
  3. Jesper Juul. Terms of Use. 29. November 2013, abgerufen am 6. Oktober 2014.
  4. Jesper Juul. June 2014. 30. Juni 2015, abgerufen am 6. Oktober 2014.
  5. a b Karin Bumsenberger: Wertewandel in der Kindererziehung. , abgerufen am 15. Dezember 2015.
  6. a b c d Kerstin Guzmán: Jesper Juul über Erziehung „Was Kinder brauchen“. (PDF; 541 kB) Eine wissenschaftliche Einordnung der theoretischen Ansätze und Aussagen von Jesper Juul. 8. Januar 2010, abgerufen am 15. Dezember 2015.
  7. Wolfgang Uchatius: Erziehung. Eine Frage des Respekts. 30. April 2009, abgerufen am 15. Dezember 2015.
  8. a b c Jesper Juul: Dein kompetentes Kind. Auf dem Weg zu einer neuen Wertgrundlage für die ganze Familie. 12. Auflage. Rowohlt, 2009, ISBN 978-3-499-62533-6.
  9. Müssen Lehrer lernen, sich beim Schüler zu bedanken? In: Frankfurter Allgemeine Zeitung. 18. Juni 2013, (abgerufen am 6. März 2016)

Weblinks