Johannes Calvin

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Johannes Calvin
Calvins Stuhl in der Genfer Kathedrale

Johannes Calvin, eigentlich Jean Cauvin (* 10. Juli 1509 in Noyon, Picardie; † 27. Mai 1564 in Genf), war ein Reformator französischer Abstammung und Begründer des Calvinismus.

Leben

Calvin war der Sohn des Generalprokurators des Domkapitels Noyon. Er studierte in Paris zuerst Theologie, ging dann aber zur Rechtslehre (Jurisprudenz) über, wo er 1533 mit den reformatorischen Lehren Martin Luthers in Berührung kam. Wegen seiner Bekehrung zum Protestantismus musste er Frankreich 1535 verlassen. Er predigte heimlich die neuen Lehren, entkam nur knapp einer Verhaftung, war immer wieder auf der Flucht und unternahm Reisen in die Schweiz und nach Italien.

Auf seiner Flucht kam er 1535 nach Basel, wo er zum ersten Mal auf Heinrich Bullinger und Guillaume Farel traf. 1536 gab er in Basel seine Christianae Religionis Institutio (dt. "Unterweisung in der christlichen Religion") heraus. Im gleichen Jahr hielt ihn auf einer seiner Durchreisen der Prediger Guillaume Farel in Genf fest und beschwor ihn, sich dort für die Sache der Reformation einzusetzen.

Er erarbeitete eine Gemeindeordnung mit strenger Kirchenzucht, die auf heftige Widerstände stieß. 1538 wurden er und Farel aus Genf verwiesen, da sie der gesamten Gemeinde das Abendmahl versagten. Dies war eine Protestaktion der beiden als Reaktion auf die Tatsache, dass der Genfer Rat einige Rituale und Bräuche wie zum Beispiel die Verwendung des Taufbeckens oder der Hostie bei der Abendmahlsfeier einführen wollte, um damit der verbündeten Stadt Bern zu gefallen. In Folge kam Calvin 1538 nach Straßburg, wo er eine biblische Professur innehatte und die französische Flüchtlingsgemeinde betreute. Durch Kontakt mit dem dort ansässigen Martin Bucer wurde Calvin in seiner Theologie geprägt, beispielsweise in der Prädestinationslehre, im Abendmahlsverständnis und in der Vierämterlehre.

1541 holte man Calvin jedoch zurück nach Genf, nachdem er einen Antwortbrief an den katholischen Bischof geschrieben hatte (siehe unten). In diesem zeigte sich Calvin aufs tiefste mit Genf verbunden. Der Bischof wollte die Genfer Gemeinde überreden, wieder zum katholischen Glauben zurückzukehren. Der Rat hatte darauf nicht zu antworten gewusst und Calvin gebeten, dies zu tun. Beeindruckt von dessen Antwortbrief rief der Rat Calvin nach Genf zurück, und versprach ihm, diesmal seine Kirchenordnung und strenge Kirchenzucht einzuführen. Im selben Jahr noch schuf er eine neue kirchliche Ordnung. Er verfasste den Genfer Katechismus.

Seine Arbeit wurde nach und nach nicht nur in Genf anerkannt, obwohl er bis 1555 stark umstritten war. Aber selbst danach war er zwar kirchlich äußerst einflussreich, aber nicht direkt an der politischen Macht beteiligt. Deshalb ist die Verfolgung der Häretiker im calvinistischen Genf, die entweder aus Genf ausgewiesen oder hingerichtet wurden, nicht allein Calvin anzulasten. So spielten beim bekanntesten Opfer, dem von Calvin nach seiner Entdeckung an die weltliche Obrigkeit ausgelieferten Wissenschaftler und Theologen Michael Servetus, der 1553 auf dem Scheiterhaufen verbrannt wurde, neben der persönlichen Abneigung zwischen Servet und Calvin auch theologische und politische Gründe eine Rolle für dessen Verurteilung. So befürchteten die weltlichen Behörden von Genf politische Schwierigkeiten, wenn sie ein nicht-trinitarisches Bekenntnis zugelassen hätten, verweigerten sich aber auch einem Auslieferungsgesuch aus Vienne. Deshalb drangen sie auf Härte, worin sie die eingeholten Stellungnahmen anderer reformierter Städte bestärkten. Calvin selbst war hier etwas milder und sprach sich statt der Verbrennung für die Enthauptung von Servet aus, war aber durchaus der Überzeugung, dass dieser Justizmord rechtens sei. Gerade weil Calvins Macht in Genf begrenzt war, ist das von Stefan Zweig geprägte Bild stark legendär. 1559 gründete Calvin die Genfer Akademie, die zur Hochschule des Calvinismus wurde. Nach jahrelanger Krankheit starb er 1564 in Genf. Sein Grab befindet sich auf dem Cimetière des Rois im Genfer Stadtteil Plainpalais.

Calvins Lehre beinhaltete auch den zentralen Punkt, die Menschen könnten an ihrer Fähigkeit zu strengster Pflichterfüllung sehen, ob sie zum Heil vorausbestimmt seien. Obwohl Calvin mit dieser seiner Prädestinationslehre eigentlich die Allmacht Gottes und Bedeutungslosigkeit des menschlichen Willens betonte (innere Religiosität), begünstigte sie in Verbindung mit der strengen Moral und Kirchenzucht (äußere Religiosität), die Calvin in Genf einführte, jenes Arbeitsethos, das die Grundlage für das Gewinnstreben im Kapitalismus bildete. Die auf den ersten Blick überraschenden und nicht eben geradlinigen Zusammenhänge wurden erst 1904 vom deutschen Wirtschaftswissenschaftler und Soziologen Max Weber (1864–1920) entdeckt und in "Die protestantische Ethik und der „Geist“ des Kapitalismus" beschrieben, sind heute aber umstritten. Eine Vielzahl protestantischer Institutionen, denen Weber eine entscheidende Rolle im Prozess der Industrialisierung beimisst, bestanden bereits auf säkularer Ebene (vgl. Samuelsson 1993; Tawney 1926). Empirische Ergebnisse zeigen, dass in vielen der von Weber angeführten Regionen kein Zusammenhang zwischen ökonomischer Entwicklung und Protestantismus besteht. Beispielsweise lag Amsterdams Wohlstand weitgehend in katholischer Hand, katholisch dominiert ist auch das früh industrialisierte Rheinland (vgl. dazu Delacroix 1995).


Eine Statue von Johannes Calvin steht am Hauptgebäude der Genfer Universität (Genfer Reformationsdenkmal).

Siehe auch

Werkausgaben

  • Unterricht in der christlichen Religion = Institutio Christianae religionis. Nach der letzten Ausg. übers. und bearb. von Otto Weber. 6. Aufl. der einbd. Ausg. Nachdr. der Ausg. von 1955. Neukirchener Verl., Neukirchen-Vluyn 1997 ISBN 3-7887-0148-X
  • Calvin-Studienausgabe, hrsg. von Eberhard Busch. Neukirchener Verl., Neukirchen-Vluyn 1994ff. (Bd. 1: Reformatorische Anfänge (1533–1541), Teilbd. 1, 1994 ISBN 3-7887-1483-2; Teilbd. 2, 1994 ISBN 3-7887-1484-0; Bd. 2: Gestalt und Ordnung der Kirche, 1997 ISBN 3-7887-1554-5; Bd. 3: Reformatorische Kontroversen, 1999 ISBN 3-7887-1698-3; Bd. 4: Reformatorische Klärungen, 2002 ISBN 3-7887-1842-0; Bd. 5: Der Brief an die Römer. Ein Kommentar, Teil 1, 2005 ISBN 3-7887-2100-6)

Literatur

Einführungen

  • Bernhard Buschbeck: Johannes Calvin (1509-1564). In: Henning Schröer / Dietrich Zilleßen (Hrsg.): Klassiker der Religionspädagogik. Frankfurt/M. 1989, S. 35ff. ISBN 3425077112
  • T. H. L. Parker: Calvin. An Introduction to his Thought. Westminster John Knox Press, Louisville, Ky. 1995 ISBN 0-664-25602-3
  • Bernard Cottret: Calvin. Eine Biographie. Aus dem Franz. von Werner Stingl. Quell Verl., Stuttgart 1998 ISBN 3-7918-1730-2
  • Alister E. McGrath: Johann Calvin. Eine Biographie. Aus dem Engl. von Gabriele Burkhardt. Benziger, Zürich 1991 ISBN 3-545-34095-3 (engl.: A Life of John Calvin. A Study in the Shaping of Western Culture. Reprint. Blackwell, Oxford u.a. 2000 ISBN 0-631-18947-5, mehrfache Auflagen)
  • Donald K. McKim (Hrsg.): The Cambridge Companion to John Calvin. Cambridge Companions to Religion. Univ. Press, Cambridge u.a. 2004 ISBN 0-521-01672-X
  • Eberhard Busch: Gotteserkenntnis und Menschlichkeit. Einsichten in die Theologie Johannes Calvins. Theol. Verlag, Zürich 2005 ISBN 3-290-17366-6

Einzelthemen

  • Josef Bohatec: Calvin und das Recht, 1934 - Calvins Lehre von Staat und Kirche, 1936 - Calvins Gedankenwelt , 1936 - Budé und Calvin, 1950
  • Achim Detmers: Reformation und Judentum. Israel-Lehren und Einstellungen zum Judentum von Luther bis zum frühen Calvin. Judentum und Christentum 7. Kohlhammer, Stuttgart u.a. 2001 ISBN 3-17-016968-8
  • Jacques Delacroix: A Critical Empirical Test of the Common Interpretation of the Protestant Ethic and the Spirit of Capitalism. In: Journal for the Scientific Study of Religion 1995
  • Eva-Maria Faber: Symphonie von Gott und Mensch. Die responsorische Struktur von Vermittlung in der Theologie Johannes Calvins. Neukirchener Verl., Neukirchen-Vluyn 1999 ISBN 3-7887-1722-X
  • Jörg Haustein: Martin Luthers Stellung zum Zauber- und Hexenwesen, Dissertation, 1990
  • Marijn de Kroon: Martin Bucer und Johannes Calvin. Reformatorische Perspektiven. Einl. und Texte. Aus dem Niederländ. übers. von Hartmut Rudolph. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 1991 ISBN 3-525-55337-4
  • Heiko A. Oberman: Zwei Reformationen. Luther und Calvin – alte und neue Welt. Siedler, Berlin 2003 ISBN 3-88680-793-2
  • Peter Opitz: Calvins theologische Hermeneutik. Neukirchener Verl., Neukirchen-Vluyn 1994 ISBN 3-7887-1489-1
  • Peter Opitz (Hrsg.): Calvin im Kontext der Schweizer Reformation. Historische und theologische Beiträge zur Calvinforschung. Theol. Verlag, Zürich 2003 ISBN 3-290-17252-X
  • Oskar Pfister: Das Christentum und die Angst, Zürich 1945
  • Oskar Pfister: Calvins Eingreifen in die Hexer- und Hexenprozesse von Peney 1545 nach seiner Bedeutung für Geschichte und Gegenwart, Zürich 1947
  • Kurt Samuelsson: Religion and Economic Action: The Protestant Ethic, the Rise of Capitalism, and the Abuses of Scholarship. U. Toronto Press, Toronto 1993
  • Dieter Schellong: Wie steht es um die "These" vom Zusammenhang von Calvinismus und "Geist des Kapitalismus"?. Paderborner Universitätsreden 47. Univ.-Gesamthochsch., Paderborn 1995
  • Hans Scholl (Hrsg.): Karl Barth und Johannes Calvin. Karl Barths Göttinger Calvin-Vorlesung von 1922. Neukirchener Verl., Neukirchen-Vluyn 1995 ISBN 3-7887-1551-0
  • Wilhelm Schwendemann: Leib und Seele bei Calvin. Die erkenntnistheoretische und anthropologische Funktion des platonischen Leib-Seele-Dualismus in Calvins Theologie. Arbeiten zur Theologie 83. Calwer Verl., Stuttgart 1996 ISBN 3-7668-3427-4
  • Richard H. Tawney: Religion and the Rise of Capitalism. Harper and Row, New York 1926
  • Albrecht Thiel: In der Schule Gottes. Die Ethik Calvins im Spiegel seiner Predigten über das Deuteronomium. Neukirchener Verl., Neukirchen-Vluyn 1999 ISBN 3-7887-1735-1
  • Stefan Zweig: Castellio gegen Calvin oder Ein Gewissen gegen die Gewalt (1936). Fischer-Taschenbuch-Verl., Frankfurt a.M. 1996 ISBN 3-596-22295-8

Fachlexika

Weblinks

Commons: Johannes Calvin – Album mit Bildern, Videos und Audiodateien

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