Klassenkörperturm

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In der Klassenkörpertheorie wird der Hilbertsche -Klassenkörperturm eines vorgegebenen algebraischen Zahlkörpers für eine feste Primzahl rekursiv erklärt durch den Rekursionsbeginn (Initialisierung) und durch die iterierte Bildung des Hilbertschen -Klassenkörpers des jeweiligen Vorgängers im Allgemeinen Rekursionsschritt für jede ganze Zahl . Insgesamt ergibt sich ein Turm von Körpererweiterungen

,

wobei die Vereinigung oft selbst als -Klassenkörperturm bezeichnet wird. Für die Rekursion werden niemals die allgemeineren Begriffe der Strahlklassenkörper und Ringklassenkörper verwendet, sondern stets der absolute oder Hilbertsche -Klassenkörper als maximale (mit Relativführer ) unverzweigte -Erweiterung mit Primzahlpotenz-Grad und abelscher, also kommutativer, Galoisgruppe . Die Bezeichnung Klassenkörper rührt daher, dass nach dem Artinschen Reziprozitätsgesetz die Automorphismengruppe nicht nur irgendeine abelsche Gruppe ist, sondern ganz speziell isomorph zur (abelschen) -Idealklassengruppe , das heißt zur Sylow -Untergruppe der Idealklassengruppe , des Grundkörpers .

Bereits im Jahr 1925 haben P. Furtwängler und O. Schreier die Frage aufgeworfen, ob es Türme gibt, die nicht stationär werden, mit einer endlichen Länge und für alle , sondern bei denen in der Formel (1) stets die strikte Ungleichung anstelle von gilt. Es dauerte fast 40 Jahre, bis E. Golod und I. Shafarevich dieses Problem schließlich im Jahr 1964 mit Methoden der Galois-Kohomologie affirmativ lösen konnten. Sie zeigten, dass ein Grundkörper mit hinreichend großem -Klassenrang tatsächlich einen unendlichen -Klassenkörperturm besitzt.[1]

Der Turm kann auch kompakter, aber äquivalent, in der folgenden Weise definiert werden, wobei allerdings die Etagen-Struktur verborgen bleibt:

In der algebraischen Zahlentheorie, also der Theorie der komplexen Nullstellen , von univariaten Polynomen mit ganzen rationalen Zahlen als Koeffizienten, versteht man unter dem -Klassenkörperturm eines algebraischen Zahlkörpers die maximale unverzweigte pro--Erweiterung von für eine fest vorgegebene Primzahl . Durch das Zulassen unendlicher Körpererweiterungen wird hier bereits die von Golod und Shafarevich bewiesene Möglichkeit unbeschränkter Klassenkörpertürme berücksichtigt.

Die Gruppe der Automorphismen von , welche den Grundkörper invariant lassen, heißt die -Turmgruppe von . Im Fall eines unendlichen -Klassenkörperturms ist eine topologische Gruppe mit der Krull-Topologie.

Tabelle 1: Invarianten der 3-Klassenkörpertürme imaginär-quadratischer Zahlkörper
d Typus κ τ G32(K) G3(K) Ref.
-3896 H.4 (4443) [111,111,21,111] ⟨729,45⟩ ⟨6561,606⟩ [2]
-4027 D.10 (2241) [21,21,111,21] ⟨243,5⟩ ⟨243,5⟩ [3]
-9748 E.9 (2231) [32,21,21,21] ⟨2187,302⟩ ⟨6561,620⟩ [4]
oder ⟨2187,306⟩ ⟨6561,624⟩
-12131 D.5 (4224) [111,21,111,21] ⟨243,7⟩ ⟨243,7⟩ [3]
-15544 E.6 (1313) [32,21,111,21] ⟨2187,288⟩ ⟨6561,616⟩ [2]
-16627 E.14 (2313) [32,21,111,21] ⟨2187,289⟩ ⟨6561,617⟩ [2]
oder ⟨2187,290⟩ ⟨6561,618⟩
-34867 E.8 (1231) [32,21,21,21] ⟨2187,304⟩ ⟨6561,622⟩ [2]

Stufen und Länge des p-Klassenkörperturms[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die absteigende Reihe der iterierten Kommutatorgruppen von , mit für , gibt im Sinne der Galois-Korrespondenz Anlass für die Stufen (Etagen, Stockwerke) des Turms, welche gegeben sind durch , beziehungsweise gleichwertig durch , für .

Aufgrund des Isomorphiesatzes ist die Galois-Gruppe des -ten Hilbertschen -Klassenkörpers von , isomorph zum -ten abgeleiteten Quotienten von , und wird als -te -Klassengruppe von bezeichnet. Für ergibt sich mit Hilfe des Reziprozitätsgesetzes von Artin [5] die Isomorphie der Abelisierung der p-Turmgruppe, , zur (gewöhnlichen) ersten -Klassengruppe von , also zur Sylow-p-Untergruppe der (endlichen abelschen) Idealklassengruppe von , als Galois-Gruppe der maximalen abelschen unverzweigten -Erweiterung von .

Die -Turmgruppe ist entweder eine unendliche pro--Gruppe mit endlicher Abelisierung oder eine endliche -Gruppe. Im ersteren Fall ist auch der -Klassenkörperturm von , , von unendlicher Länge und ist der projektive Limes der Galois-Gruppen aller Stufen des Turmes. Im letzteren Fall ist auflösbar und nilpotent und der Turm endet bei der abgeleiteten Länge von , , präziser ausgedrückt: wird dort stationär.

Relationenrang der p-Turmgruppe[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Für die Bestimmung der Länge eines -Klassenkörperturms ist die Abschätzung des Relationenrangs von von entscheidender Bedeutung.

operiert trivial auf dem endlichen Körper mit Elementen und die kohomologischen Dimensionen , bzw. , heißen Generatorenrang, bzw. Relationenrang, von .

Für einen Grundkörper mit der Signatur , also mit dem torsionsfreien Dirichlet-Einheitenrang , hat Shafarevich[6] die folgende Abschätzung des Relationenrangs der -Turmgruppe hergeleitet: , wobei , falls die -ten Einheitswurzeln enthält, und anderenfalls.

Aufgrund der Isomorphie ist der Generatorenrang von gleich dem -Klassenrang von , also gleich der Anzahl der Basiselemente der -Klassengruppe .

Für den besonders ausführlich untersuchten einfachsten Spezialfall eines imaginär-quadratischen Grundkörpers haben Koch und Venkov[7] aus dem kohomologischen Kriterium von Shafarevich das folgende grundlegende Resultat abgeleitet.

Satz von Koch und Venkov. Für eine ungerade Primzahl ist die -Turmgruppe eines imaginär-quadratischen Zahlkörpers eine sogenannte Schur -Gruppe mit ausgewogener Präsentation und mit einem Automorphismus , welcher auf der Abelisierung die Inversion hervorruft. (Wegen der Isomorphie heißt ein generatoren-invertierender (GI-)Automorphismus.)

Zusatz von Schoof.[8] Für eine ungerade Primzahl und für jede ganze Zahl besitzt die -te -Klassengruppe eines beliebigen (imaginären oder reellen) quadratischen Zahlkörpers einen Automorphismus , der sowohl auf als auch auf die Inversion induziert. ( heißt daher ein relatoren-invertierender (RI-)Automorphismus.)

Tabelle 2: Invarianten der 3-Klassenkörpertürme reell-quadratischer Zahlkörper
d Typus κ τ G32(K) G3(K) Ref.
32009 a.3 (2000) [21,11,11,11] ⟨81,8⟩ ⟨81,8⟩ [3]
62501 a.1 (0000) [22,11,11,11] ⟨729,99⟩ ⟨729,99⟩ [9]
72329 a.2 (1000) [21,11,11,11] ⟨81,10⟩ ⟨81,10⟩ [3]
142097 a.3 (2000) [111,11,11,11] ⟨81,7⟩ ⟨81,7⟩ [3]
152949 a.1 (0000) [22,11,11,11] ⟨729,100⟩ ⟨729,100⟩ [9]
214712 G.19 (4321) [21,21,21,21] ⟨729,57⟩ ⟨2187,311⟩ [10]
252977 a.1 (0000) [22,11,11,11] ⟨729,101⟩ ⟨729,101⟩ [9]
342664 E.9 (2231) [32,21,21,21] ⟨2187,302⟩ ⟨6561,620⟩ [10]
oder ⟨2187,306⟩ ⟨6561,624⟩
494236 a.3↑ (2000) [32,11,11,11] ⟨729,97⟩ ⟨729,97⟩ [3]
oder ⟨729,98⟩ ⟨729,98⟩
534824 c.18 (0313) [22,21,111,21] ⟨729,49⟩ ⟨2187,291⟩ [11]
540365 c.21 (0231) [22,21,21,21] ⟨729,54⟩ ⟨2187,307⟩ [11]
oder ⟨2187,308⟩
790085 a.2↑ (1000) [32,11,11,11] ⟨729,96⟩ ⟨729,96⟩ [3]
957013 H.4 (4443) [111,111,21,111] ⟨729,45⟩ ⟨2187,273⟩ [10]
2905160 a.1↑ (0000) [33,11,11,11] ⟨6561,2227⟩ ⟨6561,2227⟩ [9]
3918837 E.14 (2313) [32,21,111,21] ⟨2187,289⟩ ⟨2187,289⟩ [10]
oder ⟨2187,290⟩ ⟨2187,290⟩
4760877 E.9 (2231) [32,21,21,21] ⟨2187,302⟩ ⟨2187,302⟩ [10]
oder ⟨2187,306⟩ ⟨2187,306⟩
5264069 E.6 (1313) [32,21,111,21] ⟨2187,288⟩ ⟨6561,616⟩ [10]
6098360 E.8 (1231) [32,21,21,21] ⟨2187,304⟩ ⟨6561,622⟩ [10]
7153097 E.6 (1313) [32,21,111,21] ⟨2187,288⟩ ⟨2187,288⟩ [10]
8632716 E.8 (1231) [32,21,21,21] ⟨2187,304⟩ ⟨2187,304⟩ [10]
9433849 E.14 (2313) [32,21,111,21] ⟨2187,289⟩ ⟨6561,617⟩ [10]
oder ⟨2187,290⟩ ⟨6561,618⟩
10200108 a.3↑↑ (2000) [43,11,11,11] ⟨6561,2223⟩ ⟨6561,2223⟩ [9]
oder ⟨6561,2224⟩ ⟨6561,2224⟩
10399596 a.1↑ (0000) [33,11,11,11] ⟨6561,2225⟩ ⟨6561,2225⟩ [9]
14458876 a.2↑↑ (1000) [43,11,11,11] ⟨6561,2222⟩ ⟨6561,2222⟩ [9]
27780297 a.1↑ (0000) [33,11,11,11] ⟨6561,2226⟩ ⟨6561,2226⟩ [9]

Artin-Muster der p-Turmgruppe[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Auf dem Wege zur Identifikation der -Turmgruppe eines vorgegebenen Zahlkörpers verwendet man zunächst das Artin-Muster , um die Metabelianisierung von zu finden.

Dieses Muster besteht aus der Gesamtheit der Kerne und Ziele , genauer: der logarithmischen abelschen Quotienten-Invarianten der Ziele, der Artin-Verlagerungen der Gruppe in ihre maximalen Untergruppen vom Index .

In vielen Fällen führt diese Strategie der Mustererkennung mittels Artin-Verlagerungen zur eindeutigen Identifizierung zumindest der zweiten Stufe des Turmes, also der metabelschen Galois-Gruppe des zweiten Hilbert--Klassenkörpers von , als Approximation der vollen -Turmgruppe . Auf jeden Fall liefert dieser Prozess nur endlich viele Kandidaten für .

Historisch gesehen, geht die Idee zu dieser Vorgangsweise auf die Untersuchungen von Arnold Scholz und Olga Taussky-Todd[12] im Jahre 1934 zurück, aus welchen auch die Bezeichnungen für den Typus[13] in den Tabellen 1 und 2 herrühren. Diese Autoren bestimmten aus dem Kapitulationstypus (kurz: Typus) imaginärquadratischer Zahlkörper mit elementarer -Klassengruppe vom Rang die symbolische Ordnung, das heißt das Annihilatorideal[14] aller bivariaten Polynome mit der Eigenschaft , des Hauptkommutators der metabelschen Gruppe vom Erzeugendenrang , also mit zwei Generatoren und .

Die zweite Komponente des Artin-Musters kam bei Scholz und Taussky noch in einer rudimentären Ausprägung in Form der -Klassenzahlen der vier unverzweigten zyklisch-kubischen Erweiterungen von ins Spiel, war aber zusammen mit hinreichend für die eindeutige Identifikation der Gruppe .

In der experimentellen, computerunterstützten Mathematik dient das Artin-Muster als Suchbegriff für Datenbankabfragen entweder in der SmallGroups Bibliothek[15] oder in Erweiterungen dieser Bibliothek, die mithilfe des -Gruppen-Erzeugungs-Algorithmus von M. F. Newman[16] und E. A. O' Brien[17] konstruiert werden. Die Verwendung der expliziten Struktur von in Form der abelschen Typinvarianten der -Klassengruppen (anstelle der -Klassenzahlen) der vier unverzweigten zyklisch-kubischen Erweiterungen von kann dabei zu einer erheblichen Einschränkung der Kandidaten für die Gruppe führen.

Konkrete Beispiele von p-Klassenkörpertürmen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Systematisch erforscht wurden bisher die -Klassenkörpertürme von quadratischen Zahlkörpern für ungerade Primzahlen .

Ein quadratischer Zahlkörper entsteht durch Adjunktion einer der beiden Nullstellen und des Polynoms mit einer Fundamentaldiskriminante , , an den Körper der rationalen Zahlen. Einige grundlegende Regeln für die Länge des -Klassenkörperturms eines quadratischen Zahlkörpers lassen sich in Termen des -Klassenrangs von ausdrücken:

  1. Der triviale Fall tritt bei einem beliebigen Zahlkörper genau dann auf, wenn auch , also die Klassenzahl von nicht durch teilbar ist.
  2. Einstufige Türme mit sind bei quadratischen Grundkörpern charakteristisch für zyklische -Klassengruppen mit . Diese Äquivalenz geht bei anderen Arten von Grundkörpern leider verloren. So ist für Zahlkörper dritten und vierten Grades die Bedingung zwar noch hinreichend aber im Allgemeinen nicht mehr notwendig für .
  3. Koch und Venkov[7] haben gezeigt, dass imaginär-quadratische Zahlkörper mit mindestens dreibasiger -Klassengruppe, also mit , einen unendlichen -Klassenkörperturm mit besitzen.
  4. Den abwechslungsreichsten Fall bilden die quadratischen Zahlkörper mit -Klassenrang , für die theoretisch alle Längen möglich sind, von denen aber bisher (Stand 28. April 2020) nur Situationen mit und rigoros nachgewiesen werden konnten.

Die zweite Etage des -Klassenkörperturms aller quadratischen Zahlkörper mit Fundamentaldiskriminanten im Bereich und elementarer -Klassengruppe vom Rang zwei wurde im Jahre 2010 in einem aufwendigen, mehrere Monate an CPU-Zeit in Anspruch nehmenden Projekt[18] bestimmt, dessen zugrundeliegende neuartige Algorithmen unter dem Schlagwort Kapitulationstypus mittels Klassengruppenstruktur [3] publiziert wurden, weil für die Bewältigung der 4596 zu analysierenden Zahlkörper der von Scholz und Taussky,[12] sowie auch von Heider und Schmithals,[19] benutzte Algorithmus zu wenig effizient gewesen wäre.

Die dritte Etage eines -Klassenkörperturms, nämlich jedes imaginär-quadratischen Zahlkörpers , , mit elementarer -Klassengruppe vom Rang zwei und Artin-Muster mit Kapitulation vom Typus E.9 und logarithmischen abelschen Quotienten-Invarianten , wurde im Lauf der Geschichte erstmals 2012 von Boston, Bush und Mayer[4] unzweifelhaft mit präziser Länge identifiziert, nachdem Scholz und Taussky,[12] sowie Heider und Schmithals,[19] die fehlerhafte Zweistufigkeit behauptet hatten. Entscheidend für den Beweis war die Tatsache, dass die Metabelianisierung , bzw. , von keine Schur -Gruppe ist, die -Turmgruppe , bzw. , mit hingegen sehr wohl.

Weitere exakt dreistufige -Klassenkörpertürme der Typen E.6, E.14 und E.8 für imaginär-quadratische Körper[2] sowie c.18 und c.21 für reell-quadratische Körper[11] wurden im Jahr 2015 entdeckt.

Im selben Jahr wurden auch reell-quadratische Körper der Typen E.6, E.14, E.8 und E.9 auf die Länge ihres -Klassenkörperturms untersucht[10] wobei sich die Kuriosität herausstellte, dass die von Scholz und Taussky für den imaginären Fall fälschlich behauptete Länge im reellen Fall tatsächlich erlaubt ist und von der Dreistufigkeit durch streng deterministische Kriterien unterschieden werden kann.

Im Jahr 2017 schließlich gelang noch die Ermittlung der Feinstruktur der reell-quadratischen Zahlkörper , , mit elementarer -Klassengruppe vom Rang zwei und Artin-Muster mit vierfacher Totalkapitulation vom Typus a.1 (und beliebigen abelschen Quotienten-Invarianten ) unter Verwendung der sogenannten tiefen Verlagerungen.[9]

Tabelle 1, bzw. 2, zeigt die essenziellen Invarianten des -Klassenkörperturmes von allen imaginären, bzw. reellen, quadratischen Zahlkörpern mit der Minimaldiskriminante für das jeweilige Artin-Muster , falls die Ordnungen der beiden Galoisgruppen und den Maximalwert der SmallGroups Datenbank[15] nicht überschreiten. Zahlreiche konkrete Beispiele mit -Turmgruppen höherer logarithmischer Ordnung sind bekannt, [11][10] sollen aber hier nicht explizit angeführt werden, weil die Bezeichnungsweise für diese Gruppen mit Relativ-Identitäten leider viel Platz in Anspruch nimmt und auf den ersten Blick unübersichtlich aussieht. Die Symbole , bzw. , hinter dem Typus heben erste, bzw. zweite, Anregungszustände gegenüber dem Grundzustand hervor, das bedeutet Varianten von bei festem Typus . Bei Gleichheit von und ist , bei Verschiedenheit ist und .

Ein auffallender Unterschied in der Ordnung der -Turmgruppe und gelegentlich sogar in der Länge des -Klassenkörperturms wurde zwischen imaginär-quadratischen Zahlkörpern mit negativen Diskriminanten und reell-quadratischen Zahlkörpern mit positiven Diskriminanten bei übereinstimmendem Artin-Muster festgestellt. So besitzen die Körper mit Diskriminanten und übereinstimmend den Typus H.4 mit , , isomorphe zweite 3-Klassengruppen und dieselbe Länge , aber die Schur -Gruppe im imaginären Fall hat größere Ordnung als die -Turmgruppe mit Relationenrang im reellen Fall. Noch gravierender ist das unterschiedliche Verhalten bei den Körpern mit Diskriminanten und . Während der Typus E.6 mit , und die zweiten -Klassengruppen übereinstimmen, besteht der anspruchsvolle imaginäre Körper nach dem Satz von Koch und Venkov natürlich auf der Schur -Gruppe mit aber der genügsame reelle Körper ist schon mit der nicht-balancierten Gruppe mit zufrieden.

Ungelöste Probleme bei unendlichem p-Klassenkörperturm[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Der -Klassenkörperturm eines Zahlkörpers kann nur dann als bekannt betrachtet werden, wenn eine pro--Präsentation seiner Galois-Gruppe, also der -Turmgruppe , mit expliziten Generatoren und Relationen vorliegt. Bei einem unendlichen Turm mit der Länge könnte aus dieser pro--Präsentation ein analytischer Ausdruck für das Wachstum der Ordnungen der abzählbar unendlich vielen Stufen des Turmes in Abhängigkeit von angegeben werden.

Leider ist man derzeit von der Lösung dieses hochinteressanten Problems noch weit entfernt. Beispielsweise besitzt der imaginär-quadratische Zahlkörper mit Fundamentaldiskriminante eine elementare -Klassengruppe vom Rang , also mit logarithmischen abelschen Typinvarianten , und somit nach der obenstehenden grundlegenden Regel 3 einen unendlichen -Klassenkörperturm mit . Aber die Werte der Funktion sind für völlig unbekannt und für , also für die Ordnung der zweiten -Klassengruppe , konnte unter enormem Aufwand an CPU-Zeit nur die untere Abschätzung berechnet werden.[10] Im Jahr 2023 konnte Bill Allombert unter Verwendung des Algorithmus von Aurel Page[20] die untere Schranke sogar zu verbessern.[21]

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Golod, E. S., Shafarevich, I. R.: On class field towers (Russian). In: Izv. Akad. Nauk SSSR, Ser. Mat. 28. Jahrgang, Nr. 2. English transl. in Amer. Math. Soc. Transl. Ser. 2, 48 (1965), 91-102, 1964, S. 261–272.
  2. a b c d e D. C. Mayer: Index-p abelianization data of p-class tower groups. In: Adv. Pure Math. 5. Jahrgang, 2015, S. 286–313, doi:10.4236/apm.2015.55029, arxiv:1502.03388.
  3. a b c d e f g h D. C. Mayer: Principalization algorithm via class group structure. In: J. Théor. Nombres Bordeaux. 26. Jahrgang, 2014, S. 415–464, doi:10.5802/jtnb.874, arxiv:1403.3839.
  4. a b M. R. Bush, D. C. Mayer: 3-class field towers of exact length 3. In: J. Number Theory. 147. Jahrgang, 2015, S. 766–777, doi:10.1016/j.jnt.2014.08.010, arxiv:1312.0251.
  5. E. Artin: Beweis des allgemeinen Reziprozitätsgesetzes. In: Abh. Math. Sem. Univ. Hamburg. 5. Jahrgang, 1927, S. 353–363.
  6. I. R. Shafarevich: Extensions with given points of ramification. In: Inst. Hautes Études Sci. Publ. Math. 18. Jahrgang, 1963, S. 71–95. Translated in Amer. Math. Soc. Transl. (2), 59: 128–149, (1966).
  7. a b H. Koch, B. B. Venkov: Über den p-Klassenkörperturm eines imaginär-quadratischen Zahlkörpers. In: Astérisque. 24–25. Jahrgang, 1975, S. 57–67.
  8. René Schoof: Infinite class field towers of quadratic fields. In: J. Reine Angew. Math. 372. Jahrgang, 1986, S. 209–220.
  9. a b c d e f g h i D. C. Mayer: Deep transfers of p-class tower groups. In: J. Appl. Math. Phys. 6. Jahrgang, 2018, S. 36–50, doi:10.4236/jamp.2018.61005, arxiv:1707.00232.
  10. a b c d e f g h i j k l m D. C. Mayer: Criteria for three-stage towers of p-class fields. In: Adv. Pure Math. 7. Jahrgang, 2017, S. 135–179, doi:10.4236/apm.2017.72008, arxiv:1601.00179.
  11. a b c d D. C. Mayer: New number fields with known p-class tower. In: Tatra Mt. Math. Pub. 64. Jahrgang, 2015, S. 21–57, doi:10.1515/tmmp-2015-0040, arxiv:1510.00565.
  12. a b c A. Scholz, O. Taussky: Die Hauptideale der kubischen Klassenkörper imaginär quadratischer Zahlkörper: ihre rechnerische Bestimmung und ihr Einfluss auf den Klassenkörperturm. In: J. Reine Angew. Math. 171. Jahrgang, 1934, S. 19–41.
  13. D. C. Mayer: Transfers of metabelian p-groups. In: Monatsh. Math. 166. Jahrgang, 2012, S. 467–495, doi:10.1007/s00605-010-0277-x, arxiv:1403.3896.
  14. D. C. Mayer: Annihilator ideals of two-generated metabelian p-groups. In: J. Algebra Appl. 17. Jahrgang, 2018, doi:10.1142/S0219498818500767, arxiv:1603.09288.
  15. a b H. U. Besche, B. Eick, E. A. O’Brien: The SmallGroups Library – a library of groups of small order. An accepted and refereed GAP 4 package, available also in MAGMA, 2005.
  16. M. F. Newman, Determination of groups of prime-power order, in: Group Theory, Canberra 1975, Springer, Lecture Notes in Mathematics 573, 1977, S. 73–84
  17. E. A. O’Brien: The p-group generation algorithm. In: J. Symbolic Comput. 9. Jahrgang, 1990, S. 677–698, doi:10.1016/s0747-7171(08)80082-x.
  18. D. C. Mayer: The second p-class group of a number field. In: Int. J. Number Theory. 8. Jahrgang, 2012, S. 471–505, doi:10.1142/s179304211250025x, arxiv:1403.3899.
  19. a b F.-P. Heider, B. Schmithals: Zur Kapitulation der Idealklassen in unverzweigten primzyklischen Erweiterungen. In: J. Reine Angew. Math. 363. Jahrgang, 1982, S. 1–25.
  20. A. Page: abelianbnf. Pari/gp script, Institute de Mathématiques de Bordeaux (IMB), Lithe and fast algorithmic number theory (LFANT), 2020.
  21. B. Allombert: Abelian number fields, 2023.