Nilpotente Gruppe

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Nilpotente Gruppe ist ein Begriff aus dem Bereich der Gruppentheorie, einem Teilgebiet der Mathematik. In gewissem Sinn verallgemeinert er für endliche Gruppen den Begriff der kommutativen Gruppe „so wenig wie möglich“: Jede kommutative Gruppe ist nilpotent, aber nicht umgekehrt. Endliche kommutative Gruppen lassen sich (bis auf Isomorphie) eindeutig als direktes Produkt von endlich vielen zyklischen Gruppen von Primzahlpotenzordnung darstellen. Dies ist eine Aussage des Hauptsatzes über endlich erzeugte abelsche Gruppen. Bei endlichen nilpotenten Gruppen übernehmen die p-Sylowgruppen die Rolle der zyklischen Gruppen: Jede endliche nilpotente Gruppe ist (bis auf Isomorphie) ein direktes Produkt ihrer p-Sylowgruppen. Die Definition des Begriffs „nilpotente Gruppe“ beruht auf dem allgemeineren Konzept einer Kette von Untergruppen (mit bestimmten Eigenschaften), das im Artikel „Reihe (Gruppentheorie)“ erläutert wird.

Charakterisierungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Für nilpotente Gruppen lassen sich diverse äquivalente Charakterisierungen angeben. Sie werden oft über die Betrachtung bestimmter Reihen eingeführt. Definiere für eine Gruppe die Kommutatoren induktiv

für .

Man erhält dadurch die absteigende Zentralreihe

.

Man nennt nilpotent, falls die absteigende Zentralreihe für ein bei der Einsgruppe endet.

Ähnlich kann man für das -te Zentrum induktiv wie folgt definieren.

,
ist das Urbild von .

Damit ist

eine aufsteigende Reihe; die aufsteigende Zentralreihe. Man kann zeigen, dass genau dann nilpotent im obigen Sinne ist, falls diese Reihe bis zu ganz aufsteigt und dass die Längen beider Ketten gleich sind, was zur Definition der Nilpotenzklasse (auch Nilpotenzgrad) führt. Der Nilpotenzgrad ist genau die gemeinsame Länge dieser beiden Reihen.[1]

Für endliche Gruppen gelten folgende Charakterisierungen:[2]

  • Alle -Sylowuntergruppen sind normal in . Insbesondere ist direktes Produkt ihrer -Sylowuntergruppen.
  • Für Primzahlen sind Produkte von -Elementen wieder -Elemente.
  • Jede Untergruppe von ist subnormal.
  • Für verschiedene Primzahlen und sind die Kommutatoren von -Elementen mit -Elementen gleich dem neutralen Element.
  • Ist eine echte Untergruppe von , so ist echt in ihrem Normalisator enthalten.
  • Ist eine maximale Untergruppe, so ist normal in .

Eigenschaften[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Untergruppen, Faktorgruppen und homomorphe Bilder einer nilpotenten Gruppe sind nilpotent.
  • Ist umgekehrt ein nilpotenter Normalteiler und ebenfalls nilpotent, so ist im Allgemeinen nicht nilpotent. Ein Beispiel ist die nicht nilpotente Gruppe S3, die einen zur zyklischen und damit nilpotenten Gruppe isomorphen Normalteiler besitzt, dessen Faktorgruppe ebenfalls nilpotent ist. Es gilt aber der folgende Satz:
  • Philip Hall: Ist eine Gruppe mit einem nilpotenten Normalteiler , so dass nilpotent ist, so ist auch nilpotent.[3] Dabei ist die Kommutatorgruppe von .
  • Jede nilpotente Gruppe ist auflösbar. Die Umkehrung ist im Allgemeinen falsch, wie die symmetrische Gruppe S3 belegt.
  • Endlich erzeugte nilpotente Gruppen sind überauflösbar, auch hier gilt die Umkehrung nicht.
  • Produkte nilpotenter Normalteiler in einer Gruppe sind nilpotent. Diese Eigenschaft führt zur Definition der Fitting-Untergruppe, (nach Hans Fitting) dem Produkt aller nilpotenten Normalteiler.

Klassifikation[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Das direkte Produkt nilpotenter Gruppen ist nilpotent, falls die Nilpotenzgrade der Faktoren beschränkt sind.
  • Jede endliche p-Gruppe ist nilpotent. Eine unendliche p-Gruppe ist nilpotent, wenn die Ordnung der Gruppenelemente beschränkt ist. (Beachte, dass diese Forderung stärker ist, als die Forderung endlicher Ordnung für Gruppenelemente, die durch die Definition der p-Gruppe ohnehin gewährleistet ist.)
  • Eine endliche nilpotente Gruppe ist isomorph zum direkten Produkt ihrer p-Sylow-Untergruppen. Man beachte dabei, dass jede nilpotente Gruppe zu jeder Primzahl p genau eine (ggf. triviale) p-Sylow-Untergruppe besitzt.

Beispiele[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Eine nicht triviale Gruppe ist genau dann nilpotent vom Nilpotenzgrad 1, wenn sie abelsch ist.
  • Es sei ein Körper und eine natürliche Zahl. Die Menge der n×n-Matrizen der Form
(dabei stehen die Sterne für beliebige Elemente von )
ist eine Untergruppe der Gruppe der invertierbaren n×n-Matrizen, die Gruppe der strikten oberen Dreiecksmatrizen. Sie ist nilpotent mit Nilpotenzgrad .
Im Spezialfall , trägt diese Gruppe auch den Namen Heisenberggruppe.
  • Die Diedergruppe mit Elementen ist genau dann nilpotent, wenn gilt; in diesem Fall ist der Nilpotenzgrad gleich .
  • Die Frattinigruppe ist stets nilpotent und falls nilpotent, dann auch .[4]

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Thomas W. Hungerford: Algebra (= Graduate Texts in Mathematics. Bd. 73). 5th printing. Springer, New York NY u. a. 1989, ISBN 0-387-90518-9.

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Michael Aschbacher: Finite group theory, Cambridge Studies in Advanced Mathematics, Band 10, 2te Auflage, Cambridge University Press (2000), ISBN 0-521-78145-0, S. 28–29.
  2. D.J.S. Robinson: A Course in the Theory of Groups, Springer-Verlag 1996, ISBN 0-387-94461-3, Satz 5.2.4
  3. D.J.S. Robinson: A Course in the Theory of Groups, Springer-Verlag 1996, ISBN 0-387-94461-3, Satz 5.2.10
  4. Hans Kurzweil, Bernd Stellmacher: The theory of finite groups. An introduction. Springer, New York u. a. 2004, ISBN 0-387-40510-0, S. 105.