Klosterkirche St. Trinitatis (Neuruppin)

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Klosterkirche St. Trinitatis

Die Klosterkirche Sankt Trinitatis ist die größte Kirche der Stadt Neuruppin. Sie wurde zusammen mit dem zugehörigen Kloster 1246 errichtet und bildet mit ihren markanten Türmen das Wahrzeichen der Stadt.

Beschreibung

Neuruppin mit Klosterkirche (mit Dachreiter, ohne Türme) 1694

Die Kirche steht am Ufer des Ruppiner Sees am Rande der Altstadt von Neuruppin. Das Gebäude ist eine gotische Backsteinkirche mit einem neugotischen Turmpaar. Die Kirche wurde ab der 1. Hälfte des 13. Jahrhunderts in mehreren Bauphasen errichtet. Die gotische Hallenkirche besteht aus dem dreischiffigen Langhaus und einem vierjochigen Chor mit polygonalem Abschluss (7/12.-Schluss). Die beiden 62,5 Meter hohen Türme stehen in den Winkeln zwischen Chor und Seitenschiffen. Der Innenraum ist 62,5 Meter lang; der Chor nimmt ungefähr die Hälfte der Länge ein.[1] Im westlichen Turm befindet sich der Glockenstuhl mit drei Glocken, der östliche (zum See zeigende) Turm dient als Aussichtsturm. Die Lage des Klosters am Ufer des Sees bestimmte die Ausrichtung der Kirche, deren Chor nach Nordosten orientiert ist. Die Ausrichtung weicht also ab von der meist üblichen Ostung.

Geschichte

Sandsteinfigur eines Dominikaners, 1370/80, genannt Pater Wichmann (Wichmann von Arnstein, Gründer und 1. Prior des Klosters)

Im 13. Jahrhundert wurde das Dominikanerkloster in Neuruppin als erste Niederlassung des Ordens zwischen Elbe und Oder durch den ersten Prior Wichmann von Arnstein gegründet. Der Chor der Klosterkirche wurde 1246 fertiggestellt, das Hauptschiff später. Direkt an die Kirche schlossen sich die Klostergebäude an. Im Chorraum befand sich die Grablege der Grafen von Lindow-Ruppin, die über die Herrschaft Ruppin herrschten. Die Kirche hatte ursprünglich keinen Turm sondern nur einen kleinen Dachreiter.[2] Eine der Besonderheiten der Kirche ist, dass das Altarbild aus Sandstein eine Darstellung der Geburt Christi mit einer Hebamme birgt. Es stammt aus dem 14. Jahrhundert, zeigt den zu der Zeit in der Mark Brandenburg auftretenden böhmischen Einfluss und ist dem Umkreis des Havelberger Lettners zuzurechnen.[3]

Die Geburt Christi, Ausschnitt aus dem Altarretabel, Sandstein, Ende 14. Jh.

Im Zuge der Reformation fiel der Klosterbesitz um 1540 an den Kurfürsten Joachim von Brandenburg. Im Jahr 1564 schenkte er das Kloster der Stadt. Die Klosterkirche wurde wiederhergestellt, in den übrigen Klostergebäuden wurde ein Spital eingerichtet.[4] In diese Zeit fällt eine in der Klosterkirche abgebildete Legende über eine Maus, die eine Ratte verfolgt. Theodor Fontane schreibt dazu:

„Das Innere der Kirche, trotz seiner Inschriften, ist immer noch gerade kahl genug geblieben, um sich der »Maus und Ratte« zu freun, die der den Deckenanstrich ausführende Maler in gewissenhaftem Anschluß an eine halb legendäre Tradition an das Gewölbe gemalt hat. Die Tradition selbst aber ist folgende. Wenige Tage nachdem die Kirche, 1564, dem lutherischen Gottesdienst übergeben worden war, schritten zwei befreundete Geistliche, von denen einer noch zum Kloster hielt, durch das Mittelschiff und disputierten über die Frage des Tages. »Eher wird eine Maus eine Ratte hier über die Wölbung jagen«, rief der Dominikaner, »als daß diese Kirche lutherisch bleibt.« Dem Lutheraner wurde jede Antwort hierauf erspart; er zeigte nur an die Decke, wo sich das Wunder eben vollzog.
Unser Sandboden hat nicht allzuviel von solchen Legenden gezeitigt, und so müssen wir das Wenige werthalten, was überhaupt da ist.“

Theodor Fontane: Wanderungen durch die Mark Brandenburg[5]

Die Kirche wurde am 2. Sonntag nach Trinitatis 1564 durch Pfarrer Mag. Andreas Buchow der Heiligen Dreifaltigkeit geweiht.[6]

Klosterkirche um 1860 mit Holzturm

Während der Französischen Besetzung 1806 wurde die Klosterkirche als Gefangenenlager für preußische Soldaten genutzt, in den folgenden Jahren als Mehl- und Brotlager sowie 1813 nochmals als Gefangenenlager für französische Soldaten.[1] Im Jahr 1816 wurden die Klostergebäude mit Ausnahme der Kirche abgerissen. Ab 1834 wurde die Klosterkirche auf Weisung von König Friedrich Wilhelm III. nach Plänen Karl Friedrich Schinkels saniert und am 16. Mai 1841 in Anwesenheit von König Friedrich Wilhelm IV. eingeweiht.[4] Auf Schinkel geht die Ausmalung, die große Rosette über der Eingangstür sowie die Einfassung der Sandsteintafeln am Hauptaltar zurück. Schinkel ließ auch einen 58 Meter hohen dreietagigen Turm aus Holz auf dem Südgiebel errichten, der aber schon 1882 wegen Baufälligkeit wieder abgerissen wurde.

Im Jahr 1905 wurde die Kirche um die beiden markanten Türme erweitert nach Plänen des Königlichen Baurats Ludwig Dihm.[1] Das Richtfest fand am 5. August 1907 statt, die feierliche Einweihung am 9. Juni 1908 in Anwesenheit des Kronprinzen Wilhelm.

Am 1. Mai 1945 signalisierten weiße Fahnen am Turm (wie auch an der Pfarrkirche Sankt Marien) die Übergabe der Stadt an die vorrückende sowjetische Armee, die Neuruppin vorher zur Kapitulation aufgefordert hatte.[7]

Notgeldschein der Stadt Neuruppin von 1923 mit Darstellung der Klosterkirche

Von 1974 bis 1978 wurde die Kirche im Rahmen eines Sonderbauprogramms in der DDR, in dem mit Geldmitteln der Evangelischen Kirche in Westdeutschland Bauvorhaben an Kirchenbauten in der DDR durchgeführt wurden, erneuert. In die Kirche wurde im letzten Joch des Hauptschiffs eine Zwischenetage eingezogen und dort mittels einer Glaswand ein Gemeinderaum und eine beheizbare Winterkirche abgeteilt. Im Zuge dieser Maßnahmen erfolgte durch die Evangelische Kirchengemeinde Neuruppin der Beschluss, die Klosterkirche Sankt Trinitatis als Hauptgottesdienstraum zu nutzen und dafür die baufällige Pfarrkirche Sankt Marien aufzugeben. Die Klosterkirche wurde am 1. Advent (27. November) 1977 als Gemeindezentrum eingeweiht.[1] Bereits 1958 hatte die Neuruppiner Künstlerin Gisela Heyner die Glasfenster mit biblischen Motiven entworfen, diese wurden bei der Baumaßnahme erneuert.

Eine neue Orgel wurde von der Firma Sauer 1983 eingebaut. Im Gegensatz zu früheren Orgeln fand sie nicht ihren Platz auf einer Empore sondern steht gegenüber der Kanzel an der Verbindung von Chor und Hauptschiff. Sie kostete etwa 200.000 Deutsche Mark und hat zwei Manuale, ein Pedal, 24 Register und Koppeln, insgesamt 1600 Pfeifen. Die Windanlage wurde vom Partnerkirchbezirk im westdeutschen Karlsruhe bereitgestellt. Die neue Orgel wurde am 29. April 1984 eingeweiht.[1]

Zur Zeit der Wende fanden in der Klosterkirche ab dem 10. Oktober 1989 regelmäßig Friedensgebete statt, am 3. November 1989 traf sich das Neue Forum Neuruppin in der Kirche zu seiner ersten Vollversammlung.[4]

1996 wurde der Niemöllerplatz um die Klosterkirche in Anlehnung an alte Pläne von Peter Joseph Lenné neu gestaltet.

2011 bis 2012 wurden umfassende Renovierungsarbeiten durchgeführt. Die Turmdächer wurden neu gedeckt, morsche Teile des Dachstuhls wurden ausgetauscht und das Mauerwerk des Chorraums wurde durch Ringanker und Stahlseile gesichert. Die Arbeiten mit Gesamtkosten von 1.100.000 € wurden offiziell am 1. Advent (2. Dezember) 2012 mit einem Festgottesdienst beendet.[8]

Weblinks

Commons: St. Trinitatis (Neuruppin) – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. a b c d e Historischer Verein der Grafschaft Ruppin e.V. (Hrsg.): Die Türme der Klosterkirche Neuruppin - Festschrift zum 100. Jahrestag ihrer Einweihung. Neuruppin 6. Juni 2008.
  2. Johannes Schultze: Geschichte der Stadt Neuruppin. Stapp, Berlin 1995, ISBN 3-87776-931-4.
  3. Verena Friedrich: Neuruppin, St. Trinitatis. Kunstverlag Peda, Passau 1995, ISBN 3-930102-68-4.
  4. a b c Brigitte Meier: Fontanestadt Neuruppin : eine Stadtgeschichte in Daten. Ed. Rieger, Karwe bei Neuruppin 2003, ISBN 3-935231-31-8.
  5. Theodor Fontane: Wanderungen durch die Mark Brandenburg - Erster Teil: Die Grafschaft Ruppin. Berlin 9. März 1892, Neuruppin - 1. Ein Gang durch die Stadt. Die Klosterkirche. (Projekt Gutenberg [abgerufen am 24. April 2011]).
  6. Gerhard Zimmermann (Hrsg.): Die Brandenburgischen Kirchenvisitations-Abschiede und -Register des XVI. und XVII. Jahrhunderts. Zweiter Band: Das Land Ruppin. Walter de Gruyter & Co., Berlin 1963.
  7. Gemeindekirchenrat Neuruppin (Hrsg.): Die Pfarrkirche St. Marien zu Neuruppin - Ihre Zerstörung vor 200 Jahren und ihr Neubau. Neuruppin 15. Dezember 1986.
  8. Petra Waschescio: Das Wahrzeichen ist gerettet. In: Ruppiner Anzeiger. 3. Dezember 2012.

Koordinaten: 52° 55′ 21,5″ N, 12° 48′ 36,1″ O