Kraftwerk Jänschwalde
Kraftwerk Jänschwalde | |||
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Kraftwerk Jänschwalde, 2010 | |||
Lage | |||
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Koordinaten | 51° 50′ 3″ N, 14° 27′ 26″ O | ||
Land | Deutschland | ||
Gewässer | Umgebungsgewässer und Grundwasser aus den naheliegenden Tagebauen | ||
Daten | |||
Typ | Wärmekraftwerk | ||
Primärenergie | Fossile Energie | ||
Brennstoff | Braunkohle (Lausitzer Revier) | ||
Leistung | 3.000 MW | ||
Eigentümer | Vattenfall Europe | ||
Betreiber | Vattenfall Europe | ||
Projektbeginn | 1970er | ||
Betriebsaufnahme | 1976–1988 | ||
Turbine | viergehäusige Kondensationsturbine | ||
Kessel | 2 × 815 t/h | ||
Feuerung | Braunkohlenstaub | ||
Stand | 19. Oktober 2009 |
Das Kraftwerk Jänschwalde ist ein Wärmekraftwerk im Südosten Brandenburgs, das überwiegend mit Braunkohle aus den Niederlausitzer Tagebauen Cottbus-Nord, Jänschwalde und Welzow-Süd befeuert wird. Kraftwerksbetreiber ist die zu Vattenfall Europe gehörende Vattenfall Europe Generation AG, die 2002 aus der VEAG hervorgegangen ist.
Das Kraftwerksgelände befindet sich in der Gemarkung der früheren Festungsstadt Peitz, etwa fünf Kilometer südöstlich des Stadtzentrums und östlich der Peitzer Teiche. Der namensgebende Ort Jänschwalde liegt rund vier Kilometer nordöstlich des Kraftwerks.
Gemessen an der installierten Leistung ist das Kraftwerk Jänschwalde mit 3.000 Megawatt nach den Kraftwerken Neurath und Niederaußem das drittgrößte Kraftwerk Deutschlands. In der Lausitz war einzig das Kraftwerk Boxberg mit 3.520 MW größer, bis dessen veraltete Kraftwerksblöcke (2.520 MW) stillgelegt wurden.
Nach Angaben von Vattenfall erzeugt das Kraftwerk jährlich etwa 22.000 GWh Strom.[1] Mit einem CO2-Ausstoß von 23,3 Mio. Tonnen verursachte das Kraftwerk im Jahr 2015 die vierthöchsten Treibhausgasemissionen aller europäischen Kraftwerke.[2]
Aufbau und Technische Daten
Das Braunkohlekraftwerk wurde, federführend durch den VEB BMK Kohle und Energie, zwischen 1976 und 1988 errichtet. Das Kraftwerk besteht aus sechs 500-MW-Blöcken mit je zwei Dampfkesseln, wobei jeweils zwei Blöcke eine Einheit bilden. Jede der drei Einheiten verfügte ursprünglich über einen 300 Meter hohen Schornstein zur Rauchgasemission. Nach der deutschen Wiedervereinigung wurden bis Mitte der neunziger Jahre Anlagen zur Entschwefelung der Rauchgase nachgerüstet, so dass ein Weiterbetrieb möglich wurde. Seither wird aus dem Schwefeldioxid der Abgase mittels Kalkzugabe zusätzlich Gips produziert, welcher im benachbarten Lafarge-Werk verarbeitet oder auf der Abraumhalde des Tagebaus Jänschwalde zwischengelagert wird. Die gereinigten Rauchgase werden seitdem über sechs der insgesamt neun Kühltürme (drei pro Einheit) in die Umwelt abgegeben.
Im Kraftwerk Jänschwalde wird überwiegend Rohbraunkohle aus den nahe gelegenen Tagebauen Jänschwalde (ca. 14 Mio. t/a, künftig ca. 11 Mio. t/a) und Cottbus-Nord (4–6 Mio. t/a) verstromt. Ein steigender Anteil (8–11 Mio. t/a) wird zudem über die Kohleverbindungsbahn aus dem Tagebau Welzow-Süd zugeführt. Pro Tag benötigt das Kraftwerk bei Volllast ca. 80.000 Tonnen Braunkohle. Dabei wird aus einem Kilogramm Braunkohle etwa eine Kilowattstunde Strom erzeugt. Im Jahr 2004 wurde die Müllmitverbrennung bis zu einer Menge von 400.000 Tonnen pro Jahr durch Planfeststellung genehmigt.[3][4]
Nach Angaben des Betreibers erreicht das Kraftwerk Jänschwalde heute einen Netto-Wirkungsgrad von 35 bis 36 Prozent.[5] Mit einem jährlichen Ausstoß von 23,7 Millionen Tonnen CO2 (2006) liegt es auf Platz 7 der Weltrangliste der Kraftwerke mit den meisten Emissionen, innerhalb der Europäischen Union auf Platz 3. Beim Ausstoß pro kWh liegt es hier mit 1,2 kg CO2 (nach dem Kraftwerk Niederaußem) auf Platz 4. Obgleich das Kraftwerk Jänschwalde der jüngste der drei verbliebenen Kraftwerksstandorte der Lausitz ist, hat es trotz Ertüchtigung die durchschnittlich älteste Technik. Im Rahmen der von Vattenfall beantragten, jedoch noch nicht genehmigten Erschließung des Kohlefeldes Jänschwalde-Nord, das den Weiterbetrieb für etwa zwei Jahrzehnte sichern würde, soll das Kraftwerk daher modernisiert werden.
Der Netzanschluss erfolgt über die Schaltanlage Preilack auf der 380-kV-Höchstspannungsebene in das Stromnetz des Übertragungsnetzbetreibers 50Hertz Transmission.[6][7]
Rückbau der Schornsteine
Da eine Sprengung aus Platzgründen nicht möglich war, wurden ab Ende 2002 in einem aufwändigen Verfahren die drei 300 m hohen, durch die Umbaumaßnahmen der 1990er Jahre nicht mehr notwendigen Schornsteine abgerissen. Der letzte Schornstein wurde im November 2007 abgerissen. Dabei kam ein weltweit einmaliges Verfahren zum Einsatz, die Schornsteine wurden bis auf 50 m Höhe von einer speziellen mit Baggern ausgestatteten Abrisseinrichtung abgetragen. Die restlichen 50 m wurden konventionell abgebrochen.
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Kläranlage für Grubenwasser (1981)
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Kraftwerk im Sommer 2004, erster Schornstein bereits abgerissen
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Ansicht eines Schornsteins (2006)
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Kesselhaus der Blöcke A und B mit zwei dazugehörigen Kühltürmen (2011)
Zukünftige Planung
Ein Weiterbestand des Kraftwerksstandortes nach 2020 soll durch den Aufschluss neuer Braunkohlentagebaue in der Lausitz gesichert werden, zu denen der Tagebau Jänschwalde-Nord zählt. Für diesen sollen drei Ortschaften der Gemeinde Schenkendöbern (Grabko, Kerkwitz, Atterwasch) abgebaggert und die Einwohner umgesiedelt werden.
Vattenfall plante am Standort einen weiteren Kraftwerksblock, in dem das bei der Verbrennung der Braunkohle entstehende Kohlendioxid abgeschieden und unterirdisch verpresst werden sollte (CCS). Diese Planungen wurden im Dezember 2011 eingestellt.[8]
Das Land Brandenburg hielt in seiner im Februar 2012 veröffentlichten "Energiestrategie 2030" ein Nachfolgebraunkohlekraftwerk in Jänschwalde für notwendig, um den Standort über die Laufzeit der alten Blöcke hinaus zu sichern. Der Neubau soll eine maximale Leistung von 2000 Megawatt haben, mit CCS-Technologie ausgestattet werden und bis spätestens 2030 ans Stromnetz gehen. Die Landesregierung sah den Abschluss der Planverfahren zum Aufschluss neuer Tagebaue zur Sicherung der Rohstoffversorgung des Kraftwerks als wesentliche Grundlage für eine Investitionsentscheidung an.[9]
Eine Übereinkunft aus dem Oktober 2015 zwischen der Bundesregierung und den großen Stromerzeugern in Deutschland über die Zukunft der Braunkohlekraftwerke sieht vor, dass das Kohlekraftwerk Jänschwalde ab 2017 schrittweise vom Stromnetz genommen wird. In ganz Deutschland soll eine neue "Sicherheitsreserve" gebildet werden. Vattenfall soll nach diesen Plänen im Herbst 2017 und 2018 zwei Blöcke in Jänschwalde mit einer Leistung von je 500 Megawatt in die neue Sicherheitsreserve überführen.[10]
Emission von Schadstoffen und Treibhausgasen
Kraftwerkskritiker bemängeln am Kraftwerk Jänschwalde die hohen Emissionen an Stickstoffoxiden, Schwefeloxiden, Quecksilber und Feinstaub, an dem Krebs erzeugende Substanzen (Blei, Cadmium, Nickel, PAK, Dioxine und Furane) haften können.[11] Eine von Greenpeace bei der Universität Stuttgart in Auftrag gegebene, umstrittene[12] Studie kommt 2013 zu dem Ergebnis, dass die vom Kraftwerk Jänschwalde ausgestoßenen Feinstäube und die aus Schwefeldioxid-, Stickoxid- und NMVOC-Emissionen gebildeten sekundären Feinstäube des Kraftwerks statistisch zu 3.986 verlorenen Lebensjahren pro Jahr führen.[13] Greenpeace hat daraus, ohne dass es in der Studie erwähnt wird[12], 373 vorzeitige Todesfälle abgeleitet.[14] Auf der Liste der „gesundheitsschädlichsten Kohlekraftwerke Deutschlands“ rangiert das Kraftwerk Jänschwalde auf Platz 1.[15][16]
Außerdem stehen angesichts des Klimawandels die CO2-Emissionen in der Kritik. Braunkohlekraftwerke weisen die höchsten Kohlendioxidemissionen pro erzeugter Kilowattstunde auf, weswegen Umwelt- und Klimaschützern sie als besonders ineffizient und klimaschädlich kritisieren.[17]
Das Kraftwerk Jänschwalde meldete folgende Emissionen im europäischen Schadstoffregister „PRTR“:
Luftschadstoff | PRTR 2007 | PRTR 2010 | PRTR 2011 | PRTR 2012 | PRTR 2013 |
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Kohlendioxid (CO2) | 24.200.000.000 kg | 23.800.000.000 kg | 24.300.000.000 kg | 24.800.000.000 kg | 25.700.000.000 kg |
Schwefeldioxide (als SOx/SO2) | 21.700.000 kg | 21.400.000 kg | 22.300.000 kg | 23.400.000 kg | 23.100.000 kg |
Stickstoffoxide (NOx/NO2) | 19.200.000 kg | 18.700.000 kg | 19.600.000 kg | 19.900.000 kg | 20.500.000 kg |
Kohlenmonoxid (CO) | 11.300.000 kg | 14.000.000 kg | 14.400.000 kg | 15.300.000 kg | 14.800.000 kg |
Feinstaub (PM10) | 656.000 kg | 573.000 kg | 635.000 kg | 643.000 kg | 675.000 kg |
Distickstoffmonoxid (N2O) | 302.000 kg | 297.000 kg | 297.000 kg | 485.000 kg | 307.000 kg |
Anorganische Chlorverbindungen (als HCl) | 84.000 kg | 85.300 kg | 79.600 kg | 152.000 kg | 90.500 kg |
Quecksilber und Verbindungen (als Hg) | 500 kg | 592 kg | 350 kg | 505 kg | 330 kg |
Kupfer und Verbindungen (als Cu) | 256 kg | 154 kg | 368 kg | 639 kg | 493 kg |
Blei und Verbindungen (als Pb) | 212 kg | 316 kg | 278 kg | 1.860 kg | 1.160 kg |
Nickel und Verbindungen (als Ni) | 192 kg | 308 kg | 225 kg | 984 kg | 593 kg |
Arsen und Verbindungen (als As) | 150 kg | 129 kg | 124 kg | 199 kg | 121 kg |
Chrom und Verbindungen (als Cr) | keine Angaben | keine Angaben | keine Angaben | 351 kg | 253 kg |
Dioxine und Furane, toxische Equivalente (PCDD/PCDF) | keine Angaben | 0,000147 kg | 0,000171 kg | keine Angaben | keine Angaben |
Weitere typische Schadstoffemissionen wurden nicht berichtet, da sie im PRTR erst ab einer jährlichen Mindestmenge meldepflichtig sind, z.B. Dioxine und Furane ab 0,0001 kg, Cadmium ab 10 kg, Chrom ab 100 kg, Zink ab 200 kg, Fluor und anorganische Fluorverbindungen ab 5.000 kg, Ammoniak ab 10.000 kg, NMVOC ab 100.000 kg.[19]
Die Europäische Umweltagentur hat die Kosten der Umwelt- und Gesundheitsschäden der 28.000 größten Industrieanlagen in der Europa anhand der im PRTR gemeldeten Emissionsdaten mit den wissenschaftlichen Methoden der Europäischen Kommission abgeschätzt.[20] Danach verursacht das Kraftwerk Jänschwalde die dritthöchsten Schadenskosten aller europäischen Industrieanlagen.[21]
Verursacher | Schadenskosten in Mrd. EUR | Anteil |
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Kraftwerk Jänschwalde | 1,232 – 2,002 | 1,2 % |
Summe 28.000 Anlagen | 102 – 169 | 100 % |
Siehe auch
- Lausitzer Braunkohlerevier
- Braunkohle
- Kohlekraftwerk
- Liste deutscher Kraftwerke
- Liste von fossilen Kraftwerken in der Europäischen Union mit der höchsten Kohlenstoffdioxidemission
- Liste der größten Kohlenstoffdioxidemittenten
Einzelnachweise
- ↑ Kraftwerk Jänschwalde, Internetseite der Vattenfall AB, Stockholm. Zugriff am 28. Oktober 2012
- ↑ Deutsche Kraftwerke gehören zu den schmutzigsten in ganz Europa. In: Süddeutsche Zeitung, 1. April 2016. Abgerufen am 1. April 2016.
- ↑ Linksfraktion: Zur Zukunft der Lausitzer Braunkohle
- ↑ Kohlekraftwerke zur Mitverbrennung von EBS – Anlagen, EBS-Mengen und -Qualitäten, Betriebserfahrungen, Trends und Prognosen –
- ↑ Aus Braunkohle wird Energie. Eine Exkursion in das Kraftwerk Jänschwalde. Vattenfall Europe Mining & Generation/Vattenfall Europe Generation AG, Mai 2009, abgerufen am 17. Juli 2011 ( vom 8. Oktober 2006 im Internet Archive)
- ↑ Kraftwerksliste Bundesnetzagentur (bundesweit; alle Netz- und Umspannebenen) Stand 02.07.2012. (Microsoft-Excel-Datei, 1,6 MiB) Archiviert vom am 22. Juli 2012; abgerufen am 21. Juli 2012.
- ↑ Netzbelastung in der Regelzone. 50Hertz Transmission GmbH, abgerufen am 29. Juni 2012.
- ↑ Vattenfall stoppt Jänschwalde. In: ntv.de, 5. Dezember 2011. Abgerufen am 6. Dezember 2011.
- ↑ Ministerium für Wirtschaft und Europaangelegenheiten des Landes Brandenburg: Energiestrategie 2030 des Landes Brandenburg, Februar 2012. S. 36, 43. Abgerufen am 16. Dezember 2014.
- ↑ http://www.berliner-zeitung.de/wirtschaft/-stromkunden-entschaedigen-kohlekonzerne-sote,10808230,32250442.html#plx1173639031
- ↑ Feinstaub-Quellen und verursachte Schäden, Umweltbundesamt (Dessau)
- ↑ a b Greenpeace-Studie zu Feinstaub: Wie gefährlich ist die Kohlekraft tatsächlich?, Medscapemedizin, Abgerufen am 19. Mai 2014
- ↑ Assessment of Health Impacts of Coal Fired Power Stations in Germany – by Applying EcoSenseWeb (Englisch, PDF 1,2 MB) Philipp Preis/Joachim Roos/Prof. Rainer Friedrich, Institut für Energiewirtschaft und Rationelle Energieanwendung, Universität Stuttgart, 28. März 2013
- ↑ Tod aus dem Schlot – Wie Kohlekraftwerke unsere Gesundheit ruinieren (PDF 3,3 MB) Greenpeace, Hamburg, 2013
- ↑ Greenpeace: Die zehn gesundheitsschädlichsten Kohlekraftwerke Deutschlands (PDF 129 kB)
- ↑ Torsten Hampel: Fördern und fordern. In: Der Tagesspiegel. 29. Januar 2014.
- ↑ Studie des WWF zum CO2-Ausstoß der 30 klimaschädlichsten Kohlekraftwerke Europas 2014 (englisch)
- ↑ Eintrag zum Kraftwerk Jänschwalde
- ↑ PRTR-Verordnung 166/2006 (PDF) über die Schaffung eines Europäischen Schadstofffreisetzungs- und -verbringungsregisters und zur Änderung der Richtlinien 91/689/EWG und 96/61/EG des Rates
- ↑ Kosten-Nutzen-Analyse zur Luftreinhaltepolitik, Clean Air for Europe (CAFE) Programm, Europäische Kommission
- ↑ a b Revealing the costs of air pollution from industrial facilities in Europe (Offenlegung der Kosten der Luftverschmutzung aus Industrieanlagen in Europa), Europäische Umweltagentur, Kopenhagen, 2011