Maximilian Ronge

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Oberst Maximilian Ronge (* 9. November 1874 in Wien; † 10. September 1953 ebenda) war der letzte Chef des Evidenzbüros, des Militärgeheimdienstes der k.u.k. Monarchie.

Leben

Bereits in seiner frühen Laufbahn war er ein erfolgreicher Offizier der k.u.k. Armee, der die Offiziersausbildung an der Theresianische Militärakademie in Wiener Neustadt absolvierte und 1896 zum 2. Kaiserjägerregiment, das in Wien und Rovereto in Garnison lag, ausgemustert wurde. Von 1899 bis 1901 absolvierte er die Kriegsschule und verrichtete anschließend Truppendienst in Graz, Laibach und Nisko. Ronge wurde 1907 in das Evidenzbüro, die Nachrichtenabteilung des k. u. k. Generalstabs, versetzt, wo er Schüler von Oberst Alfred Redl war.

Nachdem Redl 1913 als Doppelagent enttarnt und zum Suizid veranlasst wurde, war Ronge ab 1914 der Nachrichtenabteilung des k. u. k. Armeeoberkommandos zugeteilt, wo er während des Ersten Weltkriegs „staatsfeindliche“ und „revolutionäre“ Gegner der Doppelmonarchie ausforschte und bekämpfte, aber auch schwerste Übergriffe gegen die Zivilbevölkerung, etwa die durchaus loyalen Ruthenen in Galizien, aber nicht nur dort, zu verantworten hatte. Angesichts der katastrophalen Niederlagen der Armee im Krieg gegen das Russische Reich 1914/15 kam es seitens der österreichisch-ungarischen Militärs zu einer regelrechten Spionagehysterie, die in willkürliche, als „Kriegsnotwehr“ verbrämte Gewaltmaßnahmen gegen die ruthenischen Untertanen der Monarchie ausartete, denen man unterstellte, kollektiv den russischen Gegner zu unterstützen. So standen beispielsweise sämtliche Brieftaubenzüchter Galiziens unter Spionageverdacht und das Fliegenlassen ihrer Tiere wurde mit Standrecht bedroht. Ronge störte in diesem Zusammenhang aber nicht, dass viele Verhaftete bereits „abgeurteilt oder von der Truppe ... kurzerhand erledigt worden waren“, sondern dass noch immer zahlreiche Verdächtige „bei den Militärgerichten des Hinterlandes in umständlicher Untersuchung die Zeit verbrachten, ohne dass es bisher zur Verurteilung und Strafvollstreckung gekommen wäre.[1]

Für Ronges Karriere wirkte sich dieses Vorgehen förderlich aus. 1917 wurde er zum Oberst befördert und Chef der Nachrichtenabteilung des Armeeoberkommandos und des Evidenzbüros. Seine Stellung sollte es ihm bei Kriegsende auch ermöglichen, zahlreiche Kisten mit eventuell belastendem Material zu vernichten, weswegen viele Fragen im Zusammenhang mit Ronges Dienststelle und Tätigkeit unbeantwortet bleiben müssen.[2]

Nach der Gründung der Ersten Republik wurde er stellvertretender Leiter des „Kriegsgefangenen- und Zivilinternierten-Amtes“ in Wien. Gleichzeitig war er Mitglied einer Geheimgesellschaft, bestehend aus diversen monarchistisch, legitimistisch und deutschnational gesinnten Gruppierungen, die zunächst einen Sturz der von den Sozialdemokraten geführten Regierung, später dann der demokratischen Republik überhaupt anstrebten. Ronge bot sich diesen Gruppierungen, zu denen auch die Frontkämpfervereinigung Hermann Hiltls zählte, primär als „Vermittler“ an. Letztlich scheiterten alle diese Bestrebungen aber an programmatischen Fragen sowie an den Rivalitäten und Eifersüchteleien der beteiligten Organisationen und ihrer Protagonisten.[3]

1932 wurde Ronge pensioniert. 1933 reaktivierte man ihn jedoch wieder als Leiter des staatspolizeilichen Sonderbüros, 1934 war er im Bundeskanzleramt im Ständestaat des Engelbert Dollfuß, seine Spionageabwehr konnte aber den Mord am christlich-sozialen Bundeskanzler nicht verhindern.

Als Ronge am Tag nach dem „Anschluss Österreichs“ an das Deutsche Reich nicht der SS beitreten wollte, wurde er von den Nationalsozialisten in Wien inhaftiert, dann mit anderen Politikern im Rahmen des „Prominententransports“ ins KZ Dachau deportiert. Aus seiner Haft im Münchener Polizeigefängnis ließ er Wilhelm Canaris eine Ergebenheitsadresse anlässlich dessen Beförderung zum Vizeadmiral zukommen. Ronge wurde daraufhin im August 1938 freigelassen und erlebte den Zweiten Weltkrieg in Wien.

Selbst als 71-Jähriger nahm er noch Kontakt zu den amerikanischen Besatzungstruppen in Österreich auf, um sie beim Aufbau eines neuen Geheimdienstes zu „beraten“. 1953, noch vor Gründung des neuen Heeres-Nachrichtenamt starb Maximilian Ronge.

Persönlichkeit

Der spätere NS-Parteigänger Edmund Glaise-Horstenau, der Gelegenheit hatte, Ronge während des Ersten Weltkrieges besser kennenzulernen, kam zum Schluss, dass dieser „"in jedem Menschen zuerst den Schurken" sah, der "das Gegenteil erst nachweisen musste"“.[1] Ronges Enkel, der Historiker Gerhard Jagschitz, beschäftigte sich nach seiner Emeritierung mit den 80 Kisten aus dem Nachlass seines Großvaters. „Mein Großvater“, so sagte Jagschitz, „war nach den heute gültigen Regeln ein Massenmörder“.[4] Gemeinsam mit Verena Moritz und Hannes Leidinger schrieb Jagschitz ein Buch über Ronge unter dem Titel Im Zentrum der Macht.

Schriften

  • Schiedsrichter, Sonderabdruck aus "Streffleurs Militärische Zeitschrift", Wien 1907.
  • Das Werk des Feldmarschalls Conrad, in: Militärwissenschaftliche und Technische Mitteilungen, Heft 11/12, 1924, S. 481 ff.
  • Das Kriegsgefangenen- und Zivilinternierten-Amt und der Heimtransport der österreichischen Kriegsgefangenen, in: Bundesvereinigung der ehemaligen österreichischen Kriegsgefangenen (Hrsg.), In Feindesland. Die Gefangenschaft im Weltkriege in Einzeldarstellungen, Band 2, Wien 1931, S. 336 ff.
  • Zwölf Jahre Kundschaftsdienst: Kriegs- und Industrie-Spionage. Amalthea-Verlag, Zürich 1933.
  • Meister der Spionage. Payne Verlag, Leipzig 1935.

Literatur

  • Goll Nicole-Melanie: "...Dass wir es mit zwei Kriegen zu tun haben, der eine ist der Krieg nach aussen, der andere nach innen ". Die Ruthenen und das k.k. Zivilinterniertenlager Thalerhof bei Graz, in : Historisches Jahrbuch der Stadt Graz, Graz 2010, S. 277–303.
  • Verena Moritz, Hannes Leidinger, Gerhard Jagschitz: Im Zentrum der Macht. Die vielen Gesichter des Geheimdienstchefs Maximilian Ronge. Residenz-Verlag, Wien 2007, ISBN 978-3-7017-3038-4.
  • Albert Pethö: Agenten für den Doppeladler. Österreich-Ungarns Geheimer Dienst im Weltkrieg. Leopold Stocker Verlag, Graz 1998, ISBN 3-7020-0830-6.

Einzelnachweise

  1. a b Zit. nach Moritz, Leidinger und Jagschitz (2007), S. 129.
  2. Moritz, Leidinger und Jagschitz (2007), S. 171f.
  3. Zur Tätigkeit dieser Gruppierungen vgl. Moritz, Leidinger und Jagschitz (2007), S. 184–198 und 224–235.
  4. Mein Großvater, der Mörder Die Zeit International

Weblinks