Menschenhandel

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Menschenhandel meint nach der Definition der Vereinten Nationen im Zusatzprotokoll zur Palermo-Konvention vom 15. November 2000 die Ausbeutung einer Person gegen ihren Willen durch eine andere Person mit Hilfe verschiedener Mittel, wie z. B. Androhung von Gewalt, Täuschung, Betrug oder Missbrauch etc.[1]

Manchmal wird synonym zum Begriff Menschenhandel der Begriff „moderne Sklaverei“ verwandt, der vor allem vom Sklavereiforscher Kevin Bales (Bales, 2001) geprägt wurde. Der Begriff Sklaverei ist dabei aber enger gefasst und kann eine Form der Ausbeutung von Menschenhandel bedeuten. Außerdem ist Menschenhandel auch von Menschenschmuggel zu unterscheiden, da es sich bei Menschenschmuggel lediglich um die Unterstützung bei der Überschreitung von Grenzen handelt.[2]

Die Schätzungen zur Anzahl von (identifizierten) Betroffenen von Menschenhandel belaufen sich laut des Jahresberichts der Vereinten Nationen in den Jahren 2010 - 2013 auf ca. 40.000 weltweit.[3] Andere Quellen sprechen von 21 Millionen Menschen, die von ausbeuterischen Formen des Menschenhandels betroffen sind.[4]

Definition

Die erste international anerkannte Definition von Menschenhandel findet sich im sogenannten „Palermo-Protokoll“ der Vereinten Nationen zur Verhütung, Bekämpfung und Bestrafung des Menschenhandels, insbesondere des Frauen- und Kinderhandels, veröffentlichten Begriffsdarstellung. Artikel 3 des Palermo-Protokolls sagt aus:

„Im Sinne dieses Protokolls bezeichnet der Ausdruck ‚Menschenhandel‘ die Anwerbung, Beförderung, Verbringung, Beherbergung oder Aufnahme von Personen durch die Androhung oder Anwendung von Gewalt oder anderen Formen der Nötigung, durch Entführung, Betrug, Täuschung, Missbrauch von Macht oder Ausnutzung besonderer Hilflosigkeit oder durch Gewährung oder Entgegennahme von Zahlungen oder Vorteilen zur Erlangung des Einverständnisses einer Person, die Gewalt über eine andere Person hat, zum Zweck der Ausbeutung. Ausbeutung umfasst mindestens die Ausnutzung der Prostitution anderer oder andere Formen sexueller Ausbeutung, Zwangsarbeit oder Zwangsdienstbarkeit, Sklaverei oder sklavereiähnliche Praktiken, Leibeigenschaft oder die Entnahme von Organen.“

Artikel 3 des Palermo-Protokolls

Die „Anwerbung, Beförderung, Verbringung, Beherbergung oder Aufnahme eines Kindes zum Zweck der Ausbeutung“ gilt auch dann als Menschenhandel, wenn keine der oben genannten Mittel zum Einsatz kamen. Als „Kind“ gelten Personen unter 18 Jahren.[5] Dieser Definition folgten weitere wichtige internationale Rechtsdokumente wie bspw. die Konvention des Europarats zur Bekämpfung des Menschenhandels (SEV-Nr.: 197) oder die EU-Richtlinie zur Verhütung und Bekämpfung des Menschenhandels und zum Schutz seiner Opfer (2011/36/EU).

Ausbeutungsformen

Menschenhandel zum Zweck der Arbeitsausbeutung

In Deutschland

Wenn von schwerer Arbeitsausbeutung und Menschenhandel zum Zweck der Arbeitsausbeutung gesprochen wird, ist damit gemeint, dass die Notlage von Arbeitskräften massiv ausgenutzt wird oder sie gezwungen werden, ihre Arbeitskraft ohne angemessene Gegenleistung einzusetzen. Die Betroffenen werden in ihrer Handlungsfreiheit so weit eingeschränkt, dass sie nicht mehr frei über ihre Arbeitskraft verfügen können. Sie werden nicht oder nicht angemessen entlohnt und müssen unter extrem schlechten Bedingungen arbeiten.

Strafrechtlich ist die Schwelle zu Menschenhandel zum Zweck der Arbeitsausbeutung in Deutschland dann überschritten, wenn Personen mittels Täuschung, Zwang, Drohungen oder Gewaltanwendung zur Aufnahme und Fortsetzung von Dienstleistungen und Tätigkeiten gebracht oder gezwungen werden, die ausbeuterisch oder sklavenähnlich sind. Die Arbeitsverhältnisse zeichnen sich zum Beispiel durch schlechte Bezahlungen, lange Arbeitszeiten, überhöhte Vermittlungsgebühren und/oder Mietzahlungen, gefährliche Arbeitsbedingungen und Vorenthalten des Lohns aus.

Zwar suggeriert der Begriff, dass Betroffene zwischen Ländern gehandelt werden, dies ist allerdings nicht zwangsläufig der Fall. Seiner rechtlichen Definition nach setzt der Begriff Menschenhandel in Deutschland kein Überschreiten von Ländergrenzen voraus. Während Migranten besonders oft Menschenhandel ausgesetzt sind, gibt es auch deutsche Betroffene von Menschenhandel.

Der Übergang zwischen ungünstigen und schlechten Arbeitsbedingungen, Arbeitsausbeutung und Menschenhandel ist oft fließend und eine Zuordnung schwierig. Manchmal verschärft sich ein eingangs „nur“ ungünstiges Arbeitsverhältnis im Laufe der Zeit derart, dass Arbeitsausbeutung oder sogar Menschenhandel vorliegt.

Einige Branchen scheinen von Arbeitsausbeutung und Menschenhandel zur Arbeitsausbeutung stärker betroffen als andere. Nach gegenwärtigen Einschätzungen findet Menschenhandel vermehrt in folgenden Branchen statt: Landwirtschaft, Pflege, private Haushalte (Haushaltshilfen, Reinigungskräfte, Au-Pair u.a.), Gastronomie etc.[6]

Gründe, warum Personen von ausbeuterischen Arbeitsverhältnissen und Menschenhandel betroffen sein können, sind zum Beispiel: falsche Versprechungen über Arbeits- und Verdienstmöglichkeiten, wirtschaftliche und/oder aufenthaltsrechtliche Notlage, Notwendigkeit der finanziellen Unterstützung der Familie im Herkunftsland, angebliche Schulden, die abbezahlt werden müssen, Anwendung von Gewalt, Drohung etc.[7]

Weltweit

Die meisten Betroffenen von Menschenhandel zur Ausbeutung der Arbeitskraft befinden sich laut ILO und dem Global Slavery Report in Asien, und insbesondere in Indien. Die häufigste Ausprägungsform von Menschenhandel zur Arbeitsausbeutung in Indien ist dabei die Schuldknechtschaft, welche über Generationen hinweg vererbt wird.[8]

Menschenhandel zum Zweck der sexuellen Ausbeutung

In Deutschland

Im Gegensatz zum Tatbestand des Menschenhandels zum Zweck der Arbeitsausbeutung, ist Menschenhandel zur sexuellen Ausbeutung sowohl in Medien und der Gesellschaft, als auch in der internationalen Rechtschreibung schon seit vielen Jahren ein sensibles und oft diskutiertes Thema. Betroffen sind von dieser Form der Ausbeutung vor allem Frauen und Mädchen.

Laut des Bundeslagebildes Menschenhandel des Bundeskriminalamtes (BKA) werden Betroffene von Menschenhandel zum Zweck der sexuellen Ausbeutung häufig durch Täuschung zur Prostitutionsausübung verleitet. Angeworben über Zeitungsinserate oder Modelagenturen, werden die Betroffenen über die Art der Tätigkeit oder die Höhe des Verdiensts getäuscht. Darüber hinaus kommt es ebenfalls nicht selten vor, dass die Betroffenen sich freiwillig zur Prostitutionsausübung entscheiden, dann aber mit Arbeitsbedingungen konfrontiert sind, denen sie vorher nicht zugestimmt haben und die zu ändern oder verlassen sie von den Tätern gehindert werden. Laut des BKA wird nur ein geringer Anteil von Betroffenen gewaltsam in die Prostitution gezwungen.[9] Durch hohe fiktive Schuldenbeträge für Einreise, Passbeschaffung etc. werden vor allem ausländische Betroffene in ein Abhängigkeitsverhältnis gedrängt und müssen einen Großteil des erwirtschafteten Verdienstes an die Täter abführen. In manchen Fällen werden Mädchen und junge Frauen durch die sog. „Loverboy-Methode“ angeworben. Die Täter täuschen den Betroffenen eine Beziehung vor um sie anschließend über emotionale Abhängigkeit in die Prostitution zu drängen und auszubeuten.[10]

Weltweit

Laut des aktuellen Global Reports des Büros der Vereinten Nationen für Drogen- und Verbrechensbekämpfung (UNODC) zu Menschenhandel ist Menschenhandel zur sexuellen Ausbeutung die meist identifizierte Form von Menschenhandel weltweit. 53 % der global identifizierten Fälle von 2010-2012 stehen laut den Vereinten Nationen im Zusammenhang mit sexueller Ausbeutung.[11] Experten schätzen allerdings, dass Menschenhandel zum Zweck der Arbeitsausbeutung weit häufiger vorkommt und weltweit die am meisten verbreitete Ausbeutungsform des Menschenhandels ist. Diese Diskrepanz rührt laut den Vereinten Nationen vor allem daher, dass das Bewusstsein für die sexuelle Ausbeutung in der Gesellschaft und bei Strafverfolgungsorganen höher sei und diese Form der Ausbeutung somit öfter strafrechtlich verfolgt werde. Ebenso seien Fälle von Zwangsprostitution und Ausbeutung zum Zweck anderer sexuellen Handlungen (Pornografie, Stripshows etc.) sichtbarer als andere Ausbeutungsformen.[12]

Andere Ausbeutungsformen

Neben Menschenhandel zum Zweck der Arbeitsausbeutung und zur sexuellen Ausbeutung, werden v.a. in den internationalen Rechtsdokumenten weitere Formen wie die Ausbeutung von Bettelei, die Ausnutzung strafbarer Handlungen oder die unfreiwillige Entnahme von Organen als Ausbeutungsformen von Menschenhandel genannt.

Laut der EU-Richtlinie 2011/36 „sind Betteltätigkeiten als eine Form der Zwangsarbeit oder der erzwungenen Dienstleistung im Sinne des Übereinkommens Nr. 29 der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) von 1930 über Zwangs- oder Pflichtarbeit zu verstehen. Die Ausbeutung für Betteltätigkeiten, wozu auch der Einsatz abhängiger Opfer des Menschenhandels als Bettler gehört, erfüllt daher nur dann die Definition des Menschenhandels, wenn alle Merkmale der Zwangsarbeit oder der erzwungenen Dienstleistung vorhanden sind. […] Der Ausdruck „Ausnutzung strafbarer Handlungen“ sollte als Ausnutzung einer Person zur Begehung unter anderem von Taschendiebstahl, Ladendiebstahl, Drogenhandel und sonstigen ähnlichen Handlungen verstanden werden, die unter Strafe stehen und der Erzielung eines finanziellen Gewinns dienen.“ (EU-Richtlinie 2011/36: Erwägungsgrund Nr. 11)

Die Richtlinie verpflichtet die Mitgliedsstaaten, ihre gesetzlichen Regelungen anzupassen und auch diese weiteren Formen des Menschenhandels strafrechtlich zu erfassen. Dies ist in Deutschland bisher noch nicht erfolgt (Stand Juni 2015). Ein entsprechender Gesetzentwurf zur Umsetzung der EU-Richtlinie (BT-Drs.: 18/4613) befindet sich im parlamentarischen Verfahren.

Menschenhandel zum Zweck der Organentnahme wird oft mit dem Begriff „Organhandel“ beschrieben und meint die Ausbeutung einer anderen Person unter Täuschung, Drohung, Anwendung von Gewalt etc. zum Zwecke der Entnahme der Organe. „Organhandel“ umfasst ein breites Spektrum an verbrecherischen Handlungen, kommt aber oftmals in drei verschiedenen Ausprägungen vor: Zum Einen gibt es Betroffene, die freiwillig der Organentnahme zustimmen, zu einem späteren Zeitpunkt aber nicht (oder nur teilweise) die ausgemachte Gegenleistung erhalten. In anderen Fällen werden den Betroffenen unter Zwang und gewaltsamen Handlungen die Organe ohne ihre Zustimmung entnommen. Letztendlich wird ebenfalls von Fällen berichtet, bei denen Betroffene für ein tatsächliches oder erfundenes Leiden behandelt werden und während der Behandlung unwissentlich die Organe entnommen bekommen.[13]

Situation in Deutschland

Rechtliche Situation zu Menschenhandel in Deutschland

Seit einer Strafrechtsänderung im Jahr 2005 ist der Tatbestand Menschenhandel in Deutschland in den Paragraphen § 232 und § 233 Strafgesetzbuch (StGB) festgeschrieben.

Menschenhandel zur sexuellen Ausbeutung

Der Strafbestand zum Menschenhandel zur sexuellen Ausbeutung ist in Deutschland in § 232 Strafgesetzbuch (StGB) geregelt. Vor der Reform der rechtlichen Grundlagen zum Menschenhandel im Jahr 2005 wurde sexuelle Ausbeutung vor allem auf Basis von § 180b StGB zum allgemeinen Tatbestand Menschenhandel behandelt.

§ 232 StGB stellt es unter Strafe „unter Ausnutzung einer Zwangslage oder der Hilflosigkeit, die mit ihrem Aufenthalt in einem fremden Land verbunden ist“ eine andere Person zur Aufnahme oder Fortsetzung von Prostitution oder ausbeuterischen sexuellen Handlungen (z. B. Stripshows, Pornographie) zu zwingen. Im Weiteren kommen auch andere Straftatbestände wie § 233 StGB (Menschenhandel zum Zweck der Ausbeutung der Arbeitskraft), § 233a StGB (Förderung des Menschenhandels), § 180a StGB (Ausbeutung einer Prostituierten) und § 181a (Zuhälterei) bei Fällen von Ausbeutung in der Prostitution zum Tragen.

Täter können unter § 232 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 6 Monaten bis zu 10 Jahren bestraft werden. Höher bestraft werden Fälle bei denen (schwere) körperliche Gewalt angewandt und/oder das Opfer ein Kind bzw. unter 21 Jahren ist und/oder der Täter Mitglied einer Bande ist. Sie können mit Freiheitsstrafen von 1 bis 10 Jahren geahndet werden.

Menschenhandel zum Zweck der Arbeitsausbeutung

Menschenhandel zum Zweck der Arbeitsausbeutung ist als eigener Straftatbestand im Strafgesetzbuch (StGB) erfasst und nach § 233 StGB strafbar:

„(1) Wer eine andere Person unter Ausnutzung einer Zwangslage oder der Hilflosigkeit, die mit ihrem Aufenthalt in einem fremden Land verbunden ist, in Sklaverei, Leibeigenschaft oder Schuldknechtschaft oder zur Aufnahme oder Fortsetzung einer Beschäftigung bei ihm oder einem Dritten zu Arbeitsbedingungen, die in einem auffälligen Missverhältnis zu den Arbeitsbedingungen anderer Arbeitnehmerinnen oder Arbeitnehmer stehen, welche die gleiche oder eine vergleichbare Tätigkeit ausüben, bringt, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren bestraft. Ebenso wird bestraft, wer eine Person unter einundzwanzig Jahren in Sklaverei, Leibeigenschaft oder Schuldknechtschaft oder zur Aufnahme oder Fortsetzung einer in Satz 1 bezeichneten Beschäftigung bringt.“

§ 233 Abs. 1 StGB

Schwere Arbeitsausbeutung an sich ist in Deutschland nicht als solche strafrechtlich erfasst, sondern fällt u.a. unter Lohnwucher (§ 291 StGB) oder Beschäftigung von Ausländern ohne Genehmigung oder ohne Aufenthaltstitel und zu ungünstigen Arbeitsbedingungen (§ 10 Schwarzarbeiterbekämpfungsgesetz).[14] Daneben besteht § 2 des Gesetzes betreffend die Bestrafung des Sklavenraubes und des Sklavenhandels von 1895 gem. Art. 123 GG als vorkonstitutionelles Recht fort.

Gesetzentwurf

Mit dem Beschluss des Gesetzesentwurfs zur Umsetzung der EU-Richtlinie zur Verhütung und Bekämpfung des Menschenhandels und zum Schutz seiner Opfer (EU-Richtlinie 2011/36/EU), steht eine Änderung der nationalen Gesetzgebung zum Menschenhandel in Deutschland bevor. Vor allem geht es um die Aufnahme der Straftatbestände zum Menschenhandel zum Zweck der Organentnahme, erzwungenen Betteltätigkeiten und Ausnutzung strafbarer Handlungen in das Strafgesetzbuch.[15]

Polizeilich registrierte Zahlen in Deutschland

Laut dem „Bundeslagebild Menschenhandel“ wurden 2013 insgesamt 478 Ermittlungsverfahren zum Menschenhandel zur Zweck der Arbeitsausbeutung und zur sexuellen Ausbeutung abgeschlossen. Davon handelte es sich bei 425 Fällen um Menschenhandel zur sexuellen Ausbeutung und bei 53 Fällen um Menschenhandel zum Zweck der Arbeitsausbeutung. Die Zahl der registrierten Menschenhandelsfälle und -opfer wie auch der durchgeführten Verfahren der Polizei in den einzelnen Bundesländern fällt sehr unterschiedlich aus. Auch innerhalb eines Bundeslandes schwanken die Zahlen von Jahr zu Jahr. Als Grund hierfür nennt eine Studie des BKA.[16] die wechselnde Kontroll- und Ermittlungsintensität der Polizei, die von den vorhandenen Ressourcen und der kriminalpolitischen Schwerpunktsetzung abhänge. Ebenfalls wird angemerkt, dass die Schwankungen auf den in der Realität schwierig anzuwendenden Straftatbeständen zurückzuführen ist.[17] Zu beachten ist, dass diese Zahlen lediglich die Fälle des Menschenhandels beinhalten, die der Polizei bekannt sind und in denen Ermittlungsverfahren eingeleitet und auch abgeschlossen wurden. Fälle von Menschenhandel, in denen kein Kontakt mit der Polizei zustande kam oder in denen kein Ermittlungsverfahren eingeleitet wurde, werden nicht erfasst. Somit können die Zahlen nur eine sehr eingeschränkte Aussage über das Ausmaß von Menschenhandel in Deutschland geben. Das vermutete hohe Dunkelfeld wird nicht erfasst.

Hilfe

In der Bundesrepublik Deutschland gibt es ca. 50 Fachberatungsstellen, die Betroffenen von Menschenhandel anonym und kostenfrei Beratung, Unterstützung und Hilfe bieten. Die meisten der in Deutschland tätigen Fachberatungsstellen sind im Bundesweiten Koordinierungskreis gegen Menschenhandel e.V., (KOK), vereint.[18] Zu dessen Mitgliedern zählen u.a. auch Migrantinnen-Projekte, Frauenhäuser, Prostituierten-Beratungsstellen und weitere Organisationen.[19]

Auch Ban Ying e.V. ist eine Koordinations- und Fachberatungsstelle gegen Menschenhandel.[20] Sie setzt sich sowohl für die Rechte von Migrantinnen ein, die Erfahrungen von Gewalt, Ausbeutung oder Menschenhandel gemacht haben, als auch für deren Umfeld.

Rechtliche Grundlage auf internationaler Ebene

UNO: Zusatzprotokoll Menschenhandel

Das Zusatzprotokoll zur Verhütung, Bekämpfung und Bestrafung des Menschenhandels, insbesondere des Frauen- und Kinderhandels zum Übereinkommen gegen die grenzüberschreitende organisierte Kriminalität ("ZP Menschenhandel") hat die Prävention und Bekämpfung von Menschenhandel unter besonderer Berücksichtigung von Frauen und Kindern zum Ziel. Neben einer erstmals in einem völkerrechtlichen Vertrag festgelegten detaillierten und international anerkannten Definition von Menschenhandel enthält das Zusatzprotokoll vorwiegend Strafverfolgungsbestimmungen.

Die vom ZP Menschenhandel explizit genannten Tathandlungen sind die Anwerbung, Beförderung, Beherbergung und Empfang von Personen. Tatmittel sind Androhung oder Anwendung von Gewalt, diverse Formen der Nötigung (z. B. Entführung), arglistige Täuschung, Betrug (Deutschland), Missbrauch von Macht, Einfluss oder Druckmitteln, Ausnutzung eines Abhängigkeitsverhältnisses und/oder Bestechung des Gewaltinhabers.

Europarat

  • Europäische Menschenrechtskonvention
  • Konvention des Europarates gegen Menschenhandel vom 16. Mai 2005, SEV Nr. 197, in Kraft getreten am 1. Februar 2008, vgl. [1].In Deutschland 2013 in Kraft getreten.
  • Empfehlung R (2000) 11 des Ministerkomitees des Europarates über die Bekämpfung des Menschenhandels zum Zwecke der sexuellen Ausbeutung.

Europäische Union

  • Vorschlag vom 21. Dezember 2000 für einen Rahmenbeschluss des Rates zur Bekämpfung des Menschenhandels, KOM(2000) 854 endg./2, ABl. C 62 E vom 27. Februar 2001, 321, (Brüssel, den 22. Januar 2001 KOM(2000) 854 endgültig /2);
  • Verabschiedung des Rahmenbeschlusses durch den Rat der EU Justiz und die Innenminister am 27./28. September 2001, nachdem die Divergenzen über die Fixierung einer einheitlichen Mindesthöchststrafe (8 Jahre bei erschwerten Umständen) ausgeräumt wurden, und soll bis 2003 in Kraft getreten sein.
  • Rat der Europäischen Union, Rahmenbeschluss des Rates zur Bekämpfung des Menschenhandels, 19. Juli 2002, (2002/629/JI), veröffentlicht in: Amtsblatt der Europäischen Union Nr. L 203/1 vom 1. August 2002
  • Rat der Europäischen Union, EU-Plan über bewährte Vorgehensweisen, Normen und Verfahren zur Bekämpfung und Verhütung des Menschenhandels (2005/C311/01), veröffentlicht in: Amtsblatt der EU vom 9. Dezember 2005.
  • Europäisches Parlament, Bekämpfung des Menschenhandels, Empfehlung des EP an den Rat zur Bekämpfung des Menschenhandels – ein integriertes Vorgehen und Vorschläge für einen Aktionsplan (2006/2078 (INI)) vom 16. November 2006.
  • EU-Kommission, EU-Aktionsplan „EU-Strategie zur Bekämpfung des Menschenhandels“ (2012-2016) vom 19. Juni 2012.
  • 2012 Einsetzen EU- Koordinatorin gegen den Menschenhandel

Kritische Auseinandersetzung mit der Darstellung von Menschenhandel in der Öffentlichkeit

Dadurch dass Menschenhandel als Verbrechen und Menschenrechtsverletzung oft abseits von polizeilichen Ermittlungen oder außerhalb des Blicks der Öffentlichkeit geschieht, sind Daten und Fakten zu diesem Phänomen schwer zu erheben und ebenfalls schwer einzuschätzen. Auf internationaler Ebene gibt es immer wieder Bestrebungen die Methode der Dunkelfeldforschung zu verbessern und auch auf den Bereich von Menschenhandel anzuwenden. Allgemeine Probleme und Messschwierigkeiten in der Dunkelfeldforschung, sowie unterschiedliche Definitionen vom Tatbestand Menschenhandel in unterschiedlichen Institutionen, führen wiederum zu Kritik bei der Erhebung von Daten zu Menschenhandel. In Deutschland kam es insbesondere im Zeitraum der Fußball-Weltmeisterschaft 2006 zu Debatten um veröffentlichte Zahlen zu Betroffenen von Menschenhandel zur sexuellen Ausbeutung. In die Medien war von „40.000 Zwangsprostituierten“ die Rede, die zur Fußball-Weltmeisterschaft 2006 in Deutschland erwartet wurden.[21][22] Diese Zahl wird heute von zahlreichen relevanten Institutionen angezweifelt und als fehlgeschlagene Kampagne zur Medienaufmerksamkeit kritisiert.[23][24]

Im internationalen Kontext berufen sich viele Organisationen und Institutionen auf die jährlich herausgegeben „Trafficking in Person“ Berichte der US-Regierung. Seit 2000 veröffentlicht das US-Büro zur Überwachung und Bekämpfung von Menschenhandel (Office to Monitor and Combat Trafficking in Persons – ONCTP) jährlich seine Einschätzungen zur Situation von Menschenhandel und zu den Bemühungen der Regierungen zur Bekämpfung von Menschenhandel und teilt Staaten in vier verschiedene Kategorien ein (wobei Kategorie 1 die größten Bemühungen zur Bekämpfung von Menschenhandel darstellt). Obwohl diese Berichte von vielen Seiten und oft bei der wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit Menschenhandel verwendet werden, wird die Berichterstattung oftmals als diplomatisches Instrument der USA kritisiert und die Nachvollziehbarkeit der Bewertung und Einordnung der verschiedenen Staaten in die Kategorien angezweifelt.[25]

Ein weiteres Problem der Darstellung von Menschenhandel in Öffentlichkeit und den Medien stellt die Konzentration auf das Problem von Menschenhandel zur sexuellen Ausbeutung dar. Durch die einseitige Berichtserstattung und Fokussierung auf die Betroffenen von Menschenhandel zur sexuellen Ausbeutung, entsteht in der Öffentlichkeit der Eindruck, dass der Menschenhandel zur sexuellen Ausbeutung vorherrschender ist als andere Ausbeutungsformen. Menschenhandel zur Arbeitsausbeutung und weitere Formen von Menschenhandel sind in der öffentlichen und medialen Diskussion demgegenüber noch nicht so präsent.

Auch werden in der öffentlichen Diskussion oft stereotype Zuordnungen gemacht, nach denen vom Menschenhandel zur sexuellen Ausbeutung nur Frauen und vom Menschenhandel in die Arbeitsausbeutung nur Männer betroffen sind. Frauen sind aber bspw. genauso von Arbeitsausbeutung betroffen, insbesondere in den Bereichen Haushalt und Pflege aber auch z. B. in der Landwirtschaft, Gastronomie, Hotel- und Reinigungsgewerbe etc. Vom Menschenhandel zur sexuellen Ausbeutung können auch Männer und/oder Transsexuelle betroffen sein.

Ein weiteres öffentliches Diskussionsfeld öffnet sich bei der Vermischung und Verwechslung der Phänomene von Prostitution und Menschenhandel zur sexuellen Ausbeutung. Während manche Institutionen jegliche Prostitution als unfreiwillig und erzwungen ansehen, argumentieren vor allem Verbände von Sexarbeitern gegen eine Stigmatisierung von allen Prostituierten als „Zwangsprostituierten“ und für eine Anerkennung als selbstbestimmte Arbeitnehmer.[26]

Siehe auch

Literatur

  • Bundeskriminalamt (Hrsg.): Lagebilder Menschenhandel
  • Europäische Kommission (Hrsg.): Trafficking in human beings. Amt für Amtliche Veröffentlichungen der Europäischen Gemeinschaften, Luxemburg 2013, ISBN 978-92-79-22842-1 (englisch),als PDF verfügbar
  • KOK e.V. (Hrsg.): Menschenhandel in Deutschland – eine Bestandsaufnahme aus Sicht der Praxis, Berlin, 11. Juni 2015 [2]
  • KOK – Bundesweiter Koordinierungskreis gegen Menschenhandel e.V. (2014): Menschenhandel zum Zweck der Arbeitsausbeutung. Berlin. Online verfügbar
  • KOK - Bundesweiter Koordinierungskreis gegen Menschenhandel e.V. (2015): Menschenhandel zum Zweck der sexuellen Ausbeutung. Berlin. verfügbar
  • Deutsches Institut für Menschenrechte, KOK e.V. (Hrsg.): Menschenhandel als Menschenrechtsverletzung – Strategien und Maßnahmen zur Stärkung der Betroffenenrechte, Berlin, 2013 [3]
  • Europäische Agentur für Grundrechte (FRA) (Hrsg.): Severe labour exploitation – workers moving within or into the European Union, 2015 [4]
  • Europarat, Group of Experts on Action against Trafficking in Human Beings (GRETA): Report concerning the implementation of the Council of Europe Convention on Action against Trafficking in Human Beings by Germany, 2015. [5]
  • Internationale Organisation für Migration (Hrsg.): Counter Trafficking and Assistance to Vulnerable Migrants: Annual Report of Activities 2011. Genf 2012 (englisch) [6]
  • Caroline Baur-Mettler: Menschenhandel und Zwangsprostitution in der Schweiz - Eine Analyse der Rechtsprechung und die Sicht betroffener Opfer und Prostituierter Schulthess Verlag, Zürcher Studien zum Strafrecht, 72, Zürich, 2014, ISBN 978-3-7255-7105-5 (Zugleich Dissertation an der Universität Zürich 2014).
  • Christian Pfuhl: Menschenhandel zum Zweck der sexuellen Ausbeutung unter besonderer Berücksichtigung der internationalen Grundlagen. Peter Lang Verlag Frankfurt am Main 2012, ISBN 978-3-631-62558-3 (Zugleich Dissertation an der Universität Konstanz 2012).
  • Irene Stratenwerth, Esther Sabelus, Simone Blaschka-Eick, Hermann Simon (Hrsg.): Der Gelbe Schein: Mädchenhandel 1860 bis 1930. Deutsches Auswandererhaus, Bremerhaven 2012, ISBN 978-3-00-038801-9 (zur Ausstellung: Der Gelbe Schein – Mädchenhandel 1860 bis 1930. Centrum Judaicum, Berlin, 9. August bis 30. Dezember; Deutsches Auswandererhaus, Bremerhaven, 26. August bis 28. Februar 2013.)[27]
  • Heike Rabe: Menschenhandel zur sexuellen Ausbeutung in Deutschland. In: Aus Politik und Zeitgeschichte vom 25. Februar 2013, S. 15–22 PDF-Version.
  • Philipp Thiée (Hrsg.): Menschen Handel - wie der Sexmarkt strafrechtlich reguliert wird. Vereinigung Berliner Strafverteidiger, Berlin 2008, ISBN 978-3-9812213-0-5.Lea Ackermann, Inge Bell, Barbara Koelges: Verkauft, versklavt, zum Sex gezwungen. Das große Geschäft mit der Ware Frau. Kösel, München 2005, ISBN 3-466-30691-4
  • Jürgen Nowak: Homo Transnationalis. Menschenhandel, Menschenrechte und Soziale Arbeit. Opladen / Berlin / Toronto 2014, ISBN 978-3-86649-473-2.
  • Irene Stratenwerth, Esther Sabelus; Simone Blaschka-Eick, Hermann Simon (Hrsg.): Der Gelbe Schein: Mädchenhandel 1860 bis 1930. Deutsches Auswandererhaus, Bremerhaven 2012, ISBN 978-3-00-038801-9 (zur Ausstellung: Der Gelbe Schein – Mädchenhandel 1860 bis 1930. Centrum Judaicum, Berlin, 9. August bis 30. Dezember; Deutsches Auswandererhaus, Bremerhaven, 26. August bis 28. Februar 2013.)[14]

Rechtsdokumente

Vereinte Nationen
Europarat
Europäische Union
Deutschland
Österreich
Schweiz

Weblinks

Wiktionary: Menschenhandel – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Einzelnachweise

  1. Vereinte Nationen (2005): Zusatzprotokoll zur Verhütung, Bekämpfung und Bestrafung des Menschenhandels, insbesondere des Frauen- und Kinderhandels, zum Übereinkommen der Vereinten Nationen gegen die grenzüberschreitende organisierte Kriminalität. als PDF verfügbar Zuletzt geprüft 23. Januar 2015
  2. Menschenhandel Heute: „Menschenhandel und Menschenschmuggel“, online, zuletzt geprüft 23. Januar 2015
  3. [ 8. UNODC (2014): Global Report on Trafficking in Persons 2014. United Nations publication, Sales No. E.14.V.10]
  4. 3. International Labor Organisation (ILO) (2012): ILO 2012 Global estimate of forced labour - Executive summary. online, Zuletzt geprüft 23. Januar 2015
  5. Vereinte Nationen (2005): Zusatzprotokoll zur Verhütung, Bekämpfung und Bestrafung des Menschenhandels, insbesondere des Frauen- und Kinderhandels, zum Übereinkommen der Vereinten Nationen gegen die grenzüberschreitende organisierte Kriminalität. Online verfügbar als PDF. Zuletzt geprüft 23. Januar 2015
  6. [ Europäische Agentur für Grundrechte (FRA) (Hrsg.): Severe labour exploitation – workers moving within or into the European Union, 2015]
  7. [ KOK – Bundesweiter Koordinierungskreis gegen Menschenhandel e.V. (2014): Menschenhandel zum Zweck der Arbeitsausbeutung. Berlin. Online verfügbar, zuletzt geprüft 23. Januar 2015]
  8. Skinner, E. (2008): Menschenhandel - Sklaverei im 21. Jahrhundert. Bastei Lübbe
  9. Bundeskriminalamt (2014): Bundeslagebild Menschenhandel 2013. Online verfügbar, zuletzt geprüft 23. Januar 2015.
  10. Rabe, H. (2013): Menschenhandel zur sexuellen Ausbeutung in Deutschland. In: Bpb - Aus Politik und Zeitgeschehen, 09/2013, S. 15-22
  11. UNODC (2014): Global Report on Trafficking in Persons 2014. United Nations publication, Sales No. E.14.V.10
  12. UNODC Frequently Asked Questions: What is the most commonly identified form of human trafficking?. Online verfügbar; zuletzt geprüft 23. Januar 2015.
  13. UN GIFT (2014): Trafficking for Organ Trade. Online verfügbar ; zuletzt geprüft 23. Januar 2015
  14. KOK – Bundesweiter Koordinierungskreis gegen Menschenhandel e.V. (2014): Menschenhandel zum Zweck der Arbeitsausbeutung. Berlin. Online verfügbar; zuletzt geprüft 23. Januar 2015
  15. Wortprotokoll der 81. Sitzung des Deutschen Bundestages am 28. Januar 2015, online verfügbar als PDF, zuletzt geprüft am 4. Februar 2015
  16. BKA (Hrsg.): Straftatbestand Menschenhandel, München, 2006
  17. KOK – Bundesweiter Koordinierungskreis gegen Menschenhandel e.V. (2014): Menschenhandel zum Zweck der Arbeitsausbeutung. Berlin. Online verfügbar; zuletzt geprüft 23. Januar 2015.
  18. KOK e.V.: KOK - Startseite. In: www.kok-gegen-menschenhandel.de. Abgerufen am 4. Februar 2016.
  19. KOK e.V.: KOK - Mitgliedsorganisationen/ Fachberatungsstellen. In: www.kok-gegen-menschenhandel.de. Abgerufen am 4. Februar 2016.
  20. Leitbild – Ban Ying e.V. Koordinations- und Fachberatungsstelle gegen Menschenhandel. Abgerufen am 25. Januar 2016.
  21. Die Zeit (2005): Fußball-WM: Sex in the Box. Vom 8. Juli 2005. Online verfügbar.
  22. Ludwig, U.; Ulrich, A. (2005): Prostitution – Wahre Orgien. In: Der SPIEGEL. 48/2005. S. 78-90
  23. [Prasad, N.; Rohner, B. (2006): Dramatischer Anstieg von Zwangsprostitution? In: nah & fern 33 (2006), S. 28-31.]
  24. Deutschlandradio Kultur: Ein Gerücht und sein Weg in die Medien
  25. Richard W. Frank: Human Trafficking Indicators, 2000-2011: A New Dataset. In: SSRN Electronic Journal. , doi:10.2139/ssrn.2314157.
  26. [Hydra e.V. (2015): Unsere Ziele. Online verfügbar unter http://www.hydra-berlin.de/verein/unsere_ziele/] zuletzt geprüft 5. Februar 2015
  27. Rezension von Michael Wuliger: »Der gelbe Schein« Vom Schtetl ins Bordell, Eine Ausstellung zu Prostitution und Mädchenhandel 1860 bis 1930. In: Jüdische Allgemeine. 16. August 2012.