Otto Flath

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Otto Flath (* 9. Mai 1906 in Staritzke bei Kiew; † 10. Mai 1987 in seinem Haus in Bad Segeberg) war ein deutscher Holzbildhauer und Maler. Er schuf mehr als 3500 Holzarbeiten, 50 Altäre und 20.000 Aquarelle und Zeichnungen. 1971 wurde er zum „Ehrenbürger der Stadt Bad Segeberg“ ernannt, 1981 wurde ihm anlässlich seiner herausragenden Leistungen das Bundesverdienstkreuz am Bande verliehen.

Leben

Otto Flath war eines von sieben Kindern einer deutschen Familie, die sich im 19. Jahrhundert zur Auswanderung in die Ukraine entschlossen hatte. Seine Kindheit auf dem Dorf verlief zunächst glücklich, war aber ab dem achten Lebensjahr durch Mangelernährung, Flucht und Krankheiten wie Rachitis und Typhus geprägt. Mit dem Ausbruch des Ersten Weltkrieges 1914 wurde der Vater nach Sibirien verbannt, die Mutter mit den Kindern aus ihrem Haus vertrieben und in einen Wald nach Charkow umgesiedelt. Trotz aller Not schnitzte Otto Flath wieder – wie schon in Staritzke – Spielzeuge für seine kleinen Geschwister und andere Kinder. Im Zusammenhang mit der russischen Revolution wurden sie 1917 dann aus Russland ausgewiesen. Die Familie musste nach Riga umziehen, wo sie zwei Jahre auf ein Flüchtlingsschiff warteten. Kurz vor Abreise gelang es dem Vater nach seiner Entlassung, die Familie wiederzufinden.

1919 gelangte die ganze von Typhus gezeichnete Familie nach Kiel-Melsdorf, wo Flath mit 13 Jahren erstmals die Schule besuchte, die er in 3 Jahren erfolgreich durchlief. Im Anschluss daran absolvierte er eine Schnitzerlehre, bildete sich 1925 zum Bildhauergesellen fort und arbeitete bis 1927 zur Sicherung des Lebensunterhalts in einer Möbelschnitzerei. Ab 1928 erhielt er ein Stipendium in der Holzbildhauerklasse der Kunst- und Gewerbeschule Kiel. 1932 lernte er das Künstler-Ehepaar Burmester kennen, die mit ihm zusammen den „Kieler Künstlerverein“ gründeten. Ab 1936 wirkte Otto Flath als freischaffender Künstler, Holzbildhauer und Maler in Bad Segeberg. Dort wurden die bis heute zu besichtigenden Ausstellungshallen für die zum Teil bis an die Decke reichenden großen Werke gebaut. Ein 1952 gegründeter Freundeskreis von ca. 500 Personen, der sich über Deutschland bis ins Ausland hinein erstreckte, wurde 1967 mit einer Satzung versehen und ins Vereinsregister eingetragen. Otto Flath schuf nach dem Ersten Weltkrieg trotz bitterster Not, Hunger und Krankheit, insbesondere ab 1932 schon viele große Werke, u. a. z. B. „Finale“, „Vertrauen“, „Licht“, „Sieg des Glaubens“ und viele Altäre.

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Installation "Reflexion" von Werner Mally mit der "Deutschen Familie" von Otto Flath

Der Zweite Weltkrieg beendete abrupt die Schaffensfreude. Diese Zeit war für den äußerst friedliebenden, sensiblen und unpolitischen Künstler (s. „Anekdoten um Otto Flath“ 1993; „Otto Flath, Leben u.Werk“ 1988) kaum zu ertragen. Otto Flath wurde eingezogen, brach unter der psychischen und körperlichen Belastung mehrmals zusammen, musste ins Lazarett und anschließend zu einem längeren Genesungsaufenthalt nach Hause. Mehrfach versuchte er erfolglos eine Befreiung vom Kriegsdienst zu erwirken, erreichte aber zumindest, dass er diensteingeschränkt nicht schießen musste. In seiner Freizeit versuchte er mit den vorhandenen Möglichkeiten die Not zu lindern, indem er wieder Spielzeug schnitzte. In dieser Zeit entstanden auch seine berühmten „Schleierköpfe“: Innenschau, da die äußere Welt für ihn unerträglich geworden war. Kleinere Werke mahnten, dem Geist der Zeit Widerstand zu leisten: „Drei Nornen“, „Versenkung“, „Gelassenheit“, „Erdenferne“ etc.

Das Ende des Krieges bedeutete für Otto Flath die langersehnte Befreiung. In den Nachkriegsjahren war Otto Flaths Schaffenskraft ungeheuer. Er konnte seine Zeit nun wieder sinnvoll nutzen und schuf viele sehr große Werke. 1971 erhielt Otto Flath die Auszeichnung „Ehrenbürger der Stadt Bad Segeberg“. Im Jahre 1978 wurde die „Otto-Flath-Stiftung“ gegründet. 1981 wurde ihm an seinem 75-jährigen Geburtstag anlässlich seiner herausragenden Leistungen das Bundesverdienstkreuz am Bande verliehen. Nach dem Tode Burmesters fand er eine neue familiäre Heimat in der Lebensgemeinschaft mit Gerda Orthmann. Sie war seit 1954 Mitarbeiterin und später 1. Vorsitzende des Otto-Flath-Kreises, hat mehrere Bücher herausgegeben und war in seinen letzten neun Lebensjahren seine Lebensgefährtin.

Entwicklung / Werke

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Offenbarungsaltar (1951) in der Anscharkirche in Neumünster

Otto Flaths Werke verteilen sich nicht nur in Deutschland, sondern sind über die Welt verstreut (u. a. Skandinavische Länder, U.S.A., Schweiz, Lettland). Sie befinden sich in Kirchen, Schulen, Krankenhäusern, Kammern und Rathäusern sowie bei zahlreichen privaten Flathfreunden. Die Gestaltungsideen entsprangen Bibel, Sagen und Märchen, Mythen und dem realen Leben; aus alter und neuer Zeit, weitgespannt über Zeit und Raum. Als Werkstoff gestaltete Flath alle Holzarten – welche ihm in der Regel ohne Bestellung gebracht wurden – und formte seine Kunstwerke ohne Zeichnung oder Modell „aus dem Inneren heraus“.

Der mit ihm befreundete Dichter Hermann Claudius (1878–1980) widmete ihm ein Gedicht „Du gabst dem Baum die Seele wieder….“

Auch das malerische Werk hat sich zu einer eigenständigen Kunstart entwickelt. Hier dominiert die Farbe für die Aussage. In der Stiftung Kunsthalle Flath und Villa Flath wird eine kleine Auswahl seiner Arbeiten präsentiert; eine große Anzahl weitere Werke lagert im Archiv, bzw. einer teilgeschlossenen Fläche der Ausstellungshalle.

I Phase

Ausgehend von der Schnitzerlehre sind seine Arbeiten sehr fein und detailliert; die Erstellung der Holzwerke diente anfangs vor allem dem Verkauf zur Sicherung der Lebenskosten. In der Freizeit entstanden Spielzeuge; er probiert sich auch mit einer Art Comic-Zeichnungen.

II Phase

Auch in den 1930er Jahren konnte sich aus wirtschaftlichen Gründen stilistisch noch nicht ganz von den Wünschen der Käufer lösen. Mit der gewonnenen Sicherheit durch die Unterstützung der Burmesters konnte sich die Entwicklung seines eigenen Kunststiles aber weiter entfalten. Die Nöte der Zeit versuchte er in seinen Werken (s. „Frühe Zeichnungen“, 2006) zu verarbeiten, indem er nicht nur die Not darstellte, sondern auch Wege zu deren Überwindung aufzeigte. Kennzeichnend ist dabei beispielsweise die einzigartige Akzentuierung der Gestalten und Gesichter durch Schleier/Textilien. Bei seinen Altarbildern bezog Flath teils Menschen des 20. Jahrhunderts in das Geschehen mit ein, um deren Identifikation mit dem christlichen Glauben zu erreichen.

„Otto Flaths Gestalten bleiben … nicht mehr im Leid stecken, sie streifen die Erdenschwere ab, streben nach oben, ja scheinen fast zu schweben. Es ist nicht mehr der Expressionismus alter Zeit, sondern etwas Neues, die Verkündigung einer inneren Welt, jenseits aller irdischen Not, unberührbar durch sie.“ (G. Orthmann)

III Phase

In der Nachkriegszeit war Flath keinen äußeren Zwängen mehr ausgesetzt und verfeinerte seinen einzigartigen Kunststil. Vor allem in seinen Zeichnungen, Ölbildern und Aquarellen – gemäßigt aber auch in den Werken – fand eine teils starke abstrahierende Entwicklung statt. Seine Werke zeigen eine zunehmende expressive Spur von Schnitzmesser bzw. Beitel. Zeichnungen und Aquarelle wurden zunehmend gegenstandsloser.

Große Altäre, u. a.

  • „Wiederkunft Christi“, 1947;
  • „Offenbarungsaltar“ 1950;
  • „Barmherzigkeitsaltar“, Michigan/USA 1951;
  • „Ich bin der Weinstock“, HH Dulsberg 1952;
  • „Abendmahls-Altar“, HH-Poppenbüttel 1953;
  • „Verkündigungsaltar“, Alt-Garge b. Bleckede/Elbe 1957;

Große Werke, z. B.

Datei:2015-09 04 Marktkirche Poppenbüttel.JPG
Flath Altar, Jesus mit seinen Jüngern in der Marktkirche Poppenbüttel
  • „Sturm und Wind“, 1947
  • „Ehrenmal“ in Atlanta, 1958
  • „Menschen im Sturm“ nach der Flutkatastrophe 1962, 1967
  • „Posaunenengel“, 1967
  • „Musizierende Kindergruppe“, 1967
  • „Musik“
  • St. Lorenzkirche in Lübeck, Christus durch die Fülle des Lebens schreitend (1938/39)
  • Petruskirche (Garnisonkirche) in Kiel-Wik, Altar und Taufgruppe (1939) (Abbildung)
  • Anscharkirche in Neumünster, Offenbarungsaltar (1951)
  • Altar in der Marktkirche Poppenbüttel, Abendmahl (1956)
  • Evangelische Freikirche Torstraße in Hamburg-Stellingen, Christusskulptur (1957)
  • Erlöserkirche zu Alt Garge (Stadt Bleckede), Verkündigungsaltar (1958)
  • Trinitatiskirche in Berlin-Charlottenburg, Holzkruzifix (1961)
  • Christophoruskirche in Lübeck-Brandenbaum, St. Christophorus
  • Taufständer in der St.-Vitus-Kirche in Barskamp
  • Abendmahl (Relief) in der Christuskirche in Zülpich

Literatur/Medien

  • „Das Bild des Menschen“ von Uwe Steffen, Verlag C.H. Wäser Bad Segeberg 1961;
  • „Antlitz unter dem Schleier“, Otto-Flath-Kreis Bad Segeberg, Druck C.H. Wäser, 196l;
  • „Sursum Corda…“ Otto Flath von Dr. Gerhard Böhmer, Otto-Flath-Kreis, Druck C.H. Wäser, 1968;
  • „Der Mensch und seine Welt“, Selbstverlag, Druck Christians, Hamburg, Gerda Orthmann, 1984;
  • „Otto Flath, Leben und Werk“, Selbstverlag, Druck Christians, Hamburg, Gerda Orthmann 1988;
  • „Altäre – Otto Flath“, Selbstverlag, Druck C.H. Wäser, Gerda Orthmann 1989
  • „Anekdoten um Otto Flath“, Venner Verlag, Gerda Orthmann 1993

Filme:

  • Otto Flath: „Die Form steckt schon im Baum“;
  • Otto Flath: „Die Musik“;
  • Otto Flath – „Mensch und Künstler – Zeitzeugen erinnern sich“, Filmproduktion H. Teske, herausgegeben anlässlich des 90. Geburtstags von Otto Flath am 9. Mai 1996

Weblinks

Commons: Otto Flath – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien