Prädikativum

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Als Prädikativum (auch: Prädikativ) bezeichnet man in der Grammatik einen Begleiter des Prädikats, der eine Eigenschaft des Subjekts oder des Objekts angibt. Der Unterschied zu einer adverbialen Bestimmung, die oft ähnlich aussieht, liegt in diesem strikten Bezug auf eine Eigenschaft eines Individuums, statt wie bei Adverbialen auf Eigenschaften des Ereignisses (wie z. B. die Art und Weise einer Handlung). Es gibt „primäre“ Prädikativa, die obligatorisch sind und einen wesentlichen Teil des Inhalts zu einem Prädikat beitragen, sowie „sekundäre“ Prädikativa, die in einem bereits vollständigen Satz frei hinzutreten und eine zusätzliche Eigenschaft des Subjekts oder Objekts bezeichnen.

Eine solche prädikative Verwendung ist im Deutschen für nahezu alle Wortarten möglich (außer Verben). Einige wenige Wörter kommen ausschließlich prädikativ vor, ohne sonst noch attributive oder adverbielle Verwendungen zu haben, z.B. egal in Der Rest ist egal (jedoch nicht *ein egaler Rest).

Obligatorische Prädikative

Manche Verben können erst in Verbindung mit einem Prädikativum ein vollständiges Prädikat bilden. Das Subjektsprädikativ charakterisiert das Subjekt des Satzes und bildet dabei das Prädikat mit Verben wie sein, werden, bleiben, heißen, gelten als und sich erweisen als.[1][2] Lateingrammatiken bezeichnen in diesem Fall das Verb als Kopula und das Prädikativ als Prädikatsnomen.

Sie ist Lehrerin. (Lehrerin: Nominalphrase im Nominativ als Subjektsprädikativ)
Du bleibst gesund. (gesund: Adjektiv als Subjektsprädikativ)

Analog bestimmt das Objektsprädikativ das Akkusativobjekt des Satzes näher und bildet dabei das Prädikat mit Verben wie nennen, finden, halten für, bezeichnen als und ansehen als.[1] (Die gegebenenfalls hierbei vom Verb geforderte Präposition wird allerdings als Teil des Prädikativs interpretiert.)

Er nannte den Bundeskanzler einen Esel. (einen Esel: Nominalphrase im Akkusativ als Objektsprädikativ)
Er sah den Fall als erledigt an. (als erledigt: Partizip als Objektsprädikativ)

Obligatorische Prädikative sind im Deutschen oft Adjektive/Adjektivgruppen, Partizipien/Partizipgruppen oder Nominalphrasen im Nominativ bzw. Akkusativ, insbesondere in Kombination mit sein treten aber auch Adverbien/Adverbgruppen, Präpositionalphrasen, Subjekt- bzw. Objektsätze und Infinitivgruppen auf.

Während Adjektive und Partizipien bei Verwendung als Attribute im Deutschen abhängig von ihrem Bezugswort dekliniert werden, bleiben sie bei Verwendung als Prädikative undekliniert. Im Lateinischen besteht dagegen auch zwischen dem Prädikatsnomen und seinem Bezugswort KNG-Kongruenz.

Freie Prädikative (Depiktive)

Freie (oder „fakultative“) Prädikative sind Satzglieder, die dem Subjekt oder Objekt des Satzes eine Eigenschaft zusätzlich zusprechen. Dieser Typ des Prädikativs wird auch als Depiktiv bezeichnet (vor allem in Anlehnung an die englischsprachige Literatur). In ihrer Funktion sind sie zunächst gegen gleichartige Ausdrücke abzugrenzen, die als Attribut stehen. Während das Attribut eine Eigenschaft nennt, die auf das Substantiv als solches bezogen ist, benennt das Depiktiv eine Eigenschaft, die auf den Zeitraum bezogen ist, zu dem die Verbalhandlung abläuft (ob sie davor oder danach weiter besteht, ist gleichgültig). Attribute und Depiktive lassen sich anhand der Stellung im Satz und auch an der Wortform meist klar unterscheiden:

Max hat die Hemden vorhin sauber aus dem Schrank geholt. (= Die Hemden waren sauber, als er sie herausholte; sauber als Prädikativ)
Max hat die sauberen Hemden vorhin aus dem Schrank geholt. (= sauber zur Charakterisierung der Hemden als solcher; Attribut)

Als freies Prädikativ kommen im Deutschen Adjektive/Adjektivgruppen, Partizipien/Partizipgruppen und Präpositionalphrasen infrage. Adjektive und Partizipien werden bei Verwendung als Prädikativ im Deutschen nicht dekliniert; wegen der fehlenden Kongruenz zum Bezugswort lässt sich dieses nicht immer eindeutig ermitteln. Hinzu kommt, dass Adjektive und Partizipien ebenso bei adverbieller Verwendung undekliniert bleiben, sodass auch die Abgrenzung zwischen Prädikativ und adverbialen Bestimmungen nicht sichtbar ist. Manche Sätze ergeben dann bis zu drei verschiedene Lesarten:

Beispiel: „Hans ließ Maria wütend zurück.“

= Hans war wütend, als er Maria zurückließ. („wütend“ als Prädikativ mit Subjektsbezug)
= Maria war wütend, als Hans sie verließ. („wütend“ als Prädikativ mit Objektsbezug)
= Aus Wut ließ Hans Maria zurück. („wütend“ als kausales Adverbial, oder ähnliche Deutungen)

Im Englischen sind aus Adjektiven gebildete Adverbien an einer eigenen Endung -ly erkennbar, sodass zumindest die Abgrenzung zu adverbialen Bestimmungen eindeutig zu treffen ist:

John left Mary sad (Adjektiv → Prädikativ, Bedeutung: John war traurig, als er Maria verließ, oder: Maria war traurig)
John left Mary sadly (Adverb → adverbiale Bestimmung, Bedeutung: ein trauriger Abschied)

Das Prädikativum im Lateinischen kongruiert im Gegensatz zum Deutschen mit seinem Bezugswort, sodass dieses meist eindeutig identifizierbar ist. Das bedeutet aber auch, dass anhand der Wortform keine Abgrenzung zum Attribut möglich ist.

Depiktive und resultative Prädikative

Die Eigenschaft, über Subjekt oder Objekt zu prädizieren, haben Depiktive mit resultativen Adjektiven gemeinsam.[3] Während Depiktive einen zeitgleich zur Handlung vorliegenden Zustand bezeichnen, fügen resultative Adjektive der Verbalhandlung einen Resultatszustand hinzu (resultativ ist hier nicht gleichbedeutend mit der Aktionsart „Resultativ“):

depiktiv: Er geht traurig nach Hause. (mit Subjektbezug)
depiktiv: Sie trinkt den Kaffee schwarz. (mit Objektbezug)
resultativ: Der Bulldozer walzte das Gras platt. (mit Objektbezug)

Während Depiktive eigenständige Satzglieder sind, handelt es sich bei resultativen Adjektiven um Teile des zusammengesetzten Prädikats. Sie ziehen dabei auch die Prädikatsbetonung an sich, so wie es auch andere Begleiter tun, die unmittelbar vor dem Verb stehen. Depiktive tragen im Gegensatz hierzu eine eigenständige Betonung, gefolgt von einer weiteren Betonung auf dem Verb:[4]

Er hat den Kaffee SCHWARZ geTRUNKen (Depiktiv)
Er hat sich SCHWARZgeärgert (Resultativ)

Um die Betonungsverhältnisse abzubilden und Mehrdeutigkeit zu vermeiden, können resultative Adjektive im Deutschen auch mit dem Verb als ein Wort zusammengeschrieben werden. Bei Depiktiven kommt Zusammenschreibung nie infrage.

Literatur

  • Christian Touratier (Hrsg.): Compléments prédicatifs et attributs du complément d'objet en Latin. Publications de l'Université de Provence Aix-Marseille (PUP), Aix-en-Provence 1991, ISBN 978-2-85399-253-4.
  • D. J. Napoli: Resultatives. In: R. E. Asher (Hrsg.): The encyclopedia of language and linguistics. Band 7: Rad to Soc.. Pergamon Press, Oxford u. a. 1994, ISBN 0-08-035943-4, S. 3562–3566.
  • Friedemann Weitz: Perspektivwechsel beim Prädikativum? Ein Vorschlag zur (Er-)Klärung des Phänomens. In: Anregung. Zeitschrift für Gymnasialpädagogik. 46, 2000, ISSN 0402-5563 S. 258-275.
  • Eva Schultze-Berndt, Nikolaus P. Himmelmann: Depictive secondary predicates in crosslinguistic perspective. In: Linguistic typology. 8, 2004, ISSN 1430-0532, S. 59–131.
  • Nikolaus P. Himmelmann (Hrsg.): Secondary predication and adverbial modification. The typology of depictives. Oxford University Press, Oxford u. a. 2005, ISBN 0-19-927226-3 (Oxford linguistics).

Weblinks

Wiktionary: Prädikativ – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen
Wiktionary: Prädikativum – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen
Wiktionary: Prädikatsnomen – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen
  • Gunhild Simon: Prädikatsnomen und Prädikativum (Memento vom 18. April 2009 im Internet Archive)

Einzelnachweise

  1. a b Deutsche Grammatik, Tandem-Verlag, ISBN 978-3-89731-890-8, S. 225
  2. Duden. Die Grammatik. 7., Auflage. Dudenverlag, Mannheim/ Leipzig/ Wien/ Zürich 2005, ISBN 3-411-04047-5, S. 800f
  3. Zu resultativen Adjektiven mit Subjektbezug, die eigentlich eine Ausnahme darstellen, siehe unter Unakkusativisches_Verb#Resultative_Adjektive
  4. Susanne Winkler: Focus and Secondary Predication. Berlin: Mouton de Gruyter, 1997.