Regionalanästhesie

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Dies ist eine alte Version dieser Seite, zuletzt bearbeitet am 9. Mai 2016 um 16:33 Uhr durch RonMeier (Diskussion | Beiträge) (Kleinkram). Sie kann sich erheblich von der aktuellen Version unterscheiden.
Zur Navigation springen Zur Suche springen
Punktionskanüle für Regionalanästhesieverfahren (unten, in Schutzhülle), mit Nervenstimulator verbunden, der ein Aufsuchen von Nerven ermöglicht

Die Regionalanästhesie bezeichnet als Überbegriff eine Reihe von Anästhesie-Verfahren, die eine Schmerzausschaltung bestimmter Körperregionen zum Ziel haben, ohne das Bewusstsein zu beeinträchtigen. Diese Regionalanästhesie-Verfahren bewirken durch gezielte Applikation von Anästhetika, meist Lokalanästhetika, die zeitweilige, umkehrbare Funktionshemmung von Nerven und führen dabei zu Empfindungslosigkeit und Schmerzfreiheit, teilweise auch zur Hemmung der aktiven Beweglichkeit in Teilbereichen des Körpers. Die Durchführung erfolgt als einmalige Injektion oder durch Platzierung eines Schmerzkatheters, über den auch nach dem operativen Eingriff eine effektive Schmerztherapie weitergeführt werden kann. Die Kombination von Regional- und Allgemeinanästhesie (Narkose) wird als Kombinationsanästhesie bezeichnet.[1]

Systematik

Einordnung der Lokalanästhesie in die Systematik der Anästhesie

Der Begriff der Regionalanästhesie wird aus historischen und pharmakologischen Gründen meist der Lokalanästhesie untergeordnet.[1] Die Nomenklatur der Einteilung ist jedoch nicht einheitlich, manchmal wird die Regionalanästhesie getrennt geführt. Es werden die periphere, rückenmarksnahe, intravenöse und infiltrierende Regionalanästhesien unterschieden.

Leitungsanästhesien

Als Leitungsanästhesien bezeichnet man Verfahren, die durch die Injektion von Anästhetika in die unmittelbare Nähe von Nerven die Weiterleitung von Schmerzimpulsen in afferenten Nervenfasern hemmen. Diese werden weiter in periphere und rückenmarksnahe Verfahren unterteilt.

Periphere Regionalanästhesieverfahren

ultraschallgesteuerte Nervus-femoralis-Blockade
Peniswurzelblock im Rahmen einer Beschneidung

Bei peripheren Regionalanästhesieverfahren wird die gezielte Blockade von einzelnen Nerven oder von Nervenplexus bezeichnet, die ein bestimmtes Gebiet des Körpers versorgen. Diese werden mit Hilfe der an anatomischen Landmarken orientierten Technik, eines Nervenstimulators oder unter Ultraschallkontrolle[2] aufgesucht und durch das Einspritzen eines Lokalanästhetikums durch eine Kanüle betäubt. Durch die ultraschallgesteuerte Technik, die sich seit einigen Jahren als Standard etabliert, lassen sich die Versageraten der Blockaden vermindern, die Wirkdauer verlängern, und das Risiko, ein Blutgefäß zu verletzen, verringern.[3] Häufige Verfahren sind am Arm (der oberen Extremität) Blockaden des Plexus brachialis (Interskalenäre Blockade, Infraklavikuläre Plexusblockade, Axilläre Blockade) sowie Blockaden einzelner Nerven des Armes oder der Finger (Oberst-Block). Am Bein werden Blockaden des Plexus lumbalis (Psoas-Kompartment-Blockade, Blockaden des Nervus femoralis, Blockaden des Nervus obturatorius) und des Plexus sacralis (Nervus-ischiadicus-Blockaden) neben der Blockade von Einzelnerven (Fußblock u. a.) eingesetzt. In der Augenheilkunde sind Peri- und Retrobulbäranästhesien, insbesondere bei intraokularen Eingriffen, verbreitet, teils in Kombination mit einem sogenannten Fazialisblock zur temporären Lähmung des Musculus orbicularis oculi.[4] Am häufigsten wird die Leitungsanästhesie in der Zahnmedizin, meist zur Blockade des Nervus mandibularis, aber auch anderer peripherer Nerven, eingesetzt.

Aufsuchen der Nerven (Nervenlokalisation)

Um den Nerven oder das Nervenbündel effektiv zu betäuben ist es notwendig, mit der Nadelspitze das Betäubungsmittel möglichst nah an den Nerven zu spritzen, damit es sich dort um den Nerven verteilen kann. Dabei darf die Nadel keine inneren Verletzungen wie beispielsweise der Lunge verursachen und die Nadelspitze sollte nicht in Gefäße gelangen, um eine lebensbedrohliche Vergiftung (systemische Lokalanästhetikaintoxikation) zu vermeiden. Zu nah darf die Nadel dem Nerven dabei jedoch nicht kommen, um ein Einspritzen in den Nerven und dadurch einhergehende Nervenschädigung zu vermeiden. Gemäß Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Anästhesie und Intensivmedizin kann für das Aufsuchen des Nerven Ultraschall oder Nervenstimulation oder beides gleichzeitig eingesetzt werden. Bei Verwendung von Ultraschall sollte dabei die Lage der Nadelspitze immer sicher darstellbar sein. Um dies zu erleichtern sind Nadeln erhältlich, die sich dank einer angerauhten oder eingekerbten Oberfläche im Ultraschallbild besser darstellen. Wird der Nerv mit elektrischer Nervenstimulation aufgesucht, sollen Stromimpulse von 0,1ms und einer Stromstärke von 2,0 bis 0,5 mA genutzt werden, damit die Nadelspitze in der Nähe des Nerven eine Muskelaktivität auslösen kann. Lässt sich unter 0,5 mA eine Muskelaktivität auslösen, ist die Nadel möglicherweise zu nah am Nerven, so dass die Nadelspitze in diesem Fall etwas zurückgezogen werden sollte.[5]

Rückenmarksnahe Regionalanästhesieverfahren

Durchführung der Spinalanästhesie

Als rückenmarksnahe, zentrale oder neuroaxiale Regionalanästhesieverfahren werden die Spinalanästhesie und Epiduralanästhesie (synonym Periduralanästhesie) zusammengefasst. Bei diesen wirken die Lokalanästhetika auf die Nervenwurzeln, die vom Rückenmark ausgehen, ein. Bei der Spinalanästhesie wird der Liquorraum auf der Höhe der Lendenwirbelsäule punktiert und durch das Einspritzen der Medikamente eine rasch einsetzende, komplette Anästhesie der unteren Körperhälfte bewirkt. In der Regel wird eine Einmalinjektion vorgenommen. Bei der Periduralanästhesie hingegen kommt der zumeist eingebrachte Katheter im Periduralraum zu liegen, so dass das Lokalanästhetikum hauptsächlich außerhalb der Hirnhäute auf die vom Rückenmark abgehenden Spinalnerven einwirkt. Während bei der Spinalanästhesie durch die Verteilung der Medikamente alle Nervenfasern unterhalb der Punktionsstelle und dadurch die gesamte untere Körperhälfte betäubt sind, wird bei der Periduralanästhesie eine Betonung der Anästhesie in der Punktionshöhe erreicht. Die kombinierte Spinal- und Epiduralanästhesie vereinigt beide Verfahren in sich, wobei der schnelle und komplette Wirkeintritt der Spinalanästhesie mit der lange anhaltenden Wirksamkeit des Epiduralkatheters zusammenspielt.

Intravenöse Regionalanästhesie

Bei der intravenösen Regionalanästhesie nach Bier werden die Lokalanästhetika hingegen nicht in die Nähe von Nerven, sondern in zuvor entleerte Venen einer zuvor abgebundenen Extremität, meist des Armes, eingespritzt. Von dort diffundieren die Wirkstoffe in die sensiblen Nervenenden und Nervenbahnen.

Infiltrationsanästhesie

Bei der Infiltrationsanästhesie wird das Lokalanästhetikum ins Gewebe des zu anästhetisierenden Zielgebiets infiltriert. Eine häufige Anwendung findet die Infiltrationsanästhesie in der Zahnmedizin bei allen Eingriffen, bei denen keine Leitungsanästhesie durchgeführt wird. Zur Verringerung der Toxizität (durch Verzögerung der Resorption) und zur Verlängerung der Wirkungsdauer wird ein Lokalanästhetikum verwendet, dem ein Vasokonstriktor (Adrenalin, Noradrenalin) in geringen Dosen hinzugesetzt ist.

Geschichte

Als erste Regionalanästhesieverfahren führte August Bier (1861–1949) 1898 die Spinalanästhesie[6] und 1908 die intravenöse Regionalanästhesie ein.[7] 1901 veröffentlichten Cathelin. und Sicard. unabhängig voneinander erste Erfahrungen mit der Periduralanästhesie.

Indikationen

Regionalanästhetische Verfahren werden in den letzten Jahren zunehmend eingesetzt. Vor allem die sehr gute Wirksamkeit gegen postoperative Schmerzen im Verhältnis zu geringen Nebenwirkungen und die daraus resultierende kürzere Verweildauer im Aufwachraum und evtl im Krankenhaus überhaupt sprechen für diese Verfahren. Zudem gibt es eine geringere Belastung des Herz-Kreislauf-Systems und dadurch auch eine geringere Morbidität.[8]

Häufig durchgeführt werden regionalanästhetische Verfahren für:

Kontraindikationen

Siehe auch

Lokalanästhesie

Einzelnachweise

  1. a b H. A. Adams, E. Kochs, C. Krier: Heutige Anästhesieverfahren - Versuch einer Systematik. In: Anästhesiol Intensivmed Notfallmed Schmerzther. 36, 2001, S. 262–267. doi:10.1055/s-2001-14470, PMID 11413694.
  2. P. Marhofer, M. Greher, S. Kapral: Ultrasound guidance in regional anaesthesia. In: Br J Anaesth. 94(1), Jan 2005, S. 7–17. Epub 2004 Jul 26. Review. PMID 15277302
  3. M. S. Abrahams, M. F. Aziz, R. F. Fu, J. L. Horn: Ultrasound guidance compared with electrical neurostimulation for peripheral nerve block: a systematic review and meta-analysis of randomized controlled trials. In: Br J Anaesth. 102(3), Mar 2009, S. 408–417. Review. PMID 19174373
  4. Volker Hessemer: Peribulbäranästhesie versus Retrobulbäranästhesie mit Fazialisblock - Techniken, Lokalanästhetika und Zusätze, Akinesie und sensible Blockade, Komplikationen. Thieme eJournal. In: Klinische Monatsblätter Augenheilkunde. 204(2), 1994, S. 75–89, doi:10.1055/s-2008-1035503.
  5. S1-Leitlinie Empfehlung: Thorsten Steinfeldt: Nervenlokalisation zur peripheren Regionalanästhesie. In: Anästhesiologie und Intensivmedizin. 12, 2013, S. 662–666.
  6. A. Bier: Versuche über die Cocainisierung des Rückenmarks. In: Dtsch Z Chir. 51, 1899, S. 361–368.
  7. A. Bier: Über einen neuen Weg Localanästhesie an den Gliedmassen zu erzeugen. In: Arch. klin. Chir. 86, 1908, S. 1007–1016.
  8. R. Schäfer, P. Söding: Klinikleitfaden Anästhesie. Urban & Fischer, München 2010.

Weblinks