Scheinanlage
Als Scheinanlage bezeichnet man Attrappen von kriegswichtigen Zielen, die zur Täuschung feindliche Angriffe auf sich ziehen sollten, damit das zu schützende Ziel verschont bliebe.
Geschichte
Vor allem im Zweiten Weltkrieg versuchten sich die Kriegsparteien wegen der zunehmenden Luftangriffe durch Vortäuschung von gefährdeten Anlagen wie Bahnhöfen, Flugplätzen (siehe auch Scheinflugplatz) oder Industrieanlagen zu schützen. Auch die Positionierung von Scheinschiffen z. B. vor den Küsten des Ärmelkanals ist bekannt.
Tagesscheinanlagen
Tagesscheinanlagen waren aufwändig und daher eher selten. Ein Beispiel war die 1940/41 errichtete Scheindarstellung der Lombardsbrücke in Verbindung mit der Flächentarnung der Binnenalster in Hamburg, um den alliierten Bombern die Orientierung beim Auffinden des Hamburger Hauptbahnhofs zu erschweren.[1]
Nachtscheinanlagen
Im Deutschen Reich experimentierte man seit 1937 auf zwei Versuchsgeländen in Hamm in Westfalen und in Pausin im Kreis Nauen mit der Entwicklung von Täuschungsgeräten. Die Ergebnisse mündeten in den „Bau- und Betriebsgrundsätzen für Scheinanlagen“ des Reichsluftfahrtministeriums vom November 1942. Darin werden neben den topographischen Bedingungen zur Errichtung einer Scheinanlage auch die Bauanleitungen von 21 Täuschungsgeräten veröffentlicht.
Durch die Entwicklung des Radars und die damit verbesserte Zielführung wurden in der Mitte des Zweiten Weltkriegs viele Scheinanlagen wirkungslos.
Bekannte Scheinanlagen in Deutschland
- Brasilien, Attrappe des Stuttgarter Hauptbahnhofs bei Lauffen am Neckar
- Costa Rica, Attrappe des Fliegerhorstes Schwäbisch Hall-Hessental bei Feßbach-Rüblingen[2]
- Kruppsche Nachtscheinanlage, Attrappe der Kruppschen Gußstahlfabrik in Velbert
- Venezuela, Attrappe des Karlsruher Straßenverlaufs im Hardtwald
Literatur
- Ulrich Oertel: Täuschen, tarnen und vernebeln: Spezielle Luftschutzmaßnahmen der Hermann-Göring-Werke im Zweiten Weltkrieg (1939–1945). Selbstverlag, 2012, ISBN 978-3-0003768-8-7.
- Jürgen Lohbeck: Das vergessene Scheindorf in Velbert. Die Kruppsche Nachtscheinanlage auf dem Rottberg im Zweiten Weltkrieg 1941–1945. Scala, Velbert 2012, ISBN 978-3-9813898-6-9. (Kurzfassung)
- Elke Janßen-Schnabel: Das Scheindorf der Kruppwerke. In: Denkmalpflege im Rheinland 30,4 (2013), ISSN 0177-2619.
- Jürgen Lohbeck: Der Krieg vor unserer Haustür. Ereignisse, Erlebnisse, Schicksale im Zweiten Weltkrieg in Velbert, Langenberg und Umgebung. Scala, Velbert 2013, ISBN 978-3-9813898-9-0. (Kurzfassung)
- Martin Brehl et al.: Tarn- und Scheinanlagen am Fliegerhorst Uetersen. Unbekannte Maßnahmen im Zweiten Weltkrieg. RWM, Eltville 2014, ISBN 978-3-944988-02-3. [1]
- Helmut Grau, Jürgen Lohbeck, Josef Johannes Niedworok, Sven Polkläser: Vergessene Täuschungsbauwerke des Zweiten Weltkrieges. Die Krupp’sche Nachtscheinanlage in Velbert. In: Archäologie im Rheinland 2013, ISBN 978-3-8062-2986-8.
- Dr. Wiebke Hoppe: Kruppsche Nachtscheinanlage, Kreis Mettmann. In: Archäologische Kriegsrelikte im Rheinland, LVR - Amt für Bodendenkmalpflege im Rheinland in Zusammenarbeit mit dem Rheinischen Verein für Denkmalpflege und Landschaftsschutz, Klartext Verlag, 2014, ISBN 978-3-8375-1323-3.
Einzelnachweise
- ↑ Hampe: Der Zivile Luftschutz im Zweiten Weltkrieg auf: bbk.bund.de.
- ↑ Juliane Renk: Rüblingen hatte einen Tarnflughafen. In: Hohenloher Zeitung, 16. April 2015