Shigella

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Shigella

Shigella boydii

Systematik
Domäne: Bakterien (Bacteria)
Abteilung: Proteobacteria
Klasse: Gammaproteobacteria
Ordnung: Enterobacteriales
Familie: Enterobacteriaceae
Gattung: Shigella
Wissenschaftlicher Name
Shigella
Castellani und Chalmers 1919
Arten
  • Shigella boydii Ewing 1949
  • Shigella dysenteriae (Shiga 1897)
    Castellani & Chalmers 1919
  • Shigella flexneri Castellani & Chalmers 1919
  • Shigella sonnei (Levine 1920) Weldin 1927

Bei den Bakterien der Gattung Shigella (auch bekannt als Shigellen) handelt es sich um eine Gruppe gramnegativer Stäbchenbakterien der Familie der Enterobakterien (Enterobacteriaceae). Sie rufen die teilweise sehr schwere Bakterienruhr mit Durchfällen hervor. Benannt wurden sie nach dem japanischen Bakteriologen Kiyoshi Shiga, dem Entdecker des Erregers der Bakterienruhr (Nachweis 1898). Die Bakterien sind unbeweglich und können auch ohne Anwesenheit von Sauerstoff leben (fakultativ anaerob). Shigellosen sind meldepflichtig.

Epidemiologie und Infektionsquellen

Die vier bekannten Shigella-Artengruppen sind alle medizinisch relevant als Erreger der Shigellosen (Bakterienruhr), und wurden bislang nur beim Menschen und Primaten nachgewiesen. Weltweit werden jährlich ca. 160 Mio. Menschen infiziert, von denen ca. 1 Mio. sterben. Dabei handelt es sich meist um Kinder, ältere und immungeschwächte Patienten.

Verbreitet werden sie durch verschmutztes Wasser oder Nahrungsmittel, teilweise auch durch Fliegen. Die Krankheitssymptome (hauptsächlich Fieber und starker Durchfall, aber auch Arthritis[1]) stellen eine Reaktion auf die Einwanderung der Bakterien in das Darmgewebe und deren Sekretion von Shigella-Enterotoxinen dar. Die Shigellen-Infektion (auch Bakterienruhr oder bakterielle Ruhr) wird bei der primären Immunantwort von Makrophagen und neutrophilen Granulozyten abgemildert, wozu letztere das Enzym Elastase-2 (gen.: ELANE) produzieren.

Pathogenitätsfaktoren

Shigella dysenteriae produzieren als Pathogenitätsfaktor das so genannte Shiga-Toxin, welches zu einer schwerer wiegenden Vergiftung führt als bei Infektionen mit anderen Shigella-Gruppen (hämolytischer Verlauf).[2]

Weiterhin produzieren Shigellen ein Protein verdauendes Enzym mit der Bezeichnung VirA, welches auf die Bausteine der Mikrotubuli (Tubulin) der befallenden Zellen einwirkt. VirA schlitzt die Mikrotubuli gleichsam auf, so dass die Shigellen in diese eindringen können.[3] Shigellen bewegen sich ungerichtet im Zytosol der Wirtszelle durch polare Aktinpolymerisation.

Shigella-Artengruppen

  • Gruppe A, Shigella dysenteriae: Die Bakterien der Gruppe A sind hauptsächlich in den Tropen und Subtropen verbreitet. Besonders schwer sind Infektionen mit dem Serotyp A (auch Shiga-Kruse-Bakterium), da diese Bakterien neben den normalen Giften auch ein Nervengift bilden.
  • Gruppe B, Shigella flexneri: Infektionen dieser Gruppe verlaufen in der Regel weniger schwer als die der Gruppe A, die Bakterien sind weltweit verbreitet. Zur Diskussion steht im Moment, ob Infektionen mit diesen Bakterien im Zusammenhang mit einigen Fällen von plötzlichem Kindstod stehen. Shigella flexneri wurde 2002 sequenziert, das Genom ist also vollständig bekannt.
  • Gruppe C, Shigella boydii: Boyd-Bakterien finden sich vor allem in Vorderindien und Nordafrika, Infektionen mit ihnen sind selten und meist harmlos.
  • Gruppe D, Shigella sonnei: Diese auch als Kruse-Sonne-Bakterien bekannten Arten stellen vor allem in Mitteleuropa die häufigsten Shigellen dar und verursachen besonders bei Kindern den harmlosen Sommerdurchfall.

Diagnostik

Shigellen werden kulturell aus Stuhlproben nachgewiesen. Häufig wird als Nährmedium XLD-Agar verwendet, teilweise nach kurzer Vorbebrütung der Probe (ca. 6 Stunden) in Selenitbouillon. Verdächtige Kolonien weisen auf XLD-Agar folgende Eigenschaften auf: keine Verfärbung des ursprünglich roten Agars in Richtung gelb, keine Schwarzverfärbung der Kolonien (H2S negativ), Oxidase negativ (Abgrenzung von Pseudomonas aeruginosa), in der weiteren Differenzierung (Harnstoff-Bouillon) Urease negativ (Abgrenzung von Proteus, Morganella und Providencia spp.). Bei entsprechendem Verdacht muss dieser mit biochemischen und serologischen Methoden bestätigt werden. Dabei kann insbesondere die Abgrenzung von enteroinvasiven Stämmen von Escherichia coli mitunter schwierig sein, da Shigellen entwicklungsgeschichtlich und teilweise auch biochemisch sehr eng verwandt mit E. coli sind. Nach der heute gültigen Taxonomie der Bakterien müssten Shigellen eigentlich zur Art E. coli gerechnet und als Pathovar von anderen Stämmen dieser Art abgegrenzt werden. Darauf wird aber aus historischen und klinischen Gründen bisher verzichtet.[4]

Behandlung

Infektionen durch Bakterien der Gattung Shigella sollten im Regelfall mit Antibiotika behandelt werden. Standardmäßig werden bei Erwachsenen häufig Fluorchinolone wie Ciprofloxacin oder Levofloxacin verwendet, daneben kommen Azithromycin, Cotrimoxazol, Doxycyclin und Ampicillin in Betracht.[5] Bei Kindern wird auch die Behandlung mit einem Cephalosporin der dritten Generation (z. B. Ceftriaxon oder Cefixim) empfohlen.[6] Die Anpassung der Antibiotikatherapie an das Antibiogramm des nachgewiesenen Erregers ist erforderlich.[5] Durch die Behandlung von Epidemien in den Entwicklungsländern verbreiten sich resistente Stämme, was es zunehmend schwierig macht, Epidemien unter Kontrolle zu bringen.[7]

Vorbeugung

Der Schlüssel zur Vermeidung von Shigelleninfektionen liegt vor allem in einer guten Trinkwasser-, Lebensmittel- und Händehygiene, da die Bakterien mit dem Stuhl ausgeschieden werden und auf diese Weise direkt ("fäkal-oral") oder indirekt (über Trinkwasser oder Lebensmittel) übertragen werden. Eine Besonderheit von Shigellen im Vergleich zu vielen anderen Durchfallerregern (z. B. Salmonellen) ist die niedrige Infektionsdosis von ca. 100 Bakterien, die bereits zu einer Übertragung der Erkrankung führen kann. Daher sind zur Eindämmung von Shigellenausbrüchen besonders strikte Hygienemaßnahmen erforderlich. Außerdem ist dies auch der Grund, dass es zu Shigellenausbrüchen durch besondere Sexualpraktiken kommen kann.[4]

Quellen

  1. lexikon-orthopaedie.com: Shigellen-Arthritis
  2. Lois J. Paradise, Mauro Bendinelli, Herman Friedman: Enteric infections and immunity. Springer, 1996 ISBN 0-306-45242-1 S. 79ff.
  3. Research Highlights in Nature Bnd. 444, S. 246, 16. Nov. 2006 über einen Artikel in Science Bnd. 314, S. 985–986, 2006
  4. a b Helmut Tschäpe, Rolf Reissbrodt und Rita Prager: Shigella spp. In: Birgid Neumeister, Heinrich K. Geiss, Rüdiger W. Braun und Peter Kimmig (Hrsg.): Mikrobiologische Diagnostik. 2. Auflage. Thieme, Stuttgart, New York 2009, ISBN 978-3-13-743602-7, S. 449–450.
  5. a b Shigellose: RKI-Ratgeber für Ärzte. Robert-Koch-Institut, 8. Mai 2012, abgerufen am 15. Februar 2013.
  6. Herbert L. DuPont: Shigella Species (Bacillary Dysentery). In: Gerald L Mandell, John E. Bennett und Raphael Dolin (Hrsg.): Principles and Practice of Infectious Diseases. 7. Auflage. Churchill Livingstone Elsevier, Philadelphia 2010, ISBN 978-0-443-06839-3, S. 2905–2910.
  7. sonnenlaender.de: Shigellose (Bakterielle Ruhr)

Weblinks