Sonnenschirm

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Birmanin mit einem Sonnenschirm um 1920

Der Sonnenschirm (selten auch frz. Parasol genannt) ist ein Gebrauchsgegenstand, der verwendet wird, um vor Sonneneinstrahlung zu schützen. Er ist ein Erzeugnis des Schirmmachers, wird heutzutage aber überwiegend industriell hergestellt.

Aufbau

Ebenso wie ein Regenschirm besteht ein Sonnenschirm heutzutage aus einer Bespannung aus Stoff oder Kunststoff, die über Speichen gespannt ist und von einem lotrecht aufgesetzten Stiel in die Höhe gehalten wird. Sonnenschirme, deren Standrohr außerhalb der Schirmfläche steht, werden als Freiarmschirme, Ampelschirme, Galgenschirme oder auch als Seitenmastschirme bezeichnet.

Geschichte

Der persische König Xerxes I. unter einem Sonnenschirm

Der Sonnenschirm ist weitaus älter als der Regenschirm. Erste Darstellungen finden sich im Altertum in Ägypten, Persien und China. In altgriechischen (z. B. Aristophanes) und altrömischen Texten (z. B. Martial) werden sie erwähnt.[1] Bei den frühen Formen handelt es sich für gewöhnlich um große, von Dienern gehaltene Baldachine. In Ostasien, zum Beispiel in Japan, Indonesien oder Birma wurde Papier über die Speichen gespannt. In anderen Regionen flochten die Menschen sich Schirme aus Stroh, um sich vor der Sonne zu schützen.

Im Verlauf des 17. Jahrhunderts wurde daraus der kleine, in einer Hand zu tragende Sonnenschirm entwickelt. Bis um ca. 1915/20 war er ein unerlässliches Accessoire der Damen bei Aufenthalt im Freien. Die Größe und Farbe des Schirms, die Länge des Stiels und die Anzahl der Speichen wechselten mit der Mode.

Während in Mitteleuropa Sonnenschirme heute fast nur noch als große, stehende Schirme (z. B. in Straßencafés und auf Balkonen) vorkommen, wurden sie bis ins frühe 20. Jahrhundert ausschließlich in der Hand getragen. Von Regenschirmen unterschied diese frühe Variante hauptsächlich die nicht wetterfeste Ausstattung und die oft geringe Größe der Bespannung.

Vornehme Blässe

Japanerinnen um 1929 mit Sonnenschirmen aus Papier
Dame mit Sonnenschirm, um 1630–50

In Ländern südlicheren Breitengrades wie Spanien und in Ostasien (Japan, China) werden tragbare Sonnenschirme auch heute verwendet, praktisch ausschließlich von Frauen, nicht nur, um sich vor der heißen Sonne zu schützen, sondern auch, um nicht braun zu werden. Denn hier gilt nicht Hautbräune, sondern der vornehme helle Teint der Haut als Attraktivitätsmerkmal einer Frau. Im Freien bewegen sich traditionell nur die „niederen“ Berufe: Bauern, Bauarbeiter etc. So war die weiße Haut ein Zeichen für einen höheren Stand, für Leute, die (wenn sie überhaupt arbeiteten) ihre Arbeit im Haus ausüben konnten. Auch wenn dieser Hintergrund teilweise verlorengegangen ist, schützen sich heute viele Japanerinnen jeden Alters und ältere Spanierinnen mit tragbaren Sonnenschirmen, die kleiner und leichter sind als Regenschirme.

In Indien gehörte ein reich verzierter Sonnenschirm (chhatra-ratna, Schirmjuwel) zu den Insignien eines Königs wie Krone und Thron. Als Königssymbol ist er auch einer der acht tibetischen Glückssymbole. In derselben Tradition sind buddhistische Tempel in Myanmar und Thailand von stilisierten Sonnenschirmen gekrönt.

Moderne Schirme

Moderner Standsonnenschirm
Datei:Medina Piazza Umbrella.jpg
Wandelbare Schirme auf der Piazza der Moschee des Propheten in Medina

Mit der aufkommenden Diskussion über die schädigende Wirkung der UV-Strahlung hat die Entwicklung der Sonnenschirme seit ca. Mitte der 1980er-Jahre einen neuen Aufschwung genommen. Es ist das Verdienst des Membranbau-„Papstes“ Frei Otto, den Schirm vom individuell verfügbaren Gebrauchsgegenstand prinzipiell in eine entwicklungsfähige Leichtbau-Architektur überführt zu haben. In einer Schirm-Studie legte Frei Otto in den 1960er Jahren die Grundlagen für die Entwicklung platzüberspannender wandelbarer Großschirme und baute 1971 die ersten wandelbaren Großschirme mit einem Durchmesser von 19 Metern für die Bundesgartenschau in Köln. Die Trichterform des aufgespannten Schirms erlaubt es, Regenwasser durch das Mastrohr abzuleiten und die Schirme überlappend aufzustellen.[2]

Teilweise basierend auf seinen Ideen, gibt es heute eine Vielzahl von Varianten (vom traditionellen Mittelmastschirm über den Trichterschirm – mit kelchförmiger Membran – bis hin zum Dreieckschirm für die Eckbeschattung) und Größen, als Standardschirme mit bis zu 10 m Durchmesser. Bedingt durch die größeren Abmessungen der Schirme und das Schutzbedürfnis (gegen UV-Strahlung) sind die Anforderungen an das Material stark gestiegen, so dass heute hauptsächlich Aluminium, Polyester und Acrylfasern zum Einsatz kommen. Um die Stabilität zu steigern wird in neusten Entwicklungen auch Glasfaserverstärkter Kunststoff eingesetzt. Dieser bietet unter anderem auch den Vorteil Verformungen aufnehmen zu können, ohne das Material dabei zu beschädigen.

Modernste Entwicklungen, wie z.B. der Dalia-Sonnenschirm, integrieren sogar Solarpanele in den Schirmstoff um diese nicht nur als Schattenspender, sondern auch als Energieproduzent nutzen zu können.

Die bislang größten wandelbaren Schirme realisierte Mahmoud Bodo Rasch mit seinem Büro SL Rasch als Schattendächer[3] für die Pilgerstätte in Medina, Saudi-Arabien (26 m × 26 m) und vor der Al-Hussein Moschee in Kairo (29 m x 29 m). Im Sommer öffnen sich die Schirme abhängig vom Sonnenstand und schließen sich abends wieder, um die warme Luft an den Nachthimmel abzugeben. Im Winter öffnen sich die Schirme erst gegen Sonnenuntergang und halten so die Wärme des Tages in den Räumen. Moderne wandelbare Trichterschirme dienen als Schattendächer, können bei überlappender Anordnung vor Regen schützen und sind gleichzeitig klimaregulierend einsetzbar.[4] Beim Bau wandelbarer Großschirme kommen Materialien wie Stahl und PTFE zum Einsatz.

Ampelschirme

Als Ampelschirme werden die Sonnenschirme bezeichnet, welche Ihren Mast auf der Seite haben. Dies hat den Vorteil, dass der Mast nicht mittig in den Tisch ragt sondern seitlich vom Tisch platziert werden kann. Somit kann ein wesentlich größere Fläche überdeckt werden. Der Nachteil ist, dass er dadurch etwas instabiler steht. Dadurch ist ein schwerer Ständer erforderlich, welcher den Schirm deutlich teurer macht.

Trichterschirme

Trichterschirme haben eine trichterartige Form, die sich deutlich von den bekannten Variationen unterscheidet. Diese Form hat gegenüber herkömmlichen Schirmen den Vorteil, dass Regen über den Mittelmast abgeführt wird. Somit entstehen an den Kanten keine Wasserfälle, die man beim Unterstellen durchqueren muss. Sie unterscheiden sich aber vor allem optisch von den meisten Varianten und werden so auch gerne von der Gastronomie, Werbe- und Eventbranche genutzt um sich von der Konkurrenz abzuheben.

Einzelnachweise

  1. William Sangster, Umbrellas and their History
  2. Nerdinger, Winfried: Frei Otto. Das Gesamtwerk: Leicht Bauen Natürlich Gestalten, 2005, ISBN 3-7643-7233-8
  3. ISLAM: Allahs Schattenmann, Der Spiegel, 15/2002
  4. Wandelbare Dächer

Weblinks

Commons: Sonnenschirme – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
Wiktionary: Sonnenschirm – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen