Stanley Hauerwas

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Stanley M. Hauerwas (* 24. Juli 1940 in Dallas, Texas) ist ein evangelisch-methodistischer Theologe, Pazifist und Autor, der von 1983 bis 2013 als Professor für theologische Ethik an der Duke University in Durham, North Carolina, lehrte. Vom TIME Magazine wurde er 2001 als „Amerikas bester Theologe“ bezeichnet.

Leben

Hauerwas wuchs in einer Arbeiterfamilie in Pleasant Grove im Süden von Dallas in Texas auf. Er besuchte 1954 bis 1956 die Pleasant Grove High School und 1956 bis 1958 W. W. Samuell High School. Da sein Vater Maurer war, bildete er ihn schon früh auch zum Maurer aus. Seine Familie besuchte die Pleasant Mount Methodist Church, wo auch er getauft und konfirmiert wurde und zu einem persönlichen Glauben an Christus fand. Hauerwas besuchte die Southwestern University, ein College, das in Verbindung mit der United Methodist Church stand. Er erhielt seinen Bachelor 1962. Er studierte an der Yale University weiter, wo er seinen Master und einen Doktorgrad machte.

Nach seinem Abschluss in Yale lehrte Hauerwas zuerst am Augustana College in Rock Island in Illinois, bevor er 1970 an die University of Notre Dame in South Bend in Indiana wechselte. 1983 übernahm er die Gilbert T. Rowe Professur und wurde Professor für theologische Ethik an der Divinity School der Duke University. 2013 wurde er emeritiert. 2014 wurde er noch auf den Lehrstuhl der theologischen Ethik an die University of Aberdeen berufen.

Hauerwas ist ein profunder Kenner der Werke der Philosophen und Theologen Aristoteles, Thomas von Aquin, Søren Kierkegaard, Karl Barth, Ludwig Wittgenstein, John Howard Yoder, Alasdair MacIntyre, Michel Foucault und William James.

Ehrungen

Hauerwas erhielt 2001 einen Ehrendoktor der University of Edinburgh und wurde vom TIME Magazine als Amerikas bester Theologe bezeichnet. Er durfte im gleichen Jahr bei den Gifford Lectures im schottischen St Andrews sprechen, der Titel lautete: Das Korn des Universums (englisch: The grain of the universe).

Er nutzte die Lectures, um die Möglichkeiten der natürlichen Theologie in Verbindung mit Lehre und Ethik auszuloten. Seine Grundthese war, dass die Wahrheit des Christentums nicht nachgewiesen, aber geglaubt und bezeugt werden könne. Die überzeugendste Variante sei das Zeugnis eines Lebens, das im Einklang mit dem Evangelium gelebt werde. Wenn diese Lehren lebbar seien, dann können sie auch wahr sein. Hauerwas ging auch auf William James, Reinhold Niebuhr und Karl Barth ein, die bereits früher Gegenstand von Gifford Lectures waren. James, der die Vielfalt religiöser Erfahrung von der Psychologie her verstehen wollte, und Niebuhr, dessen Natur und Bestimmung des Menschen der orthodoxen christlichen Lehre widerspräche, liegen für Hauerwas nur wenig auseinander und hätten für die christliche Lehre wenig Aussagekraft.

In radikalem Kontrast dazu stünde Karl Barth. Er weigerte sich zu akzeptieren, dass es gute intellektuelle Gründe gäbe, die Wahrheit des Evangeliums mit Prämissen zu begründen. Die Wahrheit käme als Offenbarung von außen, als solche könne sie auch nie nachgewiesen und bewiesen werden, sondern müsse geglaubt werden. Barth selbst, John Howard Yoder und Papst Johannes Paul II wurden von Hauerwas als Beispiele und Zeugen für die Lebendigkeit und Wahrheit des Evangeliums angeführt.[1]

2003 wurde Hauerwas in die American Academy of Arts and Sciences gewählt.

Ethische Positionen

Hauerwas ist überzeugter christlicher Pazifist und Vertreter der Gewaltlosigkeit. Er wendet sich gegen die Theorie vom gerechten Krieg und gegen Nationalismus, insbesondere gegen amerikanischen Patriotismus, der in seinen Augen keinen Platz in der Kirche hat. Die konstantinische Wende hält er für eine kirchengeschichtliche Fehlentwicklung; die Kirche dürfe sich nicht mit dem Staat bzw. der Welt verbinden, sondern müsse eine Gegenkultur der Vergebung und Versöhnung, der Fremdenfreundlichkeit und Wehrlosigkeit bilden. Denn zwischen 1960 und 1980 seien auch die USA und Westeuropa in eine nachchristliche Epoche eingetreten, die die Kirchen und das Verhältnis von Kirche und Staat verändert haben. In dieser postmodernen Zeit gelte es wieder neu, die richtigen Fragen zu stellen und von Christus gemeinsam die bereitgestellten Antworten zu hören und zu tun.[2]

In seinen theologischen Ausführungen beruft er sich auf Positionen von Dietrich Bonhoeffer, Karl Barth[3] und John Howard Yoder[4] und grenzt sich von den existenziellen Ansätzen Rudolf Bultmann und Paul Tillichs[5] und dem Kulturprotestantismus von Reinhold Niebuhr und H. Richard Niebuhr ab.[6] Den evangelikalen Geistlichen Jerry Falwell und seine Moral Majority-Bewegung kritisierte er, weil sie ähnlich wie der Kulturprotestantismus von der Demokratie, dem National- und Rechtsstaat Hilfe erwarteten, die eigentlich nur Gott geben und in einer Gemeinschaft bewirken kann.[7]

Daher tritt Hauerwas auch gegen Abtreibung und Todesstrafe auf.[8] Aber er lässt sich nicht in die Kategorien liberal und konservativ einteilen, die er besonders für die christlichen Kirchen nicht zielführend findet.[9]

Werke

Deutsch

  • Selig sind die Friedfertigen. Ein Entwurf christlicher Ethik. Neukirchener, Neukirchen-Vluyn 1995, ISBN 3-7887-1555-3 (Übersetzung: Guy Marcel Clicqué Reihe: Evangelium und Ethik, Bd. 4)
  • Mit William H. Willimon: Christen sind Fremdbürger. Wie wir wieder werden, was wir sind: Abenteurer der Nachfolge in einer nachchristlichen Gesellschaft. Fontis, Basel 2016, ISBN 978-3-03848-075-4

Englisch (Auswahl)

  • The Peaceable Kingdom: A Primer in Christian Ethics, 1983, ISBN 0-268-01554-6
  • Against the Nations: War and Survival in a Liberal Society, 1985, ISBN 0-86683-957-7
  • Christian Existence Today: Essays on Church, World, and Living in Between, 1988, ISBN 1-58743-022-3
  • Resident Aliens: Life in the Christian Colony, 1989 (mit William H. Willimon), ISBN 0-687-36159-1 (Neuauflage bei Riggins, Punta Gorda Florida 2014)
  • After Christendom: How the Church Is to Behave If Freedom, Justice, and a Christian Nation Are Bad Ideas, 1991, ISBN 0-687-00929-4
  • Unleashing the Scripture: Freeing the Bible from Captivity to America, 1993, ISBN 0-687-31678-2
  • Dispatches from the Front: Theological Engagements With the Secular, 1994, ISBN 0-8223-1475-4
  • The Hauerwas Reader, 2001, ISBN 0-8223-2691-4
  • Performing the Faith: Bonhoeffer and the Practice of Nonviolence, 2004, ISBN 1-58743-076-2

Literatur

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Website Gifford Lectures
  2. Stanley Hauerwas: Christen sind Fremdbürger. Wie wir wieder werden, was wir sind: Abenteurer der Nachfolge in einer nachchristlichen Gesellschaft. Fontis, Basel 2016, ISBN 978-3-03848-075-4, Seiten 35-40
  3. Stanley Hauerwas: Christen sind Fremdbürger. Wie wir wieder werden, was wir sind: Abenteurer der Nachfolge in einer nachchristlichen Gesellschaft. Fontis, Basel 2016, ISBN 978-3-03848-075-4, Seiten 45-52
  4. Stanley Hauerwas: Christen sind Fremdbürger. Wie wir wieder werden, was wir sind: Abenteurer der Nachfolge in einer nachchristlichen Gesellschaft. Fontis, Basel 2016, ISBN 978-3-03848-075-4, Seiten 71-74
  5. Stanley Hauerwas: Christen sind Fremdbürger. Wie wir wieder werden, was wir sind: Abenteurer der Nachfolge in einer nachchristlichen Gesellschaft. Fontis, Basel 2016, ISBN 978-3-03848-075-4, Seiten 40-46
  6. Stanley Hauerwas: Christen sind Fremdbürger. Wie wir wieder werden, was wir sind: Abenteurer der Nachfolge in einer nachchristlichen Gesellschaft. Fontis, Basel 2016, ISBN 978-3-03848-075-4, Seiten 54-67
  7. Stanley Hauerwas: Christen sind Fremdbürger. Wie wir wieder werden, was wir sind: Abenteurer der Nachfolge in einer nachchristlichen Gesellschaft. Fontis, Basel 2016, ISBN 978-3-03848-075-4, Seiten 55-123
  8. http://lifewatch.org/abortion.html
  9. Andy Rowell: The Gospel Makes the Everyday Possible. 70-year old Duke theologian Stanley Hauerwas explains his new memoir, addresses his critics, and explains why he says, We're all congregationalists now. Christianitytoday, 9. September 2010