Theologie

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Theologie (Vorlage:ELSneu theología, von θεός theós ‚Gott‘ und -logie) bedeutet „die Lehre von Gott“ oder Göttern im Allgemeinen und die Lehren vom Inhalt eines spezifischen religiösen Glaubens und seinen Glaubensdokumenten im Besonderen.

Personifikation der christlichen theologischen Fakultät am Denkmal Kaiser Karls IV. vor dem Altstädter Brückenturm der Prager Karlsbrücke

Historische Entwicklung des Begriffs

Griechische Antike

Der Begriff theologia tritt bereits in der griechischen Antike auf. Dort bezeichnete er die „Rede von Gott“, das Singen und Erzählen (gr. „mythein“) von Göttergeschichten.[1] Der älteste Beleg für dieses mythische Verständnis von Theologie findet sich in Platons Staat (379a). Platon legt an die Göttermythen der kritisierten Theologie den kritischen Maßstab der Frage nach der Wahrheit als dem Einen, Guten und Unveränderlichen an. Bei Aristoteles zeigt sich dann eine Umprägung des Theologiebegriffs: Theologie als die oberste der theoretischen Wissenschaften richtet sich hier nun auf das Göttliche als das erste und eigentliche Prinzip (Metaphysik (Aristoteles) 1064a/b). Die Theologie hat sich damit von der Mythologie hin zur Metaphysik gewandelt.

Christentum

Bereits im zweiten Jahrhundert wird der Begriff von christlichen Autoren, den sogenannten Apologeten, aufgegriffen, die ihn nun im Kontrast zur mythologia (Erzählen von Göttergeschichten) der polytheistischen heidnischen Autoren verwenden. Bei Eusebius bedeutet der Begriff dann etwas wie „das christliche Verständnis von Gott“. Bei allen patristischen Autoren bezog sich der Begriff jedoch nicht auf die christliche Lehre im Allgemeinen, sondern nur auf die Aspekte von ihr, die sich direkt auf Gott bezogen. So wurden als einzige frühchristliche Autoren der Autor des Johannesevangeliums und Gregor von Nazianz spezifisch als „Theologen“ bezeichnet, weil Gott bei ihrer Lehre im Mittelpunkt stand. Die Fragen nach dem Heilshandeln und der Heilsordnung Gottes für die Menschen wurden unter dem Begriff der Ökonomie (gr. „oikonomia“) behandelt.

Thomas von Aquin

Theologen in der Alten Kirche waren häufig Bischöfe, im Mittelalter in der Regel Mönche. Mit der Entstehung der Universitäten als Ordenshochschulen im Mittelalter bildete die Theologie meist die erste Fakultät. Im Hochmittelalter bekam der Begriff dann bei Peter Abaelard (Frühscholastik) und Bonaventura (Hochscholastik) erstmals die allgemeinere Bedeutung „das Gebiet des heiligen Wissens“, das die gesamte christliche Lehre umfasste. Zum feststehenden Begriff in diesem Sinn wurde Theologie dann insbesondere aufgrund der Summa theologica von Thomas von Aquin, der Theologie in erster Linie als spekulative, theoretische Wissenschaft ansah.

Die Reformatoren betonten dann den praktischen Aspekt der Theologie wieder stärker. Damit steht Martin Luther auch in der Tradition der monastischen Verankerung der Theologie wie sie im Mittelalter z. B. bei Anselm von Canterbury und Bernhard von Clairvaux wirksam war. Praktische Wissenschaft war die Theologie in dem Sinne, dass sie ganz auf die Zueignung des Heils durch Gott, also den praktischen Vollzug des Glaubenslebens bezogen war. In diesem Sinne bestimmten auch zahlreiche Vertreter der lutherischen Orthodoxie die Theologie als eine scientia practica, die allerdings in ihrer Durchführung auch Anleihen bei der theoretischen Wissenschaft machen müsse. Deshalb gewannen die theologischen Systeme der lutherischen Orthodoxie vielfach äußerlich einen ähnlichen Charakter wie die alten scholastischen Summen, waren inhaltlich aber anders angelegt und auch in ihrem systematischen Aufbau (der sich an den analytischen ordo des Aristoteles anlehnte) stärker auf die Glaubenspraxis hin ausgerichtet. Teilweise etablierte sich auch wieder ein stärker oder gar rein theoretisches Verständnis der Theologie.

Die Unterscheidung der Theologie als Wissenschaft von der Glaubenspraxis und der unmittelbaren Erkenntnis des Glaubens wurde schon zur Zeit der lutherischen Orthodoxie durch den Theologen Georg Calixt vorbereitet. In Ansätzen liegt sie auch bei Abraham Calov und Johann Andreas Quenstedt vor. Während diese allerdings die Theologie dem Glauben vorordnen, wird das Verhältnis in der Aufklärung umgekehrt: Die Theologie ist als Reflexionsform gegenüber dem Glauben bzw. der Religion sekundär. Diese Verhältnisbestimmung tritt erstmals bei Johann Salomo Semler auf. Friedrich Daniel Ernst Schleiermacher begriff die Theologie dann als eine positive Wissenschaft, die auf die Kirchenleitung bezogen ist. Während die Unterscheidung von Theologie und Glaube bis heute für den theologischen Diskurs maßgeblich ist, bleibt die Ausrichtung der Theologie auf die Kirchenleitung umstritten.

Christliche Theologie

Die Theologien im Christentum verstehen sich als wissenschaftliche Auseinandersetzungen mit den Quellen des Glaubens (Biblische Theologie und Historische Theologie) und der Glaubenspraxis (Praktische Theologie) sowie als systematische Analyse und Darstellung des Glaubens (Systematische Theologie, unter anderem Fundamentaltheologie, Dogmatik und Ethik). Im 20. Jahrhundert kam als Disziplin die Interkulturelle Theologie hinzu, die das Verhältnis der christlichen Theologie und Praxis im Kontext verschiedener Kulturen, Religionen und Gesellschaften untersucht und sich den Fragen des interkulturellen wie interreligiösen Miteinanders widmet.[2]

Christliche Theologie bezieht sich meist auf eine bestimmte Konfession. Hierbei werden nicht nur die dargestellten Inhalte, sondern oft auch die Denkweisen und angewandten Methoden von der jeweiligen Konfession bestimmt. In der wissenschaftlich betriebenen Theologie wird diese Tatsache selbst noch einmal problematisiert und reflektiert.

Kritik innerhalb der Theologie

Kritik begleitet die ganze Kirchengeschichte, denn Auseinandersetzungen zwischen der etablierten Kirche und abweichenden Strömungen sind stets mit Kritik (an den Ansichten der anderen) verbunden. Daneben gibt es aber von Beginn an auch ein selbstkritisches Hinterfragen des eigenen Verständnisses. Schon Paulus mahnt: „Prüft alles und behaltet das Gute!“ (1 Thess 5,21 EU), und verweist auf die Vorläufigkeit unseres jeweiligen Erkenntnisstandes („unser Erkennen ist Stückwerk ...“, 1 Kor 13,9.12 EU). Gegenwärtig betonen theologische Lexika die kritische Aufgabe der Theologie.[3] Für Heinzpeter Hempelmann ist Kritik „die einzig angemessene Antwort auf (einen) Offenbarungsanspruch“, denn die Spuren eines die menschliche Vernunft derart in Frage stellenden Ereignisses wie die Menschwerdung Gottes seien „unterscheidend und prüfend“ wahrzunehmen.[4] Das Thema Kritik im Bereich der christlichen Religion behandelt Franz Graf-Stuhlhofer grundsätzlich im Buch Christliche Bücher kritisch lesen[5] sowie in der Studie Facetten kritischen Denkens.[6]

Kritik an der Theologie

Einige Wissenschaftstheoretiker sprechen jeder (christlichen) Theologie aufgrund ihrer Bekenntnisgebundenheit die Wissenschaftlichkeit ab und kritisieren ihre Präsenz und Finanzierung an staatlichen Universitäten in Form von theologischen Fakultäten.[7]

Kritik an der Theologie richtet sich z. B. gegen

  • eine fehlende Ergebnisoffenheit: „Gott“, „der Glaube“, „die Offenbarung“ und dergleichen würden vorausgesetzt und seien nicht falsifizierbar. Ein solcher Anspruch auf absolute Wahrheit sei in anderen Wissenschaften ausgeschlossen. Mit Ausnahme einzelner Teildisziplinen gehe die Theologie in ihrer Gesamtheit ohne die Bejahung der Glaubenswahrheiten in Philologie, Hebraistik, Geschichte und Religionswissenschaft auf.
  • eine fehlende Freiheit der Lehre: Theologische Lehrstühle würden im Einvernehmen mit der Kirche besetzt und zumindest an katholischen Fakultäten sei eine Lehrerlaubnis erforderlich; damit sei eine Freiheit der Lehre nicht mehr garantiert.
  • eine Entfernung der dogmatischen Theologie von den Erfahrungen der Menschen, besonders von ihren Sehnsüchten, Ängsten und Nöten. Diese könne zu einem „Begriffsfetischismus“ herabsinken.[8]

Auf diese Anfragen gibt es verschiedene Reaktionen seitens der Theologen:

Manche Theologen sehen Gott nicht als unmittelbaren Gegenstand einer theologischen Wissenschaft; z. B. sieht Wolfhart Pannenberg Gott als Gegenstand des Glaubens.

Mitunter beruht Kritik an der Theologie auf einem naturwissenschaftlich orientierten „objektiven“ Wissenschaftsbegriff. Hier kam es im Rahmen der Wissenschaftstheorie seit den 1960er Jahren zu einer veränderten Sichtweise, etwa durch Thomas S. Kuhns Hinweis darauf, dass bei der Entscheidung von Forschern für oder gegen einen Paradigmenwechsel psychologische Faktoren mitwirken.[9] Auch die Analytische Philosophie war einflussreich.[10]

Theologie in anderen Religionen

Der Begriff „Theologie“ ist eigentlich im Christentum beheimatet. Wenn er heute auch auf andere Religionen (v. a. Judentum und Islam) übertragen wird, so können sich dabei Probleme ergeben, da der Begriff innerhalb dieser Religionen meist kritisch betrachtet wird. So sprechen viele jüdische Gelehrte (die sich eben nicht „Theologen“ nennen) eher von jüdischer Rechtsauslegung, Kasuistik oder einfach nur Lehre (Tora).

Konfessionell gebundene Fakultäten und Seminare gibt es nur für Christentum, Judentum und Islam. Es findet zwar im Rahmen der Vergleichenden Religionswissenschaft eine wissenschaftliche Beschäftigung mit vielen Religionen und ihren Inhalten statt, und es werden Studiengänge wie Judaistik oder Islamwissenschaft angeboten, jedoch ist die Perspektive und Methodik hierbei deutlich von einer theologischen Herangehensweise unterschieden, und es gibt dabei auch keine konfessionelle Festlegung.

Judentum

Im Judentum gibt es keine allgemeinverbindlichen Dogmen und demzufolge auch keine Theologie im eigentlichen Sinne („Lehre von Gott“). Die Hochschule für Jüdische Studien in Heidelberg wird vom Zentralrat der Juden in Deutschland getragen. Sie widmet sich der Wissenschaft des Judentums. Auch gibt es an mehreren Universitäten Studiengänge für Judaistik, die unabhängig von der Religionszugehörigkeit besucht werden können.

Islam

Die islamwissenschaftlichen Institute und Seminare der Universitäten beschäftigen sich mit der Geschichte und Praxis des Islams.

Im Islam selbst gibt es eine traditionelle Theologie, die Ilm al-Kalam genannt wird. Bedeutungsvoll sind allerdings auch die islamischen Rechtswissenschaften Fiqh und Schari'a.

Hinduismus

Die Verwendung des deutschen Begriffs „Gott“ in Bezug auf den Hinduismus kann verwirren, auch die Begrifflichkeit „Gott“ betreffend.

Brahman ist das unbeschreibbare, unerschöpfliche, allwissende, allmächtige, nicht körperliche, allgegenwärtige, ursprüngliche, erste, ewige und absolute Prinzip. Es ist ohne einen Anfang, ohne ein Ende, in allen Dingen versteckt und die Ursache, die Quelle und das Material aller bekannten Schöpfung, selbst jedoch unbekannt und doch dem gesamten Universum immanent und transzendent. Die Upanishaden beschreiben es als das eine und unteilbare, ewige Universalselbst, das in allem anwesend ist und in dem alle anwesend sind.

Von manchen Richtungen wird der Ishvara (wörtlich: der „höchste Herr“) als die manifestierte Form (siehe Avatara) von Brahman gesehen. Die Illusionskraft, durch die das Brahman als die materielle Welt, die einzelnen Seelen und der Ishvara gesehen zu werden, wird Maya genannt. Es gibt auch ihm unterstellte Wesen, die Devas genannt werden. Sie gelten gemäß dieser Sichtweise als die weltlichen Äußerungen des einen Ishvara.

Nach Auffassung des Advaita Vedanta ist der Mensch in seinem innersten Wesenskern mit dem Brahman gleich, und diese Einheit gilt es zu erkennen. Advaita Vedanta (Nichtdualität) ist die Lehre Shankaras (788–820 n. Chr), die auf diese Erkenntnis der Einheit zielt. Nach der Lehre des Vishishtadvaita von Ramanuja dagegen ist das höchste Prinzip alles, was existiert. Es besteht jedoch ein qualitativer Unterschied zwischen individueller Seele und höchstem Prinzip. Am anderen Ende des Spektrums steht die rein dualistische Philosophie des Dvaita Vedanta des Madhvas, die streng zwischen Seele und höchstem Prinzip unterscheidet (siehe: Indische Philosophie).

Literatur

Auswahlliteratur zur Christlichen Theologie findet sich im dortigen Hauptartikel

Weblinks

Wiktionary: Theologie – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen
Commons: Theologie – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
Wikisource: Zeitschriften (Theologie) – Quellen und Volltexte

Für Weblinks zu den Theologien bestimmter Religionen vgl. jeweiligen Nachbarartikel, z. B. den Hauptartikel Christliche Theologie.

Einzelnachweise

  1. Später verstanden christliche Theologen wie Karl Barth z. B. unter diesem Begriff: „Gottes Rede zu den Menschen“.
  2. Henning Wrogemann, Interkulturelle Theologie und Hermeneutik, Gütersloh 2012; H. Wrogemann, Theologie Interreligiöser Beziehungen, Gütersloh 2015.
  3. Manfred Marquardt sieht „die Aufgabe der Theologie“ in der „Prüfung (= Kritik) kirchlicher Verkündigung und Lehre“, im Art. Kritik, II. Theologisch. In: Theologische Realenzyklopädie, Bd. 20, 1990, S. 77-81.
  4. Heinzpeter Hempelmann: Art. Kritik/Kritizismus, in: Evangelisches Lexikon für Theologie und Gemeinde, Bd. 2, 1993, S. 1185f.
  5. Franz Graf-Stuhlhofer: Christliche Bücher kritisch lesen. Ein Lehr- und Arbeitsbuch zum Trainieren der eigenen Urteilsfähigkeit anhand von Auszügen aus konservativen evangelischen Sachbüchern (Theologisches Lehr- und Studienmaterial, 26). VKW, Bonn 2008.
  6. Franz Graf-Stuhlhofer: Facetten kritischen Denkens. In: Zeitschrift für Theologie und Gemeinde 19 (2014) S. 32-44.
  7. Vgl. etwa: Rudolf Weth, Christof Gestrich, Ernst Lüder Solte: Theologie an staatlichen Universitäten? Kohlhammer, Stuttgart, Berlin, Köln, Mainz 1972. − Patrick Becker, Thomas Gerold (Hrsg.): Die Theologie an der Universität. Versuch einer Standortbestimmung. Lit, Münster 2005.
  8. Eugen Drewermann: Glauben in Freiheit oder Tiefenpsychologie und Dogmatik, Bd. 1, Patmos, 1993.
  9. Wolfgang Stegmüller machte im deutschen Sprachraum Ergebnisse und Probleme analytischer Debatten bekannt; er präzisierte u. a. die Thesen Kuhns im Rahmen der Konzeption Joseph D. Sneeds (strukturierte Theorien).
  10. Wichtige Beiträge kamen von John Leslie Mackie sowie von Hans Albert (Kritischer Rationalismus).