Typ 98 (Stielhandgranate)

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Typ 98 (Stielhandgranate)


Eine japanische Typ-98-Stielhandgranate Version A

Allgemeine Angaben
Typ: Splittergranate
Herkunftsland: Japanisches Kaiserreich Japan
Indienststellung: 1938
Einsatzzeit: 1938 bis 1945
Technische Daten
Gefechtsgewicht: 560 g
Ladung: 78 g Pikrinsäure
Länge: 202 mm
Durchmesser: 50 mm
Zünder: Friktionszünder
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Die Typ 98 Stielhandgranate (jap. 九八式柄付手榴弾, Kyūhachi-shiki Etsuki Teryūdan) war eine Handgranate des Kaiserlich Japanischen Heeres während des Zweiten Chinesisch-Japanischen Krieges und des Zweiten Weltkriegs, die 1938 (Jahr 2598 nach dem Kōki-Kalender, daher die Jahreszahl der Benennung) eingeführt und bis 1945 bei den Landstreitkräften verwendet wurde.

Geschichte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Mit dem Beginn des Russisch-Japanischen Krieges 1904 begann auch für Japan die Zeit des industrialisierten Schützengrabenkriegs. Entsprechend gab es einen Bedarf an Waffen, die auf kurze Distanz gegen feindliche Stellungen eingesetzt werden konnte. Zunächst kamen improvisierte Sprengkörper zum Einsatz. Nach Ende des Krieges 1905 wurde neben anderen, damals modernen Waffen auch eine spezielle Handgranate neu entwickelt. Diese war oben u-förmig mit dem Zündkanal in der Mitte. In diesem war ein 8 Sekunden brennender Schwarzpulver-Zeitzünder eingelassen, der über einen wie ein Streichholz funktionierenden Reibezünder ausgelöst wurde. Dazu war in der Abdeckung des Zündkanals eine Reibfläche eingebaut. Nach unten hin lief die Granate konisch zu und endete in einer Verlängerung mit einem Außengewinde. An dem Gewinde wurden mehrere Baumwollseile oder ein Baumwolltuch befestigt. Beim Werfen dienten diese als Handgriff und während des Fluges stabilisierten sie die Flugbahn ähnlich wie ein fester Stiel. Die Sprengladung bestand aus 40 g Schwarzpulver. Diese Granaten wurden im Jahr 1907 (Jahr 40 der Herrschaft des Meiji-Kaisers) als Typ Meiji 40 Handgranaten offiziell eingeführt. Im Heer wurde sie auch als urnen- oder glasförmige Handgranaten, später schlicht als Handgranaten bezeichnet.[1]

Während der Taisho-Ära ab 1912 kam es zu mehreren Verbesserungen, die vor allem die Transport- und Auslösesicherheit betrafen. Zudem wurde das Schießpulver der Sprengladung durch Trinitrotoluol ersetzt und an Stelle der Baumwollseile wurde vermehrt auf Hanfseile und Strohbündel zurückgegriffen. Insgesamt wurden bis 1930 drei verschiedene Verbesserungen offiziell eingeführt und neben der nach westlichem Muster ausgelegten Typ Taisho 10 Multifunktions-Handgranate in China und der Mandschurei verwendet.[2][3]

Entwicklung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

1936/37 erbeutete das Heer dann größere Mengen der deutschen Stielhandgranate 24 von den nationalchinesischen Truppen. Da diese mit dem festen Stiel noch besser handhabbar waren als die Handgranaten mit den Wurfseilen wurde dann 1937 entschieden, die Stielgranate an die Größenverhältnisse japanischer Soldaten anzupassen und mit einigen weiteren Änderungen in Serie zu fertigen. Die offizielle Einführung konnte 1938 erfolgen.

Technik[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Der Granatkörper bestand aus zwei Teilen:

  • Holzstiel
  • stählerner Sprengtopf
Schnittskizze der Typ-98-Stielhandgranate, Version A

Bei Beginn der Produktion wurde neben dem zylindrischen Sprengtopf auch der Sprengtopf der letzten Version der vorhergehenden Handgranate mit Wurfseilen verwendet. Erste Version erhielt zusätzlich die Bezeichnung Version A, zweitere wurde Version B benannt.

Der Holzstiel war 120 mm lang und innen hohl. Unten war ein Schraubgewinde für die Zünderschutzkappe eingearbeitet. Der Mittelteil war ergonomisch an die natürliche Handform beim Greifen angepasst. Der obere Teil war zylindrisch, um den Topf aufsetzen zu können. Im Stiel war ein Abreißanzünder mit dem Reibekopf an einer Schnur eingebaut. Am Ende der Schnur war unten ein Metallring befestigt, der bei offener Zünderschutzkappe aus dem Stiel heraushing. Im oberen Teil des Stiels war der aus Schwarzpulver bestehende, 4,5 s lang brennende Zeitzünder eingesetzt.[4]

Der Sprengtopf war bei der Version A zylindrisch und mit 80 mm etwas länger als bei der deutschen Handgranate. Zudem war er deutlich dickwandiger, um eine bessere Splitterwirkung zu erhalten. Anders als die Stielhandgranate 24 war die japanische Version daher eine Splittergranate. Als Sprengsatz dienten 78 g Pikrinsäure, was eine Schutzschicht gegen Korrosion im Inneren des Sprengtopfs nötig machte. Dies wurde durch eine Lackschicht sowie eine Wachspapiereinlage erreicht.[4] Version B der Granate verwendete zur Produktionsbeschleunigung den Sprengtopf der letzten Version der vorhergehenden Handgranate mit Wurfseilen. Dieser war oben abgerundet und besaß in der Mitte noch den Schacht für den Zünder der Vorgängerhandgranate. Dieser wurde durch einen Stopfen mit Teerversiegelung verschlossen. Die Übertragungsladung wurde nach unten verlegt.[5]

Beim Zusammenbau wurde bei beiden Versionen der Sprengkopf zunächst mit der Pikrinsäure befüllt und dann die Übertragungsladung eingesetzt. Nach Einsetzen des Stiels in den Kopf wurde dieser mit zwei an gegenüberliegenden Seiten liegenden Schrauben befestigt. Die Zündladung grenzte dann direkt an die Übertragungsladung. Zuletzt wurde der Übergang zwischen Stiel und Kopf mit Teer oder Wachs wasserdicht verschlossen.

Beim Herausziehen der Schnur und des Reibekopfs aus dem Stiel entstand an den mit Glassand versehenen Reibeflächen um den Kopf herum Funken. Diese lösten den Zeitzünder aus. Kurz vor seinem Ausbrennen zündete dieser dann die Übertragungsladung, welche die eigentliche Sprengladung zur Detonation brachte.

Produktion und Einsatz[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Produktion konnte sehr schnell hochgefahren werden. So wurden allein 1938 noch knapp 96.000 Stück gefertigt, die meisten davon Version B. Zunächst wurden die Granaten an Truppen in Nordchina und in der Mandschurei geliefert. Dort bewährten sich die Granaten. Zwar war die Produktion im Vergleich zu den zeitgleich verwendeten Multifunktions-Handgranaten der Typen 97 und 99 wegen des Holzstiels aufwändiger. Dafür wurde weniger Stahl benötigt, da weder ein Zünderaufsatz noch der Treibsatz und die Finnen für die Verwendung in den Typ 89 5 cm Granatwerfern beziehungsweise mit den Typ 91 Gewehrgranatwerfern benötigt wurden. Nach Verbrauch der vorhandenen Granatköpfe der Version B wurde nur noch Version A gebaut.[5]

Im Verlauf des späteren Pazifikkrieges konnte die Produktion weiter gesteigert werden, so dass ab 1943 viele Handgranaten für die Abwehr der immer wahrscheinlich werdenden Invasion der Alliierten auf den Heimatinseln eingelagert werden konnten. Genaue Produktionszahlen sind aber nicht bekannt.

Nachkriegseinsatz[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Typ 98 Stielhandgranate wurde auch noch nach dem Zweiten Weltkrieg in verschiedenen Konfliktzonen eingesetzt. Zuletzt wurden 2015 noch einige der Handgranaten in Lagern von Milizen im Kongo gefunden.[6]

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Kameharu Wada, Adjutant des Kriegsministeriums: Entwurf eines Arbeitshandbuchs für Angriffe. Armeeministerium des Kaiserreichs Japan, Tokyo 1938, S. 136–172 (Textarchiv – Internet Archive – japanisch: 突撃作業教範草案. Japanisches Zentrum für Asiatische Aufzeichnungen (JACAR) Katalognummer C01007141800).
  • Technisches Hauptquartier des Heeres: Änderung der Norm für Handgranaten. Armeeministerium des Kaiserreichs Japan, Tokyo 1920 (Textarchiv – Internet Archive – japanisch: 手榴弾制式改正の件. Japanisches Zentrum für Asiatische Aufzeichnungen (JACAR) Katalognummer C02030961700).
  • Fujita Meido: Handgranaten, Wurfgranaten, Wasserbomben usw.-1. 1999 (Textarchiv – Internet Archive – japanisch: 手榴弾・擲弾・爆雷等-1. Fujita Rüstungsforschungsinstitut Website).
  • Fujita Meido: Handgranaten, Wurfgranaten, Wasserbomben usw.-2. 1999 (Textarchiv – Internet Archive – japanisch: 手榴弾・擲弾・爆雷等-2. Fujita Rüstungsforschungsinstitut Website).
  • Fujita Meido: Handgranaten, Wurfgranaten, Wasserbomben usw.-3. 1999 (Textarchiv – Internet Archive – japanisch: 手榴弾・擲弾・爆雷等-3. Fujita Rüstungsforschungsinstitut Website).
  • TM 9-1985–4 Japanese Explosives Ordnance (BOMBS, BOMB FUZES, LAND MINES, GRENADES, FIRING DEVICES AND SABOTAGE DEVICES). Chapter 3-Section 2: HAND, RIFLE, AND MORTAR GRENADES. In: US-Department of War (Hrsg.): Department of the Airforce Technical Manual. TM 9-1985-4. Washington D.C. 1953, OCLC 1020146929, S. 230 (Textarchiv – Internet Archive [PDF]).
  • TM–E 30–480 Handbook on japanese military Forces. Section III. Artillery. In: US-Department of War (Hrsg.): War Department technical Manual. TM–E 30–480. Washington D.C. 15. September 1944, OCLC 5039485, S. 211–212 (Textarchiv – Internet Archive).
  • jwh1975: Waffen des 2. Weltkriegs nach dem Krieg. 2018 (Textarchiv – Internet Archive – englisch: flow of WWII weapons after the war. wwiiafterwwii).

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Commons: Typ 98 – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Fujita Meido: Handgranaten, Wurfgranaten, Wasserbomben usw.-1.
  2. Technisches Hauptquartier des Heeres: Änderung der Norm für Handgranaten. S. 2–9.
  3. Kameharu Wada, Adjutant des Kriegsministeriums: Entwurf eines Arbeitshandbuchs für Angriffe. S. 136 ff.
  4. a b Department of the Airforce: TM 9-1985–4: Japanese Explosives Ordnance (BOMBS, BOMB FUZES, LAND MINES, GRENADES, FIRING DEVICES AND SABOTAGE DEVICES). S. 230.
  5. a b Fujita Meido: Handgranaten, Wurfgranaten, Wasserbomben usw.-3.
  6. jwh1975: Waffen des 2. Weltkriegs nach dem Krieg.