Wladislaw Jurjewitsch Surkow

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Wladislaw Surkow im April 2010

Wladislaw Jurjewitsch Surkow (russisch Владислав Юрьевич Сурков, wiss. Transliteration Vladislav Jur'evič Surkov; * 21. September 1964 in Solnzewo, Oblast Lipezk) ist ein russischer Geschäftsmann und Politiker. Surkow wurde gelegentlich als „Kreml-Chefideologe“ oder auch als „dritter Mann im Staat“ bezeichnet und galt zeitweise als weitgehend verantwortlich für die russische Innenpolitik.[1] Im Jahr 2004 soll er maßgeblich zum Wahlsieg von Wladimir Putin bei den Präsidentschaftswahlen beigetragen haben. Seit dem 27. Dezember 2011 war Surkow Vize-Ministerpräsident in der russischen Regierung.[2] Am 8. Mai 2013 trat Surkow von diesem Amt zurück. Vorausgegangen war der Vorwurf Putins, die Regierung habe seine Dekrete nicht angemessen umgesetzt. Auch war es zwischen Surkow und den russischen Strafermittlungsbehörden zu Auseinandersetzungen über Korruptionsvorwürfe im Innovationszentrum Skolkowo gekommen.[3] Am 24. September 2013 wurde Surkow zum persönlichen Berater Putins ernannt. In dieser Funktion soll er sich unter anderem um die sozioökonomische Entwicklung der von Georgien abtrünnigen Regionen Abchasien und Südossetien kümmern.[4]

Leben

Wladislaw Surkow wurde nach offiziellen Angaben am 21. September 1964 in dem Dorf Solnzewo in der Oblast Lipezk geboren.[5] Über Surkows Geburtsort (einige Quellen sprechen von Schali in Tschetschenien),[6] über sein Geburtsjahr (einige Quellen sprechen vom Jahr 1962) sowie zu anderen Details seiner Herkunft und frühen Biografie gibt es zum Teil unterschiedliche Angaben bzw. Spekulationen.[7][8] Nach Surkows eigenen Angaben ist sein Vater Tschetschene, seine ersten fünf Lebensjahre habe er in Tschetschenien verbracht.[9]

Nach der Scheidung seiner Eltern 1969 nahm Surkow den Familiennamen seiner Mutter an und zog mit ihr in die Stadt Skopin in der Oblast Rjasan, wo er die Mittelschule besuchte. Von 1983 bis 1985 absolvierte er seinen Militärdienst in der sowjetischen Armee. Nach seiner Dienstzeit arbeitete Surkow vorerst als Dreher, dann als Leiter eines Amateurtheaters und als Übersetzer. Seine Studien am Moskauer Institut für Stahl und Legierungen und am Moskauer Kulturinstitut beendete er ohne einen Abschluss. Danach schloss er an der damals neu gegründeten Internationalen Universität von Moskau ein Studium in Wirtschaftswissenschaften mit dem Master ab.

Wladislaw Surkow spricht fließend Englisch. Seine erste Ehefrau Julia Wischnewskaja und sein Sohn Artjom leben in London. 1998 heiratete er Natalija Dubowizkaja, eine ehemalige Mitarbeiterin der Menatep-Bank, mit der er zwei Kinder hat.[10]

Business-Karriere

  • 1987 Leiter der Werbeabteilung in der Zentrale des wissenschaftlich-technischen Branchenverbandes, die damals von Michail Chodorkowski geleitet wurde.
  • 1988 „Manager für die Verbindungen zu den Auftraggebern“ in einer neu gegründeten Jugendkooperative.
  • 1988 Leiter von Metapress, einer Agentur für Marketing-Kommunikation.
  • 1991 Leiter der Werbe- und Kommunikationsabteilung der Menatep-Bank von Michail Chodorkowski.
  • 1996 Leitende Position bei Rosprom, einer Menatep-Tochtergesellschaft zur Aktienverwaltung, welche unter anderem die Hausbank des angeschlagenen Ölkonzerns Jukos war. Rosprom führte eine Privatisierungs-Pfandauktion durch, bei der sie sich selbst die Aktienmehrheit von Jukos für 309 Millionen Dollar und damit weit unter Marktwert sicherte. Auf diesem Wege wurde Chodorkowski 1996 Jukos-Vorstandsvorsitzender und Großaktionär der Menatep-Gruppe.
  • 1997 Erster Stellvertretender Vorsitzender der Alfa-Bank.
  • 1998–1999 Erster Stellvertretender Generaldirektor und gleichzeitig Aufsichtsrat mit Spezialgebiet Public Relations des staatlichen Fernsehsenders ORT.

In der Politik

  • 1999 Assistierender Leiter der Präsidialverwaltung der Russischen Föderation
  • August 1999 Stellvertretender Leiter der Präsidialverwaltung der Russischen Föderation
  • März 2004 - Stellvertretender Leiter der Präsidialverwaltung - Assistent des Präsidenten der Russischen Föderation
  • August 2004 Mitglied des Board of Directors der OAO AK Transnefteproduct, im September des gleichen Jahres - zum Vorsitzenden des Board of Directors
  • Initiator der Projekte Iduschtschije wmeste (2000) und die Bewegung Naschi (2005)
  • 15. Mai 2008 Erster stellvertretender Stabschef Dmitri Medwedews, Staatsrat der Russischen Föderation 1. Klasse
  • 31. Dezember 2009 Leiter der Arbeitsgruppe für einen Komplex zur Forschung und Entwicklung und Vermarktung ihrer Ergebnisse (siehe Innovationszentrum Skolkowo)
  • 27. Dezember 2011 bis 8. Mai 2013 Vize-Ministerpräsident in der Regierung
  • 24. September 2013 Ernennung zum persönlichen Berater des Präsidenten der Russischen Föderation

Wladislaw Surkow wird die Gründung der russischen Regierungspartei Einiges Russland im Dezember 2001 sowie der Jugendorganisation Naschi im April 2005 zugeschrieben.

Surkow wird auch zugeschrieben, für die im Sommer 2003 erfolgte Abspaltung der linksnationalistischen Partei Rodina von der Kommunistischen Partei der Russischen Föderation verantwortlich zu sein. Der Vorsitzende der kommunistischen Partei Gennadi Sjuganow beschuldigte nach den erheblichen Verlusten seiner Partei bei der russischen Parlamentswahl 2003 die Regierung unter Wladimir Putin, mit Rodina eine künstliche Konkurrenzpartei zur KP geschaffen zu haben. Surkow bezeichnet sich selbst als einen der Autoren des Putinismus, des neuen russischen Systems.[11]

Im April 2014 setzte die US-amerikanische Regierung und die EU Surkow auf eine Sanktionsliste infolge der Ukraine-Krise, die Surkow die Einreise in die Vereinigten Staaten und die Mitgliedsstaaten der EU verbietet.[12] Der Ukrainische Präsident Poroschenko unterstellte Surkow, die Scharfschützen organisiert zu haben, welche bei den Volksprotesten in der Ukraine auf dem Maidan sowohl auf Demonstranten als auch auf Polizisten geschossen hatten.[13].

Literarische Aktivitäten

Ende Juni 2009 erschien in Russland unter dem Pseudonym Nathan Dubowizkij (Натан Дубовицкий) ein Roman mit dem Titel Nahe Null (Околоноля). Die literarischen Qualitäten des Werks wurden von vielen Kritikern als beachtlich eingeschätzt, sowohl die Komposition als auch der Stil des Textes würden einen geübten Verfasser verraten. Das Buch male ein düsteres Bild des postkommunistischen Russland und beschreibe dessen Missstände schonungslos.[14]

Zur wahrscheinlichen Autorschaft Surkows führte das Pseudonym Dubowizkij, das auf den Namen seiner zweiten Frau Natalja Dubowizkaja anspielen soll. Am 11. November 2009 erklärte der russische Schriftsteller Wiktor Jerofejew in einem Interview der Literaturnaja gaseta, Surkow sei der Autor dieses Buches und er besitze ein von ihm signiertes Exemplar von Nahe Null.[15]

Auszeichnungen

Literatur

  • Michael Ludwig: Der Manipulator. Wladislaw Surkow denkt sich im Kreml Parteien aus, bringt Redakteure auf Linie und verfolgt Oligarchen. Er hat sogar genug Macht, um seine Vergangenheit auszulöschen., in: Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung 16. Oktober 2011, S. 12
  • Wladislaw Surkow Internationales Biographisches Archiv 41/2012 vom 9. Oktober 2012, im Munzinger-Archiv (Artikelanfang frei abrufbar)

Weblinks

Commons: Vladislav Surkov – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. http://www.spiegel.de/politik/ausland/0,1518,456858,00.html
  2. http://de.rian.ru/politics/20111227/262365201.html
  3. Russischer Vize-Premier: Putin wirft Strippenzieher Surkow raus, Spiegel Online vom 8. Mai 2013
  4. Rückkehr des Chefideologen, NZZ vom 24. September 2013
  5. http://government.ru/persons/171/
  6. Eintrag über Natan Dubowizki/Wladislaw Surkow bei perlentaucher.de, abgerufen am 9. Juni 2012
  7. Der umtriebige Untergebene, taz.de, 29. Dezember 2011
  8. http://www.km.ru/news/surkov/dossier
  9. Der Westen muss uns nicht lieben, Interviews des Spiegels mit Wladislaw Surkow vom 20. Juni 2005, abgerufen 21. Januar 2011
  10. http://lenta.ru/lib/14159273/full.htm
  11. „Der unbekannte Autor des Putinismus“ auf euromaidanpress, abgerufen am 19. Dezember 2014
  12. EU-Russland Sanktionen: Liste, Surkow auf zeit.de.
  13. Ukraine accuses Russia over Maidan 2014 killings, BBC, 20. Februar 2015
  14. Die Macht der Verachtung, faz.net, 29. Dezember 2009
  15. Виктор Ерофеев: Я не русофоб!, lgz.ru, 11. November 2009 (russisch)