„Hinduismus“ – Versionsunterschied

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Der '''Hinduismus''' ([[Sanskrit]]: हिन्दू धर्म: {{IAST|Hindū Dharma}}, auch सनातन धर्म {{IAST|Sanātana Dharma}} und वैदिक धर्म Vaidika Dharma) ist mit etwa 900 Millionen Anhängern die (nach [[Christentum]] und [[Islam]]) drittgrößte [[Religion]] der Erde und hat seinen Ursprung in [[Indien]]. Seine Angehörigen werden '''Hindus''' genannt. Gläubige Hindus verstehen ihre Religion oft auch als Lebensart. Die ältesten heiligen Schriften des Hinduismus sind die [[Veda|Veden]].
Der '''Hinduismus''' ([[Sanskrit]]: हिन्दू धर्म: {{IAST|Hindū Dharma}}, auch सनातन धर्म {{IAST|Sanātana Dharma}} und वैदिक धर्म Vaidika Dharma) ist mit etwa 900 Millionen Anhängern die (nach [[Christentum]] und [[Islam]]) drittgrößte [[Religion]] der Erde und hat seinen Ursprung in [[Indien]]. Seine Angehörigen werden '''Hindus''' genannt. Gläubige Hindus verstehen ihre Religion oft auch als Lebensart. Die ältesten heiligen Schriften des Hinduismus sind die [[Veda|Veden]].


Die Bezeichnung Hinduismus ist erst spät entstanden und war anfangs eine von außen herangetragene Sammelbezeichenung für die Anhänger verschiedener religiöser Richtungen auf dem [[Indischer Subkontinent|indischen Subkontinent]], die nicht [[Muslim|Moslems]], [[Christentum|Christen]],[[Judentum|Juden]], [[Buddhismus|Buddhisten]] oder [[Jainismus|Jainas]] waren. Der Begriff entwickelte aber eine beträchtliche Eigendynamik und wurde in der ersten Hälfte des [[19. Jahrhundert]]s unter Englischsprachigen zur Eigenbezeichnung, bald auch zur Identität und zeigte mit der Entwicklung der [[Hindutva]] sogar Ansätze einer Ideologisierung. Abweichend vom oben gesagten definiert die indische Verfassung den Hinduismus jedoch so, dass er auch den Jainismus, Buddhismus und [[Sikhismus]] umfasst.
Die Bezeichnung Hinduismus ist erst spät entstanden und war anfangs eine von außen herangetragene Sammelbezeichenung für die Anhänger verschiedener religiöser Richtungen auf dem [[Indischer Subkontinent|indischen Subkontinent]], die nicht [[Muslim|Moslems]], [[Christentum|Christen]], [[Judentum|Juden]], [[Buddhismus|Buddhisten]] oder [[Jainismus|Jainas]] waren. Der Begriff entwickelte aber eine beträchtliche Eigendynamik und wurde in der ersten Hälfte des [[19. Jahrhundert]]s unter Englischsprachigen zur Eigenbezeichnung, bald auch zur Identität und zeigte mit der Entwicklung der [[Hindutva]] sogar Ansätze einer Ideologisierung. Abweichend vom oben gesagten definiert die indische Verfassung den Hinduismus jedoch so, dass er auch den Jainismus, Buddhismus und [[Sikhismus]] umfasst.


Der Hinduismus ist deshalb eine Religion, die aus verschiedenen Richtungen mit recht unterschiedlichen Schulen und Ansichten besteht. Es gibt kein gemeinsames für alle gleichermaßen gültiges [[Glaubensbekenntnis]]. Nur einzelne Richtungen gehen auf einen bestimmten Begründer zurück. Da es sich beim Hinduismus um unterschiedliche religiöse Traditionen handelt, gibt es auch keine zentrale Institution, die Autorität für alle Hindus hätte. Die Lehren über [[Spiritualität|spirituelle]] Belange und sogar die Gottesvorstellungen sind in den einzelnen Strömungen sehr verschieden, selbst die Ansichten über Leben, Tod und Erlösung ([[Moksha]]) stimmen nicht überein. Die meisten Gläubigen jedoch gehen davon aus, dass Leben und Tod ein sich ständig wiederholender Kreislauf ([[Samsara]]) sind, sie glauben an die [[Wiedergeburt|Reinkarnation]]. Für den persönlichen Glauben haben religiöse Lehrer ([[Guru]]s) oft einen großen Stellenwert.
Der Hinduismus ist deshalb eine Religion, die aus verschiedenen Richtungen mit recht unterschiedlichen Schulen und Ansichten besteht. Es gibt kein gemeinsames für alle gleichermaßen gültiges [[Glaubensbekenntnis]]. Nur einzelne Richtungen gehen auf einen bestimmten Begründer zurück. Da es sich beim Hinduismus um unterschiedliche religiöse Traditionen handelt, gibt es auch keine zentrale Institution, die Autorität für alle Hindus hätte. Die Lehren über [[Spiritualität|spirituelle]] Belange und sogar die Gottesvorstellungen sind in den einzelnen Strömungen sehr verschieden, selbst die Ansichten über Leben, Tod und Erlösung ([[Moksha]]) stimmen nicht überein. Die meisten Gläubigen jedoch gehen davon aus, dass Leben und Tod ein sich ständig wiederholender Kreislauf ([[Samsara]]) sind, sie glauben an die [[Wiedergeburt|Reinkarnation]]. Für den persönlichen Glauben haben religiöse Lehrer ([[Guru]]s) oft einen großen Stellenwert.
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Das Ideal ist ein vierstufiges Lebensmodell, das vorsieht, nach den Schülerjahren eine Familie zu gründen und erst nachdem die Kinder erwachsen geworden sind sich zurückzuziehen und sich intensiv religiösen Studien und der eigenen Erlösung zu widmen.
Das Ideal ist ein vierstufiges Lebensmodell, das vorsieht, nach den Schülerjahren eine Familie zu gründen und erst nachdem die Kinder erwachsen geworden sind sich zurückzuziehen und sich intensiv religiösen Studien und der eigenen Erlösung zu widmen.


==Hinduismus in Deutschland==
== Literatur ==
Der Hinduismus war in Deutschland lange nur in der indologischen und religionskundlichen Literatur vertreten, als Religion lebendig fast nur in der Glaubenspraxis der wenigen z.B. als Händler, Diplomaten oder Gastronomen in Deutschland lebenden Inder und Tamilen.

Aktiv verbreitet wurde er in kleinem Umfang dann in den sechziger und siebziger Jahren von mönchisch lebenden Angehörigen der Hare-Krishna-Sekte, die damals zu den Jugendreligionen gezählt wurde. Ab der gleichen Zeit wandten sich einzelne junge Deutsche, die aus spirituellen und anderen Gründen nach Indien reisten, dem Hinduismus zu.

Fast überall verbreitet ist in Deutschland das Yoga, das von Zehntausenden praktiziert wird, aber fast immer nur als gesundheitsfördernde Gymnastik oder als Atemtherapie und Entspannungstechnik. Weitergehende religiöse Praktiken wurden und werden überwiegend gar nicht praktiziert. Jedoch wenden sich auch über diesen Weg immer wieder einzelne Deutsche dem Hinduismus zu.

===Tamilische Gemeinde===
Eine große und stabile hinduistische Gemeinde bildete sich ab 1983, als in der Folge des Bürgerkrieges zwischen Singhalesen und Tamilen in Sri Lanka etwa 60.000 Tamilen nach Deutschland einwanderten. Davon sind ca. 45.000 praktizierende Hindus, die auch 24 kleine Tempel für ihre Gemeinden einrichteten. Oft waren diese einfach nur umgestaltete Kellerräume oder Wohnungen. 1993 feierten Gläubige dieser Gemeinde in Hamm das jährliche Tempelfest mit einer öffentlichen Prozession für die Göttin Sri Kamadchi Ampal. Das im Mai/Juni stattfindende Fest das Jahr für Jahr 15. bis 20.000 Gläubige aus ganz Europa anzog, ermöglichte 1997-2002 in Hamm-Uentrop den Bau eines 27 mal 27 großen hinduistischen Tempels mit einer Fläche von 700qm. Während der größte Hindutempel in Europa in London im nordindischen Stil errichtet wurde, ist dieser zweitgrößte Hindutempel in Europa originalgetreu im südindischen Stil gebaut. <ref>http://www.kamadchi-ampal.de/Deutsch/pdf/Tempel_Flyer.pdf</ref><ref>http://www.indien.in-lippe.eu/html/SriKamadchiAmpalTempel.html</ref>

===Berlin===
In Berlin, wo 6000 Hindus aus Indien, Sri Lanka und Bangla Desh leben, wurde 2007 der erste Spatenstich für eine 4.600 qm große Tempelanlage ausgeführt im [[Volkspark Hasenheide]] im [[Bezirk Neukölln]]. Der Trägerverein plant den Tempel für [[Sri Ganesha]]. <ref>Peter Gärtner: ''"Unsere Religion ist offen für alle" Spatenstich für den zwetgrößten Hindu-Tempel Europas in Berlin'', in [[die Rheinpfalz]], 5. November 2007</ref><ref>[[Der Tagesspiegel]]: [http://www.tagesspiegel.de/berlin/Hindutempel-Neukoelln;art270,2413585 Erster Spatenstich für Neuköllner Hindutempel] 5. November 2007</ref>

==Hinduismus in der Schweiz==
Mit der Einwanderung von 40.000 Tamilen in die Schweiz seit 1983 bildeten sich auch dort lebendige hinduistische Gemeinden. <ref>http://www.baumann-martin.de/research.htm#Tamil</ref>

== Literatur ==

* Georg Feuerstein: ''Tantra – The Path of Ecstasy'', Shambhala, ISBN 1-57062-304-X
* David Frawley: ''Die spirituelle Praxis des Vedanta'', Windpferd, ISBN 3-89385-412-6
* [[Helmuth von Glasenapp]]: ''Der Hinduismus – Religion u. Gesellschaft im heutigen Indien'', 1922
* [[Helmuth von Glasenapp]]: ''Der Hinduismus – Religion u. Gesellschaft im heutigen Indien'', 1922
* Jan Gonda: ''Die Religionen Indiens I, Veda und älterer Hinduismus''. Kohlhammer Verlag, Stuttgart, 1978
* Jan Gonda: ''Die Religionen Indiens I, Veda und älterer Hinduismus''. Kohlhammer Verlag, Stuttgart, 1978
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* Vanamali Gunturu: ''Hinduismus.'' Diederichs, 2002, ISBN 3-7205-2344-6
* Vanamali Gunturu: ''Hinduismus.'' Diederichs, 2002, ISBN 3-7205-2344-6
* Wilfried Huchzermeyer: ''Die heiligen Schriften Indiens – Geschichte der Sanskrit-Literatur.'' edition sawitri, Karlsruhe 2003, ISBN 3-931172-22-8
* Wilfried Huchzermeyer: ''Die heiligen Schriften Indiens – Geschichte der Sanskrit-Literatur.'' edition sawitri, Karlsruhe 2003, ISBN 3-931172-22-8
* Linda Johnson: ''The Complete Idiot’s Guide to Hinduism'', Alpha, ISBN 0-02-864227-9
* Kim Knott: ''Der Hinduismus – Eine kurze Einführung.'' Reclam, Ditzingen, 2000, ISBN 3-15-018078-3
* Kim Knott: ''Der Hinduismus – Eine kurze Einführung.'' Reclam, Ditzingen, 2000, ISBN 3-15-018078-3
*Axel Michaels: ''Der Hinduismus: Geschichte und Gegenwart.'' München: C.H. Beck, 1998
*Axel Michaels: ''Der Hinduismus: Geschichte und Gegenwart.'' München: C.H. Beck, 1998
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* Heinrich Zimmer: ''Philosophie und Religion Indiens'', suhrkamp taschenbuch, ISBN 3-518-27626-3
* Heinrich Zimmer: ''Philosophie und Religion Indiens'', suhrkamp taschenbuch, ISBN 3-518-27626-3
* Heinrich Zimmer: ''Indische Mythen und Symbole'', Diederichs Gelbe Reihe, ISBN 3-424-00693-9
* Heinrich Zimmer: ''Indische Mythen und Symbole'', Diederichs Gelbe Reihe, ISBN 3-424-00693-9
* S.&nbsp;N. Dasgupta: ''Indische Mystik'', Adyar, ISBN 3-927837-64-4

===Einzelnachweise===
Martin Baumann, Brigitte Luchesi, Annette Wilke (Herausgeber): ''Tempel und Tamilen in zweiter Heimat. Hindus aus Sri Lanka im deutschsprachigen und skandinavischen Raum'', Würzburg: Ergon-Verlag, 2003, 500 S., 50 s/w und 24 farb. Abb.
<references/>


== Siehe auch ==
== Siehe auch ==

Version vom 13. Dezember 2007, 03:13 Uhr

Chamundi-Tempel in Mysore
Sadhu
Vaishno Devi Bhawan, ein hinduistisches Kloster in Darbar, Jammu, Jammu und Kaschmir, Indien (Himalaya)

Der Hinduismus (Sanskrit: हिन्दू धर्म: Hindū Dharma, auch सनातन धर्म Sanātana Dharma und वैदिक धर्म Vaidika Dharma) ist mit etwa 900 Millionen Anhängern die (nach Christentum und Islam) drittgrößte Religion der Erde und hat seinen Ursprung in Indien. Seine Angehörigen werden Hindus genannt. Gläubige Hindus verstehen ihre Religion oft auch als Lebensart. Die ältesten heiligen Schriften des Hinduismus sind die Veden.

Die Bezeichnung Hinduismus ist erst spät entstanden und war anfangs eine von außen herangetragene Sammelbezeichenung für die Anhänger verschiedener religiöser Richtungen auf dem indischen Subkontinent, die nicht Moslems, Christen, Juden, Buddhisten oder Jainas waren. Der Begriff entwickelte aber eine beträchtliche Eigendynamik und wurde in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts unter Englischsprachigen zur Eigenbezeichnung, bald auch zur Identität und zeigte mit der Entwicklung der Hindutva sogar Ansätze einer Ideologisierung. Abweichend vom oben gesagten definiert die indische Verfassung den Hinduismus jedoch so, dass er auch den Jainismus, Buddhismus und Sikhismus umfasst.

Der Hinduismus ist deshalb eine Religion, die aus verschiedenen Richtungen mit recht unterschiedlichen Schulen und Ansichten besteht. Es gibt kein gemeinsames für alle gleichermaßen gültiges Glaubensbekenntnis. Nur einzelne Richtungen gehen auf einen bestimmten Begründer zurück. Da es sich beim Hinduismus um unterschiedliche religiöse Traditionen handelt, gibt es auch keine zentrale Institution, die Autorität für alle Hindus hätte. Die Lehren über spirituelle Belange und sogar die Gottesvorstellungen sind in den einzelnen Strömungen sehr verschieden, selbst die Ansichten über Leben, Tod und Erlösung (Moksha) stimmen nicht überein. Die meisten Gläubigen jedoch gehen davon aus, dass Leben und Tod ein sich ständig wiederholender Kreislauf (Samsara) sind, sie glauben an die Reinkarnation. Für den persönlichen Glauben haben religiöse Lehrer (Gurus) oft einen großen Stellenwert. Trotz aller Unterschiede können Hindus der verschiedenen Richtungen weitgehend gemeinsam feiern und beten, wenn auch ihre Theologie und Philosophie nicht übereinstimmt. „Einheit in der Vielfalt“ ist eine oft verwendete Redewendung zur Selbstdefinition im modernen Hinduismus.

Geschichte des Hinduismus

Vedische Zeit

Pilger beim Bad im Ganges in Varanasi

Nach einer Theorie, die von Max Müller aufgestellt wurde, wanderten um 2000 v. Chr., am Ende der Indus-Kultur, arische Stämme nach Nordindien ein, die den weiteren kulturellen Verlauf maßgeblich prägten. Einige indische Historiker sind jedoch der Meinung, dass die Arier ein schon ansässiger Stamm gewesen seien, der zu dieser Zeit die Oberherrschaft erlangen konnte.

Zu den ältesten erhaltenen Schriften Indiens gehören der Rigveda, der Samaveda, der Yajurveda und der Atharvaveda sowie einige astronomische Texte. Die ältesten indischen Texte können nicht mit Bestimmtheit datiert werden. Sie erlauben einen Einblick in das frühe religiöse Leben, das von Tier- und Pflanzenopfern, rituellen Waschungen und Hymnen an die Götter bestimmt war. Noch heute im Hinduismus bekannte Götter (Vishnu, Brahma, Saraswati) werden dort bereits verehrt, wenngleich sie damals noch nicht zu den Hauptgottheiten zählten.

  • Der Rigveda enthält Hymnen, um die Götter zu preisen und anzurufen. Er ist von allen Vedas der älteste, die anderen drei Veden entlehnen etliche Inhalte aus dem Rigveda.
  • Der Samaveda besteht aus Gesängen, die die Opfer musikalisch begleiten.
  • Der Yajurveda enthält Prosaverse, die bei Opferriten rezitiert werden.
  • Der Atharvaveda enthält Mantras und Beschwörungen gegen Feinde und Krankheiten sowie Gebete zur Vergebung für Fehler während der Opfer.

Die frühe vedische Religion kannte keine Tempel oder Götterbilder. Die Götter wurden durch Feueropfer angebetet, man bot Opfergaben des heiligen Safts Soma, Ghi (Butterschmalz), Milch, Brot und manchmal Fleisch der Tiere dar.

Der Hinduismus ist eine Verschmelzung von mehreren verschiedenen religiösen Systemen: den altindischen Religionen und der Religion der vermutlich aus dem Norden eingewanderten Arier. Große Teile der Urbevölkerung Indiens, deren Geschichte weitgehend im Dunkeln liegt, wurden wahrscheinlich im Laufe der Zeit immer weiter in den Süden verdrängt. Aus dieser Kultur könnten Elemente wie die Verehrung von Göttinnen, heiliger Tiere und der Lingamkult stammen. Im Rigveda (auf ca. 1200 v.Chr. datiert, Datierung unsicher) der Arier hingegen werden die Götter teilweise als personifizierte Naturkräfte beschrieben, die Texte erzählen von Gold, Rindern und Kämpfen und fragen nach dem Wesen des Göttlichen. „Dem, das Eine Wahrheit ist, geben die Weisen viele Namen, sie nennen Es Agni, Yama, Matarishvan.“ (Rigveda 1,164,46)

Zeit der Upanishaden

Hare Krishna Mantra

In der nächsten Entwicklungsstufe (ca. 800 v. Chr) erhielt die Brahmanenkaste durch komplizierte Rituale einen hohen Grad an Einfluss. Eine Neuausrichtung beginnt in der Zeit der Upanishaden (700 v. Chr. bis 500 v. Chr.). Sie wird bereits sichtbar in den Brahmanas und den Aranyakas und zeigt sich dann in der Philosophie der Upanishaden. Die Unterteilung in diese drei Textgattungen folgt der indischen Tradition, allerdings sind die Grenzen zwischen diesen Textsorten fließend. Die Brahmanas entwickeln eine komplizierte Opfertheologie, die Aranyakas („Wald- oder Wildnisbücher“) behandeln Geheimlehren, die nicht in den Siedlungen, sondern außerhalb (eben im Wald) diskutiert wurden, und die Upanishaden enthalten mystische Spekulationen. Sie umfassen etwa 250 Schriften, die über mehrere Jahrhunderte entstanden sind und Themen wie Wiedergeburt, Yoga und Karma ansprechen. Insbesondere die 13 vedischen Upanishaden haben den späteren Hinduismus geprägt.

Klassische Zeit

Das Ende der Upanishadenzeit wird oft als ein Einschnitt angesehen: Die Zeit davor wird in der Indologie gewöhnlich Brahmanismus genannt, und Hinduismus bezeichnet dann ausschließlich die nachfolgende Zeit. Seit 500 v. Chr. erfuhr der Hinduismus wahrscheinlich seine bis heute überlieferte wesentliche Ausgestaltung. Die Sprache der Überlieferung war Sanskrit, eine indogermanische Sprache, verwandt mit den europäischen Sprachen. Als Hauptgötter galten nun Brahma, Vishnu und Shiva, und es wurden Tempel gebaut, Götterstatuen aufgestellt und viele Kult- und Weihehandlungen entstanden.

Krishna und Rama, nach Hinduglauben menschliche Verkörperungen des Gottes Vishnu, erscheinen in der epischen Literatur zwischen 200 v. Chr. und 400. Das Ramayana und das Mahabharata sind umfangreiche und noch heute vielgelesene Dichtungen dieser Periode. Der wichtigste Teil des Mahabharata ist das Lehrgedicht Bhagavad Gita. In diese Zeit fällt auch die Ausformung einer Vielzahl von Glaubensrichtungen, die einzelne Götter speziell verehren (beispielsweise Shaktismus, Shivaismus und Vishnuismus), sowie eine Kodifizierung der brahmanischen Lehre im Dharma Sutra und dem Dharma Shastra.

Seit dem 4. Jh. v.  Chr. verloren die hinduistischen Religionen durch den Buddhismus zwar Anhänger, sie gingen jedoch nie ganz unter und wurden erst im 4. Jh. von den damaligen Königen wieder bevorzugt. Die darauf folgende Zeit von 400 bis 1000 ist durch die Puranas und eine Vielzahl historischer, mythologischer und lehrender Schriften charakterisiert. In diese Zeit fällt auch der Beginn tantrischer Traditionen.

Im 8. Jh. gründete der Philosoph Shankara die ersten hinduistischen Orden.

Die islamische Invasion

Seit dem 8. Jahrhundert griff der Islam auf den indischen Subkontinent über und dominierte im 16. und 17. Jahrhundert unter dem Mogulreich. Im Punjab entstand der Sikhismus.

Der Niedergang des Mogulreiches fiel mit der Ankunft der East India Company zusammen, die den Hinduismus mit christlichem und abendländischem Gedankengut konfrontierte.

Neohinduismus

Datei:GopaKumar Krishna.jpg
Krishna mit Gopis (Hirtenmädchen) und Gopas (Hirtenjungen)

Im 19. Jh. entstanden in Indien verschiedene religiös-soziale Reformbewegungen, die aus der Begegnung Indiens mit Europa hervorgegangen sind. Das Kastensystem oder die Tradition der Witwenverbrennung wurden auch innerhalb des Hinduismus verstärkt hinterfragt. Im Zuge dieser Entwicklung begannen Hindus sich als Einheit aufzufassen (was vorher nicht in dem Maße der Fall gewesen war). Von Anfang an war der Neohinduismus mit den Unabhängigkeitsbestrebungen verbunden. Die christlichen Missionare in Indien bewirkten weniger ein Konvertieren zum Christentum als eine Auseinandersetzung mit der eigenen Religion. Die Übersetzungen der europäischen Indologen von Sanskrit in Englisch in gedruckter Form hatten zur Folge, dass das traditionelle Schriftgut auch in Indien einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich wurde.

Mehrere Organisationen formierten sich in dieser Zeit. Der Brahmo Samaj (gegründet 1828 von Ram Mohan Roy in Kalkutta) entwickelte einen monotheistischen Ansatz und sah im absolut formlosen Brahman den einen und einzigen Gott, das höchste Wesen. Der Arya Samaj (gegründet 1875 von Dayananda in Mumbai) wollte den Hinduismus von späteren Einflüssen befreien, die er als Verfälschungen ansah, wie z. B. den Puranas. Er lehnte den Polytheismus und das Kastensystem ab und sah nur den Veda als Quelle der Offenbarung an. Beide Organisationen wandten sich gegen die Bilderverehrung und strebten soziale Reformen an.

Nach dem Vorbild der christlichen Mission gründete Swami Vivekananda 1897 die Ramakrishna-Mission, mit dem Ziel, die Lehre des Vedanta, den er als Vollendung der Religionen betrachtete, auf der ganzen Welt zu verbreiten. Sein Lehrer Ramakrishna vertrat die Ansicht, alle Religionen der Welt verkündeten dieselbe Wahrheit, die Vielfalt der Religionen sei jedoch nur Schein (Maya). Die Rede Vivekanandas vor dem Weltparlament der Religionen 1893 in Chicago, in der er erstmals den Hinduismus als Universalreligion vorstellte, war die erste Gelegenheit, bei der sich der Hinduismus außerhalb Indiens präsentierte.

Die Unabhängigkeitsbewegung Indiens unter Mahatma Gandhi mit seinem gewaltfreien Widerstand trug zu einem größerem Interesse an hinduistischen Traditionen in der westlichen Welt bei.

Verbreitung

Der Hinduismus ist heute in Indien, Nepal, Bangladesch, Sri Lanka, Bali und selbst in Mauritius, Südafrika, Fidschi, Singapur, Malaysia, Trinidad und Tobago verbreitet sowie in Europa besonders in Großbritannien. Dies erfolgte größtenteils durch Händler und indische Arbeiter, die im 19. und 20. Jahrhundert einwanderten. In Nepal ist der Hinduismus schon seit dem 4. Jahrhundert, in Bali seit dem 9. Jahrhundert präsent. In beiden Ländern spielte bei der Verbreitung des Hinduismus die Flucht von Hindus vor islamischen Eroberungen eine Rolle, in Nepal ab dem 10. Jahrhundert (aus Nordindien) und in Bali im 15. Jahrhundert (aus Java).

Formen des Hinduismus

Der Indologe Axel Michaels unterscheidet drei Formen hinduistischer Religionen, die jedoch nicht allgemein anerkannt sind:

  1. Brahmanischer Sanskrit-Hinduismus: teils polytheistische, teils monotheistische, sehr stark ritualistische, brahmanische Priesterreligion mit Berufung auf die Veden als Autorität. Diese Religion steht im Vordergrund der meisten Abhandlungen über den Hinduismus und wird von den meisten Bevölkerungsgruppen als am prestigeträchtigsten anerkannt.
  2. Hinduistische Volks- bzw. Stammesreligionen: polytheistische, teilweise animistische Religionen mit lokalen, gemeinschaftlichen und kastenübergreifenden Festen und Verehrungsformen sowie oralen Traditionen oder Texten in den Volkssprachen. Diese Religionen haben eigene Priester und nur lokal verehrte Gottheiten, einschließlich vergöttlichter Helden und Geister, von denen Menschen besessen werden können. Die Verehrungsformen gelten dem brahmanischen Sanskrit-Hinduismus oft als unrein.
  3. Sektenreligionen:

Glaubensrichtungen und Lehre

Der Hinduismus kennt keine gemeinsame Gründerperson. Jede Glaubensrichtung hat eigene nur für sie verbindliche heilige Schriften: z. B. Vishnuiten das Bhagavatapurana, Shaktianhänger das Devi Mahatmya, ein puranisches Werk zur Verehrung der Göttin. Dagegen gelten die Veden mit den Upanishaden und die Bhagavad Gita (als Bestandteil des Mahabharata) als die grundlegenden heiligen Texte für alle Hindus.

Entgegen dem ersten Anschein ist der Hinduismus keine polytheistische Religion. Die westliche Religionswissenschaft und die Indologie bezeichnet ihn als Henotheismus, da alle Götter – je nach individueller Glaubensausrichtung – Ausdruck des einen höchsten persönlichen Gottes oder auch der unpersönlichen Weltseele (Brahman) sein können.

Im Hinduismus wird der Kosmos als geordnetes Ganzes angesehen, der vom Dharma, dem Weltgesetz, welches die natürliche und sittliche Ordnung darstellt, beherrscht wird. Die Zentren der hinduistischen Religiosität sind neben dem eigenen Haus die Tempel. Einer der größten Tempelkomplexe und Pilgerzentren ist Tirumala Tirupati in Südindien. In Nordindien zieht die heilige Stadt Varanasi am Ganges immer wieder Unmengen von Pilgern an.

Gottesbild

Die verschiedenen hinduistischen Traditionen und Philosophien vertreten verschiedene Gottesbilder, sie sind letztlich dem Einzelnen überlassen. Die Hauptrichtungen sind jedoch Shivaismus, Vishnuismus sowie Shaktismus, die aber wiederum völlig verschiedene Gottesvorstellungen beinhalten. Brahma, Shiva und Vishnu werden auch als Dreiheit Trimurti, dargestellt. Die Verehrung von Shiva und Vishnu, jeweils in unzähligen verschiedenen Formen und Namen, ist weit verbreitet. Brahma dagegen ist nur noch in der Mythologie präsent, in der Verehrung spielt er fast keine Rolle mehr, seine Stelle nimmt seine Shakti ein, Saraswati. Daneben gibt es aber unzählige andere Manifestationen z. B. den elefantenköpfigen Ganesha, der als Sohn von Shiva und Parvati gilt, sowie Hanuman, der Diener Ramas, der wiederum ein Avatar von Vishnu ist. Es gibt auch eine große Zahl weiblicher Gottheiten, die entweder als „Große Göttin“ (Mahadevi) autonom auftreten wie etwa Durga oder als Gemahlinnen bzw. weibliche Seite der männlich gedachten Götter gelten, z. B. Sarasvati und Lakshmi. Die meisten Gläubigen gehen davon aus, dass die Anbetung eines jeden Gottes dem Anbeten des höchsten Göttlichen entspricht, da alle Erscheinungsweisen des Einen seien. Andere dagegen verehren das Höchste nur in einer Form, wie etwa viele der Anhänger Krishnas, und betrachten die anderen Götter als ihm untergeordnete Devas. Das Verehren des Göttlichen in Bildern dient dazu, dem Gläubigen zu helfen, Gott in einer einfacheren Weise anzubeten. Viele Hindus lehnen jedoch die Verehrung des Göttlichen in dieser Form strikt ab.

Hinduistische Theologie

Hinduistischer Tempel in Chidambaram (Indien)

Die heutige Bedeutung und das intuitive Verständnis des deutschen Begriffs „Gott“ in Bezug auf den Hinduismus zu verwenden kann verwirrend wirken, nicht aber von den indogermanisch ererbten Grundzügen heraus, auch die Begrifflichkeit „Gott“ betreffend. Manche Strömungen des Hinduismus glauben an einen obersten Gott, benannt als Ishvara (wörtl.: der Höchste Herr). Es gibt auch ihm unterstellte Wesen, die Devas genannt werden. Sie können als Götter, Halbgötter, Engel, Geist oder himmlische Wesen zwischen dem Ishvara und den Menschen betrachtet werden. Eines der wichtigsten Konzepte jedoch ist das Brahman – der höchste kosmische Geist.

Brahman ist die unbeschreibbare, unerschöpfliche, allwissende, allmächtige, nicht körperliche, allgegenwärtige, ursprüngliche, erste, ewige und absolute Grundregel. Es ist ohne einen Anfang, ohne ein Ende, in allen Dingen versteckt und die Ursache, die Quelle und das Material aller bekannten Schöpfung, selbst jedoch unbekannt und doch dem gesamten Universum immanent. Die Upanishaden beschreiben es als das Eine und unteilbare, ewige Universalselbst, das in allem anwesend ist und in dem alle anwesend sind.

Von manchen Richtungen wird der Ishvara (oberste Herr) als die manifestierte Form von Brahman gesehen. Die Illusionskraft, die das Brahman veranlasst als die materielle Welt, die einzelnen Seelen und der Ishvara gesehen zu werden, wird Maya genannt. Alle Devas des Hinduismus gelten dieser Sichtweise zufolge als die weltlichen Äußerungen des einen Ishvara.

Nach Auffassung des Advaita Vedanta ist der Mensch in seinem innersten Wesenskern mit dem Brahman identisch und diese Identität gilt es zu erkennen. Advaita Vedanta (Nichtdualität) ist die Lehre Shankaras (788–820 n. Chr), die auf diese Erkenntnis der Einheit zielt. Nach Lehre des Vishishtadvaita (qualifizierter Monismus) von Ramanuja dagegen ist Gott alles was existiert, es besteht jedoch ein qualitativer Unterschied zwischen individueller Seele und höchstem Gott. Am anderen Ende des Spektrums steht die rein dualistische Philosophie des Dvaita Vedanta des Madhvas, die streng zwischen Seele und Gott unterscheidet. (siehe: Indische Philosophie)

Die heiligen Schriften

Die vier Veden, bestehend aus dem Samhitas und drei Schichten Kommentaren, nämlich den Brahmanas, Aranyakas und den Upanishaden), sind die höchsten heiligen Texte des Hinduismus. Sie werden Shruti genannt, was „das Gehörte“ bedeutet (von den Rishis, den Weisen, direkt von Gott). Alle weiteren heiligen Texte werden Smriti (Gedächtnis) genannt und werden als von menschlichem Ursprung angesehen. Zur Smriti zählen z. B. Ramayana, Mahabharata, Bhagavad Gita und die Puranas. Die Veden galten früher als geheim und sind schwierig zu verstehen. Die Smritis sind hingegen einfacher und populärer und werden von den meisten Hindus gelesen.

Hauptrichtungen

Hinduistischer Schrein in Varahi (Gujarat)

Die wichtigsten Strömungen innerhalb des Hinduismus sind der Vishnuismus und der Shivaismus. Vishnuiten glauben, dass ihr höchster Gott Vishnu sich in zehn Inkarnationen (Avatara) in der Welt manifestiert hat. Vishnu inkarniert sich vor allem dann in der Welt, wenn die kosmische Ordnung (Dharma) gefährdet ist und durch einen göttlichen Helden wieder ins Reine gebracht werden soll. Zu den zehn Inkarnationen zählen auch Rama und Krishna. Die Idee der Inkarnationenlehre ist, dass Vishnu das höchste göttliche Prinzip ist, das alle anderen Gottheiten und die materielle Welt hervorbringt. Einige Schulen des Vishnuismus verkörpern eine monistische Sichtweise, die der Vedanta-Philosophie entspricht. Andere dagegen vertreten eine monotheistische Sicht, z. B. viele Anhänger Krishnas. Im Vishnuismus spielt die Hingabe an einen persönlichen Gott (Bhakti) meist eine größere Rolle als im Shivaismus.

Die Shivaiten glauben, dass Shiva das höchste Wesen ist, das alle anderen Götter an Macht überragt und sie zudem erschaffen hat. Shiva ist der Gott der Asketen, der im Himalaya meditiert und in periodischen Zyklen die Welt zerstört, um sie Kraft seines Yogas wieder neu zu schaffen. Shiva wird, mit Ausnahme des Nataraj, nicht figürlich, sondern in seinem Symbol, dem Lingam, verehrt. Shivaiten können Dualisten, wie im Shaiva Siddhanta, oder Monisten im Sinne Shankaras oder auch Tantriker, wie im Shivaismus Kashmirs, sein. In manchen Strömungen des Shivaismus spielt Yoga eine sehr große Rolle.

Neben Shivaismus und Vishnuismus spielen auch noch die Richtungen des Tantra und des Shaktismus eine Rolle im Hinduismus.

Wiedergeburt und Erlösung

Götter, Menschen und Tiere durchwandern nach hinduistischer Glaubensvorstellung in einem durch ewige Wiederkehr gekennzeichneten Kreislauf Samsara die Weltzeitalter Yuga. Während des Lebens wird je nach Verhalten gutes oder schlechtes Karma angehäuft. Dieses Gesetz von Ursache und Wirkung von Handlungen beeinflusst nach hinduistischer Vorstellung zukünftige Reinkarnationen und die Erlösung (moksha), das Aufgehen des Atman (Atman ist das innewohnende Brahman). Es ist nur bedingt zu vergleichen mit der Seele, da die Seele etwas Individuelles (also bei jedem verschieden) und das Atman immer das gleiche ist im „kosmischen Bewusstsein“ (Brahman). Die persönliche Erleuchtung ist der Endpunkt der Entwicklung des Geistes, und je nach Realisation des Suchenden kann diese durch die klassischen vier Methoden erreicht werden: 1. Bhakti Yoga, die liebende Verehrung Gottes, 2. Karma-Yoga, den Weg der Tat, 3. Jnana Yoga, den Weg des Wissens, 4. Raja Yoga, den „Königsweg“ des Yoga.

Die heilige Kuh und vegetarische Nahrung

Datei:Holycow.jpg
Heilige Kuh mit Göttern in ihrem Körper

Möglicherweise auch als Reaktion auf den Vegetarismus im Buddhismus und auf die gestiegene Bedeutung von Ahimsa, der Gewaltlosigkeit, forderten die hinduistischen Schriften verstärkt Verzicht auf den Verzehr von Fleisch. In vedischen Zeiten waren die Lebensumstände noch völlig anders. In einigen Schriften gibt es Hinweise, dass Fleisch, selbst Rindfleisch, gegessen wurde, wobei es sich aber stets um das Fleisch von Opfertieren gehandelt haben dürfte.

Allgemeiner Vegetarismus ist jedoch für Hindus weder eine Forderung noch ein Dogma, jedoch wird die vegetarische Lebensweise als die ethisch höhere angesehen, da Fleisch ein Produkt der Tötung ist und nicht sattvic (rein). Vegetarier sind in allen Bevölkerungsschichten zu finden, besonders wird der Verzicht aber von Brahmanen erwartet. Prinzipiell lehnen aber fast alle Hindus den Genuss von Rindfleisch ab.

In der indischen Mythologie finden sich vielfältige Bezüge zur Kuh (Go). Von Krishna wird gesagt, er sei einerseits ein Govinda (Kuhhirte) und andererseits ein Gopala (Beschützer der Kühe). Seine Gefährtin Radha ist eine Gopi (Hirtenmädchen), Shivas Reittier ist ein Bulle (Nandi).

Siegel aus vergangenen indischen Kulturen (Indus-Kultur) lassen darauf schließen, dass Kühe schon vor mehr als viertausend Jahren einen besonders hohen Stellenwert hatten. Die wichtigsten Wurzeln für die Verehrung sind jedoch die Veden, in denen immer wieder das Bild der Kuh als göttliches Wesen auftaucht. Trotzdem wurden Rinder in Indien zur Zeit des Neolithikums uneingeschränkt geopfert und verspeist. Warum und wann sich dies änderte, ist unklar. Der Kulturanthropologe Marvin Harris führt die Tatsache auf veränderte ökonomische Rahmenbedingungen zurück: Mit dem Aufkommen des Staates und einer größeren Bevölkerungsdichte konnten nicht mehr genügend Rinder gezüchtet werden, um sowohl als fleischliche Nahrungsquelle als auch als Zugtiere genutzt zu werden. Möglicherweise war das einer der Gründe, dass die Tötung von Kühen auch als Opfertier für Hindus ein absolutes Tabu wurde und ihr Fleisch bis heute nicht gegessen wird. Interessanterweise waren es gerade die früher für die rituelle Rinderschlachtung verantwortlichen Brahmanen, die sich später am stärksten für den Schutz der Rinder einsetzten.

Ethik und Soziologie des Hinduismus

Kastensystem

Die Zugehörigkeit zu einer Kaste hat für indische Hindus trotz Abschaffung des Kastensystems in der Verfassung weiterhin große soziale Relevanz. Grundsatz der Kastenordnung ist, dass die Lebewesen von Geburt an nach Aufgaben, Rechten, Pflichten und Fähigkeiten streng voneinander getrennt sind. Für die einzelnen Kasten (Varnas) gibt es unterschiedliche spezielle religiöse und kultische Vorschriften, die sich in allen Bereichen des Lebens äußern. Die Durchführung der Pflichten, die jeder Kaste in ihrem spezifischen Lebensstadium obliegt, ist ihre unbedingte Pflicht (Dharma); Übertretungen werden als Versäumnis der Pflichten und folglich als schlecht (Adharma) angesehen. Was von jedem Menschen erwartet wurde, war, dass er den spezifischen Pflichten seiner Kaste folgte, seine Lebenswünsche befriedigte und die Freuden des Lebens genoss. Die Gesellschaft war in vier Kasten eingeteilt, deren Aufgaben idealerweise folgende waren:

  1. Brahmanen. Sie studierten die heiligen Schriften der Veden; erteilten geistliche Unterweisung und führten die rituellen Opfer aus.
  2. Kshatriyas, die Kriegerkaste. Sie sollten die Schwachen schützen, als Könige gerecht regieren und den Brahmanen Schutz und Ermunterung bei ihren gelehrten und priesterlichen Arbeiten gewähren.
  3. Vaishyas, die Kaste der Händler und Hirten, sollten den Reichtum des Landes durch Handel und Landwirtschaft vermehren.
  4. Shudras, die dienende Kaste. Sie setzten sich aus der Bevölkerung der Nicht-Aryas zusammen und sollten als Bedienstete für die Brahmanen, Kshatriyas und Vaishyas arbeiten.

Unterhalb der vier Hauptkasten sind die Dalits (früher als „Unberührbare“ bezeichnet), die für minderwertige Arbeiten wie Toilettenreinigen und Straßenkehren zuständig sind. Um die Stellung der Dalits zu verbessern, hat die Regierung eine beträchtliche Anzahl von Arbeitsplätzen im öffentlichen Sektor für sie vorbehalten (Lonely Planet, 11th Edition, S.  58). Die Kasten sind wiederum unterteilt in Tausende von „Familiengruppen“ oder soziale Gemeinschaften, die Jati genannt werden. In sie wird ein Individuum hineingeboren und sie sind manchmal – aber nicht immer – mit einer beruflichen Tätigkeit verbunden. Obwohl das Kastenwesen im Hinduismus entstanden ist, wird es dort auch von anderen Religionen praktiziert. So hat die Christianisierung das Kastenwesen nicht immer überwunden. Noch heute müssen in vielen Kirchen Indiens Angehörige der unteren Kasten hinten sitzen.

Rolle der Frau

Die Rolle der Frau im Hinduismus hat über die Jahrhunderte und Jahrtausende eine kontinuierliche Entwicklung durchgemacht und muss immer auch im Zusammenhang mit den jeweiligen Lebensumständen sowie der verschiedenen hinduistischen Kulturen gesehen werden. Einerseits verboten einige Gesetzgeber den Frauen das Lesen der Veden, einige Hymnen des Rigveda jedoch wurden von Frauen geschrieben, und in der Brhadaranyaka Upanishad finden wir einen Dialog zwischen der gelehrten Tochter von Vachaknu Gargi und Yajnavalkya. Aus dieser Zeit ist auch die Sitte des Svayamvara überliefert, wörtlich „Selbstwahl“: Frauen am Königshof wurden nicht einfach verheiratet, sondern wählten den Bräutigam aus den in Frage kommenden Kandidaten selbst aus.

Ein zentrales Ritual, das Upanayana (Initiationsritus für Knaben), ist von frühester Zeit an jedoch nur männlichen Angehörigen der oberen Kasten vorbehalten. Es ist diese kultische Handlung, die einen Menschen zum Dvijati werden lässt, zum „Zweimalgeborenen“. Nach der natürlichen Geburt stellt das Upanayana die kulturelle Geburt dar.

Eine wichtige Rolle im hinduistischen Frauenbild stellt Sita dar, die Gattin Ramas aus dem großen Epos Ramayana. Das Bild der opferbereiten Gattin stellt für viele noch heute das Modell der idealen Frau dar. Sie wurde dadurch zum wichtigen Thema im indischen Feminismus und in der modernen indischen Literatur.

Einerseits kann man aus heutiger Sicht bemängeln, dass hinduistische Traditionen Frauen oft nicht die Rechte zugestehen, die ihnen aus moderner Sicht zustehen würden. Andererseits war etwa Professor H. H. Wilson der Ansicht, dass Frauen in keiner anderen antiken Nation in so großer Achtung standen wie bei den Hindus.

Mutterschaft

Eine der Hauptaufgaben der Frau im Hinduismus ist die Mutterschaft. Jedes Stadium der Schwangerschaft bis hin zur Geburt wird begleitet von sakramentalen Riten zum Schutz und zu körperlichem und geistigem Wohlergehen von Mutter und Kind. Früher sollten Frauen möglichst viele Söhne bekommen, da diese die Sicherheit und das Überleben der gesamten Familie garantieren konnten. Obwohl Hindus die Töchter nicht generell geringer schätzen, gelten sie doch zu oft auch heute noch in manchen Familien als Belastung, da sie bei ihrer Hochzeit die Mitgift mitbringen müssen und die Familie durch Mitgiftzahlungen für zu viele Töchter auch verarmen kann. Dieses Problem führt zu einer hohen Abtreibungsrate bei weiblichen Föten. Viele moderne Hindus, besonders in den Städten, freunden sich allmählich mit dem Gedanken an, dass auch eine Tochter ihre Eltern im Alter versorgen kann.

Familie

Normalerweise ist in der traditionellen Familie der Vater das Oberhaupt. Er trifft alle wichtigen Entscheidungen, beispielsweise über Geldangelegenheiten, Hochzeit usw. – zumindest soll es nach außen hin so aussehen. Traditionellerweise ist die Mutter-Sohn-Bindung die engste im indischen Familiensystem. Meist wohnt der Sohn mit seiner Ehefrau im Haus der Eltern, wenn die räumlichen Verhältnisse dies zulassen. Bei den Töchtern jedoch ist auch heute noch meist von vorneherein klar, dass sie das Haus verlassen werden, um in die Familie des Ehemannes zu ziehen. Dies ist nicht einfach für die junge Ehefrau. Sie ist diejenige in der Familie mit den wenigsten Rechten, ihr Status verbessert sich oft erst, wenn sie Kinder (am besten einen Sohn) bekommt. Ältere Frauen, d. h. Schwiegermütter, haben oftmals einen sehr soliden Status und sind mit genügend Autorität ausgestattet. Eine soziale Rolle, die im Hinduismus traditionell nicht sehr angesehen ist, ist die der unverheirateten Frau. Ledige Frauen wohnen in Indien meist nicht alleine, sondern weiter im Haushalt der Eltern. Das Verhältnis zwischen Ehegatten ist in erster Linie von Pragmatismus geprägt. Bei einer „arranged marriage“ sucht die Familie jene Person als Ehemann bzw. Ehefrau aus, die in Bezug auf Bildung, Status etc. am ähnlichsten ist. Die Liebe kommt später, sagt man in Indien. Das sei wie ein Topf Wasser, den man auf den Herd stelle und der eben erst später zu kochen anfange. Sogenannte „love marriages“ sind jedoch heute immer häufiger.

Das Ideal ist ein vierstufiges Lebensmodell, das vorsieht, nach den Schülerjahren eine Familie zu gründen und erst nachdem die Kinder erwachsen geworden sind sich zurückzuziehen und sich intensiv religiösen Studien und der eigenen Erlösung zu widmen.

Hinduismus in Deutschland

Der Hinduismus war in Deutschland lange nur in der indologischen und religionskundlichen Literatur vertreten, als Religion lebendig fast nur in der Glaubenspraxis der wenigen z.B. als Händler, Diplomaten oder Gastronomen in Deutschland lebenden Inder und Tamilen.

Aktiv verbreitet wurde er in kleinem Umfang dann in den sechziger und siebziger Jahren von mönchisch lebenden Angehörigen der Hare-Krishna-Sekte, die damals zu den Jugendreligionen gezählt wurde. Ab der gleichen Zeit wandten sich einzelne junge Deutsche, die aus spirituellen und anderen Gründen nach Indien reisten, dem Hinduismus zu.

Fast überall verbreitet ist in Deutschland das Yoga, das von Zehntausenden praktiziert wird, aber fast immer nur als gesundheitsfördernde Gymnastik oder als Atemtherapie und Entspannungstechnik. Weitergehende religiöse Praktiken wurden und werden überwiegend gar nicht praktiziert. Jedoch wenden sich auch über diesen Weg immer wieder einzelne Deutsche dem Hinduismus zu.

Tamilische Gemeinde

Eine große und stabile hinduistische Gemeinde bildete sich ab 1983, als in der Folge des Bürgerkrieges zwischen Singhalesen und Tamilen in Sri Lanka etwa 60.000 Tamilen nach Deutschland einwanderten. Davon sind ca. 45.000 praktizierende Hindus, die auch 24 kleine Tempel für ihre Gemeinden einrichteten. Oft waren diese einfach nur umgestaltete Kellerräume oder Wohnungen. 1993 feierten Gläubige dieser Gemeinde in Hamm das jährliche Tempelfest mit einer öffentlichen Prozession für die Göttin Sri Kamadchi Ampal. Das im Mai/Juni stattfindende Fest das Jahr für Jahr 15. bis 20.000 Gläubige aus ganz Europa anzog, ermöglichte 1997-2002 in Hamm-Uentrop den Bau eines 27 mal 27 großen hinduistischen Tempels mit einer Fläche von 700qm. Während der größte Hindutempel in Europa in London im nordindischen Stil errichtet wurde, ist dieser zweitgrößte Hindutempel in Europa originalgetreu im südindischen Stil gebaut. [1][2]

Berlin

In Berlin, wo 6000 Hindus aus Indien, Sri Lanka und Bangla Desh leben, wurde 2007 der erste Spatenstich für eine 4.600 qm große Tempelanlage ausgeführt im Volkspark Hasenheide im Bezirk Neukölln. Der Trägerverein plant den Tempel für Sri Ganesha. [3][4]

Hinduismus in der Schweiz

Mit der Einwanderung von 40.000 Tamilen in die Schweiz seit 1983 bildeten sich auch dort lebendige hinduistische Gemeinden. [5]

Literatur

  • Georg Feuerstein: Tantra – The Path of Ecstasy, Shambhala, ISBN 1-57062-304-X
  • David Frawley: Die spirituelle Praxis des Vedanta, Windpferd, ISBN 3-89385-412-6
  • Helmuth von Glasenapp: Der Hinduismus – Religion u. Gesellschaft im heutigen Indien, 1922
  • Jan Gonda: Die Religionen Indiens I, Veda und älterer Hinduismus. Kohlhammer Verlag, Stuttgart, 1978
  • Jan Gonda: "Die Religionen Indiens II, Der jüngere Hinduismus". Kohlhammer Verlag, Stuttgart, 1963
  • Vanamali Gunturu: Hinduismus. Diederichs, 2002, ISBN 3-7205-2344-6
  • Wilfried Huchzermeyer: Die heiligen Schriften Indiens – Geschichte der Sanskrit-Literatur. edition sawitri, Karlsruhe 2003, ISBN 3-931172-22-8
  • Linda Johnson: The Complete Idiot’s Guide to Hinduism, Alpha, ISBN 0-02-864227-9
  • Kim Knott: Der Hinduismus – Eine kurze Einführung. Reclam, Ditzingen, 2000, ISBN 3-15-018078-3
  • Axel Michaels: Der Hinduismus: Geschichte und Gegenwart. München: C.H. Beck, 1998
  • Hans Wolfgang Schumann: Die großen Götter Indiens. Grundzüge von Hinduismus und Buddhismus. Diederichs, 2004, ISBN 3-89631-429-7
  • Heinrich Zimmer: Philosophie und Religion Indiens, suhrkamp taschenbuch, ISBN 3-518-27626-3
  • Heinrich Zimmer: Indische Mythen und Symbole, Diederichs Gelbe Reihe, ISBN 3-424-00693-9
  • S. N. Dasgupta: Indische Mystik, Adyar, ISBN 3-927837-64-4

Einzelnachweise

Martin Baumann, Brigitte Luchesi, Annette Wilke (Herausgeber): Tempel und Tamilen in zweiter Heimat. Hindus aus Sri Lanka im deutschsprachigen und skandinavischen Raum, Würzburg: Ergon-Verlag, 2003, 500 S., 50 s/w und 24 farb. Abb.

  1. http://www.kamadchi-ampal.de/Deutsch/pdf/Tempel_Flyer.pdf
  2. http://www.indien.in-lippe.eu/html/SriKamadchiAmpalTempel.html
  3. Peter Gärtner: "Unsere Religion ist offen für alle" Spatenstich für den zwetgrößten Hindu-Tempel Europas in Berlin, in die Rheinpfalz, 5. November 2007
  4. Der Tagesspiegel: Erster Spatenstich für Neuköllner Hindutempel 5. November 2007
  5. http://www.baumann-martin.de/research.htm#Tamil

Siehe auch

Weblinks

Portal: Hinduismus – Übersicht zu Wikipedia-Inhalten zum Thema Hinduismus
Commons: Kategorie: Hinduismus – Album mit Bildern, Videos und Audiodateien
Wiktionary: Hinduismus – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

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