„Aleviten“ – Versionsunterschied

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In Österreich ist der prozentuelle Anteil der alevitischen Bevölkerung an der türkischen aus den oben genannten Gründen auch höher als der Anteil in der Türkei. Alevitische Kinder müssen derzeit als muslimische Kinder den großteils sunnitisch-islamischen Religionsunterricht besuchen. Eine Abmeldung vom Religionsunterricht ist aber möglich. Nach mehreren Anläufen, die alevitische Gemeinschaft in der Islamischen Glaubensgemeinschaft zu integrieren, hat man sich jetzt auf die Gründung einer unabhängigen alevitischen Glaubensgemeinschaft geeinigt. Davon erwarten sich sowohl Aleviten als auch Muslime Erleichterung und den Abbau von Spannungen zwischen Aleviten und Muslimen. Den Muslimen sind die Unterschiede in der Religionspraxis und in den Glaubensgrundsätzen zu groß. Gleichzeitig empfinden die meisten Aleviten die Bezeichnung als "Muslim" als unkorrekt. Nur eine eigene Bezeichnung, Identität und Religionsgemeinschaft würde der kulturellen und religiösen Vielfalt gerecht werden. <ref>derstandard.at</ref>
In Österreich ist der prozentuelle Anteil der alevitischen Bevölkerung an der türkischen aus den oben genannten Gründen auch höher als der Anteil in der Türkei. Alevitische Kinder müssen derzeit als muslimische Kinder den großteils sunnitisch-islamischen Religionsunterricht besuchen. Eine Abmeldung vom Religionsunterricht ist aber möglich. Nach mehreren Anläufen, die alevitische Gemeinschaft in der Islamischen Glaubensgemeinschaft zu integrieren, hat man sich jetzt auf die Gründung einer unabhängigen alevitischen Glaubensgemeinschaft geeinigt. Davon erwarten sich sowohl Aleviten als auch Muslime Erleichterung und den Abbau von Spannungen zwischen Aleviten und Muslimen. Den Muslimen sind die Unterschiede in der Religionspraxis und in den Glaubensgrundsätzen zu groß. Gleichzeitig empfinden die meisten Aleviten die Bezeichnung als "Muslim" als unkorrekt. Nur eine eigene Bezeichnung, Identität und Religionsgemeinschaft würde der kulturellen und religiösen Vielfalt gerecht werden. <ref>derstandard.at</ref>


Am 23. Dezember 2007 lief im deutschen Sender „[[Das Erste]]“ ([[ARD]]) die vom [[Norddeutscher Rundfunk|NDR]] produzierte [[Tatort (Fernsehreihe)|Tatort]]-Folge „Wem Ehre gebührt“ (Drehbuch und Regie: [[Angelina Maccarone]]<ref>[http://www.dradio.de/dlf/sendungen/interview_dlf/716203/ Interview mit Angelina Maccarone zu den Reaktionen auf den Film], Deutschlandfunk, 17. Dezember 2007</ref>). Die Handlung des Krimis drehte sich um [[Mord]], [[Selbstmord]] und [[Inzest]] in einer in Deutschland lebenden türkischen Familie alevitischen Glaubens. Der Film löste – trotz des ausdrücklichen Hinweises auf die [[Fiktion]]alität der Handlung im [[Vorspann]] – Proteste bei der alevitischen Gemeinde Deutschlands aus.<ref>[http://www.alevi.com/pressemeldung+M513425e4115.html Offizielle Stellungnahme der Alevitischen Gemeinde Deutschland e.V.]</ref> Am 26. Dezember 2007 - drei Tage nach der Ausstrahlung - demonstrierten in Köln über 20.000 Aleviten gegen den Film. Die Berliner Alevitengemeinde erstattete im Auftrag des Dachverbandes AABF Strafanzeige wegen [[Volksverhetzung]].
Am 23. Dezember 2007 lief im deutschen Sender „[[Das Erste]]“ ([[ARD]]) die vom [[Norddeutscher Rundfunk|NDR]] produzierte [[Tatort (Fernsehreihe)|Tatort]]-Folge „Wem Ehre gebührt“ (Drehbuch und Regie: [[Angelina Maccarone]]<ref>[http://www.dradio.de/dlf/sendungen/interview_dlf/716203/ Interview mit Angelina Maccarone zu den Reaktionen auf den Film], Deutschlandfunk, 17. Dezember 2007</ref>). Die Handlung des Krimis drehte sich um [[Mord]], [[Selbstmord]] und [[Inzest]] in einer in Deutschland lebenden türkischen Familie alevitischen Glaubens. Der Film löste – trotz des ausdrücklichen Hinweises auf die [[Fiktion]]alität der Handlung im [[Vorspann]] – Proteste bei der alevitischen Gemeinde Deutschlands aus.<ref>[http://www.alevi.com/pressemeldung+M513425e4115.html Offizielle Stellungnahme der Alevitischen Gemeinde Deutschland e.V.]</ref> Am 26. Dezember 2007 - drei Tage nach der Ausstrahlung - demonstrierten in Köln über 20.000 Aleviten gegen den Film. Die Berliner Alevitengemeinde erstattete im Auftrag des Dachverbandes AABF Strafanzeige wegen [[Volksverhetzung]]. Am Nachmittag des 27. Dezember 2007 fand eine weitere [http://www.spiegel.de/kultur/gesellschaft/0,1518,525505,00.html Demonstration] von über 1000 Aleviten vor dem ARD-Haupstadtbüro in Berlin statt.


== Organisationen in Deutschland ==
== Organisationen in Deutschland ==

Version vom 27. Dezember 2007, 19:15 Uhr

Die Aleviten (arabisch علوِي; türkisch Alevi; kurdisch und zazaki: Elewi) sind eine eigenständige synkretistische Religionsgemeinschaft. Ein besonderes Merkmal ihrer Glaubensvorstellung ist die besondere Verehrung für Ali ibn Abu Talib (daher auch die Ableitung der Bezeichnung Alevite) bzw. für die 12 Imame. Das ist aber auch die einzige Ähnlichkeit mit dem Schiitischen Islam. Es ist unbedingt zu beachten, dass erhebliche Unterschiede zu den Lehren der imamitischen Schia besteht. Dies betrifft viele theologische Aspekte, wie z.B. Gottes- und Glaubensvorstellung, Art des Gottesdienstes und dergleichen. Das sind die einzigen islamischen Elemente im Alevitentum. Wesentlich wichtigere Glaubenslehren im Alevitentum sind vorislamischer Natur. Auch innerhalb des Alevitentums sind Unterschiede festzustellen. Es ist daher nicht zutreffend die Aleviten als Schiiten zu bezeichnen. Die Unterschiede sind z.T. auf die sprachliche bzw. ethnische Zusammensetzung als auch auf die differenzierte Ausprägung des Alevitentums selbst zurückzuführen (z.B. Bektaschi, Nusairer etc). Im Kern aber vereint sie derselbe religiöse Ursprung. Die Aleviten sind in mehreren Ländern beheimatet. Dies sind u.a. die Türkei, Syrien, Albanien, Libanon und Irak. Die Türkei ist hierbei besonders hervorzuheben, da die Aleviten hier mit 15-25 %[1] der Bevölkerung die zweitgrößte Religionsgruppe nach den Sunniten darstellen.


Datei:Aleviten-alte Karte.png
Türkische Provinzen mit signifikantem Aleviten-Anteil

Der Glaube der Aleviten

Das Alevitentum hat sich nicht aus dem islamischen Schiitentum entwickelt, wie vielfach fälschlicherweise angenommen wird. Es hat sehr viele Elemente aus den verschiedensten vorislamischen Religionen Mesopotamiens sowie aus dem Sufismus (islamische Mystik) in sich vereint. Von Religionswissenschaftlern und einer zunehmenden Zahl von Anhängern wird der Synkretismus als eine eigenständige Religion aufgefasst. Zentrales Element dieser Glaubensauffassung ist der in den Mittelpunkt gerückte Mensch. Der alevitische Glaube ist besonders durch die Erinnerung an die Massaker geprägt, die an den Schiiten und Aleviten während der Alleinherrschaften sunnitischer Machteliten verübt wurden. Zudem glauben die Aleviten genau wie die Imamiten an die zwölf Imame. Das Martyrium des Dritten Imams Al-Husain ibn 'Alī bildet bei Schiiten und Aleviten den gemeinsamen zentralen Punkt, um den sich ihr kollektives Trauerbewusstsein konzentriert. Die Aleviten haben, als sich der Islam in Mesopotamien ausgebreitet hat, nur mit der Leidensgeschichte der Opposition im Islam, den Schiiten, identifiziert, weil jenen innerhalb des Islam Unrecht passiert ist. Gleichzeitig haben Sie Ali als Schutzpatron gegen Anfeindungen des ortodoxen Islam verehrt.

Für den türkischen Staat gilt die Religionsgruppe der Aleviten als eine islamische Glaubensrichtung. Sie ist deshalb in der offiziell-staatlichen Zahl von 99,8% Muslimen enthalten. Die Aleviten leben in allen Provinzen in der Türkei. Traditionell vor allem in den Provinzen Erzincan, Sivas, Dersim (Tunceli), Malatya, Corum, Tokat, Kahramanmaras, Amasya,Varto, Elazig und Hatay, doch heutzutage sind sie mehr in Großstädten wie Istanbul, Ankara, Izmir und Bursa zu finden.

Freilich besitzt ein beträchtlicher Teil der Sunniten kaum eine relevante Vorstellung von den Aleviten und ihren Ritualen, da der türkische Staat lange Zeit die Existenz der Aleviten nicht anerkannte und die Kinder alevitischer Eltern in den Schulen gezwungen wurden, im Unterricht einzig den sunnitischen Glauben zu lernen. Die Unkenntnis über die Aleviten, ihre bewusste Ausgrenzung und der Assimilierungszwang gegen sie von Seiten des Staates wurzelt im Osmanischen Reich und führte dazu, dass latente Vorurteile gegen die Aleviten aufrechterhalten wurden. Erst mit dem Massaker von Sivas am 2. Juli 1993 begannen sie, sich ihrer kulturell-religiösen Identität und Gefährdung bewusst zu werden und weltweit zu organisieren.

Aleviten gehen mit religiösen Vorschriften, die für orthodoxe Muslime als Pflicht und Voraussetzung gelten, dialektischer um. Nach alevitischem Verständnis ist die Sharia bzw. die Oberfläche, das Offensichtliche, in der Religion überwunden, da das Alevitentum die Mystik als Fundament hat. Dennoch gibt es in der alevitischen Theologie vier "Tore", von denen das erste die Sharia darstellt.

Die Aleviten lehnen generell eine dogmatische Religionsauslegung ab; das Ritualgebet (Salat) wird nicht in der konventionellen Form der Schiiten oder Sunniten verrichtet. Außerhalb des alevitischen Gottesdienstes (Cem) benötigt man für das Gebet keinen speziellen Raum oder eine spezielle Zeit. Viele Aleviten beten, wann und wo sie wollen und auf die Art, die ihnen persönlich entspricht, da sie glauben, der innere Bezug des Individuums zu Gott sei der einzig wahre, ohne einen normativen Rahmen hierfür zu benötigen. Wie die Schiiten halten sich die Aleviten an die Lehren der Imame, besonders die des Sechsten Imams Dschaʿfar as-Sādiq, lehnen aber im Gegensatz zu den Schiiten die Schari'a ab. Die Philosophie des Alevitentums kann in gewisser Weise dem Pantheismus zugeordnet werden, denn sie glauben, dass jedem Menschen die Wahrheit ("das Göttliche") innewohne.

Der heutige Glaube der Aleviten ist stark vom Humanismus und Universalismus bestimmt. Im Zentrum ihres Glaubens steht daher der Mensch als eigenverantwortliches Wesen. Wichtig ist ihnen das Verhältnis zum Mitmenschen. Die Frage nach dem Tod und den Jenseitsvorstellungen ist demgegenüber für sie nebensächlich. In der alevitischen Lehre ist die Seele eines jeden Menschen unsterblich, sie strebt durch die Erleuchtung die Vollkommenheit mit Gott an.

Diese liberalen Auffassungen, vor allem die Ablehnung der Schari'a, unterscheiden Aleviten von den Sunniten. Darum haben viele Sunniten, vor allem die meisten islamischen Gelehrten, Vorurteile gegenüber Aleviten und betrachten sie meist nicht als Muslime.

Das Alevitentum beinhaltet ebenfalls relevante Elemente aus dem Zoroastrismus. "Rechtes Handeln, rechtes Denken, rechtes Sprechen" - dies sind Worte aus dem Zoroastrismus, doch werden sie so auch im Koran erwähnt. Die vier heiligen Elemente bei den Aleviten (Feuer, Wasser, Erde, Luft) entstammen ebenfalls aus der Lehre des Zoroastrismus, jedoch sind diese Elemente auch bei den nicht-zoroastrischen Völkern Zentralasiens vorhanden.

Die Hauptquellen des Alevitentums sind nicht allein der "Große Buyruk" von Imam Dschafar ibn Muhammad as-Sadiq, wie häufig angenommen, sondern auch unzählige religiöse Gedichte und Lieder (Deyis, Beyt, Duaz-i Imam). Aleviten waren aufgrund ihrer Verfolgung und Unterdrückung gezwungen, ihre Glaubensinhalte mündlich durch Lieder und Gedichte zu tradieren. Die Symbiose aus verschiedensten religiösen und mystischen Strömungen macht verständlich, dass die Aleviten zwar im Islam ihren Ursprung sehen, jedoch nicht den allseits anerkannten islamischen Gruppierungen zugerechnet werden wollen.

Die alevitische Bevöllkerung setzt sich nicht nur aus türkisch/-turkmenischstämmigen zusammen, sondern auch aus kurdisch/zazaischen Aleviten, die neben den vielen Gemeinsamkeiten auch unterschiedlichen Glaubensrituale und Lebensweisen besitzen. So ist der Hizir-Glaube (s.u.) bei kurdischen Aleviten gerade in der Region Dersim viel ausgeprägter. Daneben praktizieren kurdische Aleviten das Gaxan-Fest, eine Art Knecht-Ruprecht/Nikolausfest wie es auch in anderer Form im Christentum überliefert ist, jedoch mit denselben grundlegenden Motiven.

Gebet

Viele Aleviten beten nicht in einer Moschee, sondern treffen sich zu Kulthandlungen, genannt Cem, in einem Cemevi (Versammlungshaus) zur Rezitation von Gedichten und zum rituellen Tanz (Semah). Dieser wird von Frauen und Männern gleichzeitig und gleichberechtigt ausgeführt und dabei vom Dede (»Großvater«), gleichzusehen wie ein Imam, oder von der Ana (»Großmutter«), beaufsichtigt. Dedes und Anas sind Personen, die von Imam Alis Linie abstammen und sich mit den alevitischen Ritualen und Traditionen sehr gut auskennen. Sie verfügen über ein hohes Maß an Wissen, welches ihre geistige und menschliche Kompetenz auszeichnet. Sie genießen ein hohes Ansehen unter den Aleviten.

Während die Cem früher (vor der zunehmenden Abwanderung weiter Teile der alevitischen Bevölkerung Ostanatoliens in den Westen der Türkei) unregelmäßig stattfand - in dörflichen alevitischen Gemeinschaften nämlich immer dann, wenn ein Dede ins Dorf kam - erlebte das alevitische Kongregationsritual im Zuge der zunehmenden Urbanisierung des Alevitentums, die sich seit mehreren Jahrzehnten beschleunigt vollzieht, eine gewisse Umgestaltung:

Der Cem wird nun in regelmäßigen Abständen, oftmals wöchentlich abgehalten. Ort für die religiös- mysthischen Glaubenshandlungen sind: Versammlungshäuser, die von alevitischen Vereinigungen und Kulturvereinen zur Verfügung gestellt werden; aus den Dörfern mitgebrachte heterogene Ritualelemente werden dabei vereinheitlicht. Auf diesem Wege ist die Cem in den letzten Jahren zu einem prominenten Mittel der bewussten Neubestimmung alevitischer Identität in der Türkei geworden, die sich seit dem Militärputsch von 1980, in dessen Folgezeit ein gewisses Wiedererstarken sunnitischer politisch-religiöser Kräfte verzeichnet werden konnte, in einem konstanten Prozess der Wiederentdeckung und Neuverortung befindet - kultureller, religiöser und geschichtlicher Art.

Der Semah symbolisiert das Universum (Evren) mit den Planeten des Sonnensystems und der Galaxie. Er wird daher im Kreis getanzt, wobei die Semah-Tänzer sich wie Planeten sowohl um ihre eigene Achse, als auch um die Kreismitte drehen. Seit dem 12. Jahrhundert, vielleicht auch schon früher, diente dieser heilige Tanz zur geistigen Annäherung an Allah. Darum sollte er nach alevitischer Auffassung nicht öffentlich vorgeführt werden.

Männer und Frauen sind gleichgestellt.

Die Verschleierung der Frau ist bei Aleviten nicht vorgeschrieben. Denn nach alevitischen Wertvorstellungen sind Männer und Frauen gleichgestellt. Und Frauen sollten sich nicht verdecken müssen, um ihre Reize zu verstecken, die ihnen Gott geschenkt hat.

Hizir (Xizir)

Aleviten glauben, dass die heiligen Brüder Hizir und Ilyas als Propheten gelebt und das sogenannte „Wasser der Unsterblichkeit“ getrunken haben. Diesem Glauben zufolge kommt Hizir den Hilfsbedürftigen zu Lande und Ilyas ihnen zur See zur Hilfe. Sie würden für diejenigen bereit sein und sie retten, die in Not geraten sind und „aus tiefem Herzen“ Hilfe erflehen. Sie bringen den Menschen Glück und Besitz. Nach einer Erzählung soll Hizir das erste Mal von Gefolgsleuten Noahs zur Hilfe gerufen worden sein und sein mit Menschen und Tieren vollbeladenes Schiff gegen ein Unwetter geschützt haben. Nachdem das Schiff drei Tage einem Unwetter widerstand, sollen die Geretteten drei Tage lang gefastet haben, um Hizir ihre Dankbarkeit zu beweisen.

In Anatolien wurde Hizir als ein charismatischer, weiser, auf einem Schimmel reitender Mann von Generation zu Generation mündlich tradiert. Er wird zu Hilfe gerufen; „Eile schnell herbei, lieber Hizir!“ („Yetis ya Hizir“)! Im Volksmund wird er „Hizir mit Schimmel“ genannt und es werden über ihn zahlreiche Geschichten erzählt.

Jedes Jahr wird unter den Aleviten in der zweiten Februarwoche das Fest des Hizir gefeiert. Von Dienstag an wird nach dem Abendmahl bis zum nächsten Abend drei Tage lang gefastet. Viele Nachbarn und Bekannte kommen zusammen und erzählen Geschichten über Hizir. Begleitet von einer Saz (Saiteninstrument) werden schöne und beruhigende Lieder mit meditativem, tiefem Inhalt vorgetragen. Am Freitagabend schließlich werden auf den Friedhöfen die Verstorbenen besucht und Kerzen angezündet; den Kindern werden zu Hause zahlreiche Geschichten über Hizir erzählt.

Am letzten Fastentag wird in und außerhalb der Wohnung saubergemacht, was einer rituellen Reinigung gleichkommt. Am Abend bereitet man eine spezielle Speise (gavul) aus Weizenmehl vor, die die ganze Nacht offengelegt wird. Jedes Familienmitglied wünscht sich dann etwas Besonderes. Man glaubt, dass diese Wünsche in Erfüllung gehen, falls Hizir vorbeikommt und von der Speise probiert. Die Speise wird am nächsten Tag in und vor heiligen, symbolträchtigen Gedenkstätten an Nachbarn und Reisende verteilt. Jeder versucht, Speisen von allen Familien zu kosten, damit sich die Wahrscheinlichkeit erhöht, jene Speise zu erwischen, von der Hizir probiert haben könnte.

Hizir als Begriff nimmt einen wichtigen Platz im Alltag der Aleviten ein. Viele Aleviten geben ihre Gelöbnisse im Namen Hizirs und bitten oder erflehen etwas in seinem Namen. „Hizir sei Dank“, „Hizir möge kommen“, „Es möge mal von Hizir sein“ u.a sind einige bekannte Redewendungen. In manchen Gegenden wird Kindern, Bergen, Seen, Wegen u.a. der Name Hizir verliehen. Es gibt sogar einen religiösen Tanz namens „Hizir semahı“.

"Hizir auf dem Schimmel möge allen Menschen helfen und er möge alle bewachen".

Aleviten und Alawiten

Die Bezeichnungen "Aleviten" und "Alawiten" leiten sich von den Namen "Ali" ab. Mit Alawiten werden die arabischsprachigen Nusairier bezeichnet. Im Türkischen wird diese Gruppe auch "arap Aleviler" (übersetzt: arabische Aleviten) genannt. Die sog. arabischen Aleviten stellen eine spezielle Ausprägung des Alevitentums dar. Vergleicht man sie mit den anderen Richtungen des Alevitentums, so stößt man auf viele Gemeinsamkeiten: die Verehrung der 12 Imame, das Meiden von Moscheen, das Ablehnen der Scharia, ausgeprägte Heiligenverehrung (z.B. Hizir), der Besuch von Heiligengräbern (Ziyarets), etc. Auch wird man bei Ihnen eine relativ liberales Islamverständnis feststellen, so tragen die Frauen i.A. kein Kopftuch (Ausnahmen bilden ältere Frauen besonders in dörflichen Gegenden) und auch sonst gibt es keinen religiösen Zwang. Unterschiede zu den anderen alevitischen Richtungen bestehen wie oben erwähnt in der Sprache bzw. in der Ethnie, aber auch im Kultus. So spielt bei Ihren Gebeten die Saz Musik keine Rolle. Die Alawiten bzw. arabischen Aleviten haben Ihr traditionelles Siedlungsgebiet in der östlichen Mittelmeerregion, ein zusammenhängendes Gebiet von Kilikien bis an die Levante. Heute ist dieses Gebiet durch verschiedene Staatsgrenzen geteilt. In der Türkei sind die Provinzen Mersin, Adana und Hatay die Heimat der arabischen Aleviten. Besonders zu erwähnen sind hierbei die Städte Silifke, Mersin/Icel, Adana, Iskenderun, Antakya und Samandağ. Der Rest des Siedlungsgebiet fällt heute auf Syrien (Lattakia, Idlib etc) bzw. auf den Libanon (Tripoli).

Vorschriften

Die alevitische Glaubenslehre basiert auf der Entscheidungs- und Glaubensfreiheit des Menschen. Niemand hat eine Verpflichtung, etwas tun oder glauben zu müssen.

Die Grundpfeiler der alevitischen Vorschriften sind in diesem einen Satz eline beline diline sahip ol vereint. Er besagt Folgendes:

  • eline sahip ol: Beherrsche deine Hände. Es steht für das negative Potenzial, wozu Hände im Stande sind, also: begehe keinen Diebstahl, zerstöre nicht und nutze Deine Hände für etwas Sinnvolles.
  • beline sahip ol: Beherrsche deine Lende. Die Lende steht als Synonym für Triebe, insbesondere sexueller Natur.
  • diline sahip ol: Beherrsche deine Zunge. Die Zunge steht für Kommunikation und dass sie oft durch Unwahrheiten, aber auch durch unbedacht gewählter Wortwahl missbraucht wird und letztendlich eventuell mehr Leid erzeugen kann als vielleicht ein Schwert (z. B. Meineid, Verleumdung, Rufmord).

Die Verbote des Tötens, des Diebstahls, der Verleumdung und des Ehebruchs gelten für Aleviten gegenüber allen Menschen. Damit wollen sie die Menschlichkeit und das Zusammenleben aller Menschen fördern. Hinzu kommen alltägliche Vorschriften der Nächstenliebe, Hilfsbereitschaft, Bescheidenheit und weitere. Jede Alevitin und jeder Alevit sollte diese Vorschriften anwenden.

Vier Tore, Vierzig Pforten

Das erste Tor ist die Annahme der Gesetze und Pflichten der Gemeinschaft, in der man lebt.

Das zweite Tor ist die Kenntnis der individuellen Rechte und Ansprüche, die man selber hat und stellt; d. h. was begehre ich, was ist mein?

Das dritte Tor ist die Erkenntnis des Nächsten; d. h. was begehrt der Mitmensch, was gehört dem Mitmenschen?

Das Erreichen des vierten Tores setzt die Beschäftigung mit den Rechten und Pflichten der Gemeinschaft voraus. Ab diesem Tor hat das jeweilige Individuum das Recht und die Möglichkeit, die Pflichten und Rechte der Gemeinschaft aus „Tor 1“ mitzugestalten, was die weitere Entwicklung und Modernisierung des ersten Tores sichert.

Geschichte

Am Anfang der muslimischen Religion steht Hasret-i Muhammad. Er ist der Gründer und Verkünder des muslimischen Glaubens. Der islamischen Lehre nach hat Allah ihm den Koran geschickt, und ihn auserwählt, den muslimischen Glauben zu verbreiten. Jeder Alevite, jeder Sunnite glaubt an den Peygamber (türk/pers.:Prophet) Muhammed. Im Zuge der Streitigkeiten im Rahmen der Festlegung des Nachfolgers des Propheten als Führer der Gemeinschaft (nicht als religiöser Nachfolger!) spaltete sich die islamische Urgemeinde in mehrere Gruppen. Die heute bekanntesten sind die Schiiten, die für Ali bin Abi Talib als rechtmäßigen Nachfolger plädierten, und die Sunniten, die sich dem entgegenstellten (Diese beiden Strömungen innerhalb des Islams stellen zahlenmäßig die größten dar. Es gibt allerdings noch unzählige weitere). Die Aleviten kann man weit gefasst in den schiitischen Kontext einbetten. Konkretisiert hat sich die alevitische Auffassung im 13. Jahrhundert aus der Verschmelzung der Schia (arab. Partei, im Sinne der Partei Alis) in Gestalt der Verehrung von Ali ibn Abi Talib mit dem alttürkischen Kam sowie ganz besonders der mystischen Interpretation des Koran (Sufismus). Diese Entwicklung wird vor allem auf Haci Bektas-i Veli und weitere Geistliche zurückgeführt.

Der Behauptung, an manchen Stellen des alevitischen Glaubensdienstes, dem „Cem“, ließen sich Elemente des christlichen Abendmahls wiederentdecken, liegt eine falsche Annahme zugrunde. Aleviten entwickelten zwar auch ein Modell der Trinität, aber nicht im Sinne der christlichen Dreifaltigkeit sondern als Gebot, dass jeder Mensch die Lehren Allahs verkörpern solle. Die Dreifaltigkeitslehre des Christentums widerspricht dem Islam und wird von den Aleviten nicht geglaubt.

Unter den Osmanen wurden die Aleviten aus Unkenntnis über ihren Glauben als Häretiker verfolgt. Insbesondere, weil sie sich mit den iranisch-safawidischen Schahs gegen die Osmanen verbündeten, die, um Ost-Anatolien in ihr Reich einzugliedern...

Im 16. Jahrhundert führte der aus dem Sivas stammende Dichter Pir Sultan Abdal alevitische Aufstände für Gerechtigkeit und Glaubensfreiheit gegen die Osmanen an. Diese schlugen die Aufstände blutig nieder. Pir Sultan Abdal wurde gehängt, doch sein Mut und seine Tapferkeit werden bis heute gerühmt und Aleviten eifern ihm darin nach.

Wegen der Unterdrückung und der bedrohten Lage der Aleviten unter anderen Muslimen kam es im Laufe der Zeit immer wieder zu blutigen Aufständen. Erst seit der Gründung der modernen Türkei genießen sie teilweise Glaubensfreiheit. Doch auch vom türkischen Staat sind sie bis heute nicht als religiöse Minderheit anerkannt (siehe: "Aktuelle Lage"). Gegenwärtig haben sie sich aber in den Mittelschichten etabliert.

Neben den Aleviten gibt es in der Türkei noch die sogenannten "Şiiler" (türkisch: Schiiten). Diese werden nicht den Aleviten zugeordnet. Schiiten selbst grenzen sich klar von Aleviten ab. Schiiten leiten ihre Religion komplett aus dem Koran ab. Bei den Schiiten gelten klare Formen des Islams. Wichtiger Bestandteil sind auch die "Fünf Säulen", fester Glaube an den Koran und die Scharia. Ein Vergleich mit den Aleviten ist nicht haltbar, abgesehen von dem alevitischen Ursprung aus der Schia (s. oben).

Die aktuelle Lage der Aleviten in der Türkei

Die Situation der Aleviten ist auch gegenwärtig von starken Spannungen mit Sunniten bestimmt. Zwar dürfen die traditionellen alevitischen Feste inzwischen in der Türkei offen gefeiert werden, allerdings offiziell nicht als religiöse, sondern lediglich als Folkloreveranstaltungen. Dies ist in der recht speziellen Form der Trennung von Staat und Religion in der kemalistischen Türkei begründet und bereitet auch sunnitischen Muslimen große Probleme in ihrer Religionsausübung.

Die Herabsetzung von Ritualen wie dem Cem, die für den alevitischen Glauben zentral sind, wird von Aleviten als Diskriminierung empfunden. Denn trotz der staatlichen Religionsfreiheit in der Türkei gab und gibt es dort seitens der Bevölkerung starken Druck auf ihre Anhänger, sich dem sunnitischen Islam zuzuwenden oder ihren Glauben zumindest nicht offen zu leben. Dies begründet sich in erster Linie in politischer Einflussnahme seitens der Aleviten gegen die Mehrheitsbevölkerung und dessen religiöse Gefühle. So kam es zum Beispiel 1978 in den Städten Çorum und Kahramanmaraş zu anti-alevitischen Pogromen. 1993 wurden bei einem alevitischen Kulturfestival in Sivas ein Brandanschlag auf ein Hotel verübt, bei dem 37 Menschen ums Leben kamen. Die Teilnehmer hatten sich dorthin zurückgezogen, nachdem Gegner das Fest angegriffen und die Teilnehmer massiv bedroht hatten. Ziel der Attacken war Schriftsteller Aziz Nesin, der zuvor das Buch „Satanische Verse“ von Salman Rushdi ins Türkische übersetzte und die zunehmende Islamisierung und allgemein die Zustände in der Türkei kritisiert hatte. Die Duldung dieses aggressiven Massakers und die nur sehr zögerlichen Rettungsaktionen ließen den Verdacht aufkommen, dass örtliche und staatliche Organe Partei für die Mehrheitsbevölkerung genommen hatten. Religiöse Extremisten bewerteten die Einladung von Aziz Nesin als Ehrengast zu einem alevitischen Fest als eine "politische und bewusste Provokation" und als "Zeichen der Ablehnung der sunnitischen Mehrheitsgesellschaft".

Schon seit Jahren werden traditionell alevitische Siedlungen erzwungenermaßen „sunnitisiert“. Selbst in mehrheitlich alevitischen Dörfern wurden sunnitische Moscheen gebaut. Dies zeigt, dass die Aleviten bis heute von den überwiegenden Muslimen nicht als eigenständige und gleichberechtigte Religionsgemeinschaft anerkannt werden. Es ist aber auch zu erwähnen, dass die alevitische Gemeinschaft, die fast einen Viertel der türkischen Bevölkerung ausmacht, im Gegensatz zu der kurdischen Minderheit keine offizielle Partei besitzt, die die Rechte der Aleviten verteidigen würde.

Die Europäische Kommission hat die Diskriminierung der Aleviten in der Türkei im Rahmen von deren Beitrittsverhandlungen zur Europäischen Union mehrfach kritisiert: zuletzt in der „Empfehlung zu den Fortschritten der Türkei auf dem Weg zum Beitritt“ vom 4. Oktober 2004. Ein Beitritt der Türkei zur EU ohne Anerkennung der Aleviten als muslimische Minderheit ist aufgrund der alle EU-Staaten verpflichtenden Religionsfreiheit daher undenkbar.

Aleviten in Deutschland und Österreich

Der prozentuale Anteil der Aleviten an den aus der Türkei stammenden Immigranten in Deutschland ist höher als der Anteil der Aleviten an der türkischen Bevölkerung. Dies hängt einerseits damit zusammen, dass türkische Einwanderer zu einem großen Anteil aus Gebieten in der Türkei kamen, die hauptsächlich von Aleviten bewohnt waren. Andererseits erfolgte in den 80er Jahren eine verstärkte Einwanderung als Asylsuchende, da die meisten Aleviten vor dem Militärputsch auf der Seite der Opposition standen.

Obwohl die Aleviten in Deutschland eine recht homogene Gruppe bilden, kann man mehrere "Richtungen" erkennen. Die Gruppe der "modernen Aleviten" sieht das Alevitentum als Teil des Islams. Dieser Gruppe ist bewusst, dass das Alevitentum nicht so wie vor mehreren Jahrzehnten in türkischen Dörfern praktiziert werden kann. Statt einer Isolierung vertreten diese Aleviten die Öffnung hin zur Gesellschaft, beispielsweise durch die Forderung, den alevitischen Glauben gesetzlich anzuerkennen und eigenen Religionsunterricht erteilen zu dürfen. Nach dieser Ansicht ist das Alevitentum eine Religion unter vielen in einer multireligiösen Gesellschaft, und es ist deswegen auch selbstverständlich, dass Menschen dem Alevitentum beitreten können.

Eine sehr kleine Gruppe von Aleviten mit politischer Unterstützung durch islamisch geprägte Interessengemeinschaften sieht sich in erster Linie als Muslime und nicht als Aleviten. Sie versuchen deswegen auch eine Annäherung an die Sunniten zu erreichen, in dem sie z. B. neben dem Cem-Gottesdienst auch das sunnitische Gebet in einer Moschee verrichten. Gleichzeitig will diese Gruppe aber das ursprüngliche Alevitentum bewahren und lehnt jede "Modernisierung" ab.

Eine weitere Gruppe beharrt, wie die erste Gruppe, auf den Unterschieden zwischen Sunniten und Aleviten. Sie lehnen einen Beitritt zur sunnitischen Gemeinschaft ab und wollen das Alevitentum nicht einer breiteren Öffentlichkeit bekanntmachen, sondern weiter als eine Art "Geheimlehre" praktizieren. Erklären lässt sich dies durch die Erfahrung der Unterdrückung und Verfolgung durch Sunniten. Sie sehen das Alevitentum als eine eigenständige Religion an.

Es ist festzustellen, dass die Aleviten in Deutschland einen für Aleviten (und Moslems) sehr hohen Grad an Organisierung (z. B. durch Gründung von Verbänden und Gemeinden) erlangt haben. So wurde z. B. das Kulturzentrum Anatolischer Aleviten im Jahr 2002 durch den Berliner Senat als Religionsgemeinschaft anerkannt und erhielt dadurch die Möglichkeit, alevitischen Religionsunterricht in den Berliner Grundschulen zu erteilen. Ein wesentliches Ziel der Alevitischen Gemeinde in Deutschland ist es, alevitischen Religionsunterricht auf Deutsch in weiteren Bundesländern abhalten zu dürfen.

Viele Aleviten leben wegen der garantierten Religionsfreiheit gerne in Deutschland. Nach Ali Ertan Toprak dem Generalsekretär der Alevitischen Gemeinde Deutschland sei die Nichtanerkennung als Religionsgemeinschaft in der Türkei „unwürdig für einen Beitrittskandidaten“[2] der Europäischen Union .

In Österreich ist der prozentuelle Anteil der alevitischen Bevölkerung an der türkischen aus den oben genannten Gründen auch höher als der Anteil in der Türkei. Alevitische Kinder müssen derzeit als muslimische Kinder den großteils sunnitisch-islamischen Religionsunterricht besuchen. Eine Abmeldung vom Religionsunterricht ist aber möglich. Nach mehreren Anläufen, die alevitische Gemeinschaft in der Islamischen Glaubensgemeinschaft zu integrieren, hat man sich jetzt auf die Gründung einer unabhängigen alevitischen Glaubensgemeinschaft geeinigt. Davon erwarten sich sowohl Aleviten als auch Muslime Erleichterung und den Abbau von Spannungen zwischen Aleviten und Muslimen. Den Muslimen sind die Unterschiede in der Religionspraxis und in den Glaubensgrundsätzen zu groß. Gleichzeitig empfinden die meisten Aleviten die Bezeichnung als "Muslim" als unkorrekt. Nur eine eigene Bezeichnung, Identität und Religionsgemeinschaft würde der kulturellen und religiösen Vielfalt gerecht werden. [3]

Am 23. Dezember 2007 lief im deutschen Sender „Das Erste“ (ARD) die vom NDR produzierte Tatort-Folge „Wem Ehre gebührt“ (Drehbuch und Regie: Angelina Maccarone[4]). Die Handlung des Krimis drehte sich um Mord, Selbstmord und Inzest in einer in Deutschland lebenden türkischen Familie alevitischen Glaubens. Der Film löste – trotz des ausdrücklichen Hinweises auf die Fiktionalität der Handlung im Vorspann – Proteste bei der alevitischen Gemeinde Deutschlands aus.[5] Am 26. Dezember 2007 - drei Tage nach der Ausstrahlung - demonstrierten in Köln über 20.000 Aleviten gegen den Film. Die Berliner Alevitengemeinde erstattete im Auftrag des Dachverbandes AABF Strafanzeige wegen Volksverhetzung. Am Nachmittag des 27. Dezember 2007 fand eine weitere Demonstration von über 1000 Aleviten vor dem ARD-Haupstadtbüro in Berlin statt.

Organisationen in Deutschland

Der erste gegründete und eigetragene Verein in Deutschland ist "Ahlen Haci Bektas Alevi Kültür Birligi e.V." welches 1996 nach Hamm Westfalen umgezogen ist und nun den Namen "Hamm Alevitischer Kulturverein", türkisch Hamm Alevi Kültür Birligi HAKBir, trägt (Gegründet von:, Muhsin Cevahir, Musa Dikman, Mehmet Uysal, Celal Gözener, Dursun Top und Yusuf Coskun). Danach wurde 1987 der zweite alevitische Kulturverein gegründet. Nach und nach vermehrten sich diese, wie z.B. Mainz-Wiesbaden-Rüsselsheim Alevi-Bektasi-Kultur e.V. (1988)mit Sitz in Gustavsburg (Gründungsväter sind: Dervis Tur,Ahmet Aydemir,Naci Toksoy,Ismail Yagli,Ismail Elcioglu,Tacim Dincer,Abidin Yüksel). Die größte alevitische Dachorganisation hierzulande ist die Alevitische Gemeinde Deutschland e.V. mit Sitz in Köln. Es gibt Gemeinden in Augsburg, Köln, Stuttgart[6], Mainz, Duisburg u.s.w.

Für die Jugend ist der Bund der Alevitischen Jugendlichen in Deutschland zuständig.[7]

Die Bedeutung der Musik im Alevitentum

Die Musik besitzt im Alevitentum eine überaus wichtige Funktion. Eine Cem-Zeremonie ohne Musik ist unvorstellbar und für die Ausübung der religiösen Pflichten unverzichtbar, so z. B. der Semah-Tanz. Für viele Aleviten gilt die auf dem Instrument „Baglama“ gespielte Musik als eine göttliche Offenbarung. Ohne dieses Instrument hätte das Alevitentum womöglich eine fundamental andere Entwicklung eingeschlagen.

Musik schafft eine hypnotische Atmosphäre, durch sie kann das Individuum einen spirituellen Einblick, eine Erkenntnis erlangen. Nicht nur die „Dedes“ (alevitische Geistliche) inspirieren ihre Gemeinde durch vorgetragene Lieder, sondern ebenso der „Asik“ (auch Zakir genannt) und „Ozan“ (Volksmusiker). Asik heißt soviel wie "der vorbehaltlos Liebende" und ist eine Bezeichnung, die die Beziehung des Musikers zu Gott zum Ausdruck bringt.

Mit ihren Klängen und teilweise religiösen Textinhalten über Ali, Schah Ismail, Pir Sultan Abdal etc. drücken sie ihre Sehnsucht nach einer besseren Welt aus, teilen mit anderen das Leid, das sie durch die Staatsmacht erleiden mussten oder müssen, und können den alevitischen Glauben an die nächste Generation mündlich weitervermitteln.

Viele ihrer Lieder scheinen die Sorgen der Aleviten widerzuspiegeln. Im Augenblick des Zuhörens vereinen sich Mensch und Musik. Gerne hören sich ältere Aleviten im geselligen Kreis die traurigen Lieder an und weinen gemeinsam. Dieses kollektive Trauern ist eine typisch alevitische Bewältigung ihrer Situation und eint die Menschen, es führt zur Erfahrung von Transzendenz.

Der "Asik" (arab. aschiq, "der Liebende") von heute singt und spielt mit seinem Instrument Baglama nicht mehr wie früher auf dem Dorfplatz, sondern ist vielmehr in Musikcafés anzutreffen. Es ist die alevitische Musik, die die Gemeinschaft im Ganzen zusammenhält, ihr ein Zusammengehörigkeitsgefühl vermittelt und dem Individuum zur Identitätsbildung verhilft. Die Musik verleiht dem Alevitentum eine gewisse Mystik, aus der viele Aleviten ihre Kraft schöpfen.

Erkennungszeichen der Aleviten

Ähnlich wie schiitische Glaubensgemeinschaften tragen auch viele Aleviten Ketten mit einem gebogenen Schwert (Zülfikar) als Anhänger. Damit zeigen sie ihre Anerkennung und Ehrfurcht gegenüber Ali ibn Abu Talib, dem man den Besitz eines gebogenen Schwertes mit Doppelspitze nachsagt.

Diese Anhänger sind eher eine neue Erscheinung im Alevitentum. Ältere Aleviten kennen dies aus ihrer Jugend meist nicht. Als Angehörige einer unterdrückten Gemeinschaft war es nicht üblich, sich offen zu erkennen zu geben.

Alljährlich findet vom 16.-18. August Haci-Bektas Veli zu Ehren ein Festival statt. Wichtige Vertreter aus Politik und Kultur präsentieren sich gerne dabei als Fürsprecher der alevitischen Kultur. Aus der ganzen Türkei reisen unzählige Pilger an, feiern und opfern gemeinsam mit ihren Glaubensgenossen. Zu jenen Tagen wird aus dem kleinen Ort Hacibektas ein Wallfahrtsort mit mehr als 100.000 Besuchern.

Persönlichkeiten

Die hier aufgelisteten Personen vertreten den alevitischen Glauben. Nicht alle wurden aber Aleviten genannt. Denn obwohl das Alevitentum genauso alt ist wie das Sunnitentum, wurde erst ab dem 13. Jahrhundert diese Benennung eingeführt.

Alevitische Geistliche und Führer

Ein Dede oder Baba ist ein geistlicher Ältester, beides sind Vorbilder für die gesamte Gemeinschaft.

weitere angesehene, politische Persönlichkeiten:

Alevitische Dichter und Musiker

Das Wort 'Aşık' bedeutet übersetzt wörtlich 'Liebender' (Verliebter), es soll verdeutlichen, dass diese Person gemeinsam und durch Gott das Leben, die Menschen und die Welt bedingslos liebt.

Leben der Aleviten

Wie bei vielen Gruppen auch, herrscht oftmals eine mehr oder weniger starke Diskrepanz zwischen den religiösen Vorschriften und dem tatsächlich gelebten Leben in der Gemeinschaft. Abgesehen von der Tradition der alevitischen Sippen (Asiret), sind Toleranz und Verständnis stark vertreten. Ob es letztendlich kurdische, zazaische oder türkische Aleviten sind, spielt keine Rolle. Oft haben die männlichen Familienmitglieder eine Vormachtstellung, was aber nicht an der Religion, sondern an den Traditionen liegt. Heiraten zwischen Aleviten und Nicht-Aleviten sind in der Regel nicht erwünscht, da man dadurch eine Distanzierung vom Alevitentum befürchtet. Ferner spielt es eine Rolle, dass man im Glauben der meisten Aleviten als Alevit geboren wird und man mit einem nicht-alevitischen Elternteil folglich nicht dem Alevitentum angehören könne. Hingegen ist in großen Städten heutezutage eine zunehmende Verschmelzung der religiösen Gruppen zu beobachten, was nicht zuletzt auf eine größere Toleranz zurückzuführen ist. Eine Generalisierung der Lebensweise der Aleviten ist nicht möglich, da die Anwendung der religiösen Vorschriften sehr unterschiedlich gehandhabt wird.

Quellenangaben

  1. Umstrittene Zahlen:
  2. FAZ: Appeasement an dieser Stelle wäre Verrat 8. Juni 2007
  3. derstandard.at
  4. Interview mit Angelina Maccarone zu den Reaktionen auf den Film, Deutschlandfunk, 17. Dezember 2007
  5. Offizielle Stellungnahme der Alevitischen Gemeinde Deutschland e.V.
  6. Gemeinde in Stuttgart
  7. Almanya Alevi Gencler Birligi AAGB Bund der Alevitischen Jugendlichen in Deutschland

Siehe auch

Literatur

  • Ali Duran Gülçiçek: Der Weg der Aleviten (Bektaschiten) - Menschenliebe, Toleranz, Frieden und Freundschaft. Köln 1996, 2003 (3. Aufl.). ISBN 3-935832-00-1
  • Ismail Kaplan: Das Alevitentum - Eine Lebens- und Glaubensgemeinschaft in Deutschland. Hrsg.v.d. Almanya Alevi Birlikleri Federasyonu. AABF, Köln 2004. ISBN 3-00-012584-1
  • Markus Dressler: Die alevitische Religion - Traditionslinien und Neubestimmungen. Ergon, Würzburg 1999, 2002. ISBN 3-89913-229-7
  • Aynur Sahin: Die Rechtsstellung alevitischer Gemeinden in Europa. Dissertation, Wien 2007.
  • Alevilerin Sesi. (Die Stimme der Aleviten, monatlich erscheinende Zeitschrift der AABF)

Weblinks