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„Kurt Gödel“ – Versionsunterschied

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* Artikel [http://plato.stanford.edu/entries/goedel Gödel] in der  [http://plato.stanford.edu Stanford Encyclopedia of Philosophy] (englisch, mathematisch präzise und zuverlässig, detaillierte Darstellung des mathematischen und philosophischen Werks)
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* [http://www.weltwoche.ch/artikel/default.asp?AssetID=13763&CategoryID=82 Artikel in Weltwoche.ch] über Gödels Freunde und Leben
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* [http://www.tagesspiegel.de/magazin/wissen/Albert-Einstein-Kurt-Goedel;art304,2454513]Artikel im [Tagesspiegel] über das Leben Kurt Gödels


== Einzelnachweise ==
== Einzelnachweise ==

Version vom 16. Januar 2008, 13:59 Uhr

Kurt Gödel (* 28. April 1906 in Brünn (tschechisch: Brno) , Österreich-Ungarn, heute Tschechien; † 14. Januar 1978 in Princeton, New Jersey) war Mathematiker und einer der bedeutendsten Logiker des 20. Jahrhunderts. Er leistete maßgebliche Beiträge:

Auch seine philosophischen Erörterungen zu den Grundlagen der Mathematik fanden weite Beachtung.

Jugend und Studium

Gödel stammte aus einer wohlhabenden großbürgerlichen Familie in Brünn in Mähren. Die Stadt Brünn hatte zur Geburtszeit Gödels eine deutschsprachige Bevölkerungsmehrheit und lag bis 1918 im österreichischen Teil der österreichisch-ungarischen Monarchie (heute: Tschechien). Seine Eltern waren Marianne (geb. Handschuh) und Rudolf August Gödel. Sein Vater war ein zu Wohlstand gelangter Textilunternehmer. Der Vater war katholisch, die Mutter evangelisch, die Kinder der Familie wurden evangelisch erzogen.

Gödel, der, verursacht durch rheumatisches Fieber, in seiner Kindheit oft unter einem schlechten Gesundheitszustand litt, zeigte trotzdem schulische Bestleistungen. 1912 trat Gödel in die Privat-Volks- und Bürgerschule ein, vier Jahre später in das deutschsprachige Kaiserliche und Königliche Staatsrealgymnasium. Nach dem Ersten Weltkrieg wurde die Stadt Brünn 1918/1919 Teil der neu gegründeten Tschechoslowakischen Republik. Gödel, der kaum Tschechisch sprach, fühlte sich in dem neu gegründeten Staat nicht heimisch und, wie er seinem späteren Biografen John D. Dawson sagte, wie ein „österreichischer Verbannter in Tschechoslowakien“. Er nahm 1923 die österreichische Staatsbürgerschaft an, zog zum Herbst 1924 nach Wien und schrieb sich dort zunächst im Studiengang für Theoretische Physik ein. Er beschäftigte sich im darauffolgenden Jahr hauptsächlich mit physikalischen Themen. Außerdem besuchte er auch die philosophische Vorlesung von Heinrich Gomperz sowie die Vorlesung über die Zahlentheorie von Philipp Furtwängler. Diese beiden Professoren gaben Gödel die entscheidenden Impulse, sich intensiv mit den Grundlagen der Mathematik auseinanderzusetzen, welche auf der formalen Logik sowie der Mengenlehre beruhen.

Kurz nach Beginn seines Studiengangs begann er den Wiener Kreis zu besuchen, einen akademischen Zirkel, der von Moritz Schlick ins Leben gerufen worden war und sich mit den methodischen Grundlagen des Denkens und somit den Grundlagen jedweder Philosophie auseinandersetzte. Die Gespräche mit den anderen Mitgliedern der Gruppe, von denen insbesondere Hans Hahn, Karl Menger sowie Olga Taussky für Gödel von besonderer Bedeutung waren, führten ebenfalls zur Erweiterung seines mathematischen Wissens. Auch in familiärer Hinsicht waren die Treffen des Zirkels für ihn von Bedeutung, da er hier 1927 zum ersten Mal seine spätere Frau Adele Porkert traf. Als er im Juli 1928 mit seinem Bruder in eine neue Wohnung innerhalb Wiens zog, befand sich diese zufälligerweise direkt gegenüber der Wohnung von Adele Porkert. Bedingt durch diese Nachbarschaft gingen die beiden erst jetzt eine Beziehung ein, die allerdings durch Kurts Eltern aufgrund gesellschaftlicher Vorbehalte gestört wurde. Adele Porkert stammte aus kleinbürgerlichen Verhältnissen, arbeitete als Kabarettänzerin und war wenig gebildet. Sie war fast sieben Jahre älter als Gödel und bereits einmal verheiratet gewesen. Daher betrachteten Gödels Eltern die Beziehung als Mesalliance, was das Paar veranlasste, sie zunächst geheimzuhalten und erst 1938 nach dem Tod von Gödels Vater zu heiraten.

Gödels wissenschaftliche Leistungen (1929–1938)

Studium

Fasziniert von den Gesprächen im Wiener Kreis, besuchte Gödel das Mathematische Kolloquium von Karl Menger und wurde hier mit den Grundlagenproblemen der Mathematik und Logik seiner Zeit vertraut. Besonders lernte er Hilberts Programm kennen, welches die Widerspruchsfreiheit der Mathematik erweisen sollte. Unter anderem deshalb gehörte die erste Auflage des Lehrbuchs Grundzüge der theoretischen Logik von David Hilbert und Wilhelm Ackermann zu seiner Lektüre, die die hauptsächliche Grundlage für seine eigene Dissertation über die Vollständigkeit des engeren Kalküls der Prädikatenlogik erster Stufe von 1929 werden sollte (genauer Titel: Über die Vollständigkeit des Logikkalküls). Die Doktorwürde wurde Kurt Gödel für diese erstklassige Arbeit am 6. Februar 1930 verliehen.

Weitere Forschung zu Hilberts Programm

Die dreißiger Jahre waren für Gödel hauptsächlich von wissenschaftlicher Arbeit geprägt, die zunächst auf die Durchführbarkeit des um 1920 formulierten Hilbertprogramms gerichtet war. Er beschäftigte sich mit der Kontinuumshypothese und der Frage, ob sich die Arithmetik (die Theorie der natürlichen Zahlen) vollständig und widerspruchsfrei axiomatisieren lasse. Diese beiden Fragen waren gleichzeitig die ersten beiden der berühmten 23 Probleme gewesen, deren erste zehn Hilbert bereits 1900 auf dem Zweiten Internationalen Mathematikerkongress in Paris dem anbrechenden neuen Jahrhundert aufgegeben hatte.

Die Kontinuumshypothese ist die mengentheoretische Aussage, dass jede Menge, welche mächtiger als die Menge der natürlichen Zahlen ist, mindestens so mächtig wie die Menge der reellen Zahlen (dem „Kontinuum“) ist. Hilbert war überzeugt, die Mathematik und damit auch Zahlentheorie (Arithmetik) und Mengenlehre sei vollständig in dem Sinne, dass sie schließlich entscheiden könne, ob eine mathematische Aussage wie die Kontinuumshypothese zutreffe oder nicht.

Die Unvollständigkeitssätze

Hatte Gödels erste Arbeit noch als ein Hinweis auf die Durchführbarkeit des Vorhabens gelten können, so war seine bedeutendste Arbeit, die er im Jahr 1931 veröffentlichte, das Ende des Traums von David Hilbert. In der Arbeit, die den Titel Über formal unentscheidbare Sätze der Principia mathematica und verwandter Systeme trug, bewies Gödel den Ersten Gödelschen Unvollständigkeitssatz. Dieser besagt, dass in einem widerspruchsfreien Axiomensystem, das genügend reichhaltig ist, um die Arithmetik (natürliche Zahlen) in der üblichen Weise aufzubauen und das überdies „hinreichend einfach“ ist, es immer Aussagen gibt, die aus diesem weder bewiesen noch widerlegt werden können. „Hinreichend einfach“ bedeutet dabei, dass das Axiomensystem eine rekursiv entscheidbare Menge ist. Als Zweiter Gödelscher Unvollständigkeitssatz wird Gödels Korollar zum ersten bezeichnet, wonach die Widerspruchsfreiheit eines solchen Axiomensystems nicht aus dem Axiomensystem selbst ableitbar sein soll.

Insbesondere sind allerlei Teiltheorien der gesamten Arithmetik – letztere wollte Hilbert vollständig und widerspruchsfrei axiomatisieren – mächtig genug, um ihre eigene Syntax und ihre Schlussregeln darzustellen. Entsprechende Axiomatisierungen sind daher entweder

  1. nicht hinreichend einfach oder
  2. nicht vollständig oder
  3. widersprüchlich.

Insbesondere ist dann eine vollständige und widerspruchsfreie Arithmetik nicht „hinreichend einfach“. Hilbert bemühte zuletzt (um 1930)[1] tatsächlich eine „ω-Regel“, der zufolge (ungefähr) zutreffende Allaussagen Axiome sein sollten, offenbar, um seine Überzeugung der vollständigen Axiomatisierbarkeit zu retten. So aber ist die Menge der Axiome nicht mehr „hinreichend einfach“.

Der Beweis der Unvollständigkeitssätze beruht auf einer Formalisierung von Antinomien der Form: „Ich spreche jetzt nicht die Wahrheit.“ Er formulierte dieses Paradoxon mathematisch präzise, indem er die mathematischen Aussagen (Formeln), welche Aussagen über natürliche Zahlen machen, betrachtete und feststellte, dass man jede dieser Formeln selbst als natürliche Zahl schreiben kann. Diese heißt Gödelnummer, und ihre Errechnung heißt „Gödelisierung“. Wenn man jedoch Formeln über natürliche Zahlen selbst als natürliche Zahlen auffassen kann, so kann man selbstbezügliche Aussagen der genannten Art formulieren. Dies ist eine Variante von Cantors Diagonalverfahren.

Genauer konstruiert man ein Beweisbarkeitsprädikat. Dieses ist eine zahlentheoretische Formel Bew(x) mit einem „Platzhalter“ x, welche genau dann wahr wird, wenn man x überall durch eine formale Darstellung der Gödelnummer eines aus der untersuchten Theorie beweisbaren Satzes ersetzt. Es stellt sich heraus, dass es eine natürliche Zahl n mit formaler Darstellung N gibt, so dass n die Gödelnummer der Negation ¬Bew(N) von Bew(N) ist. Die Formel ¬Bew(N) drückt in diesem Sinne ihre eigene Unbeweisbarkeit aus und ist in der untersuchten Theorie nicht entscheidbar, sofern diese (im wesentlichen) widerspruchsfrei ist. (Detaillierter ist der Hauptartikel.)

Der Zweite Unvollständigkeitssatz wird zumeist so aufgefasst, dass Hilberts Programm, die Widerspruchsfreiheit der Mathematik oder wenigstens der Arithmetik zu beweisen, nicht durchführbar und das zweite Problem aus Hilberts Liste von 23 mathematischen Problemen unlösbar sei. Allerdings bezieht sich diese Schlussfolgerung auf Gödels „natürliche“ arithmetische Darstellung der Beweisbarkeit, dem Beweisbarkeitsprädikat Bew(x). Bei bestimmten „künstlichen“ Modifikationen von Gödels Beweisbarkeitsprädikat gilt der Zweite Unvollständigkeitssatz nicht mehr. Eine solche Modifikation wurde zuerst von J. B. Rosser bald nach Gödels Veröffentlichung vorgeschlagen; inzwischen versuchen Spezialisten zu klären, worin der Unterschied zwischen „natürlich“ und „künstlich“ eigentlich besteht.[2]

Intuitionistische Logik, Beweisbarkeitslogik

Hilberts Programm stand im Rahmen allgemeiner Versuche seiner Zeit, die Grundlagen der Mathematik zu klären. Dem als Formalismus bezeichneten Ansatz Hilberts hierzu stand L. E. J. Brouwers Intuitionismus gegenüber. (Brouwer war ein niederländischer Mathematiker und Philosoph.) Der philosophische Ansatz des Intuitionismus schlug sich als intuitionistische Logik im Bereich der mathematischen Logik nieder, geschaffen von Arend Heyting. Für Gödel war der intuitionistische Ansatz kaum weniger interessant als Hilberts Programm. Vor allem das Verhältnis der intuitionistischen Logik zur klassischen Logik war für Gödel wie für andere Logiker seither ein fesselnder Untersuchungsgegenstand – unabhängig davon, ob man sich selbst philosophisch als „Intuitionist“ ansah.

Zwischen „Intuitionisten“ und klassisch geprägten Mathematikern besteht ein Verständigungsproblem. Aus klassischer Sicht verwenden intuitionistisch ausgerichtete Mathematiker dieselben Wörter wie klassisch geprägte Mathematiker – bloß in einer ganz anderen, rätselhaften Bedeutung. So scheint ein Intuitionist aus klassischer Sicht nur „A ist beweisbar“ zu meinen, wenn er A sagt. Gerade nach Gödels Entdeckungen bedeutet Wahrheit aber längst nicht Beweisbarkeit. Intuitionistische Mathematiker scheinen ihre Behauptungen demnach strengeren Anforderungen zu unterwerfen als klassisch geprägte. Ein Intuitionist scheint nicht alles zu glauben, was ein klassisch geprägter Mathematiker glaubt.[3]

Gödel widerlegte 1933 diese Vorstellung jedoch hinsichtlich Heytings Arithmetik in gewisser Weise. Oberflächlich ist Heytings Arithmetik klassischen arithmetischen Theorien unterlegen. Dieser Anschein schwindet aber, wenn man auf die besondere Rolle der Negation achtet. Gödel gab eine Interpretation (Übersetzung) der klassischen Arithmetik in der Heyting-Arithmetik an, die davon ausging, jede atomare Formeln in ihre doppelte Negation zu verwandeln. Gödel zeigte, dass die Ausgangsformel genau dann in der klassischen Peano-Arithmetik (beschränkt auf eine Variablensorte) herleitbar ist, wenn ihre Übersetzung in der Heyting-Arithmetik herleitbar ist. Modulo dieser Übersetzung kann man also alle Theoreme der klassischen Arithmetik auch in der Heyting-Arithmetik herleiten.

Gödel stützte auch die Vorstellung, dass von einem Intuitionisten geäußertes A von klassischen Logikern bloß als A ist beweisbar zu deuten ist – in abgewandelter Weise. Beweisbarkeit kann formal durch eine Ergänzung prädikatenlogischer Systeme um Modaloperatoren dargestellt werden, wie sie sonst für die Logik von notwendig und möglich verwendet werden. Erst in jüngerer Zeit wurde dann der Gedanke gründlich verfolgt, Beweisbarkeit als Spielart von Notwendigkeit zu untersuchen (Beweisbarkeitslogik[4]). Gödel lieferte einen frühen Beitrag zu dieser Forschungsrichtung, indem er die Modallogiken zu verschiedenen Beweisbarkeitsprädikaten miteinander verglich. In diesem Zusammenhang gab er eine Interpretation der intuitionistischen Aussagenlogik in der Modallogik S4 an. Die Übersetzung findet im wesentlichen durch Einfügen des Notwendigkeitsoperators vor jeder echten Teilformel statt. Theoreme der intuitionistischen Aussagenlogik werden so in Theoreme von S4 übersetzt. 1948 bestätigten McKinsey und Tarski Gödels bloße Vermutung, dass darüber hinaus nur Theoreme der intuitionistischen Aussagelogik in S4-Theoreme übersetzt werden.

Diese beiden Ergebnisse wurden 1933 veröffentlicht, zwei andere zur intuitionistischen Logik 1932 und 1958.

Amerikareisen, gesundheitliche Schwierigkeiten, Kontinuumshypothese

Gödels bahnbrechende Arbeit und die verblüffenden Resultate, die aus ihr folgten, führten zu seiner Anerkennung als einem der führenden Logiker seiner Zeit. So wurde er von seinem amerikanischen Kollegen Oswald Veblen nach Princeton in das neugegründete Institute for Advanced Study eingeladen. Von 1933 bis 1934 reiste er zum ersten Mal nach Amerika und wurde dort gemeinsam mit James Alexander, John von Neumann und Oswald Veblen Gründungsmitglied der Fakultät. Allerdings begann sich in dieser Zeit seine psychische Erkrankung, die er wahrscheinlich latent seit seinen Kindheitstagen in sich trug, zum ersten Mal in der Form von depressiven Stimmungen und hypochondrischen Zwangsvorstellungen bemerkbar zu machen. Diese seelische Belastung war jedoch nur auf persönliche Einflüsse zurückzuführen. Für die aktuelle politische Situation in Europa interessierte sich Gödel überhaupt nicht.

Als Gödel im Frühjahr 1934 nach Wien zurückkehrte, hatte er bereits die Einladung für eine weitere Dozententätigkeit in Princeton erhalten. Der Tod seines Mentors Hans Hahn und der zunehmende Verfall seiner Gesundheit durch seine unvollständige Ernährung führten dazu, dass er sich statt dessen im Herbst 1934 für eine Woche in ein Sanatorium begeben musste. Nach diesem Aufenthalt, der ihm genügend Erholung brachte, begann sich Gödel mit der Kontinuumshypothese zu beschäftigen, wobei er unter anderem mit John von Neumann zusammenarbeitete. Er versuchte die Unabhängigkeit der Kontinuumshypothese von den übrigen Axiomen der Mengenlehre zu beweisen. Genauer konnte er 1938[5] zeigen, dass falls ZFC (die Axiome von Zermelo-Fraenkel-Mengenlehre mit dem Auswahlaxiom) widerspruchsfrei ist, man die Negation der Kontinuumshypothese nicht mit diesen Axiomen beweisen kann. 1963 vervollständigte der US-Amerikaner Paul Cohen den Unabhängigkeitsbeweis, indem er zeigte, dass falls ZFC widerspruchsfrei ist, auch die Kontinuumshypothese selbst nicht bewiesen werden kann. Damit wurde ein erstes mathematisch oder grundlagentheoretisch relevantes Beispiel einer formal bezüglich ZFC (vermeintlich der ganzen Mathematik) unentscheidbaren Aussage bekannt, deren Existenz Gödel mit seinem Ersten Unvollständigkeitssatz unter allgemeineren Voraussetzungen bewiesen hatte. (Gödels Beispiel ¬Bew(N) ist eine überaus komplexe arithmetische Aussage, die mathematisch noch weniger interessant ist als etwa die zahlentheoretische Aussage Die Differenz zwischen meiner Personalausweisnummer und meiner Telefonnummer ist durch die Zahl der Tore Gerd Müllers ohne Rest teilbar.) Außerdem ist damit bewiesen, dass auch die erste Frage Hilberts von 1900 unentscheidbar ist.

Gödels Gesundheit verschlechterte sich mit zunehmendem Alter immer mehr. Seit seiner Erkrankung an rheumatischem Fieber als Kind war er überzeugt, ein schwaches Herz zu haben und entwickelte ein Misstrauen gegen die Ärzteschaft, die bei ihm nichts dergleichen finden konnte. Er mied Ärzte und wäre deshalb in den 1940er Jahren beinahe an einem unbehandelten Zwölffingerdarmgeschwür gestorben. Bereits 1935 verbrachte Gödel mehrere Monate in einer psychiatrischen Klinik. Als der von Gödel sehr geachtete Philosoph Moritz Schlick, einer der führenden Köpfe des Wiener Kreises, 1936 durch einen ehemaligen Studenten ermordet wurde, erlitt Gödel einen Nervenzusammenbruch.

Amerika

1938 heiratete Kurt Gödel schließlich Adele Porkert. Nach dem Anschluss Österreichs an das Deutsche Reich verlor Gödel aufgrund der Umstellung des Bildungssystems seine österreichische Dozentur. Er versuchte eine adäquate akademische Stelle im nunmehr deutschen Bildungssystem zu erhalten, die entsprechenden Anträge wurden jedoch sehr schleppend bearbeitet. Als er in Wien irrtümlich als Jude angepöbelt wurde und man ihn obendrein zum Dienst in der deutschen Wehrmacht einberief, entschloss er sich endgültig, seine bisherige Heimat zu verlassen und in die USA auszuwandern. Dank seiner dortigen Freunde und der Bemühungen seiner Frau konnte er im Frühjahr 1940 das Dritte Reich über die Transsibirische Eisenbahn durch die Sowjetunion und Japan verlassen.

Nach seiner Einreise in die USA und dem Beginn seiner Arbeit am Institute for Advanced Study in Princeton begann sich Gödel immer mehr mit philosophischen Problemen zu beschäftigen und sich von der formalen Logik abzuwenden. 1941 verfasste er seine letzte Arbeit zu einem logischen Problem, die er aber erst 1958 veröffentlichte. 1942 lernte Gödel Albert Einstein näher kennen und begann mit ihm über physikalische Probleme wie die Relativitätstheorie oder über philosophische Themen zu diskutieren.[6] Gödel gab die erste Lösung der Allgemeinen Relativitätstheorie mit geschlossenen zeitartigen Weltlinien an, die also zeigt, dass „Zeitreisen“ rein theoretisch in dieser Theorie möglich wären[7]. Sein Beispiel eines rotierenden Universums war allerdings nicht sehr realistisch. Trotzdem war damit die Suche nach einem „Chronology- protection“-Mechanismus in der Physik eröffnet.

Zwischen Einstein und Gödel entwickelte sich eine enge Freundschaft,[8] die bis zu Einsteins Tod 1955 anhielt. Gemeinsam pflegten sie zum Institut und nach Hause zu spazieren.[9] Neben wenigen weiteren Bekanntschaften vereinsamte Gödel aber in den vierziger und fünfziger Jahren aufgrund seiner fortschreitenden psychischen Krankheit – vorwiegend Paranoia, vor allem die Angst, durch Essen vergiftet zu werden – immer mehr. Erst 1953 erhielt er eine Professur in Princeton, da er vor allem von Hermann Weyl und Carl Ludwig Siegel wegen seines merkwürdigen Verhaltens als ungeeignet angesehen wurde. In den sechziger Jahren hörte er auf, Vorlesungen zu geben, und seine Krankheit ließ ihm immer weniger die Möglichkeit, zu arbeiten oder gesellschaftlich zu interagieren. Obwohl er während dieser gesamten Zeit weiterhin als einer der führenden Logiker galt und man ihm entsprechende akademische Anerkennung in der Form von Auszeichnungen gewährte, konnte das natürlich seinen Zustand nicht verbessern. 1970 versuchte er zum letzten Mal zu publizieren. Die Schrift musste jedoch zurückgenommen werden, da er aufgrund der Wirkung von Psychopharmaka viele Fehler einfach übersehen hatte. Im Übrigen beschäftigte er sich ab den 1940er Jahren zunehmend mit philosophischen Fragen und versuchte u.a. einen ontologischen Gottesbeweis mittels formaler Logik.

Seine letzten Lebensjahre verbrachte Gödel zu Hause in Princeton oder in verschiedenen Sanatorien, aus denen er einige Male flüchtete. Lediglich die Fürsorge seiner Frau, die dafür sorgte, dass er sich wenigstens halbwegs normal ernährte, hielt ihn am Leben. Als Adele Gödel 1978 aufgrund eines Schlaganfalls selbst in ein Krankenhaus eingeliefert wurde, musste sie hilflos zusehen, wie ihr Mann immer mehr abmagerte. Als sie nach sechs Monaten wieder entlassen wurde – inzwischen an einen Rollstuhl gefesselt – lieferte sie Kurt Gödel bei einem Körpergewicht von unter 40 kg sofort in ein Krankenhaus ein; leider zu spät. Kurt Gödel verstarb wenige Wochen später an Unterernährung und Entkräftung.

Mathematisches Werk

Gödel hat folgende grundlegende Theoreme der mathematischen Logik bewiesen:

Nach Gödel sind außerdem benannt: Gödelnummer, Gödelisierung

Siehe auch: Gödel, Escher, Bach

Literatur

Schriften (Auswahl)

  • Kurt Gödel: Über die Vollständigkeit der Axiome des logischen Funktionenkalküls. Dissertation 1929. In: Monatshefte für Mathematik und Physik Akademische Verlagsgesellschaft, Leipzig 36.1930, 2, S. 349–360. (Auch in: Erg. 3.1932, S. 12–13)
  • Kurt Gödel: Über formal unentscheidbare Sätze der Principia Mathematica und verwandter Systeme I. in: Monatshefte für Mathematik und Physik. Akademische Verlagsgesellschaft, Leipzig 38.1931, S. 173–198.
  • Kurt Gödel: Diskussion zur Grundlegung der Mathematik, Erkenntnis 2. in: Monatshefte für Mathematik und Physik. Akademische Verlagsgesellschaft, Leipzig 39.1931-32, S. 147–148.
  • Kurt Gödel: The Consistency of the Axiom of Choice and of the Generalized Continuum Hypothesis with the Axioms of Set Theory, Annals of Mathematical Studies, Volume 3, Princeton University Press, Princeton, NJ, 1940.
  • Kurt Gödel: Russels mathematische Logik, in: Whitehead/Russell, Principia Mathematica, Vorwort, S. V–XXXIV. Suhrkamp 1986, ISBN 3-518-28193-3.
  • (Hrsg.) Solomon Feferman u. a.: Kurt Gödel. Collected Works. Vol. I–III. Clarendon Press, Oxford 1986 ISBN 0-19-514720-0, 1990 ISBN 0-19-514721-9, 1995 ISBN 0-19-514722-7 (Die komplette Sammlung aller von Gödel jemals verfassten veröffentlichten und unveröffentlichten Schriften in Deutsch und Englisch)

Sekundärliteratur

  • John W. Dawson jr.: Kurt Gödel. Leben und Werk. Springer, Wien 1999, ISBN 3-211-83195-9
  • Ludwig Fischer: Die Grundlagen der Philosophie und der Mathematik. Felix Meiner, Leipzig 1933.
  • Rebecca Goldstein: Kurt Gödel. Jahrhundertmathematiker und großer Entdecker. Piper, München 2006, ISBN 3-492-04884-6
  • Gianbruno Guerrerio: Kurt Gödel. Logische Paradoxien und mathematische Wahrheit. Spektrum der Wissenschaft, Biografie. Spektrum, Heidelberg 2002, 1, ISBN 3-936278-04-0
  • Jaakko Hintikka: On Gödel. Wadsworth Philosophers Series, 2000. (Englisch) ISBN 0-534-57595-1
  • Douglas R. Hofstadter: Gödel, Escher, Bach. Ein Endloses Geflochtenes Band. Dt. Taschenbuch Verlag, München 1991, ISBN 3-423-30017-5
  • Sybille Krämer: Symbolische Maschinen. Die Idee der Formalisierung in geschichtlichem Abriß. Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 1988, ISBN 3-534-03207-1
  • Georg Kreisel: Gödel, Biographical Memoirs, Fellows Royal Society, 1980, S. 149–224
  • Ernest Nagel, James R. Newmann: Der Gödelsche Beweis. Scientia Nova, Oldenbourg 2003, ISBN 3-486-45214-2
  • Ed Regis: Who got Einstein's Office? – Eccentricity and Genius at the Institute of Advanced Study, 1988
  • Ed Regis: Einstein, Gödel & Co – Genialität und Exzentrik – Die Princeton Geschichte, Birkhäuser Verlag, 1989, ISBN 3-7643-2235-7
  • Karl Sigmund, John Dawson, Kurt Mühlberger: Kurt Gödel – Das Album/The Album. Vieweg 2006, ISBN 3-8348-0173-9
  • Wolfgang Stegmüller: Unvollständigkeit und Unentscheidbarkeit. Die metamathematischen Resultate von Goedel, Church, Kleene, Rosser und ihre erkenntnistheoretische Bedeutung. Springer, Wien 1973, ISBN 3-211-81208-3
  • Max Woitschach: Gödel, Götzen und Computer. Eine Kritik der unreinen Vernunft. Poller, Stuttgart 1986, ISBN 3-87959-294-2
  • Palle Yourgrau: Gödel, Einstein und die Folgen. Vermächtnis einer ungewöhnlichen Freundschaft. C.H. Beck, München 2005, ISBN 3-406-52914-3

Eine mathematische Einführung zu seinem Werk findet sich in jedem Lehrbuch zur mathematischen Logik.

  • Ebbinghaus, Flum, Thomas: Einführung in die mathematische Logik, BI Wissenschaftsverlag, 1992. ISBN 3-411-15603-1

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Die Grundlegung der elementaren Zahlenlehre, Mathematische Annalen 104, S. 485–494; Beweis des Tertium non datur, Nachrichten von der Gesellschaft der Wissenschaften zu Göttingen, Mathematisch-Physikalische Klasse, 1931, S. 120–125.
  2. Vgl. etwa Karl-Georg Niebergall: zur Metamathematik nichtaxiomatisierbarer Theorien. CIS Universität München, München 1996. ISBN 3-930859-04-1
  3. Die folgende Darstellung ist auf diejenige in der Stanford Encyclopedia of Philosophy gestützt.
  4. Z. B. George Boolos: The Logic of Provability. Cambrigde University Press, Cambridge (England) 1993. ISBN 0-521-43342-8
  5. Vgl. S. 424 in: J. Floyd, A. Kanamori: How Gödel Transformed Set Theory. Notices of the AMS, 53 (2006), S. 419–427; im Internet als PDF (103 KB).
  6. Dazu Yourgrau 2005.
  7. Reviews of Modern Physics, Bd.21, 1949, 447, sowie in Schilpp (Hrsg.) Albert Einstein 1955. Gödel bewies, dass in diesem Modell der für Zeitreisen nötige Energieaufwand unrealistisch hoch war, die Möglichkeit von Kommunikation blieb aber offen und war für Gödel eine mögliche Erklärung für Geistererscheinungen (Kreisel 1980, S.155)
  8. Yourgrau 2005.
  9. Goldstein 2006, vgl. englische Fassung
  10. Gödel 1940; moderne Darstellung etwa in: K. Kunen, Set Theory, North-Holland, Amsterdam, 1980, Kapitel VI. ISBN 0-444-85401-0