Staatsverschuldung Deutschlands

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Die Schuldenuhr des Bundes der Steuerzahler zeigt dessen Prognose über die Staatsverschuldung der Bundesrepublik Deutschland im Jahr 2006

Die Staatsverschuldung Deutschlands besteht aus den zusammengefassten Schulden von Bund, Ländern, Gemeinden, Gemeindeverbänden, gesetzlicher Sozialversicherung und Sondervermögen des Bundes bei in- und ausländischen Kreditgebern.

Veröffentlicht werden die „Schulden beim nicht öffentlichen Bereich gemäß Finanzstatistik“ im Rahmen der Schuldenstatistik vom Statistischen Bundesamt und der Maastricht-Schuldenstand der auf Basis des Europäischen System Volkswirtschaftlicher Gesamtrechnungen von der Deutschen Bundesbank ermittelt wird und zusätzlich unter anderem sogenannte Zuweisungs- oder Reroutinggeschäfte für die Europäische Finanzstabilisierungsfazilität und die Kreditanstalt für Wiederaufbau als langfristige Kredite beinhaltet.[1]

Die an Eurostat für 2018 gemeldete Verschuldung betrug 2069 Milliarden Euro[2] und damit 61,9 % des Bruttoinlandsprodukts.[3]

Das Statistische Bundesamt berichtet für 2018 eine Staatsverschuldung der Bundesrepublik Deutschland von 1917 Milliarden Euro.[4][5]

Was sind Staatsschulden?

Die Höhe der Staatsverschuldung hängt davon ab, welche Schuldenarten sowie welche öffentlichen Einheiten in die Betrachtung einbezogen werden. Für die Rechnungslegung der öffentlichen Haushalte werden zwei verschiedene Rechenwerke verwendet: die Finanzstatistik und die Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen (VGR). Diese Rechenwerke unterscheiden sich vor allem hinsichtlich der Periodisierung und Abgrenzung der Einnahmen und Ausgaben des öffentlichen Sektors:

Staat nach VGR öffentlicher Gesamthaushalt nach Finanzstatistik
Bund, Länder, Gemeinden, Gemeindeverbände,
Zweckverbände, Sondervermögen, Sozialversicherung
Bund, Länder, Gemeinden, Gemeindeverbände,
Zweckverbände, Sondervermögen, Sozialversicherung
Periodisierung nach Entstehungszeitpunkt
z. B. Lohnsteueraufkommen Januar wird zurückgebucht auf Dezember
Bauinvestitionen werden nach Baufortschritt berücksichtigt
Periodisierung nach Kassenwirksamkeit
z. B. Lohnsteueraufkommen Januar bleibt dem Januar zugeschlagen
Bauinvestitionen werden im Jahr der Zahlung berücksichtigt
Einnahmen aus Verkauf von Beteiligungen bleiben unberücksichtigt Einnahmen aus Verkauf von Beteiligungen werden kassenwirksam

Staatsschulden können nach folgenden Kriterien unterschieden werden:

  • nach Art der Gläubiger: inländische Gläubiger, ausländische Gläubiger
  • nach Art der Schulden: Kreditmarktschulden, Kassenkredite, u. a.
  • nach der staatlichen Körperschaft: Bund, Land, Gemeinde, Gemeindeverband, Sozialversicherung, Extrahaushalt
  • nach volkswirtschaftlicher Abgrenzung (erfasst Einnahmen und Ausgaben nach dem Entstehen der Forderungen und Verbindlichkeiten und ist (weitgehend) methodische Grundlage für die Ermittlung der Haushaltsdefizite und der öffentlichen Schulden nach dem Vertrag von Maastricht und dem Europäischen Stabilitäts- und Wachstumspakt)
  • nach Abgrenzung der Finanzstatistik (erfasst Einnahmen und Ausgaben einschließlich der Sondervermögen und Sozialversicherung nach ihrer Kassenwirksamkeit und ist relevant für die Schuldenbegrenzung nach Artikel 115 Grundgesetz sowie für die entsprechenden Bestimmungen in den Verfassungen der Länder)
  • nach Maastricht-Kriterien

Bei wem ist der Staat verschuldet?

Deutschland ist zu circa 40 % bei inländischen Gläubigern verschuldet, circa 60 % der deutschen Verschuldung sind Auslandsschulden. Die inländischen Gläubiger sind zu etwa zwei Dritteln inländische Kreditinstitute und zu einem Drittel Nichtbanken (Versicherungen, Unternehmen, Privatpersonen).[6][7]

Volkswirtschaftliche Bedeutung der Staatsverschuldung

Der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung geht davon aus, dass steigende und hohe Schuldenstandsquoten – unabhängig davon, wie sie entstanden sind – langfristig mit Wachstumsverlusten verbunden sind. Zudem belasten sie zukünftige Generationen über die zur Finanzierung des Schuldendienstes erforderlichen höheren Steuern.

Eine dauerhafte Staatsverschuldung könne aber im Zusammenhang mit öffentlichen Investitionen gerechtfertigt sein, die das Vermögen kommender Generationen erhöhen oder künftige Erträge hinterlassen und diese somit „reicher“ machen. Die intergenerative Umverteilungswirkung der Staatsschuld sei hier ein gewünschtes Ergebnis, um auch die künftigen Nutznießer der heutigen Ausgaben an den Finanzierungslasten zu beteiligen.[8]

Kennziffern der Staatsverschuldung

Staatsverschuldung Deutschlands in % des BIP 1995–2016

Das Verhältnis des Schuldenstands zum nominalen Bruttoinlandsprodukt (Staatsschuldenquote) und das Finanzierungsdefizit (Nettokreditaufnahme) bezogen auf das nominale Bruttoinlandsprodukt sind wichtige Verschuldungskennziffern, die herangezogen werden, um das Vorliegen einer Haushaltskrise oder Notlage festzustellen.

Entwicklung der Staatsverschuldung

Seit 1962 kam es bis 2012 mit Ausnahme von 1989 in jedem Jahr zu einer Nettoneuverschuldung des Bundes; nur von 1950 bis 1961 war in acht Jahren eine Nettotilgung der Bundesschuld möglich. Der Bund der Steuerzahler hat errechnet, dass die Geschwindigkeit der Neuverschuldung sich zum Höhepunkt der Finanzkrise (Pressemitteilung 15. Januar 2009) von 474 Euro pro Sekunde im Jahr 2008 auf 4.439 Euro pro Sekunde im Jahr 2009 nahezu verzehnfachte.[9]

Entsprechend dem zunehmenden Schuldenstand waren die Zinslasten über Jahrzehnte gewachsen. Die Zinslastquote (Zinsausgaben in % der staatlichen Gesamtausgaben) lag für den Bund im Jahr 2001 bei 16,2 %; in einigen Bundesländern noch deutlich darüber. Gemessen am Bruttoinlandsprodukt liegt die Zinslastquote etwa bei 3 %. Die deutliche Senkung des Leitzinses in der Eurozone auf ein historisch niedriges Niveau von 0,05 % sowie die große Nachfrage nach den als sichere Anlage geltenden Bundesanleihen hat in den letzten Jahren die Zinsen von Neuemissionen deutlich gesenkt, weshalb auch die Zinslast insgesamt rückläufig ist.[10] Für Neuemissionen von Staatsanleihen ein- und zweijähriger Laufzeit konnte Deutschland zeitweise negative Zinsen verlangen.[11]

Erstmals im Jahr 2013 sank der Schuldenstand in Deutschland, bei einer rückläufigen deutschen Staatsschuldenquote von 81,0 % auf 78,4 % des Bruttoinlandsprodukts. Der Internationale Währungsfonds geht in seiner Prognose von April 2014 davon aus, dass die Staatsschuldenquote bis zum Jahr 2019 auf 58,7 % zurückgehen wird.[12] Damit würde Deutschland im Jahr 2019 das Maastricht-Kriterium einer maximalen Staatsschuldenquote von 60 % wieder erfüllen. 2014 erwirtschaftete Deutschland einen Finanzierungsüberschuss von 18 Mrd. Euro oder 0,6 % des Bruttoinlandsproduktes.[13]

Bund und Länder verschulden sich in erster Linie, indem sie gegen Zinsen Staatsanleihen an Bürger oder Unternehmen verkaufen. Die Transaktion erfolgt meistens über Banken. Die Schulden der öffentlichen Haushalte von Bund, Ländern und Gemeinden zusammen (ab 2010 inkl. aller Extrahaushalte und Schulden der deutschen Sozialversicherung), haben sich seit 1950 wie folgt entwickelt:

Schulden des öffentlichen Gesamthaushalts von 1950 bis 2018
Jahr in Millionen Euro
1950
  
9.574
1951
  
10.747
1952
  
12.276
1953
  
14.775
1954
  
18.311
1955
  
21.357
1956
  
22.362
1957
  
23.158
1958
  
23.991
1959
  
25.463
1960
  
28.998
1961
  
32.215
1962
  
33.129
1963
  
36.026
1964
  
39.797
1965
  
44.697
1966
  
50.294
1967
  
58.018
1968
  
62.402
1969
  
62.982
1970
  
64.210
1971
  
71.661
1972
  
79.392
1973
  
86.421
1974
  
97.368
1975
  
130.008
1976
  
150.904
1977
  
167.119
1978
  
188.579
1979
  
210.950
1980
  
238.897
1981
  
278.221
1982
  
313.733
1983
  
343.279
1984
  
366.682
1985
  
388.436
1986
  
409.300
1987
  
433.788
1988
  
461.525
1989
  
474.704
1990
  
538.334
1991
  
599.511
1992
  
686.356
1993
  
769.898
1994
  
848.057
1995
  
1.018.767
1996
  
1.082.970
1997
  
1.132.442
1998
  
1.165.414
1999
  
1.199.582
2000
  
1.210.918
2001
  
1.223.503
2002
  
1.277.271
2003
  
1.357.723
2004
  
1.429.749
2005
  
1.489.853
2006
  
1.545.364
2007
  
1.552.371
2008
  
1.577.881
2009
  
1.694.368
2010
  
2.011.677
2011
  
2.025.438
2012
  
2.068.289
2013
  
2.043.344
2014
  
2.043.918
2015
  
2.020.704
2016
  
2.009.310
2017
  
1.967.385
2018
  
1.914.261
Datenquelle: Statistisches Bundesamt: Schulden des Öffentlichen Gesamthaushalts - Fachserie 14 Reihe 5 - 2018.

Der Verlauf zeigt, dass das Schuldenwachstum (also die Änderungsrate des Schuldenstandes) zum Teil stark schwankt. So erhöhte es sich nach der Deutschen Wiedervereinigung im Jahre 1990 stark, verringerte sich von 1995 bis 2000. Seit dem Jahr 2001 wuchsen die Schulden jedoch wieder stärker. Die folgende Tabelle zeigt, dass seit Jahren die Staatsausgaben höher sind als die Staatseinnahmen. Es ist hierbei zu beachten, dass die „Neuverschuldung“ oft nur die Neuverschuldung des Bundes darstellt. Die Gesamtneuverschuldung inklusive Ländern und Gemeinden liegt meist deutlich höher.

Jahr Staats­verschuldung
(Bund, Länder und Gemeinden)
in Mrd. Euro
...im Verhältnis zum
Brutto­inlands­produkt (BIP)
in %
Brutto­inlands­produkt (BIP)
in Mrd. Euro
Staats­verschuldung
je Einwohner in Euro
2003 1357,7 63,2 2147,5 16.454
2004 1429,8 65,1 2195,7 17.331
2005 1489,9 67,0 2224,4 18.066
2006 1545,4 66,8 2313,9 18.761
2007 1552,4 63,9 2428,5 18.871
2008 1577,9 63,8 2473,8 19.213
2009 1694,4 71,4 2374,5 20.698
2010 2011,7 80,6 2495 24.607
2011 2025,4 77,6 2610 25.215
2012 2068,3 77,6 2666 25.685
2013 2043,7 72,5 2811 25.289
2014 2049,2 70,3 2916 25.320
Quelle: Monatsbericht des Bundesministeriums der Finanzen (BMF) vom 21.09.2015

Im Zeitraum von 1979 bis 2010 liegt der jährliche Finanzierungssaldo in Relation zum BIP bei −2,7 %. Insofern ist sogar der Anstieg der Jahre 2007 bis 2010 „im normalen Bereich“, bei einem mittleren Finanzierungssaldo von −2,3 % und somit deutlich unter dem langjährigen Mittel. Zuletzt im Zuge der mit der Finanzkrise ab 2007 einhergehenden Bankenrettung stieg der Schuldenstand (brutto) bis 2009 um knapp 100 Mrd. Euro.[14]

Der Bundeshaushalt wurde zwischen 1970 und 2014 nicht ohne Neuverschuldung abgeschlossen.

Verdeckte Staatsverschuldung

Neben der vorliegenden Verschuldung, die sich aus den in aller Regel verbrieften Staatsverbindlichkeiten (Bundesanleihen, -schatzbriefe, Kommunalanleihen, Kommunalkrediten etc.) ergibt, spricht man auch von der impliziten Verschuldung (engl. implicit debt; in der Politik und den Medien auch Schattenverschuldung), die sich aus der Höhe der zukünftigen staatlichen Verpflichtungen, wie z. B. Renten- und Pensionszahlungen, ergibt. Die Berechnung der impliziten Verschuldung wird kontrovers diskutiert, da sie unter anderem von Annahmen über die Höhe der Zahlungsströme (Cash-Flow) der künftigen Zinsstruktur abhängt. Eine Änderung der Sozialversicherungssysteme oder der Bevölkerungsverteilung hätte beispielsweise Auswirkungen auf die zukünftigen Zahlungsströme und damit auf deren Kapitalwert. Aus diesem Grund beziehen sich die veröffentlichten Zahlen auf die explizite Verschuldung. Es gibt Vorschläge, die implizite Verschuldung in eine Generationenbilanz zu integrieren. Verdeckte Staatsverschuldung beschreibt eine Staatsverschuldung, bei der der Schuldner nicht der Staat selbst ist, sondern eine ausgelagerte Einheit. wie z. B. der Fonds Deutsche Einheit. Auch wenn diese Schulden nicht als Schulden des Staates bilanziert werden, sind sie doch wirtschaftlich diesem zuzurechnen. Extrahaushalte mit ihren Forderungen und Schulden zählen zum öffentlichen Gesamthaushalt.[15]

Die Europäische Zentralbank (EZB) warnte denn auch im Nachgang der Finanzkrise vor den Folgen der Schattenverschuldung in den Euroländern. Die Garantien für andere EU-Mitgliedstaaten und eigene Kreditinstitute hätten demnach 2012 die Schulden Deutschlands um 11,2 % auf eine Staatsschuldenquote von rund 90 % des Bruttoinlandsprodukts (BIP) anwachsen lassen.[16]

Verschuldung der Bundesländer

Die Pro-Kopf-Verschuldung der Einwohner ist in den drei Stadtstaaten am höchsten. Von den Flächenstaaten ist das Saarland pro Kopf am höchsten verschuldet, die wirtschaftsstarken Südstaaten Bayern und Baden-Württemberg sowie Sachsen haben weniger Schulden.

In der untenstehenden Tabelle ist bei der Spalte „Änderung des Pro-Kopf-Schuldenstands …“ zu berücksichtigen, dass die Inflation unberücksichtigt ist. Rechnet man mit einer jährlichen Inflation von etwa 2 Prozent, würden die dort angegebenen Zahlen um einen Wert von mehr als −18 Prozent negativer (= günstiger) ausfallen.

Entwicklung des Pro-Kopf-Schuldenstands in Euro in den deutschen Bundesländern beim nichtöffentlichen Bereich 2010 bis 2022[17]
Bundesland 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018 2019 2020 2021 2022
Baden-Württemberg 5.416 5.873 5.885 6.029 4.928 4.928 4.880 4.202 3.982 4.003 4.313 4.243 3.851
Bayern 2.330 2.315 2.223 2.083 1.866 1.671 1.514 1.308 1.121 987 1.359 1.512 1.425
Brandenburg 7.890 7.979 7.994 7.658 7.431 7.356 7.262 6.740 6.432 6.615 7.368 7.505 7.198
Hessen 6.090 6.512 6.719 6.673 7.267 6.968 6.923 6.581 6.463 6.449 7.296 7.013 6.289
Mecklenburg-Vorpommern 6.233 6.321 6.378 6.204 6.101 5.942 5.293 4.973 4.755 4.687 5.247 5.300 5.096
Niedersachsen 6.839 7.233 7.145 7.254 7.319 7.731 7.564 7.486 7.359 7.279 8.123 8.047 7.713
Nordrhein-Westfalen 9.792 10.265 11.871 10.810 10.598 10.459 10.199 9.744 9.332 9.492 9.957 10.108 9.903
Rheinland-Pfalz 7.623 7.992 8.262 8.246 8.188 8.198 8.207 7.804 7.513 7.295 7.539 6.954 6.747
Saarland 11.560 12.268 12.957 13.592 13.982 14.205 14.156 14.127 13.920 13.989 14.737 14.811 13.651
Sachsen 1.543 1.387 1.228 1.018 777 566 453 381 346 279 1.244 1.554 1.352
Sachsen-Anhalt 8.762 9.040 9.092 8.979 9.068 9.297 9.054 9.325 9.003 9.496 9.705 10.081 10.486
Schleswig-Holstein 9.732 9.970 10.067 9.840 9.897 9.736 10.262 10.121 10.686 10.609 11.002 11.391 11.188
Thüringen 7.340 7.566 7.482 7.394 7.304 7.263 7.065 7.372 6.827 6.822 7.363 7.740 7.386
Berlin 17.490 18.619 18.213 17.799 17.347 16.831 16.486 15.744 15.008 14.773 16.307 16.897 16.564
Bremen 27.372 29.051 30.155 30.615 31.299 33.037 31.756 30.987 31.928 43.921 58.035 53.834 33.264
Hamburg 14.119 14.560 14.273 14.393 16.148 16.307 17.415 17.885 18.734 18.279 19.181 19.106 17.731

Staatsschulden und Staatsvermögen

Den Staatsschulden in Deutschland stehen beträchtliche Staatsvermögen gegenüber. Die Staatsvermögen bestehen aus Sachvermögen (Gebäude, Bauland, Infrastruktur etc.) und Geldvermögen. Nach Berechnungen des DIW auf Basis von Daten des Statistischen Bundesamtes und der Deutschen Bundesbank ergibt sich folgende Bilanz: Wenn man die staatlichen Vermögenswerte berücksichtigt, beträgt die Nettobelastung künftiger Generationen durch den Staatssektor in Deutschland aktuell nur etwas über null Prozent des BIP, und nicht 76 % der aktuellen Staatsschuldenquote. Allerdings gilt auch, dass vor 20 Jahren das staatliche Nettovermögen noch höher lag, nämlich bei 52 % des BIP.[18]

Während sich das private Gesamtvermögen in Deutschland von 1992 bis 2012 mehr als verdoppelte (von 4,6 auf 10 Billionen Euro), ist das Staatsvermögen im gleichen Zeitraum um 800 Milliarden Euro gesunken.[19]

Grenzen der Staatsverschuldung

Rechtliche Grenzen

Art. 115 Grundgesetz (GG) besagt, dass die neu aufgenommenen Kredite die Ausgaben für Investitionen nicht überschreiten dürfen. Ausnahme: Zur Abwehr einer „Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts“ ist auch eine höhere Verschuldung zulässig.

Außerdem sollten vor der Einführung des Euro gemäß den im Maastricht-Vertrag festgelegten EU-Konvergenzkriterien und seit seiner Einführung gemäß Art. 126 des AEU-Vertrags u. a. die folgenden Kriterien erfüllt sein:

  • Das Haushaltsdefizit darf maximal 3 % des BIP betragen.
  • Die Gesamtverschuldung darf 60 % des BIP nicht überschreiten. Hierbei werden die Schulden des Bundes, der Länder und der Gebietskörperschaften zusammengezählt. Dabei zählen als Schulden z. B. nicht Schulden aus Lieferungen und Leistungen.

Diese als Maastricht-Kriterien bezeichneten Grenzen sind willkürlich gesetzt worden und wurden seitens Deutschlands und auch anderer Länder seit 2002 mehrfach überschritten. Deutschland hat beim Staatsdefizit 2006 erstmals seit fünf Jahren wieder die Vorgaben des Euro-Stabilitätspaktes erfüllt. Der Wirtschaftsaufschwung und höhere Einnahmen ließen das deutsche Haushaltsloch auf 1,7 % des Bruttoinlandsprodukts schrumpfen nach 3,2 % im Jahr 2005. Die 60-%-Grenze stellte den zum Zeitpunkt der Maastricht-Verhandlungen (1991) durchschnittlichen Verschuldungsgrad der damaligen Beitrittskandidaten dar. Man unterstellte dabei ein durchschnittliches nominales Wachstum der Sozialprodukte von etwa 5 %, das heißt 3 % reales Wachstum und 2 % Inflation. Danach dürfte die Nettokreditaufnahme nur bei 60 % der Sozialproduktzunahme (also 3 %) liegen, wenn der Schuldenstand gleich bleiben sollte.

2009 beschlossen Bundestag und Bundesrat die Einführung einer Schuldenbremse, die ab 2016 dem Bund höhere strukturelle Defizite als 0,35 % des nominalen Bruttoinlandsproduktes und ab 2020 den Ländern außer in besonders schweren Rezessionen oder Katastrophen die Aufnahme neuer Schulden verbietet.

Öffentliche Schulden im Vergleich mit privatem Vermögen

Den öffentlichen Schulden steht in Deutschland ein weitaus größeres privates Nettovermögen gegenüber, so dass die Staatsverschuldung aus makroökonomischer Sicht durchaus entspannt ist, allerdings besitzen die reichsten zehn Prozent der Bevölkerung fast zwei Drittel dieses Vermögens. Die deutsche Volkswirtschaft hat ein per Saldo positives Auslandsvermögen.

Nach Berechnungen des DIW bestand das private Nettovermögen im engeren Sinne 2009 aus 7370 Milliarden Euro, was 307 % des BIP entspricht. Zusammen mit dem übrigen Nettovermögen beträgt das gesamte Nettovermögen der privaten Haushalte 9700 Milliarden Euro, 405 % des BIP. Demgegenüber nimmt sich die Staatsschuldenquote (2009) in Höhe von 73 % des BIP (1760 Milliarden Euro) noch recht moderat aus. [...] Insgesamt stellt sich die intergenerative Belastungswirkung des öffentlichen Gesamthaushalts in Deutschland aus makroökonomischer Sicht durchaus entspannt dar. [...] Allerdings sind die Betroffenheit von künftigen Steuererhöhungen oder Kürzungen von Staatsleistungen einerseits und der Nettovermögensbesitz andererseits deutlich unterschiedlich verteilt. Das private Nettovermögen im engeren Sinne ist sehr stark konzentriert [...] die reichsten zehn Prozent besitzen über 60 % des Vermögens (2007).[18] Das Vermögen der reichsten zehn Prozent ist demnach mehr als dreimal größer als die gesamte Staatsverschuldung.

Sonderkonto zur Tilgung

Die Bundeskasse Halle (Saale) unterhält seit 2006 bei der Bundesbank Leipzig ein Sonderkonto (IBAN DE17 8600 0000 0086 0010 30), auf das Bürger ohne die Möglichkeit der Absetzbarkeit Gelder unter dem Betreff „Schuldentilgung“ überweisen können.[20] Seit Kontoeröffnung wurden 1.164.564,35 € eingezahlt (Stand: 6. Dezember 2018).[21]

Siehe auch

Literatur

  • Daniel Buscher: Der Bundesstaat in Zeiten der Finanzkrise. Ein Beitrag zur Reform der deutschen Finanz- und Haushaltsordnung (Föderalismusreform). Duncker & Humblot, Berlin 2010, ISBN 978-3-428-13166-2.
  • Sebastian Finsterbusch: Staatsverschuldung in der Bundesrepublik Deutschland. 1. Auflage. polisphere library, 2005, ISBN 3-938456-04-3.
  • Hans-Peter Ullmann: Staat und Schulden. Öffentliche Finanzen in Deutschland seit dem 18. Jahrhundert. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2009, ISBN 978-3-525-36385-0.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Deutsche Bundesbank: Die Maastricht-Schulden: methodische Grundlagen sowie die Ermittlung und Entwicklung in Deutschland. in Monatsbericht April 2018, S. 59ff
  2. Deutsche Bundesbank Zeitreihe BBK01.BQ9059: Verschuldung gem. Maastricht-Vertrag - Deutschland - Gesamtstaat - pro Quartal. Deutsche Bundesbank, abgerufen am 14. Januar 2020.
  3. Öffentlicher Bruttoschuldenstand [SDG_17_40]. Eurostat, 22. Oktober 2019, abgerufen am 19. Dezember 2019.
  4. Öffentliche Schulden Ende des 1. Halbjahres 2019 um 0,1 % höher als Ende 2018. Statistisches Bundesamt, abgerufen am 18. Dezember 2019.
  5. Überleitung vom Schuldenstand der Finanzstatistik zum Schuldenstand gemäß dem Maastricht-Vertrag. Statistisches Bundesamt, S. 13, abgerufen am 18. Dezember 2019.
  6. Monatsbericht April 2006 der Deutschen Bundesbank (Memento des Originals vom 3. Februar 2007 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.bundesbank.de (906 kB)
  7. Auslandsverschuldung, abgerufen am 16. April 2010 (Einteilung der Gläubiger).
  8. Staatsverschuldung wirksam begrenzen - Expertise des Sachverständigenrats zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, März 2007
  9. Umstellung der Schuldenuhr. Bund der Steuerzahler, 15. Januar 2009, archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 2. März 2009; abgerufen am 4. August 2012.  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.steuerzahler.de
  10. Bundesbank: Staat spart 120 Milliarden Euro durch Niedrigzinsen. In: Der Spiegel. 11. August 2014, abgerufen am 1. Januar 2020.
  11. Negativzins – Bund verdient erstmals Geld mit Staatsanleihe. In: manager magazin. 18. Juli 2012, abgerufen am 1. Januar 2020.
  12. Internationaler Währungsfonds: All countries Government finance>General government gross debt(Percent of GDP)
  13. Statistisches Bundesamt: Staat erzielte im Jahr 2014 Überschuss von 18 Milliarden Euro Pressemitteilung Nr. 062 vom 24. Februar 2015, abgerufen am 24. Februar 2015
  14. Bundestagsdrucksache 17/1522. (PDF; 106 kB) bundestag.de, 26. April 2010, abgerufen am 4. August 2012.
  15. Statistisches Bundesamt:„Was beschreibt die Statistik über die Schulden des öffentlichen Gesamthaushalts?“
  16. Franz Schuster, Europa im Wandel, 2013, S. 89
  17. Statistischer Bericht: Schulden des Öffentlichen Gesamthaushalts Berichtszeitraum 2022. Statistisches Bundesamt, abgerufen am 31. Dezember 2023 (Tabelle "71321-04: Entwicklung der Schulden des Öffentlichen Gesamthaushalts der Länder nach Ländern und Art der Schulden, Millionen EUR / EUR).
  18. a b Stefan Bach: Wochenbericht. (PDF; 615 kB) DIW, 15. Dezember 2010, abgerufen am 4. August 2012.
  19. Thomas Öchsner: Neuer Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung: Reiche trotz Finanzkrise immer reicher. In: Süddeutsche Zeitung. 18. September 2012, abgerufen am 15. Januar 2020.
  20. Christoph Schäfer: Spendenkonten: Almosen für Deutschland. Die Bundesregierung und Thüringen haben Spendenkonten angelegt, um ihre Schulden zu senken. Die freiwilligen Geldgeber erhalten allerdings keine Spendenquittung – und auch keinen Dank. Frankfurter Allgemeine Zeitung, 17. Januar 2012, abgerufen am 24. November 2017.
  21. Schuldenabbau: Bürger schenken dem Staat mehr als 600.000 Euro. In: Zeit Online. 23. Dezember 2018, abgerufen am 24. Dezember 2018 (Der Spendenbetrag entspricht der Summe der beiden im Artikel genannten Beträge).