Pedro Castillo
José Pedro Castillo Terrones (* 19. Oktober 1969 in Puña im Distrikt Tacabamba, Region Cajamarca) ist ein peruanischer Politiker und Lehrer. Vom 28. Juli 2021 bis zum 7. Dezember 2022 war er der 64. Präsident von Peru. Vorher war er als Schullehrer und Gewerkschaftsführer tätig. Er war bis Ende Juni 2022 Mitglied der linken Partei Perú Libre.
Leben
Herkunft, Ausbildung und Berufstätigkeit
Pedro Castillo wurde als drittes von neun Kindern einer bäuerlichen Familie in der Kleinstadt Puña in der Region Cajamarca geboren. Seine Eltern waren Analphabeten.[1] Cajamarca ist trotz des Standorts der größten Goldmine Südamerikas eine der ärmsten Regionen Perus geblieben.[2]
Während des bewaffneten Konflikts in Peru arbeitete Castillo in seiner Jugend als Patrouilleur zur Verteidigung gegen den Leuchtenden Pfad. Er absolvierte seine Grund- und Oberschulausbildung an einer Pädagogischen Hochschule und erwarb einen Bachelor-Abschluss in Pädagogik sowie einen Master-Abschluss in Pädagogischer Psychologie an der Universität César Vallejo.
Castillo arbeitete ab 1995 in der Grundschule seiner Heimatstadt als Lehrer und trat der Lehrergewerkschaft bei. Im Jahr 2002 kandidierte Castillo erfolglos für das Amt des Bürgermeisters von Anguía mit der Mitte-Links-Partei Perú Posible. 2017 führte er einen Lehrerstreik in Peru an, verhandelte mit der Regierung und erlangte so nationale Bekanntheit.[3]
Kandidatur für die Präsidentschaft
Castillo verkündete im Oktober 2020 seine Kandidatur für das peruanische Präsidentenamt. Im Dezember 2020 erklärten nur 0,2 % der befragten Wähler, für ihn stimmen zu wollen, im Januar 2021 waren es 2,3 %.[4] In der ersten Runde der Wahl erhielt er dann aber überraschend 19 % der Stimmen und trat damit in der Stichwahl gegen Keiko Fujimori an.[5] Im Wahlkampf setzte er mit Plakaten wie „Ich wähle einen Peruaner, keine Ausländerin“ (spanisch: Yo voto por un Peruano, no por una extranjera) auch auf fremdenfeindliche Vorbehalte gegen seine japanischstämmige Konkurrentin. Umgekehrt schlug seinen großteils indigenen Anhängern Rassismus entgegen.[6] Bei einer Wahlveranstaltung in Sicuani wenige Tage vor der Stichwahl deutete Castillo an, das Ergebnis nicht anerkennen zu wollen, falls er die Wahl verlöre: „Sollte ein dunkles Spiel getrieben werden“ (spanisch: si algo negro se trabaja), werde er „das Volk zusammenrufen“, damit „die Stimme des Volkes sich durchsetzt“.[7]
Bei der Stichwahl am 6. Juni 2021 lag er mit 50,125 % der Stimmen knapp vor Keiko Fujimori mit 49,875 %.[8] Das offizielle Wahlergebnis wurde am 19. Juli 2021 vom nationalen Wahlgericht (Jurado Nacional de Elecciones) bestätigt und Castillo zum neuen Präsidenten von Peru erklärt.[9]
Präsidentschaft
Die Amtseinführung erfolgte am 28. Juli 2021, dem 200. Jahrestag der Unabhängigkeit von Spanien. Er stand dem Kabinett Castillo vor. In 13 Monaten, vom Beginn seiner Amtszeit Ende Juli 2021 bis Ende August 2022, berief Castillo 67 Minister und Ministerinnen oder berief sie wieder ab,[10] am Ende seiner gut 16-monatigen Amtszeit waren es mehr als 80 Berufungen und Abberufungen.[11]
Im März 2022 überstand Castillo ein zweites Amtsenthebungsverfahren. Danach bildeten sich jedoch erneut Proteste wegen hoher Armut und schwieriger Lebensbedingungen infolge wirtschaftlicher Stagnation und Inflation. Die Stagflation war unter anderem durch die Maßnahmen wegen der COVID-19-Pandemie in Peru bedingt, der Preisanstieg bei Grundnahrungsmitteln, Treibstoff und Düngemittel auch durch die Sanktionen gegen Russland seit dem Überfall auf die Ukraine.[12][13] So stieg bis April 2022 die Inflationsrate in Peru auf den höchsten Stand seit 26 Jahren, dies verschärfte die Not der verarmten Bevölkerung.[14] Die Proteste, die eine Kraftstoffpreiskontrolle und Absetzung von Präsident Castillo forderten, weiteten sich zu Streiks und Unruhen aus, bei denen mehrere Menschen starben.[15][13] Castillo kündigte eine Senkung der Treibstoffsteuern und die zehnprozentige Anhebung des Mindestlohns ab Mai 2022 an.[12] Zudem rief er am 4. April eine Ausgangssperre für die Hauptstadt Lima und die angrenzende Stadt Callao aus, was die Proteste weiter anfachte. Bereits nach einigen Stunden hob Castillo die Ausgangssperre wieder auf.[12]
Am 30. Juni 2022 gab Castillo seinen Austritt aus der Partei Perú Libre bekannt, der er seit dem 21. September 2020 angehört hatte, nachdem ihm der Parteisekretär Vladimir Cerrón mit einem Parteidisziplinarverfahren gedroht und den Parteiaustritt nahegelegt hatte. Cerrón warf Castillo vor, die Partei zu schädigen und spalten zu wollen.[16]
Drittes Amtsenthebungsverfahren und Festnahme
Für Dezember 2022 war ein weiteres, insgesamt das dritte, Amtsenthebungsverfahren gegen Castillo angekündigt worden. Am 7. Dezember 2022, kurz bevor im Kongress die Abstimmung über die Amtsenthebung stattfinden sollte, kündigte Castillo in einer Fernsehansprache die Auflösung des Kongresses an, die Ausrufung des Notstands und die Einsetzung einer „Notfallregierung“. Nach einer Neuwahl solle der Kongress eine neue Verfassung ausarbeiten. Der Präsident hat diese Befugnis zur eigenmächtigen Auflösung des Kongresses jedoch nur dann, wenn das Parlament der Regierung zweimal das Vertrauen verweigert. Da dies nicht der Fall war, war Castillos Verhalten verfassungswidrig.[17] Dieser Schritt wurde von peruanischen Politikern, auch von einigen seiner Unterstützer, scharf kritisiert, da dies die verfassungsmäßige, demokratische Ordnung untergrabe und praktisch einem Staatsstreich gleiche. Es wurden Vergleiche mit dem „Selbstputsch“ (Autogolpe) von Präsident Alberto Fujimori 1992 gezogen.[18] Mehrere Mitglieder der Regierung traten daraufhin zurück; sowohl das Militär als auch die Justiz erkannten die Auflösung des Kongresses nicht an. Dementsprechend stimmte der Kongress wie geplant über die Amtsenthebung aufgrund von „moralischer Unfähigkeit“ ab. Mit 101 Stimmen, bei 6 Gegenstimmen und 10 Enthaltungen, wurde der Antrag angenommen.[19] Schon kurze Zeit später wurde Castillo daraufhin von der Polizei festgenommen, noch am selben Tag wurde die bisherige Vizepräsidentin Dina Boluarte offiziell in das Amt der Präsidentin eingeführt.[20]
Politische Positionen
Castillo war von 2005 bis 2017 Mitglied der Partei Perú Posible und ist seit 2020 Mitglied der Partei Freies Peru, die als marxistisch-leninistisch gilt. Er definiert sich selbst nicht als marxistisch, vertritt aber wirtschaftspolitisch linke bis linkspopulistische Positionen. So spricht er sich für die Verstaatlichung und Teilverstaatlichung von Infrastruktur und Rohstoffförderung und eine Erhöhung der Ausgaben für Bildung und Gesundheit aus.[5] Einige Analysten haben ihn mit dem ehemaligen bolivianischen Präsidenten verglichen und ihn als „peruanischen Evo Morales“ bezeichnet.[21] Ihm werden gleichzeitig Verbindungen zu einer Unterorganisation des Leuchtenden Pfads vorgeworfen.[22] Er distanzierte sich vom Kommunismus und Chavismus,[23] bekräftigte aber, dass die Regierung von Nicolás Maduro in Venezuela eine demokratische Regierung sei, „weil es eine Opposition gibt“,[24] und meinte, dass die Venezolaner selbst die Probleme ihres Landes lösen sollten, ohne Einmischung Dritter.[25]
Einer seiner weiteren Vorschläge ist die Wahl einer verfassungsgebenden Versammlung, die die vom autoritären Regime Alberto Fujimoris geerbte Verfassung von 1993 ersetzen soll, da sie dazu diene, „die Korruption im großen Maßstab zu verteidigen“.[26][27][28]
In einem Interview mit dem Fernsehsender CNN sagte er, dass er im Falle seiner Wahl Gespräche mit multinationalen Unternehmen führen würde, um sicherzustellen, dass „70 % der Gewinne im Land bleiben und sie 30 % einnehmen, nicht umgekehrt, wie es heute ist“.[29] Bezüglich des Bergbaus in Peru äußerte sich Castillo, dass er den Abbau von Rohstoffen in ganz Peru unterstützt, „wo die Natur und die Bevölkerung es zulassen“, und dass er internationale Investitionen in diese Projekte begrüßt. Gleichzeitig forderte er eine strengere Regulierung des Bergbaus in Peru.[29]
Castillo forderte auch strengere Regelungen für die Medien in Peru.[30] Gesellschaftspolitisch befürwortet er die Todesstrafe, den Austritt Perus aus der Amerikanischen Menschenrechtskonvention, ist gegen die Einführung der Anerkennung gleichgeschlechtlicher Partnerschaften und gegen die Legalisierung von Abtreibung sowie Sterbehilfe.[5] Zu anderen politischen Vorschlägen gehören die Schaffung von paramilitärischen Gruppen und die Militarisierung der peruanischen Jugend, um eine revolutionäre Erfahrung zu fördern. Er rief die Bürger auf, sich zu bewaffnen, um durch eine „sozialistische Verwaltung“ für Gerechtigkeit zu sorgen.[31]
Persönliches
Castillo ist mit Lilia Paredes, einer Lehrerin, verheiratet. Das Paar hat zwei Kinder. Castillo ist Katholik, seine Frau und die Kinder Evangelikale. Bis zu seiner Kandidatur für die Präsidentschaft lebte seine Familie auf einem Bauernhof im Distrikt Chugur.[2]
Weblinks
Einzelnachweise
- ↑ Marco Aquino, Marcelo Rochabrun: PERFIL-Pedro Castillo: el hijo de campesinos que salta a la presidencia de Perú. In: Reuters. 16. Juni 2021 (reuters.com [abgerufen am 22. Juli 2021]).
- ↑ a b Students' struggles pushed Peru teacher to run for president. Abgerufen am 24. April 2021.
- ↑ amerika21: Überraschung bei den Wahlen in Peru: Linkskandidat gewinnt erste Runde. 12. April 2021, abgerufen am 24. April 2021.
- ↑ Carlos Páucar: Izquierda en el Perú: la primera vez en el Gobierno. In: La República, 28. Juli 2021, abgerufen am 29. Juli 2021.
- ↑ a b c Tjerk Brühwiller: Große Wahlüberraschung: Wird ein Leninist Präsident von Peru? In: faz.net. Abgerufen am 24. April 2021.
- ↑ Annette Brox: Angst und Rassismus prägten den Wahlkampf. In: infostelle-peru.de, 20. Juni 2021, abgerufen am 22. Juni 2021.
- ↑ Castillo no aceptaría derrota y advierte con “convocar al pueblo”. Llama a “hacer prevalecer el grito de la población” si pierde comicios. In: La Razón (Lima), 2. Juni 2021, abgerufen am 4. Juni 2021.
- ↑ ONPE al 100 % de actas contabilizadas: Pedro Castillo obtiene 50.125% y Keiko Fujimori, 49.875%. In: La República, 15. Juni 2021, abgerufen am 16. Juni 2021.
- ↑ Pedro Castillo, Leftist Political Outsider, Wins Peru Presidency. In: nytimes.com, 19. Juli 2021 (englisch).
- ↑ Tobias Käufer: Dauerkrise in der Anden-Nation. In: domradio.de, 1. September 2022, abgerufen am 2. September 2022.
- ↑ Klaus Ehringfeld: Keine Atempause in Peru, Frankfurter Rundschau, 8. Dezember 2022, abgerufen am 2. Januar 2023.
- ↑ a b c Unruhen in Peru wegen Preissteigerungen: Der Ukraine-Konflikt sorgt auch in Südamerika für Chaos. In: nzz.ch. Abgerufen am 8. April 2022.
- ↑ a b Premierminister kritisiert gewalttätige Demonstrierende. In: zeit.de. Abgerufen am 8. April 2022.
- ↑ Carlos Noriega: Castillo ante un escenario de revuelta social. 5. April 2022, abgerufen am 8. April 2022.
- ↑ Autor: Redaktion: Zahl der Todesopfer bei Protesten in Peru steigt auf fünf. In: latinapress Nachrichten. 7. April 2022, abgerufen am 8. April 2022 (deutsch).
- ↑ Pedro Castillo renunció de forma oficial a Perú Libre, partido con el que llegó a la Presidencia. In: Infobae. 30. Juni 2022, abgerufen am 14. August 2022 (spanisch).
- ↑ Politische Tragikomödie in Peru. In: dw.com. 8. Dezember 2022, abgerufen am 8. Dezember 2022.
- ↑ Marco Aquino: Peru's President Castillo ousted following his attempt to dissolve Congress. In: Reuters. 7. Dezember 2022, abgerufen am 7. Dezember 2022.
- ↑ Congreso de Perú se reúne pese a disolución y vota a favor de la destitución de Pedro Castillo. In: El Mercurio S.A.P. 7. Dezember 2022, abgerufen am 7. Dezember 2022 (spanisch).
- ↑ Congreso: Dina Boluarte jura como primera Presidenta del Perú. In: Empresa Peruana de Servicios Editoriales S. A. EDITORA PERÚ. Abgerufen am 7. Dezember 2022 (spanisch).
- ↑ Inés Santaeulalia, Jacqueline Fowks: Perú se encamina a una lucha por la presidencia entre el radical Pedro Castillo y Keiko Fujimori. 12. April 2021, abgerufen am 8. Juni 2021 (spanisch).
- ↑ Este documento confirma nexo de Pedro Castillo con el Movadef. In: Noticias Peru21. 29. Juni 2018, abgerufen am 24. April 2021 (spanisch).
- ↑ Pedro Castillo arremete contra Nicolás Maduro: „que primero arregle sus problemas internos y que se lleve a sus compatriotas que vinieron a delinquir“. 22. April 2021, abgerufen am 24. April 2021.
- ↑ Elecciones: Pedro Castillo, el candidato que liberaría a Antauro Humala y asegura que Venezuela es democrático [VIDEO]. TRENDS. In: Noticias El Bocón. 7. April 2021, abgerufen am 8. Juni 2021 (spanisch).
- ↑ Pedro Castillo, el maestro con el que se identifica el otro Perú. 12. April 2021, abgerufen am 8. Juni 2021.
- ↑ Oswaldo Palacios: Pedro Castillo: „Vamos a desactivar el Tribunal Constitucional en el acto“, porque sirve para defender la gran corrupción. 6. April 2021, abgerufen am 8. Juni 2021 (spanisch).
- ↑ Inés Santaeulalia, Jacqueline Fowks: Perú se encamina a una lucha por la presidencia entre el radical Pedro Castillo y Keiko Fujimori. 12. April 2021, abgerufen am 8. Juni 2021 (spanisch).
- ↑ ¿Quién es Pedro Castillo? La gran sorpresa de la elección en Perú | El maestro de izquierda que aspira a la presidencia. In: Página 12. 13. April 2021, abgerufen am 8. Juni 2021 (spanisch).
- ↑ a b Pedro Castillo: Habrá minería «donde la naturaleza y la población la permitan». In: Energiminas. 8. April 2021, abgerufen am 8. Juni 2021 (spanisch).
- ↑ Inés Santaeulalia, Jacqueline Fowks: Perú se encamina a una lucha por la presidencia entre el radical Pedro Castillo y Keiko Fujimori. 12. April 2021, abgerufen am 24. April 2021 (spanisch).
- ↑ Who is Peru’s Frontrunner Pedro Castillo? Abgerufen am 24. April 2021 (englisch).
Personendaten | |
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NAME | Castillo, Pedro |
ALTERNATIVNAMEN | Castillo Terrones, José Pedro (vollständiger Name) |
KURZBESCHREIBUNG | peruanischer Schullehrer, Gewerkschaftsführer und Präsident |
GEBURTSDATUM | 19. Oktober 1969 |
GEBURTSORT | Distrikt Tacabamba, Region Cajamarca |