Russische Phonologie

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Die russische Sprache hat fünf Vokalphoneme und je nach Zählweise 32 bis knapp über 40 Konsonantenphoneme. Zwei Phänomene sind sehr charakteristisch für die russische Aussprache: Betonung und Palatalisierung.

Als Lautschrift wird in diesem Artikel das Internationale Phonetische Alphabet (IPA) verwendet, als Transliteration der kyrillischen Schrift die Norm ISO 9. Phonetische Transkriptionen stehen in eckigen Klammern […], phonologische Transkriptionen zwischen Schrägstrichen /…/, Transliterationen der kyrillischen Schreibweise zwischen einfachen Guillemets ‹…›. In der sowjetischen und russischen Fachliteratur ist eine eigene Lautschrift auf Grundlage des kyrillischen Alphabets üblich.

Eine ältere Standardaussprache war vor allem an die in Moskau übliche Aussprache[1] angelehnt; die heutige Standardaussprache ist im Vergleich dazu stärker am Schriftbild orientiert.[2]

Das Russische hat einen dynamischen Akzent. Betonte Vokale werden halblang gesprochen. Der Wortrhythmus unterscheidet sich deutlich vom Deutschen: Für das Deutsche ist ein Wellenrhythmus mit einer Hauptbetonung und bei längeren Wörtern einer oder mehreren Nebenbetonungen charakteristisch; im Russischen steigt die Schallfülle der Vokale bis zur betonten Silbe kontinuierlich an, nachtonige Silben sind stark geschwächt.[3]

Im Gegensatz zum Deutschen liegt im Russischen die Betonung häufig auf grammatischen Endungen und nicht auf der Stammsilbe, es gibt im Zusammenhang mit der Flexion häufig Betonungswechsel, und Komposita werden auf der letzten Komponente betont.[4] Beispiele:[5]

Russisch Deutsch Anmerkung
стол –столяр
/stol – stoˈlʲar/
[stɔˑɫ – stɐˈlʲaˑr]
Tisch – ˈTischler Im Russischen ist bei der Ableitung die Endung betont, im Deutschen der Stamm.
стол – стола
/stol – stoˈla/
[stɔˑɫ – stɐˈlaˑ]
der Tisch – des ˈTisches Im Russischen springt die Betonung im Genitiv auf die Endung, im Deutschen bleibt der Stamm betont.
язык – языкознание
/jaˈzik – jazikoˈznanʲije/
[jɪˈzɨˑk – jɪzɨkɐˈznaˑnʲijə]
ˈSprache – ˈSprachwissenschaft Im Russischen ist der zweite Teil des Kompositums betont, im Deutschen der erste.

Siehe auch: Wortbetonung in der russischen Sprache

Die russischen Vokalphoneme (schwarz) und ihre Allophone (rot). [ɨ] wird hier als Phonem /ɨ/ gewertet und /e/ wird als /ɛ/ geschrieben.

Das Russische hat fünf Vokalphoneme: /a, e, o, i, u/.[6] In unbetonten Silben werden die Vokale „reduziert“ (s. u.) und nach manchen Autoren gibt es in unbetonten Silben nur drei Vokalphoneme: /a, i, u/.[7]

Die phonetische Realisierung der Vokalphoneme hängt vor allem davon ab, ob sie betont oder unbetont sind sowie ob der folgende Konsonant palatalisiert oder nicht palatalisiert ist.

Die hervorstechende Ausnahme ist ​/⁠i⁠/​, das zu ​[⁠ɨ⁠]​ wird, wenn der vorhergehende Konsonant nicht palatalisiert ist. Das gilt auch über Wortgrenzen hinweg:

(Es handelt sich also um nur ein Phonem, obwohl dies der Intuition vieler Sprecher widerspricht.)[8]

Vokale in betonten Silben

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Die Allophone der betonten Vokale werden von der phonetischen Palatalisierung der Konsonanten in der Umgebung bestimmt.

/a, o, u/ werden neben palatalisierten Konsonanten mit stärker vorderen (palatalen) Übergängen oder im Extremfall durchgängig weiter vorne gesprochen:

/i, e/ werden nach nicht-palatalisierten Konsonanten stärker hinten gesprochen: ​/⁠i⁠/​ wird zu ​[⁠ɨ⁠]​ (s. o.), ​/⁠e⁠/​ zu ​[⁠ɛ⁠]​.[9]

Alle Vokale haben einen leichten Übergang zu ​[⁠ə⁠]​ vor nicht-palatalisierten Konsonanten (z. B. нет /nʲet/ [nʲɛˑət] „nein“). ​/⁠o⁠/​ hat einen leichten Übergang von ​[⁠ʊ⁠]​ nach nicht-palatalisierten Konsonanten (z. B. вот /vot/ [vʊɔˑət] „hier; jetzt“) und einen leichten Übergang von ​[⁠y⁠]​ nach palatalisierten Konsonanten (z. B. нёс /nʲos/ [yɔˑəs] „(er) trug“).[9]

Vokale in unbetonten Silben

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In unbetonten Silben werden Vokale deutlich „reduziert“, d. h. zentralisiert, und es werden nur vier Vokale unterschieden: [ɪ, ə, ɐ, ʊ]. Diese Erscheinung – besonders in Bezug auf den Wechsel von unbetontem ​/⁠o⁠/​ zu ​[⁠ɐ⁠]​ – heißt auf Russisch ‹akan’e› (аканье).[10] In manchen Dialekten werden nicht alle Vokale so stark reduziert; dieses Fehlen der Reduktion wird als ‹okan’e› (оканье) bezeichnet.[11]

/a, o/ nach nicht-palatalisierten Konsonanten werden

/a, e, o/ nach palatalisierten Konsonanten werden zu ​[⁠ɪ⁠]​. Beispiele:

​/⁠e⁠/​ nach nicht-palatalisierten Konsonanten wird unmittelbar vor betonten Silben zu ​[⁠ɪ⁠]​, sonst zu ​[⁠ə⁠]​. Beispiele:

Konsonantenphoneme und -allophone (Allophone bzw. Laute mit unklarem phonemischem Status in eckigen Klammern):

  bilabiale labiodentale dentale und
alveolare
postalveolare palatale velare
Nasale nicht palatalisiert ​/⁠m⁠/​   ​/⁠n⁠/​      
palatalisiert //   //      
Plosive nicht palatalisiert ​/⁠p⁠/​   ​/⁠b⁠/​   ​/⁠t⁠/​   ​/⁠d⁠/​     ​/⁠k⁠/​   ​/⁠ɡ⁠/​
palatalisiert //   //   //   //     []   [ɡʲ]
Affrikaten nicht palatalisiert     ​/⁠ʦ⁠/​  ​[⁠ʣ⁠]​        
palatalisiert         /ʧʲ/   [ʤʲ]    
Frikative nicht palatalisiert   ​/⁠f⁠/​   ​/⁠v⁠/​ ​/⁠s⁠/​   ​/⁠z⁠/​ ​/⁠ʃ⁠/​   ​/⁠ʒ⁠/​   ​/⁠x⁠/​   ​[⁠ɣ⁠]​
palatalisiert   //   // //   // [ʃʲʃʲ]   [ʒʲʒʲ]   []     
Vibranten nicht palatalisiert     ​/⁠r⁠/​      
palatalisiert     //      
Approximanten nicht palatalisiert     ​/⁠l⁠/​      
palatalisiert     //   ​/⁠j⁠/​  

Die Konsonanten /kʲ ɡʲ xʲ/ kommen nicht am Silbenende und – außer in Fremd- und Dialektwörtern – nicht vor /a o u/ vor.

Manche Sprecher unterscheiden zwischen щ [ʃʲʃʲ] und с-ч /ʃʲtʃʲ/, wenn с ​/⁠s⁠/​ Präposition ist (z. B. in с честью /s ˈtʃʲestʲju/ „mit Ehre“), andere sprechen beide Kombinationen als /ʃʲtʃʲ/ aus.

Manche Sprecher (vor allem ältere) unterscheiden zwischen /ʒʲʒʲ/ und /ʒʒ/ und sprechen z. B. позже „später“ wie /ˈpoʒʲʒʲe/ (statt /ˈpoʒʒe/) aus.

In der Umgangssprache werden Konsonantenfolgen beim schnelleren Sprechen oft vereinfacht.

Palatalisierung

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Bei dentalen und labialen Konsonanten gibt es vor allen Vokalen außer ​/⁠e⁠/​ einen phonologischen Kontrast zwischen einer palatalisierten und einer nicht-palatalisierten Variante. Die velaren Konsonanten sind vor ​/⁠i⁠/​ und ​/⁠e⁠/​ palatalisiert, sonst nicht. /ʦ, ʃ, ʒ/ sind nie palatalisiert, /ʧʲ, ʃʲʃʲ, ʒʲʒʲ, j/ sind immer palatalisiert bzw. palatal.

Ein Konsonant wird in der Regel palatalisiert, wenn ihm ein palatalisierter Konsonant folgt.

Stimmhaftigkeit

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Stimmhaftigkeit und Stimmlosigkeit sind phonologisch distinktiv. Stimmlose Plosive und Affrikaten sind im Gegensatz zum Deutschen nicht aspiriert.

Auslautentstimmlichung / Auslautentsonorisierung

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Am Wortende werden stimmhafte Konsonantenphoneme stimmlos gesprochen.[12] Beispiele:

Regressive Assimilation

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Die Stimmhaftigkeit eines Konsonanten assimiliert sich an die Stimmhaftigkeit des folgenden Konsonanten.[13] Bei Nasalen, Liquiden und ​/⁠j⁠/​ trifft dies jedoch nur teilweise zu: Sie lösen in der Regel keine Assimilation der Stimmhaftigkeit aus.[14] Beispiele:

Diese Assimilation tritt selbst über Wortgrenzen hinweg auf. Beispiele:

Vor dem Konsonanten ​/⁠v⁠/​ bleiben stimmlose Plosive und Frikative meist stimmlos, zum Beispiel:

E.A. Bryzgunova entwickelte ein Modell von zunächst fünf und später sieben „Intonationskonturen“ (интонационные конструкции, wörtlich „Intonationskonstruktionen“; auch: „Intoneme“[15]), abgekürzt als IK-1 bis IK-7, für den Unterricht von Russisch als Fremdsprache.[16]

Bei IK-1 ist die Silbe vor dem Intonationszentrum höher, die Stimme fällt auf das Intonationszentrum ab. IK-1 wird für den einfachen Aussagesatz verwendet. Beispiel:[17][18]

Bei IK-2 liegt die Betonung auf dem Fragepronomen und die Stimme sinkt am Satzende. Das Intonationszentrum ist die höchste Silbe. IK-2 wird in Aussagesätzen mit Kontrastbetonung, in Fragen mit Interrogativpronomen und in eher groben Aufforderungssätzen verwendet: Beispiele:[17][19]

Bei IK-3 liegt das Intonationszentrum höher als die mittlere Tonlage, aber die Stimme setzt auf der betonten Silbe bereits höher ein, steigt wesentlich schneller innerhalb dieser Silbe und sinkt am Satzende, außer das letzte Wort im Satz wird auf der letzten Silbe betont. IK-3 wird auch in höflichen Aufforderungen verwendet. Beispiele:[17][20]

Bei IK-4 ist das Intonationszentrum die tiefste Silbe, danach steigt die Stimmlage. IK-4 wird in elliptischen Fragesätzen im Zusammenhang mit etwas Vorhergehendem verwendet. Beispiel:[21][22]

  • А Наташа? /a naˈtaʃa/ „Und [was ist mit] Natascha?“

IK-5 hat zwei Zentren: einen Anstieg auf dem ersten Wort und einen Fall auf dem letzten Wort. IK-5 wird in Ausrufesätzen verwendet, die angenehme Gefühle ausdrücken (Freude, Aufregung etc.). Beispiel:[21][23]

IK-6 ist eine Variante von IK-4, doch der Anstieg der Intonation beginnt bereits auf dem Intonationszentrum, nicht erst danach. IK-6 wird vor allem für positive Emotionen (wie IK-5), jedoch auch für negative Emotionen verwendet, sowie für Verwunderung oder Geheimnistuerei. Beispiele:[21]

IK-7 ist eine Variante von IK-3 mit demselben starken Anstieg auf dem Intonationszentrum, doch mit einer kurzen Pause vor dem Fall auf der folgenden Silbe. Der positive lexikalische Gehalt eines Satzes wird mit IK-7 ins Ironische oder Sarkastische verkehrt. Beispiele:[21]

Vom Schriftbild zur Aussprache

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Die russische Rechtschreibung ist im Wesentlichen phonologisch, doch einige Lautfolgen werden nach dem grafischen Prinzip und einige Morpheme nach dem historisch-etymologischen Prinzip geschrieben.[24] Das Inventar von mindestens 37 Phonemen wird durch 33 Buchstaben des kyrillischen Alphabets wiedergegeben.

Ein wichtiges Prinzip ist, dass die Palatalisierung eines Konsonanten meist durch den nachfolgenden Vokalbuchstaben angegeben wird.

Obwohl es im Russischen nur sechs Vokallaute gibt, zählt das russische Alphabet zehn eigenständige Vokalbuchstaben; es gibt einen eigenen Buchstaben für ​[⁠ɨ⁠]​, ein Allophon von ​/⁠i⁠/​, der jedoch nicht konsequent verwendet wird.

Vokalbuchstaben

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Buchstabe Phoneme Vorkommen Beispiele
а ​/⁠a⁠/​
е /je/ im Anlaut ехать /ˈjexatʲ/ „fahren“
nach anderen Vokalbuchstaben клиент /klʲiˈjent/ „Kunde“
nach ъ und ь карьера /karʲˈjera/ „Karriere“
разъезд /razˈjesd/ „Abreise“
​/⁠e⁠/​ nach ж, ш, щ und ч женщина /ˈʒenʃʲʃʲina/ „Frau“
шесть /ʃestʲ/ „sechs“
щепка /ˈʃʲʃʲepka/ „Kleinholz“
цепь /ʦepʲ/ „Kette“
чек /ʧʲek/ „Scheck“
zwischen zwei Konsonanten in zahlreichen Lehnwörtern отель /oˈtelʲ/ „Hotel“
/ʲe/* in anderen Fällen петь /pʲetʲ/ „singen“
ё** /jo/ im Anlaut ёлка /ˈjolka/ „Tanne“
nach anderen Vokalbuchstaben паёк /paˈjok/ „Ration“
nach ъ und ь пьёт /pʲjot/ „trinkt“
объём /obˈjom/ „Umfang“
​/⁠o⁠/​ nach ж, ш, (щ) und ч жёлтый /ˈʒoltij/ „gelb“
шёлк /ʃolk/ „Seide“
щёлкать /ˈʃʲʃʲolkatʲ/ „knacken“
чёлка /ˈʧʲolka/ „Pony“
/ʲo/* in anderen Fällen тётя /ˈtʲotʲa/ „Tante“
орёл /oˈrʲol/ „Adler“
и ​/⁠i⁠/​ im Anlaut имя /ˈimʲa/ „Name, Vorname“
nach anderen Vokalbuchstaben свои /svoˈi/ „seine“
nach ж, ш, щ und ч жизнь /ʒiznʲ/ „Leben“
шило /ˈʃilo/ „Ahle“
щи /ʃʲʃʲi/ „Stschi
чисто /ˈʧʲisto/ „sauber“
цифра /ˈʦifra/ „Ziffer“
/ji/ nach ь воробьи /vorobʲˈji/ „Spatzen“
/ʲi/* in anderen Fällen пить /pʲitʲ/ „trinken“
о ​/⁠o⁠/​
у ​/⁠u⁠/​
ы /ɨ/
э ​/⁠e⁠/​
ю /ju/ im Anlaut юг /juɡ/ „Süden“
nach anderen Vokalbuchstaben убаюкивать /ubaˈjukʲivatʲ/ „in den Schlaf wiegen“
nach ъ und ь подъюбник /podˈjubnʲik/ „Unterrock“
вьюга /ˈvʲjuɡa/ „Schneesturm“
​/⁠u⁠/​ nach ш in den Wörtern парашют /paraˈʃut/ „Fallschirm“ und брошюра /broˈʃura/ „Informationsschrift“
/ʲu/* in anderen Fällen верблюд /vʲerˈblʲud/ „Kamel“
я /ja/ im Anlaut яблоко /ˈjabloko/ „Apfel“
nach anderen Vokalbuchstaben заявка /zaˈjavka/ „Anforderung“
nach ъ und ь бурьян /burʲˈjan/ „Unkraut“
объять /obˈjatʲ/ „umarmen“
/ʲa/* in anderen Fällen земля /zʲemˈlʲa/ „Erde“

* Das heißt, der vorhergehende Konsonant wird palatalisiert.

** Der Buchstabe ё wird meist durch е ersetzt.

Konsonantenbuchstaben

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б ​/⁠b⁠/​, в ​/⁠v⁠/​, г ​/⁠ɡ⁠/​, д ​/⁠d⁠/​, ж ​/⁠ʒ⁠/​, з ​/⁠z⁠/​, й ​/⁠j⁠/​, к ​/⁠k⁠/​, л ​/⁠l⁠/​, м ​/⁠m⁠/​, н ​/⁠n⁠/​, п​/⁠p⁠/​, р ​/⁠r⁠/​, с ​/⁠s⁠/​, т ​/⁠t⁠/​, ф ​/⁠f⁠/​, х ​/⁠x⁠/​, ц ​/⁠ʦ⁠/​, ч /ʧʲ/, ш ​/⁠ʃ⁠/​, щ /ʃʲʃʲ/

Hartes und weiches Zeichen

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Das „harte Zeichen“ (твёрдый знак, früher: ер bzw. еръ) ъ kommt nur im Wortinneren vor und bedeutet, dass der vorhergehende Konsonant „hart“, d. h. nicht palatalisiert, ausgesprochen wird und dem folgenden Vokal ein /j/ vorangeht:

Das „weiche Zeichen“ (мягкий знак, früher: ерь) ь bedeutet, dass der vorhergehende Konsonant „weich“, d. h. palatalisiert, ausgesprochen wird:

Außerdem wird das weiche Zeichen am Wortende in femininen Substantiven nach den Konsonanten ж, ш, щ und ч geschrieben. In diesem Fall hat es nur grammatische Funktion:

„Unregelmäßige Aussprache“

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Bei einigen Wörtern und Morphemen weicht die Rechtschreibung von der Aussprache ab, z. B. die Genitivendung -/ovo/ bzw. -/ʲevo/, die -ого ‹-ogo› bzw. -его ‹-ego› geschrieben wird, auch erstarrt in сегoдня /seˈvodnʲa/ „heute“ (< „dieses Tages“). Weitere Beispiele:

  • Wolfgang Steinitz: Russische Lautlehre, Akademie-Verlag, Berlin 1953
  • Рубен Иванович Аванесов: Русское литературное произношение. Просвещение, Moskau 41968.
  • Л.Л. Буланин: Фонетика современного русского языка, Moskau 1970
  • Kurt Gabka etc.: Die russische Sprache der Gegenwart. Band 1: Einführung in das Studium der russischen Sprache – Phonetik und Phonologie. Enzyklopädie, Leipzig 1974.
  • Morris Halle: The sound pattern of Russian. Mouton, Den Haag 1959.
  • Edith Keunecke, Edeltraut Kölling, Gudrun Streit, Ingeborg Wolf: Russische Phonetik. Ein Intensivkurs für Anfänger. Helmut Buske, Hamburg 31995.
  • Bernd Bendixen, Kersten Krüger, Horst Rothe: Russisch aktuell – Die Phonetik Harrassowitz Verlag, Wiesbaden 2008, ISBN 978-3-447-05754-7, auch auf DVD
  • Г.Е. Кедрова, В.В. Потапов, А.М. Егоров, Е.Б. Омельянова: Русская фонетика Moskauer Staatliche Universität (auf Russisch)
  • Фонетика Akademie der Wissenschaften der UdSSR (auf Russisch)
  1. Г.Е. Кедрова, В.В. Потапов, А.М. Егоров, Е.Б. Омельянова: Московское произношение.
  2. Михаил Викторович Панов: История русского литературного произношения ХVIII-ХХ вв. Едиториал УРСС, Moskau 2007;
    Г.Е. Кедрова, В.В. Потапов, Е.Б. Омельянова, А.М. Егоров: История русского литературного произношения (МГУ).
  3. Nach Nina Noll, Reinhard Wenk: Russische Betonung. Buske, Hamburg 2003, S. 12.
  4. Ruben I. Avanesov: Die Betonung in der modernen russischen Literatursprache [Ударение в современном русском литературном языке]. Max Niemeyer, Halle/Saale 1958. Übersetzung: Günter Rassler.
  5. Nach Nina Noll, Reinhard Wenk: Russische Betonung. Buske, Hamburg 2003, S. 11.
  6. Vergleich mit anderen Sprachen in John Ellery Clark, Colin Yallop, Janet Fletcher: An Introduction to Phonetics and Phonology. Blackwell, Malden/Oxford/Carlton 2007, S. 102.
  7. Zum Beispiel Anatole Lyovin: An Introduction to the Languages of the World. Oxford University Press 1997, S. 65.
  8. Paul V. Cubberley: Russian. A Linguistic Introduction. Cambridge University Press, 2002, S. 69;
    Roman Jakobson: Selected Writings: Phonological Studies. Mouton de Gruyter, Berlin / New York ³2002, S. 469f.;
    vgl. Rolf-Rainer Lamprecht: Russische Phonetik – Bestimmung des Phoneminventars (Institut für Slavistik der Universität Potsdam).
    Vertreter der so genannten Leningrader Phonologischen Schule – u. a. Lew W. Stscherba (1880–1944) – hatten eine stärker psychologische Auffassung des Phonembegriffs und betrachteten ​[⁠ɨ⁠]​ als eigenes Phonem. Press bemerkt sarkastisch, dass ​[⁠ɨ⁠]​ erst im Schulunterricht zu einem eigenen Phonem gemacht wurde, als der alte Name des Buchstabens – еры /jeˈri/ [jɪˈrɨˑ] – aufgegeben wurde und stattdessen die Bezeichnung „ы [ɨˑ]“ eingeführt wurde. (J. Ian Press: Aspects of the phonology of the Slavonic languages: The vowel y and the consonantal correlation of palatalization. A.A. Barentsen, B.M. Groen, R. Sprenger (Hrsg.): Studies in Slavic and General Linguistics 7; Rodopi, 1986, S. 1 und S. 158f.) Roman Jakobson nennt diesen Phonembegriff, der auf Jan Baudouin de Courtenay (1845–1929) zurückgeht, einen „antiquierten Psychologismus“. (Roman Jakobson: Selected Writings. Phonological Studies. Mouton de Gruyter, Berlin / New York ³2002, S. 419.). Eine Diskussion des Phonems /i/ und seiner Allophone [i] und [ɨ] findet man außerdem bei Wolfgang Steinitz: Russische Lautlehre. Berlin: Akademie-Verlag, ²1957, S. 41–46.
  9. a b Paul V. Cubberley: Russian. A Linguistic Introduction. Cambridge University Press, 2002, S. 70ff.
  10. Artikel Аканье in der Großen Sowjetischen Enzyklopädie (BSE), 3. Auflage 1969–1978 (russisch)http://vorlage_gse.test/1%3D5631~2a%3D%D0%90%D0%BA%D0%B0%D0%BD%D1%8C%D0%B5~2b%3D%D0%90%D0%BA%D0%B0%D0%BD%D1%8C%D0%B5
  11. Artikel Оканье in der Großen Sowjetischen Enzyklopädie (BSE), 3. Auflage 1969–1978 (russisch)http://vorlage_gse.test/1%3D83890~2a%3D%D0%9E%D0%BA%D0%B0%D0%BD%D1%8C%D0%B5~2b%3D%D0%9E%D0%BA%D0%B0%D0%BD%D1%8C%D0%B5
  12. Vergleich mit anderen Sprachen in John Ellery Clark, Colin Yallop, Janet Fletcher: An Introduction to Phonetics and Phonology. Blackwell, Malden/Oxford/Carlton 2007, S. 110.
  13. vgl. John Ellery Clark, Colin Yallop, Janet Fletcher: An Introduction to Phonetics and Phonology. Blackwell, Malden/Oxford/Carlton 2007, S. 128.
  14. Alan Timberlake: Russian. In: Bernard Comrie, Greville G. Corbett (Hrsg.): The Slavonic languages. Routledge, London 1993, S. 827ff., hier S. 830.
  15. Gabka 1974, S. 179ff.
  16. И.Л. Муханов: Интонация в русской диалогической речи. Русский язык, Moskau ²1987;
    Paul V. Cubberley: Russian. A Linguistic Introduction. Cambridge University Press, 2002, S. 89ff.;
    Tamara Rathcke: Komparative Phonetik und Phonologie der Intonationssysteme des Deutschen und Russischen. Herbert Utz, München 2009, S. 32.
  17. a b c Paul V. Cubberley: Russian. A Linguistic Introduction. Cambridge University Press, 2002, S. 90.
  18. Keunecke 1995, S. 44;
    Rolf-Rainer Lamprecht: Russische Phonetik IK 1 (Institut für Slavistik der Universität Potsdam).
  19. Keunecke 1995, S. 23;
    vgl. Rolf-Rainer Lamprecht: Russische Phonetik – IK 2 (Institut für Slavistik der Universität Potsdam).
  20. Keunecke 1995, S. 15f. ;
    Rolf-Rainer Lamprecht: Russische Phonetik – IK 3 (Institut für Slavistik der Universität Potsdam).
  21. a b c d Paul V. Cubberley: Russian. A Linguistic Introduction. Cambridge University Press, 2002, S. 91.
  22. Keunecke 1995, S. 44;
    vgl. Rolf-Rainer Lamprecht: Russische Phonetik IK 4 (Institut für Slavistik der Universität Potsdam).
  23. Keunecke 1995, S. 59
  24. Anatole Lyovin: An Introduction to the Languages of the World. Oxford University Press 1997, S. 63f.