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Alfred Schöne

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Alfred Schöne

Alfred Curt Immanuel Schöne (* 16. Oktober 1836 in Dresden; † 8. Januar 1918 in Kiel) war ein deutscher Klassischer Philologe.

Alfred Schöne wurde als Sohn des aus Großröhrsdorf bei Radeberg stammenden Magisters und Leiters der Dresdner Ratstöchterschule, Gottlieb Immanuel Schöne (1794–1849), und dessen Ehefrau Ulrike, geb. von Schierbrand (1820–1870), geboren und evangelisch getauft. Nach dem frühen Tod des Vaters, der als Direktor der dortigen Ratstöchterschule gewirkt hatte, oblag die Erziehung Alfreds und seines jüngeren Bruders Richard (* 5. Februar 1840) allein der Mutter. Ihrem Einfluss verdankte Alfred unter anderem auch eine frühe Vertrautheit mit der französischen Sprache. Beide Brüder besuchten zunächst die Dresdner Kreuzschule, bis Alfred infolge eines hartnäckigen Hautleidens zu einem längeren Aufenthalt in der Cannstatter Heilanstalt bei Stuttgart gezwungen wurde, während dessen auch seine Konfirmation stattfand. Nach seiner Rückkehr nach Sachsen setzte er seine Ausbildung an der Fürstenschule in Meißen fort, wo er offenbar die ersten Impulse zu seiner späteren intensiven Auseinandersetzung mit Lessing erhielt, ehe er schließlich an der Kreuzschule seinen Abschluss erwarb; dort wurde er insbesondere durch den Rektor Julius Ludwig Klee nachhaltig geprägt.

Im Jahr 1856 nahm Schöne – offenbar angeregt durch Klee – ein Studium der Klassischen Philologie in Leipzig auf. Die dortigen Studienbedingungen erwiesen sich jedoch als wenig förderlich; prägende Impulse erhielt er vor allem außerhalb der eigentlichen Fachdisziplin, insbesondere durch den Philosophen Christian Hermann Weisse, dessen ästhetisch-religionsphilosophische Anschauungen einen prägenden Einfluss auf Schöne ausübten. Auch der Kontakt zu Gustav Theodor Fechner erwies sich als anregend. Ein enges persönliches Verhältnis pflegte er zu dem gleichaltrigen Friedrich Polle. 1859 legte Schöne die Oberlehrerprüfung ab und promovierte mit einer ungedruckten Arbeit über SophoklesTrachinierinnen. Die Arbeit diente zugleich als Examensarbeit.

Nach einer kurzen Lehrtätigkeit an der Kreuzschule in Dresden entschloss sich Schöne, seine wissenschaftliche Qualifikation weiter auszubauen. Im Herbst 1861 wechselte er an die Universität Bonn – damals eine Hochburg der klassischen Philologie –, um seine in mancher Hinsicht unvollständig gebliebene philologische Ausbildung zu vervollständigen. Dort wurde er vor allem durch Otto Jahn und Friedrich Ritschl nachhaltig beeinflusst. Letzterer weckte zudem Schönes Interesse an Hieronymus, ein Forschungsfeld, dem er zeitlebens treu blieb. Nach seiner Rückkehr nach Leipzig habilitierte sich Schöne 1864 mit den Quaestionum Hieronymianarum capita selecta, die die Grundlage für seine spätere Ausgabe der Chronik bildeten. Zwei Jahre später, 1866, erschien der erste Editionsband, der ihm in Fachkreisen breite Anerkennung verschaffte. 1867 wurde er in Leipzig zum außerordentlichen Professor ernannt.

Schöne war in den Leipziger intellektuellen und künstlerischen Zirkeln der 1860er-Jahre fest verankert. Er zählte zum sogenannten „Kitzing-Kreis“, in dem sich bedeutende Persönlichkeiten aus Politik, Wissenschaft, Literatur und Kunst begegneten – darunter Karl Mathy, Heinrich von Treitschke, Julian Schmidt und Max Jordan, mit dem Schöne ebenso wie mit Julius Eckardt eng befreundet war. Auch zur Musik pflegte Schöne enge Beziehungen. Bereits in seiner Studienzeit hatte er sich im Männergesangverein der Pauliner engagiert. Später war er mit Franz von Holstein und dessen Frau befreundet, stand in Verbindung mit Clara Schumann und Johannes Brahms und verehrte den Komponisten Moritz Hauptmann, dem er nach dessen Tod ein ehrendes Gedenkwerk widmete. In diesem Zusammenhang trat er auch als Herausgeber von Liedern und musikbezogenen Schriften hervor. 1870 veröffentlichte Schöne den Briefwechsel zwischen Lessing und seiner Ehefrau, eingeleitet durch ein kenntnisreiches Vorwort. Im Jahr darauf folgte die Edition der Briefe Moritz Hauptmanns an Franz Hauser.

1869 wurde Schöne als ordentlicher Professor für Klassische Philologie und Alte Geschichte an die Universität Erlangen berufen. Im Juni 1870 trat er mit der vielbeachteten Abhandlung Analecta philologica historica. De rerum Alexandri Magni scriptorum inprimis Arriani et Plutarchi fontibus in die Fakultät ein. Doch vermochte Erlangen ihm kein dauerhaft anregendes akademisches Umfeld zu bieten, sodass er bereits 1874 wieder aus dem bayerischen Staatsdienst ausschied. Die Erlanger Jahre erwiesen sich dennoch als wissenschaftlich fruchtbar. In dieser Zeit entstanden mehrere Studien, unter anderem zu Sallust, Herodot, Euripides, Galen und den attischen Rednern. Im Frühjahr 1875 siedelte Schöne nach Gotha über, das er wegen seiner bedeutenden Bibliothek wählte. Im Herbst desselben Jahres begab er sich nach Paris, um dort die Excerpta barbari zu kopieren. Während des Winters 1875/76 hielt er sich in Florenz auf, wo er mit Girolamo Vitelli, Theodor Heyse und Karl Hillebrandt verkehrte und den Laurentianus des Thukydides kollationierte. Anschließend arbeitete er in Rom am Vaticanus des Thukydides, bevor er zur weiteren Untersuchung des Codex Thucydidis A nach Paris zurückkehrte.

Im Herbst 1877 wurde Schöne nach längeren Verhandlungen als wissenschaftlicher Vertreter des Deutschen Reiches in Paris bestellt, wo er bis zum Sommer 1884 verblieb. Der deutschen Botschaft angegliedert, unterstützte er philologische und epigraphische Forschungen, insbesondere im Rahmen des Corpus Inscriptionum Latinarum, in engem Austausch mit Theodor Mommsen und Otto Hirschfeld. Neben seiner Mitarbeit an verschiedenen Editionsprojekten – unter anderem für die Monumenta Germaniae Historica, die Wiener Kirchenväter-Ausgaben sowie archivalischen Studien zu Ludwig XIV. – entfaltete er weiterhin eine rege wissenschaftliche Tätigkeit. 1877 vollendete er den Lessing-Band, 1881 erschien seine Untersuchung zum Marseiller Papyrus, 1882 folgten Miszellen zu Thukydides. Unter dem Pseudonym A. Roland veröffentlichte er 1880 die Novelle Der blaue Schleier, die später in den Neuen deutschen Novellenschatz aufgenommen wurde.

Die Hoffnung, nach seiner Rückkehr ins Reich eine angemessene akademische Anstellung zu finden, erfüllte sich zunächst nicht. Im Frühjahr 1885 wurde Schöne als Erster Bibliothekar an die Universitätsbibliothek Göttingen berufen, wo er bis September 1887 tätig war. In dieser Zeit wandte er sich erneut intensiv dem Studium des Thukydides zu, veröffentlichte zahlreiche Rezensionen und verfasste unter anderem eine historisch fundierte Festschrift zum 150-jährigen Bestehen der Universität. Diese auf eingehender Archivforschung beruhende Arbeit bildete zugleich seinen Abschiedsgruß, da ihm mit der Berufung an die Universität Königsberg – nach zuvor erfolglosen Bewerbungen, etwa in Straßburg – die Rückkehr in den akademischen Lehrbetrieb ermöglicht wurde. Die Königsberger Jahre (1887–1892) waren von gesundheitlichen Beeinträchtigungen infolge der klimatischen Verhältnisse, von reger Lehrtätigkeit und begrenzter Zeit für eigene Publikationen überschattet. Er hielt Vorlesungen über Lykurg, Cicero, Sallust und Caesar sowie über römische Staatsaltertümer. Daneben trat bei öffentlichen Anlässen als Redner hervor und veröffentlichte eine Schrift über seinen in niederländischen Diensten verstorbenen Onkel. Die durch die Abgeschiedenheit der Provinz bedingte räumliche Distanz zu Freunden und Verwandten empfand er zunehmend als belastend, sodass ihm der 1892 erfolgte Ruf an die Universität Kiel eine willkommene Gelegenheit bot, wieder in die Nähe seines vertrauten Kreises zurückzukehren.

In Kiel blieb Schöne bis zu seinem Tod im Jahr 1918 tätig. 1895 wurde ihm der Titel eines Geheimen Regierungsrats verliehen, 1902 trat er in den Ruhestand. Die Nähe zu seinem Bruder, der in Timmendorfer Strand ein Sommerhaus besaß, sowie mehrere Auslandsreisen – darunter nach Rom (1902) und Paris (1906) – bestimmten seine letzten Lebensjahren. An seinem Lebensabend wandte er sich neuen philologischen Projekten zu, die antike Schultexte, magische Formeln und die literarische Gattung der Palinodie betrafen; sie blieben jedoch unvollendet.

Ab 1910 verschlechterte sich Schönes Gesundheitszustand merklich; auch seine Handschrift zeigte nun deutliche Zeichen der Schwäche. Am 16. Oktober 1916 verlieh ihm die Theologische Fakultät der Universität Kiel in Anerkennung seiner Verdienste um die Erforschung der kirchlichen Literatur der Spätantike die Ehrendoktorwürde. Alfred Schöne verstarb am 8. Januar 1918. Ein besonderes Zeugnis seiner lebenslangen wissenschaftlichen Tätigkeit bildet seine umfangreiche Privatbibliothek, die auf über 10.000 Werke geschätzt wurde und zahlreiche seltene Ausgaben sowie philologische Standardwerke umfasste. Seine Handbibliothek, mit mehr als 3000 Bänden, war fortlaufender Annotation unterzogen und diente ihm als zentrales Arbeitsinstrument. Nach seinem Tod wurde die Sammlung durch Vermittlung universitärer Kollegen gesichert und zum Teil in öffentliche Bibliotheksbestände überführt.

Schriften in Auswahl

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Monographien

  • Quaestionum Hieronymianarum capita selecta, Berlin 1864 (Digitalisat).
  • Eusebii Chronicorum libri duo, 2 Bde., Berlin 1866–1875.
    • Eusebi chronicorum canonum quae supersunt, Bd. 2, 1866 (Digitalisat).
    • Eusebii Chronicorum liber prior, Bd. 1, 1875 (Digitalisat).
  • Analecta philologica historica. I. De rerum Alexandri Magni scriptorum imprimis Arrianai et Plutarchi fontibus, Leipzig 1870.
  • Briefwechsel zwischen Lessing und seiner Frau, Leipzig 1871; 2., umgearbeitete Auflage 1885.
  • Thucydidis libri I et II, Berlin 1874 (Digitalisat).
  • Die Universität Göttingen im Siebenjährigen Kriege – Festschrift, Leipzig 1887 (Digitalisat).
  • Zur Thukydideskritik, Berlin 1891 (Digitalisat).

Aufsätze

  • Untersuchungen über das Leben der Sappho. In: Symbola philologorum Bonnensium, Leipzig 1864–1867, S. 731–62.
  • Die Biographien der zehn attischen Redner. In: Fleckeisens Jahrbücher, Bd. 17 (1871), S. 761–87.
  • Zu Sallustius. In: Hermes, Bd. 9 (1875), S. 254–55 (Digitalisat).
  • Rudolf Ehwald: Alfred Curt Immanuel Schöne. In: Biographisches Jahrbuch für Altertumskunde, Bd. 39. (1919), S. 87–112.