Benutzer:Geschichte von Lagos

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Die Geschichte von Lagos, der größten Stadt der Bundesrepublik Nigeria, wurde geprägt durch die Zeit als "Sklavenküste" bis 1850, der britischen Kolonialzeit bis 1960 und der Zeit nach der Erlangung der Unabhängigkeit.

Anfänge[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Palast des Oba (Königs) von Lagos, Iga Idunganran

Die Insel Iddu/Iddo, die heute Teil des Festlandes ist, wurde wahrscheinlich im 14. Jahrhundert von Bauern und Fischern des Volks der Awori besiedelt. Ihr Herrscher Olofin teilte die Insel unter seinen zehn Söhnen auf.[1] Einer von ihnen, Aromire, pflanzte auf der nahegelegenen Insel Lagos Pfeffer an und errichtete den Palast des Oba (Königs) der Yoruba, den Iga Idunganran, wörtlich übersetzt: "Pfefferfarmpalast"[2].

Aufgrund einer Auseinandersetzung zwischen Olofin und einer wohlhabenden Frau namens Aina mischte sich der Oba von Benin in die Angelegenheiten der Insel Iddo ein. Der Oba schickte Abgesandte, um der Bitte Ainas nachzukommen, den Streitfall zu untersuchen. Die Männer, die mit einem Kanu ankamen, hielten die Fischereiutensilien am Ufer aus der Ferne für Zeichen der Kriegsbereitschaft. Als sie zum Oba zurückkehrten, berichteten sie ihm von ihren Erkenntnissen, und er schickte sie in der Annahme einer Herausforderung mit Verstärkung zurück in den Kampf. Aseru, ein Kriegshäuptling, der vom Oba als Verstärkung geschickt worden war, blieb nach der Niederlage und Gefangennahme von Olofin auf der Insel Iddo zurück. Er zog weiter in den Krieg gegen andere Nachbarstädte und kam bis nach Iseri, wo er schließlich starb. Ein Mann namens Asipa brachte seinen Leichnam dann zurück nach Benin. Für seine Tat belohnte ihn der Oba, indem er ihn zum Gouverneur der Insel Iddo ernannte. Außerdem erhielt er die königliche Trommel (Gbedu), die von den Obas von Lagos bis zum heutigen Tag geschlagen wird. Sein Sohn Ado wurde der erste König von Lagos, und sein Geschlecht führt die Linie der Obas von Lagos bis zum heutigen Tag fort.[3]

Eintreffen der Europäer[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

1472 landete der portugiesische Seefahrer Rui de Sequeira an der Küste von Eko und nannte die Siedlung zuerst Lago de Curamo. Anschließend wurde die Insel zu einer Handelsniederlassung ausgebaut, die dann den Namen Lagos erhielt, benannt nach der Hafenstadt Lagos im Süden Portugals. Die vielen verzweigten Lagunen vor Lagos waren nützlich für den atlantischen Sklavenhandel mit den Portugiesen, der von Königen wie Akinshemoyin gefördert wurde.

Anfang des 19. Jahrhunderts änderte sich die Einstellung der europäischen Mächte zum Sklavenhandel. Sie erklärten ihn für ungesetzlich und die Staaten des Südens mussten sich auf legitimen Handel insbesondere mit Palmöl umstellen. Palmöl wurde als Lampenöl verwendet und nach der Erfindung der Margarine auch für die Margarineherstellung.[4]

Mit dem Verbot des Sklavenhandels (nicht der Sklaverei) im Jahr 1807 durch Großbritannien verlagerte sich das britische Interesse an Nigeria auf Palmöl zur Verwendung in Seifen und als Schmiermittel für Maschinen. Die Abolition in Großbritannien war jedoch einseitig, und viele andere Länder traten an ihre Stelle.[5] Europäische Unternehmen und Schmuggler betrieben den atlantischen Sklavenhandel weiter. Das britische Westafrika-Geschwader versuchte, die Schmuggler auf See abzufangen. Die geretteten Sklaven wurden nach Freetown gebracht, einer Kolonie in Westafrika, die ursprünglich von Leutnant John Clarkson für die Umsiedlung von Sklaven gegründet worden war, die von Großbritannien nach dem Amerikanischen Revolutionskrieg in Nordamerika freigelassen worden waren.

Großbritanniens Westafrika-Geschwader verfolgte zu Beginn des 19. Jahrhunderts portugiesische, amerikanische, französische und kubanische Sklavenschiffe und schloss mit viel Hartnäckigkeit Anti-Sklaverei-Verträge mit Küstenhäuptlingen entlang der westafrikanischen Küste von Sierra Leone über das Nigerdelta bis in den Süden des Kongo.[6] Die Inseln, Lagunen und Deltaarme der nigerianischen Küste erwiesen sich mit ihren unzähligen Buchten, mäandernden Kanälen und grassierenden Tropenkrankheiten als schwierig zu kontrollieren.[7] Lagos blieb darum bis ins Jahr 1840 ein lebhafter Umschlagsplatz im Sklavenhandel.

Ab Mitte des 19. Jahrhunderts begannen die Briten im Verein mit der Durchsetzung des Verbots der Sklaverei und der Durchsetzung ihrer – nun veränderten – Handelsinteressen direkten Einfluss auf die Staaten des südlichen Nigeria zu nehmen. Die Abschaffung bzw. Bekämpfung des (transatlantischen) Sklavenhandels durch die Briten stürzte das Königreich Oyo in eine Krise, die letztlich zum Bürgerkrieg innerhalb des Yorubagebietes führte. Bis in die 1860er Jahre hinein blieb Nigeria aber trotz der britischen Maßnahmen eine Quelle von Sklaven für die Märkte Nord- wie Südamerikas. Insbesondere die Yorubakriege nach dem Zerfall Oyos wurden zur ständigen Quelle kriegsgefangener Menschen für die Sklavenmärkte.

1841 kam König Akitoye an die Macht und bemühte sich, den Sklavenhandel zu unterbinden, wurde aber vier Jahre später von seinem Neffen Kosoko gestürzt. Er floh zum britischen Konsul John Beecroft und bat ihn um Unterstützung. Die Bedingung für die britische Unterstützung war, den Sklavenhandel in Lagos zu beenden. Am 26. und 27. Dezember 1851 griffen die Briten Lagos Island mit fünf Schlachtschiffen an und besiegten Kosokos Armee. Kosoko selbst floh verwundet nach Epe. 1852 wurde Akitoye wieder als König eingesetzt, starb jedoch im gleichen Jahr.

Lagos als Kronkolonie[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Royal Navy nutzte ursprünglich den Hafen der vor Nigeria liegenden, spanischen Insel Fernando Po (heute Bioko, Äquatorialguinea) als extraterritoriale Operationsbasis. 1855 beanspruchte Spanien diesen Hafen für sich. Die Royal Navy musste daher einen anderen Marinestützpunkt finden.[8] König Akitoye war inzwischen verstorben. Der 1851 vertriebene König Kosoko von Lagos drohte daraufhin, mit Hilfe französischer Kolonialtruppen, die in Ouidah im heutigen Benin stationiert waren, wieder die Herrschaft in Lagos zu übernehmen. Der amerikanische Bürgerkrieg, in dem es zentral um die Frage der Sklaverei ging, machte den Machtkampf um Lagos besonders dringlich. Daraufhin traf Lord Palmerston (britischer Premierminister) die Entscheidung, dass es „zweckmäßig sei, keine Zeit zu verlieren und das formale Protektorat von Lagos zu übernehmen“[9]. William McCoskry, der amtierende Konsul in Lagos, berief zusammen mit Kommandant Bedingfield am 30. Juli 1861 ein Treffen mit Oba Dosunmu, dem Nachfolger von Oba Akitoye, an Bord der HMS Prometheus ein, bei dem die britischen Absichten erläutert wurden und eine Antwort auf die Bedingungen bis August 1861 verlangt wurde. Dosunmu widersetzte sich den Vertragsbedingungen, doch unter der Drohung, Lagos durch Commander Bedingfield bombardieren zu lassen, lenkte Dosunmu ein und unterzeichnete den Lagos-Abtretungsvertrag.[10]

Großbritannien annektierte Lagos im August 1861. Lagos erwies sich als strategisch nützlich und wurde zu einem wesentlichen Handelszentrum, da die Händler erkannten, dass sie mit dem Schutz der Royal Navy rechnen konnten, um sie z. B. vor Piraten zu schützen.[8] Dosunmu blieb mit eingeschränkter Macht Oba und erhielt ein jährliches Gehalt von 1200 Säcken Kaurigeld. Am 1. Januar 1862 wurde Lagos mit erweiterten Gebiet zum Protektorat, das erst von Freetown, dann von Accra aus verwaltet wurde, 1886 zur eigenständigen Kronkolonie Lagos.

Der wirtschaftliche Aufschwung, die Eröffnung der Lagos Railway, die Telefonanbindung ab 1886 und die Einführung der Straßenbeleuchtung auf Victoria Island zogen Menschen aus ganz Westafrika sowie aus Brasilien und Westindien an. Zu den Einwanderern aus ganz Nigeria und anderen westafrikanischen Ländern gesellten sich die als Kreolen bezeichneten ehemaligen Sklaven, die aus Freetown, Sierra Leone, Brasilien und von den Westindischen Inseln nach Lagos kamen. Die Kreolen trugen zur Modernisierung von Lagos bei, und ihre Kenntnisse der portugiesischen Architektur sind noch heute an der Architektur auf Lagos Island zu erkennen. Seit dem 19. Jahrhundert verwandelte sich Lagos allmählich in einen Schmelztiegel von Afrikanern und Europäern.[11][12]

Die Briten führten mehrere Kriege gegen die Yoruba, die den Verkehr nach Norden versperrten. 1906 wurde Lagos Teil des 1894 gegründeten Protektorats Südnigeria, dessen Hauptstadt von Calabar nach Lagos verschoben wurde. 1914 wurde Süd- mit Nord-Nigeria zusammengeschlossen, Lagos war dadurch die Hauptstadt der gesamten Federation of Nigeria unter britischer Herrschaft. Zugleich entwickelte sich Lagos in den 20er Jahren zum Zentrum des Antikolonialismus, von Parteien wie der Nigerian National Democratic Party, dem Nigerian Youth Movement und dem National Council of Nigeria and the Cameroons und der Gewerkschaften.

Im Zweiten Weltkrieg, 1942, spielte Lagos eine Rolle bei der „Operation Postmaster“. Auf abenteuerliche Weise kaperten britische Spezialagenten auf der nahegelegenen, aber spanischen und damit neutralen Insel Bioko italienische und deutsche Versorgungsschiffe für U-Boote im Südatlantik und brachten sie in den Heimathafen Lagos.[13] Der Vorfall – bei dem kein Schuss fiel – führte beinahe zum Kriegseintritt Franco-Spaniens an der Seite des Dritten Reiches und des faschistischen Italiens.

1945 wurde zu einem 45 Tage dauernden Generalstreik in Lagos aufgerufen.

Zu Protesten führte in den Jahren von 1956 bis 1959 der Plan der Behörde für die Entwicklung von Lagos (LEBD), 200.000 Menschen nach Surulere auf dem Festland umzusiedeln, um auf Ikoyi und Victoria Island eine Zone für Europäer und hohe Funktionäre zu schaffen.

Lagos als Hauptstadt Nigerias[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Lagos erlebte in den 1960er und 1970er Jahren infolge des nigerianischen Wirtschaftsbooms ein rasches Wachstum. Vor der Gründung des Bundesstaates Lagos am 27. Mai 1967 wurde Lagos, die Hauptstadt des Landes, direkt von der Bundesregierung als Bundesgebiet durch das Bundesministerium für Lagos-Angelegenheiten verwaltet, während der Lagos City Council (LCC) die Stadt regierte. Lagos wurde schließlich zusammen mit den Städten der damaligen Westregion (Ikeja, Agege, Mushin, Ikorodu, Epe und Badagry) in den Bundesstaat Lagos eingegliedert,[14] der in die heutigen sieben Local Government Areas (LGAs) aufgeteilt wurde, während die anderen Städte heute 13 LGAs im Bundesstaat bilden. Lagos war bis 1976 sowohl Landes- als auch Bundeshauptstadt, bis die Hauptstadt des Bundesstaates nach Ikeja verlegt wurde. Lagos wurde während der nigerianischen Militärherrschaft in Mitleidenschaft gezogen,[15] und am 12. Dezember 1991 wurde auch der Sitz der Bundesregierung offiziell nach Abuja verlegt. Lagos ist jedoch nach wie vor das Finanzzentrum des Landes und wuchs zum bevölkerungsreichsten Ballungsraum des Landes heran.[14]

Metropole, Finanz- und Medienzentrum[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Am 27. Januar 2002 kam es auf einem in der Stadt gelegenen Kasernengelände zu Explosionen. Nach Militärangaben war Ursache das Übergreifen eines Brandes von einem Straßenmarkt. Er führte zu etwa 30 Explosionen in einem Munitionsdepot, die sich auf angrenzende Gebäude auswirkten. Menschen flohen in Panik.[16] Die vom Waffenarsenal ausgehende Katastrophe kostete mindestens tausend Menschenleben. Viele Familien wurden durch die Zerstörungen ihrer Häuser obdachlos.[17] Auswirkungen ergaben sich in einem Umkreis von sieben Kilometern um den Explosionsherd. Viele Kinder ertranken auf ihrer Flucht in einem Abwasserkanal.[18]

Im Jahr 2012 kamen 163 Menschen ums Leben, als eine McDonnell Douglas MD-83 in das Gebäude einer örtlichen Möbelfabrik und Druckerei stürzte.[19]

Vor der Küste der Stadt Lagos entstand die neue Planstadt Eko Atlantic, die eines der ambitioniertesten Infrastrukturprojekte des gesamten Kontinents darstellt. Auf von dem Meer abgerungenen Areal soll hier ein neues Finanzzentrum entstehen, das 300.000 Menschen Wohnraum bieten soll. Gleichzeitig soll das Gebiet von Victoria Island durch einen gigantischen Schutzwall vor Stürmen geschützt werden. Derzeit (Stand 2019) sind mehrere Hochhäuser auf dem Gebiet sowie große Teile des Straßennetzes der Planstadt errichtet worden.[20] Das Projekt zog allerdings auch Kritik auf sich.[21]

  1. The Guardian: Lagos History Lecture and no man's land exponents. In: The Guardian Nigeria News - Nigeria and World News. 29. Mai 2017, abgerufen am 22. Juli 2023 (amerikanisches Englisch).
  2. Lizzie Williams: Nigeria: The Bradt Travel Guide. Bradt Travel Guides, 2008, ISBN 978-1-84162-239-2 (google.nl [abgerufen am 22. Juli 2023]).
  3. History of Isale Eko – Isale Eko. Abgerufen am 22. Juli 2023 (amerikanisches Englisch).
  4. Detlef Krause: Die Commerz- und Disconto-Bank 1870–1920/23: Bankgeschichte als Systemgeschichte. Franz Steiner Verlag 2004 (Dissertation, ISBN 978-3-515-08486-4), S. 61 (online)
  5. Lagos Colony. Abgerufen am 11. Januar 2023.
  6. Robert Sydney Smith: The Lagos Consulate, 1851-1861. Hrsg.: University of Michigan. Macmillan, 1978, ISBN 0-333-24053-7, S. 188.
  7. Stephen Luscombe: The British Empire. In: www.britishempire.co.uk. Abgerufen am 7. Februar 2023 (englisch).
  8. a b Stephen Luscombe: The British Empire. In: www.britishempire.co.uk. Abgerufen am 7. Februar 2023 (englisch).
  9. Robert Sydney Smith: The Lagos Consulate, 1851-1861. Hrsg.: University of Michigan. Macmillan, 1978, ISBN 0-333-24053-7, S. 188.
  10. Adeyemo Elebute: The life of James Pinson Labulo Davies : a colossus of Victorian Lagos. Prestige, Yaba, Lagos 2013, ISBN 978-978-52057-6-3.
  11. Kofi Agawu: "19th century Lagos". Representing African Music: Postcolonial Notes, Queries, Positions. Routledge, 2014, ISBN 978-1-317-79406-6, S. 12.
  12. J. F. Ade Ajayi: Africa in the Nineteenth Century Until the 1880s. Hrsg.: Unesco. International Scientific Committee for the Drafting of a General History of Africa. 6. Auflage. University of California Press, 1998, ISBN 978-0-520-06701-1, S. 286.
  13. Churchill's Greatest Gamble - How Britain Went All or Nothing on Their SOE Experiment. Abgerufen am 30. Dezember 2022 (deutsch).
  14. a b National Bureau of Statistics | State Information. 9. November 2015, abgerufen am 14. Juli 2023.
  15. Lagos, Nigeria, “Africa’s First City” seems to discount impossible dreams; “Be Very Rich” seems to be everybody’s goal! In: emotanafricana.com. 18. Dezember 2014, abgerufen am 14. Juli 2023 (englisch).
  16. news.ch vom 27. Januar 2002: Nach Explosionen herrscht in Lagos das Chaos. Abgerufen am 26. Januar 2012.
  17. FAZ vom 5. Februar 2002: Mindestens 100 Tote bei Unruhen in Nigeria. Abgerufen am 26. Januar 2012.
  18. taz vom 5. Februar 2002: In Lagos bleibt die Stimmung explosiv. Abgerufen am 26. Januar 2012.
  19. Crash of a McDonnell Douglas MD-83 in Lagos: 159 killed | Bureau of Aircraft Accidents Archives. Abgerufen am 14. Juli 2023.
  20. Website von Eko Atlantic. Abgerufen am 20. August 2019 (englisch).
  21. Deutsche Welle (www.dw.com): Eko Atlantic City – Megaprojekt auf Abwegen? | DW | 3. April 2018. Abgerufen am 20. August 2019.