Berliner Gesellschaft für Anthropologie, Ethnologie und Urgeschichte

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Berliner Gesellschaft für Anthropologie, Ethnologie und Urgeschichte
(BGAEU)
Rechtsform eingetragener Verein
Gründung 1869 als Berliner Anthropologische Gesellschaft
Gründer Rudolf Virchow, Adolf Bastian, Robert Hartmann
Sitz Berlin, Museum für Vor- und Frühgeschichte (Archäologisches Zentrum der Staatlichen Museen in Berlin-Mitte)
Zweck Förderung der Forschung, Verbreitung der Erkenntnisse
Vorsitz Raiko Krauß
Website www.bgaeu.de

Die Berliner Gesellschaft für Anthropologie, Ethnologie und Urgeschichte (BGAEU) ist ein eingetragener Verein mit dem Zweck der „Anregung des allgemeinen Interesses für Anthropologie, Ethnologie und Urgeschichte, die Verbreitung der Erkenntnisse dieser Wissensgebiete in der Öffentlichkeit sowie die Förderung aller Unternehmungen, die der Vertiefung und Erweiterung jener Erkenntnisse dienen.“ (Satzung § 2). Die Vereinsaktivitäten bestehen heute vorrangig aus regelmäßigen Treffen, Vorträgen, Führungen und Ausstellungen. 2011 hatte die Gesellschaft 233 Mitglieder, davon 1 Ehrenmitglied, 195 ordentliche und 37 korporative Mitglieder (2010 insgesamt: 228).

Rudolf Virchow gründete im November 1869 zusammen mit Adolf Bastian und Robert Hartmann die Berliner Anthropologische Gesellschaft, aus der die Berliner Gesellschaft für Anthropologie, Ethnologie und Urgeschichte hervorgegangen ist.[1] Als nationaler Dachverband wurde die Deutsche Gesellschaft für Anthropologie, Ethnologie und Urgeschichte im Jahr 1870 gegründet, aber 1935 aufgelöst. Vor der Inflation nach dem Ersten Weltkrieg verfügte die Gesellschaft über ein beträchtliches Vermögen, das aus namhaften Stiftungen, so zum Beispiel der von Heinrich Schliemann, gewonnen wurde. Damit war es der Gesellschaft möglich, Expeditionen und Ausgrabungen finanziell zu unterstützen. Zahlreiche Bestände Berliner Museen gehen auf frühere Forschungen der Gesellschaft zurück und befinden sich teilweise rechtlich weiterhin im Besitz der Gesellschaft.

Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde die Gesellschaft vorübergehend durch die Alliierten aufgelöst und Anfang der 1950er Jahre insbesondere auf Initiative Hans Nevermanns neu gegründet. Seitdem organisiert die Gesellschaft regelmäßig Fachvorträge, Exkursionen und Foren und fördert den Austausch zwischen Wissenschaftlern unterschiedlicher Disziplinen. Die Gesellschaft vergibt jährlich den Rudolf-Virchow-Förderpreis für hervorragende Magister-, Master- und Diplomarbeiten aus Berliner und Brandenburger Hochschulen mit Bezug zu den in der Gesellschaft vertretenen Fächern.

Bekannte Mitglieder (Auswahl)

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Exkursion der Berliner Gesellschaft für Anthropologie, Ethnologie und Urgeschichte 1885. Auf dem Foto sind unter anderem:
Rudolf Virchow, vor dem Baumstamm, mit heller Hose
Albert Voß, rechts neben Rudolf Virchow
Otto Olshausen, ganz rechts, stehend
Eduard Seler, unter Otto Olshausen
Paul Telge, vorn in der Mitte sitzend, links neben Virchows Regenschirm
Hans Virchow, Zweiter von links
Anzahl der Mitglieder von 1869 bis 1968

Publikationen der Gesellschaft

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Archiv der BGAEU

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Das Archiv der BGAEU verfügt über historische Archivalien zu den Aktivitäten der Gesellschaft und zur Geschichte der von ihr repräsentierten wissenschaftlichen Disziplinen, u. a. bewahrt es die Nachlässe bedeutender Persönlichkeiten wie Arthur Baessler, Hans Grimm, Rudolf Virchow und Alfred Maaß, so wie umfangreiche Sammlungen historischer Originalfotografien, die sich als Besitz der Gesellschaft in der Obhut des Ethnologischen Museums Berlin, des Museums für Asiatische Kunst Berlin und des Museums Europäischer Kulturen befinden. Das Archiv befindet sich im Archäologischen Zentrum der Staatlichen Museen Berlin und ist nach Voranmeldung öffentlich zugänglich. Für die Betreuung des Archivs ist seit 2012 der Ethnologe Nils Seethaler zuständig.

Rudolf-Virchow-Sammlung

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Schädel aus der „RV-Sammlung“, Foto von 2023

Die Gesellschaft besitzt eine international herausragende Sammlung physisch-anthropologischer Belege[3]. Sie trägt den Namen Rudolf Virchows, da sie zum großen Teil zu Virchows Lebzeiten und auf sein Betreiben hin zusammengetragen wurde. Dazu gehören Schädel und weitere Skelettteile aus zahlreichen außereuropäischen Ländern und zum Teil auch aus Europa. Die Bestände der Sammlung stammen überwiegend aus dem 19. Jahrhundert. Dazu kommen archäologische Funde besonders aus Ägypten, Europa und Lateinamerika. Die Gesellschaft strebt eine systematische Aufarbeitung der Sammlungsgeschichte an. In Einzelfällen kam es bereits zu Restitutionen in die Herkunftsländer.

Seit 2014 kooperiert die Gesellschaft weltweit mit dem Ziel, Objekte und Überreste zu erforschen und angemessen aufzuarbeiten[4]. In einem Fall wurden die Überreste eines indigenen Australiers an seine Nachfahren übergeben, in einem anderen erfolgte die von japanischer Seite als vorbildhaft beschriebene Rückgabe eines Ainu-Schädels an offizielle Vertreter der Hokkaido Utari Association. Seit 2017 laufen Projekte zur Provenienzforschung, die wissenschaftliche Grundlagen für weitere Restituierungen bilden können[3].

Im Jahr 2020 identifizierte der Journalist Markus Grill in Kooperation mit der BGAEU vier vermutlich aus Kanada stammende Schädel in der Sammlung. Nach dem jetzigen Wissenstand stammen sie von Indigenen und wurden im 19. Jahrhundert von Wiliam Osler an Rudolf Virchow übergeben. Der eigentliche Sammler Robert Bell war der Gesellschaft bei den bisher auf Osler gerichteten Anfragen nicht bekannt, während Markus Grill über Quellen aus Kanada verfügte, die die Verbindung von Osler zu Bell nachzeichneten. Die Sammlungsleiterin Barbara Teßmann machte Grill die Schädel zugänglich, erläuterte ihm die Historie der Sammlung und verwies auf die Notwendigkeit vertiefender Provenienzforschungen.[5] Sie trat dem Vorwurf entgegen, Virchow habe „Rassen“ unterscheiden wollen. Vielmehr habe er durch die Sammlung die menschliche Vielfalt dokumentiert: „Wenn man sich zum Beispiel die Menschen an der Nordsee ansieht, haben sie lange, schmale Schädel und lange, schmale Gesichter. Menschen aus dem Alpenraum haben eher runde Köpfe. Schwarzafrikaner haben lange, schmale Schädel im Gegensatz zu, sagen wir, Chinesen - sie haben breite, kurze Gesichter“.[6]

  • Dokumente im Archiv der Berliner Gesellschaft für Anthropologie, Ethnologie und Urgeschichte,[7] darunter:
    • Protokolle zu den ordentlichen und außerordentlichen Sitzungen der BGAEU seit 1950, Signatur: BGAEU-PK-II.
    • Schriftgut zu den ordentlichen und außerordentlichen Sitzungen der BGAEU seit 1950, Signatur: BGAEU-SIT-II.
    • Schriftgut zu den Veranstaltungen der BGAEU seit 1950, Signatur: BGAEU-VER-II.
  • Festschrift zum hundertjährigen Bestehen der Berliner Gesellschaft für Anthropologie, Ethnologie und Urgeschichte 1869–1969. Teil 1: Fachhistorische Beiträge. Berlin 1969.
  • Annette Lewerentz: Mitglieder des Vorstandes und Ausschusses/Beirates der Berliner Gesellschaft für Anthropologie, Ethnologie und Urgeschichte von 1869 bis 2001. In: Mitteilungen der Berliner Gesellschaft für Anthropologie, Ethnologie und Urgeschichte. Band 22, 2001, ISBN 3-89646-816-2, S. 183–194.
  • Sonja Fatouretchi: Die Achse Berlin – Wien in den Anfängen der Ethnologie von 1869 bis 1906. Universität Wien, Wien 2009; PDF hier verfügbar (Diplomarbeit zum Verhältnis zur Anthropologischen Gesellschaft in Wien).
Wikisource: Zeitschrift für Ethnologie – Quellen und Volltexte

Einzelnachweise

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  1. Homepage der BGAEU, Abschnitt Geschichte.
  2. Mitteilungen der Berliner Gesellschaft für Anthropologie, Ethnologie und Urgeschichte. Informationen zur Zeitschrift beim Verlag Marie Leidorf.
  3. a b Bernhard Heeb und Barbara Teßmann: Zur Geschichte der anthropologischen Rudolf-Virchow-Sammlung (RV-Sammlung). In: Annals of the History and Philosophy of Biology Volume. Band 24. Universitätsverlag, Göttingen 2019, S. 75–90.
  4. Wolfram Schier: Restitution von menschlichen Überresten aus den Sammlungen der Gesellschaft für Anthropologie, Ethnologie und Urgeschichte (BGAEU) an zwei Fallbeispielen: Vorbereitung, Durchführung und Medienecho. In: Mitteilungen der Berliner Gesellschaft für Anthropologie, Ethnologie und Urgeschichte. Band 41. Berlin 2020, S. 71–81.
  5. Markus Grill, WDR/NDR und David Bruser: Auf der Spur der indigenen Schädel tagesschau.de
  6. https://www.pressreader.com/canada/toronto-star/20201218/281479279012511
  7. Archiv bgaeu.de.