Die Pfeffermühle
Die Pfeffermühle war der Name eines legendären politischen Kabarett-Ensembles, das am 1. Januar 1933 in der Münchner Bonbonniere, in der Nähe des Hofbräuhauses, sein erstes Programm aufführte und per September desselben Jahres nach Zürich in die Schweiz umsiedelte, wo es im Hotel Hirschen zu einem der führenden Exilkabarette deutscher Sprache wurde.[1]
Geschichte
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Die Gründer waren Klaus und Erika Mann sowie Therese Giehse und Magnus Henning, der der Initiator des Kabaretts war. Zu den Textern gehörten außer Erika und Klaus Mann Walter Mehring und Wolfgang Koeppen, zu den Darstellern unter anderen Therese Giehse, Lotte Goslar, Sybille Schloß, Cilli Wang und Igor Pahlen. Magnus Henning komponierte und spielte Piano. Erika Mann schrieb viele Texte selbst und trat als Conférencière und Darstellerin oft in einem weißen Clownskostüm auf.
Den Namen Die Pfeffermühle hat Erika Manns Vater Thomas Mann erfunden, der bei einer Familiendiskussion über den Namen von Erikas geplantem Kabarett am Esstisch auf die Pfeffermühle zeigte und fragte: „Wie wär’s denn damit?“
Nur wenige Wochen nach der höchst erfolgreichen Premiere musste die Truppe vor den Nationalsozialisten aus Deutschland fliehen.
Die Pfeffermühle nahm ihren Spielbetrieb als Exilkabarett am 30. September 1933 in Zürich im Hotel Hirschen wieder auf. Eine wichtige Gönnerin des Kabaretts war die Schweizerin Annemarie Schwarzenbach, die Die Pfeffermühle finanziell unterstützte.[2] Es gelang Schwarzenbach, ihre Bekannte, Valeska Hirsch, spätere Ehefrau des Regisseurs Leopold Lindtberg, als Pianistin für das Kabarett zu gewinnen.[3] Ohne das Mitwirken einer Person mit Schweizer Pass hätten die Behörden die Aufführungserlaubnis nicht erteilt.[4] Das zweite Exilprogramm wurde am 1. Januar 1934 mit deutlicheren Bezügen, aber ohne ausdrückliche Namensnennung, auf das Dritte Reich gestartet. Die deutsche Gesandtschaft wandte sich am 6. Januar 1934 „wegen des Auftretens von Erika Mann“ an die Schweizer Bundesanwaltschaft. Sie nannte es „wünschenswert“, wenn der Vortrag ihrer „gegen Deutschland gerichteten Darbietungen verhindert würde“. Die Bundesanwaltschaft lehnte umgehend ab. Sie verwies darauf, dass es sich lediglich um satirische Bemerkungen handele.[5]
Laut der Einschätzung des emeritierten Geschichtsprofessors der Universität Lausanne, Hans Ulrich Jost, waren die damals in der Schweiz vorherrschenden sozialen Spannungen in Zürich besonders spürbar. «Mit gewalttätigen Demonstrationen, beispielsweise gegen das Kabarett ‹Die Pfeffermühle› von Erika Mann oder gegen Aufführungen des Schauspielhauses, sorgten die Fronten, unterstützt durch die Bauernpartei (heute SVP), für permanente Unruhe.»[6]
Es folgte das dritte, noch schärfere Exil-Programm am 3. Oktober 1934 im Clublokal der Gruppe 33 in Basel. Ein Zürcher Gastspiel im Kursaal löste Krawalle von Schweizer Frontisten aus.[7] «Am 16. November gibt der Kabarett-Besucher James Schwarzbach mitten im Programm mit seiner Militärordonnanzpfeife das Signal zu Radau und Keilerei, die Frontisten im Saal balgen sich mit den Antifaschischsten, vor dem Kursaal wird geschrien ‹Juda verrecke› und ‹Use mit de Emigrante›, die Vorführungen werden nachhaltig gestört, von der Polizei des damals roten Zürich aber energisch beschützt.»[8][9] Die Aufführungen ernteten 1934 auch Kritik von der Neuen Zürcher Zeitung, und verschiedene Kantone erließen sogar Aufführungsverbote.[10]
Die Pfeffermühle kehrte der Schweiz den Rücken und begab sich ab 1935 auf Tournee durch die Tschechoslowakei und die Benelux-Länder.
1935 wurde Erika Mann als „geistiger Urheberin“ des „deutschfeindlichen“ Kabaretts die deutsche Staatsbürgerschaft aberkannt. Bis zur letzten Aufführung in Europa am 14. August 1936 gab die Pfeffermühle 1034 Vorstellungen. Als der Druck der Nationalsozialisten in Europa zu stark wurde, versuchte Erika Mann Anfang 1937 ohne Erfolg, mit The Peppermill in New York Fuß zu fassen. Nach wenigen Aufführungen war das Kabarett finanziell am Ende, ein reicher Gönner beglich die Schulden.[11]
Therese Giehse und Magnus Henning kehrten nach Europa zurück. Lotte Goslar und Sybille Schloß blieben in Amerika, ebenso wie Erika Mann, die durch Vortragsreisen versuchte, die Amerikaner über die Gefahr, die vom nationalsozialistischen Deutschland ausging, aufzuklären.
Zitat aus dem zweiten Exil-Programm
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]„Warum sind wir so kalt? / Warum, – das tut doch weh!
Warum? Wir werden bald / Wie lauter Eis und Schnee!
Beteiligt Euch, – es geht um Eure Erde! / Und Ihr allein, Ihr habt die ganze Macht!
Seht zu, daß es ein wenig wärmer werde / In unserer schlimmen, kalten Winternacht!“
Literatur
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Daniela Chana: Erika Mann und die 'Pfeffermühle'. Dadaismus und die Anfänge des Cabarets in der Schweiz. danzig & unfried, Wien 2015, ISBN 978-3-902752-10-9.
- Christian Jauslin: Die Pfeffermühle, Zürich ZH. In: Andreas Kotte (Hrsg.): Theaterlexikon der Schweiz. Band 2, Chronos, Zürich 2005, ISBN 3-0340-0715-9, S. 1404 f.
- Pfeffermühle (München–Zürich). In: Klaus Budzinski, Reinhard Hippen: Metzler Kabarett Lexikon. 1996, ISBN 3-476-01448-7, S. 299f.
- Helga Keiser-Hayne: Erika Mann und ihr politisches Kabarett „Die Pfeffermühle“ 1933–1937. Texte, Bilder, Hintergründe. Erweiterte Neuausgabe. Rowohlt Taschenbuch Verlag, Reinbek 1995, ISBN 3-499-13656-2
- Irmela von der Lühe: Erika Mann: Eine Biographie, Campus Verlag, Frankfurt/Main; New York City 1993. Sonderband der Reihe: Geschichte und Geschlechter. ISBN 3-593-34917-5. Von der Autorin überarbeitete Ausgabe bei Fischer, Frankfurt/Main 1996, ISBN 3-596-12598-7
- Erika Manns „Pfeffermühle“ – auf den Spuren des legendären Exilkabaretts 1933–1937. CD. Martin Heim und das Orchester Odeon Central, Ltg. Alexander Goretzki, duo-phon-records, Berlin
Weblinks
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Helga Keiser-Hayne: Kabarett „Die Pfeffermühle“ (1933–1937). In: Historisches Lexikon Bayerns
- Vor 90 Jahren. Erika und Klaus Mann eröffnen das Kabarett „Die Pfeffermühle“, deutschlandfunk.de, 1. Januar 2023
Einzelnachweise
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- ↑ Künste im Exil: Neubeginn der Pfeffermühle im »Hotel Hirschen« in Zürich (1933) abgerufen am 19. Februar 2023.
- ↑ Roger Perret: Annemarie Schwarzbach. In: Der Alltag, Nr. 2/1987. S. 10.
- ↑ Annemarie Schwarzenbach, Gönnerin der Pfeffermühle. Abgerufen am 4. April 2024.
- ↑ Ernst Ostertag: Pfeffermühle in Zürich. Gönnerin Annemarie Schwarzenbach. In: Schwulengeschichten, September 2004, abgerufen am 21. Oktober 2024.
- ↑ Thomas Sprecher: Die «Pfeffermühle». In: ders.: Thomas Mann in Zürich. Wilhelm Fink Verlag, Zürich 1992, S. 65–71, hier S. 68, S. 69 ISBN 3-7705-2822-0.
- ↑ Hans Ulrich Jost: Das Bührle-Paradox: Ausgegrenzt und eingespannt. In: Thomas Buomberger, Guido Magnaguagno (Hrsg.): Schwarzbuch Bührle. Raubkunst für das Kunsthaus Zürich? Rotpunktverlag, Zürich 2015, ISBN 978-3-85869-664-9, S. 17.
- ↑ Roger Perret: Annemarie Schwarzbach. In: Der Alltag, Nr. 2/1987. S. 11.
- ↑ Niklaus Meienberg: Die Welt als Wille & Wahn. Elemente zur Naturgeschichte eines Clans. Limmat, Zürich 1987, ISBN 3-85791-128-X. S. 117.
- ↑ Flugblatt zu einer Protestkundgebung gegen die Pfeffermühle (1934). In: Künste im Exil, Deutsche Nationalbibliothek. Frankfurt am Main, abgerufen am 21. Oktober 2024.
- ↑ Susanne Gisel-Pfankuch: Erika Mann. In: Historisches Lexikon der Schweiz. 16. November 2007, abgerufen am 13. Juni 2019.
- ↑ Thomas Sprecher: Die «Pfeffermühle». In: ders.: Thomas Mann in Zürich. Wilhelm Fink Verlag, Zürich 1992, S. 65–71, hier S. 71.
- ↑ Aus Kälte, aufgeführt von Erika Mann am 1. Januar 1934 im Hotel Hirschen. Zitiert nach Helga Keiser-Hayne: Erika Mann und ihr politisches Kabarett „Die Pfeffermühle“ 1933–1937, S. 108