Diglycolsäure

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Strukturformel
Strukturformel von Diglycolsäure
Allgemeines
Name Diglycolsäure
Andere Namen
  • 2,2’-Oxydiessigsäure
  • Bis(carboxymethyl)ether
  • 3-Oxapentandisäure
  • 2-(Carboxymethoxy)essigsäure
  • Paraäpfelsäure
  • Diglycolic acid
Summenformel C4H6O5
Kurzbeschreibung

weiße[1] oder hellgelbe[2] geruchlose Flocken oder kristallines Pulver

Externe Identifikatoren/Datenbanken
CAS-Nummer 110-99-6
EG-Nummer 203-823-5
ECHA-InfoCard 100.003.476
PubChem 8088
Wikidata Q5276305
Eigenschaften
Molare Masse 134,09 g·mol−1
Aggregatzustand

fest

Schmelzpunkt
pKS-Wert
  • pKs1 = 1,1−3[3]
  • pKs2 = 3,7−5[3]
Löslichkeit

sehr gut löslich in Wasser (417 g·l−1[1]), in Wasser bei 0 °C (209 g·l−1[3]), in Wasser bei 25 °C (715 g·l−1[3]), löslich in Ethanol[3], wenig löslich in Diethylether[3]

Sicherheitshinweise
GHS-Gefahrstoffkennzeichnung[2]
Gefahrensymbol

Achtung

H- und P-Sätze H: 302​‐​315​‐​319​‐​335
P: 261​‐​305+351+338[2]
Toxikologische Daten

500 mg·kg−1 (LD50Ratteoral)[2]

Soweit möglich und gebräuchlich, werden SI-Einheiten verwendet. Wenn nicht anders vermerkt, gelten die angegebenen Daten bei Standardbedingungen.

Diglycolsäure ist eine aliphatische Dicarbonsäure bzw. die einfachste Oxadisäure, deren Acidität zwischen der von Essigsäure und Oxalsäure liegt.[4] Sie entsteht bei der Oxidation von Diethylenglycol DEG im Organismus und kann zu schweren Komplikationen mit tödlichem Ausgang führen.[5]

Herstellung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Bereits in den 1860er Jahren wurde von A. Wurtz[6] die Herstellung von Diglycolsäure durch Oxidation von Diethylenglycol mit konzentrierter Salpetersäure beschrieben.

Diglycolsäure durch Oxidation von DEG

Parallel dazu wurde von W. Heintz die Synthese aus Monochloressigsäure durch Erhitzen mit Natronlauge berichtet.[7]

Diglycolsäure aus Monochloressigsäure
Diglycolsäure aus Monochloressigsäure

In einer Variante mit Bariumhydroxid-Lösung als alkalisches Medium wird nach dem Ansäuern Diglycolsäure in 68%iger Ausbeute erhalten.[8]

Die Ausbeuten der beschriebenen Reaktionen sind für eine Nutzung im technischen Maßstab unbefriedigend. So liefert der einstufige Salpetersäureprozess auch in Gegenwart eines Oxidationskatalysators (Vanadium(V)-oxid) nur Ausbeuten an Diglycolsäure von 58–60 %.[9] In einem mehrstufigen Prozess der Salpetersäureoxidation bei 70 °C und mehrfachem Auskristallisieren, Eindampfen der Überstände und Rückführung der DEG-haltigen Mutterlauge können Produktausbeuten von bis zu 99 % (bezogen auf DEG) erzielt werden.[10]

Die Oxidation von DEG mit Luft, Sauerstoff oder Ozon vermeidet die Verwendung der teuren Salpetersäure und das unvermeidliche Entstehen nitroser Gase.[11] In Gegenwart eines Platin-Katalysators können bei der Luftoxidation von DEG Ausbeuten von 90 % erhalten werden.[12]

An einem Bismut-Platin-Kontakt sollen unter optimierten Reaktionsbedingungen Ausbeuten von 95 % erzielt werden.[13]

Auch die Oxidation von 1,4-Dioxan-2-on (p-Dioxanon), einem als Comonomer in bioabbaubaren Polyestern eingesetzten Lacton mit Salpetersäure oder Distickstofftetroxid mit Ausbeuten bis 75 % ist in einer Patentschrift[14] beschrieben.

Diglycolsäuresynthese aus 1,4-Dioxan-2-on
Diglycolsäuresynthese aus 1,4-Dioxan-2-on

Eigenschaften[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Diglycolsäure ist sehr gut wasserlöslich und kristallisiert aus Wasser in monoklinen Prismen als weißer, geruchsloser Feststoff. Bei einer Luftfeuchtigkeit über 72 % und 25 °C entsteht das Monohydrat. Das kommerzielle Produkt ist die wasserfreie Form als freifließende Schuppen.[3]

Anwendungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Diester der Diglycolsäure mit (verzweigten) höheren Alkoholen können als Weichmacher für Polyvinylchlorid (PVC) mit vergleichbaren Eigenschaften wie Di-n-octylphthalat (DOP) Verwendung finden.[15]

Basische Lösungen von Diglycolsäure werden zur Entfernung von Kalkablagerungen bei Gas- und Ölbohrungen sowie in Anlageteilen wie Wärmetauschern oder Dampfkesseln beschrieben.[16]

Diglycolsäure kann als Diesterkomponente in homo- und copolymeren Polyestern, sog. Polyalkylendiglycolaten fungieren.

Vernetzte Polyalkylenglycolate
Vernetzte Polyalkylenglycolate

die bioverträglich und bioabbaubare sind und allein oder in Blends mit aliphatischen Polyestern als Gewebekleber, Knorpelersatz oder als Implantatmaterial eingesetzt werden können.[17]

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. a b c Datenblatt Diglycolsäure zur Synthese bei Merck, abgerufen am 1. März 2015.
  2. a b c d e Datenblatt Diglykolsäure bei Sigma-Aldrich, abgerufen am 1. März 2015 (PDF).
  3. a b c d e f g h W.M. Bruner, L.T. Sherwood, Jr.: Diglycolic acid – a new commercial dibasic acid. In: Ind. Eng. Chem. Band 41, Nr. 8, 1949, S. 1653–1656, doi:10.1021/ie50476a032.
  4. L. Bhattacharyya, J. Rohrer (Hrsg.): Appendix 1: DISSOCIATION CONSTANTS (pKa) OF ORGANIC ACIDS (AT 20 °C), in Applications of Ion Chromatography for Pharmaceutical and Biological Products. John Wiley & Sons, Inc., 2012, doi:10.1002/9781118147009.app1.
  5. A.A. Roscher, E. Jussek, T. Noguchi, S. Franklin: Fatal Accidental Diglycolic Acid Intoxication. In: Bull. Soc. Pharm. Environ. Pathol. Band III, Nr. 4, 1975 (eugenejussekmd.com [PDF]). PDF (Memento des Originals vom 29. Juni 2017 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.eugenejussekmd.com
  6. A. Wurtz: Umwandlung des Aethylens zu complicirten organischen Säuren. In: Liebigs Ann. Chem. Band 117, Nr. 1, 1861, S. 136–140, doi:10.1002/jlac.18611170114.
  7. W. Heintz: Ueber die Diglycolsäure (Paraäpfelsäure). In: Ann. Phys. Band 191, Nr. 2, 1862, S. 280–295, doi:10.1002/andp.18621910206.
  8. K.E. Füger: Synthese und katalytische Reduktion von Glykolsäure und Glykolsäureestern, Promotionsarbeit ETH Zürich. Juris-Verlag, 1959 (ethz.ch [PDF]).
  9. C. Erk: Condensation of diglycolic acid dichloride with polyglycols, 5. An improved synthesis of cyclic polyether-esters by cyclization. In: Liebigs Ann. Chem. Band 10, 1991, S. 1083–1084, doi:10.1002/jlac.1991199101186.
  10. Patent US4066691: Process for the production of pure diglycolic acid by oxidation if diethylene glycol with nitric acid. Angemeldet am 8. September 1976, veröffentlicht am 3. Januar 1978, Anmelder: Chemische Werke Hüls AG, Erfinder: M. Schröder.
  11. Patent US3879452: Method for making diglycolic acid, dipropionic acid and the salts thereof. Angemeldet am 18. Juni 1971, veröffentlicht am 22. April 1975, Anmelder: Conen Corp., Erfinder: G.E. Brown, Jr..
  12. Patent US4256916A: Oxidation of polyethylene glycols to dicarboxylic acids. Angemeldet am 15. August 1979, veröffentlicht am 17. März 1981, Anmelder: Eastman Kodak Co., Erfinder: D.L. Morris, W.J. Gammans, J.D. Holmes.
  13. Y-Y. Zhang, Z.-Y. Liang, Y.-D. Zhang: Preparation of Diglycolic Acid via Oxidation of Diethylene Glycol with Molecular Oxygen. In: Fine Chemicals. Mai 2012 (com.cn [PDF]).
  14. Patent US3952054: Process for preparing diglycolic acid. Angemeldet am 5. Dezember 1974, veröffentlicht am 20. April 1976, Anmelder: Monsanto Co., Erfinder: C.Y. Shen.
  15. Patent US3173888: Diesters of diglycolic acid and vinyl chloride polymers plastized therewith. Angemeldet am 13. November 1962, veröffentlicht am 16. März 1965, Anmelder: Eastman Kodak Co., Erfinder: P.T. von Bramer, R.M. Simons.
  16. Patent US3639279: Scale removal composition and method using salt of diglycolic acid and base at pH above 5. Angemeldet am 1. April 1969, veröffentlicht am 1. Februar 1972, Anmelder: Halliburton Co., Erfinder: T.R. Gardner, R.M. Lasater, J.A. Knox.
  17. Patent US5696178: Absorbable polyalkylene diglycolates. Angemeldet am 22. Juli 1996, veröffentlicht am 9. Dezember 1997, Anmelder: Ethicon, Inc., Erfinder: K. Cooper, A. Scopelianos.