Erich Koch-Weser

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Dr. Erich Koch
Das Kabinett Müller-Franken 1928. Vorne links sitzend Erich Koch-Weser

Erich Friedrich Ludwig Koch-Weser (* 26. Februar 1875 in Bremerhaven; † 19. Oktober 1944 auf der Fazenda Janeta in Rolândia, Bundesstaat Paraná, Brasilien) war ein deutscher Jurist und Politiker (DDP). Er war Minister in der Weimarer Republik.

Biografie

Familie, Ausbildung und Beruf

Koch (den herkunftsbezeichnenden Namensteil Weser legte er sich erst 1927 zu, um sich von anderen Reichstagsabgeordneten gleichen Namens zu unterscheiden) war Sohn des Oberlehrers Anton Koch (1836–1876), eines evangelischen Schulvorstehers in Bremerhaven und der Minna Löwenstein (1841–1930), Tochter eines jüdischen Kaufmanns aus Burhave und Jüdin. Er wurde evangelisch erzogen.

Er besuchte von 1884 bis 1893 das Gymnasium in Oldenburg und studierte nach dem Abitur von 1893 bis 1897 Rechtswissenschaften und Volkswirtschaft an der Universität Lausanne, der Universität Bonn, der Universität München und der Friedrich-Wilhelms-Universität zu Berlin und promovierte zum Dr. jur. Von 1897 bis 1898 absolvierte er seinen Wehrdienst als Einjährig Freiwilliger und von 1898 bis 1902 Referendar und Assessor in Oldenburg.

Nach dem Ausscheiden aus der Politik arbeitete er ab 1930 – zum Schluss in gemeinsamer Kanzlei mit seinem Sohn Reimer – als Rechtsanwalt in Berlin. Koch-Weser wurde im April 1933 von den Nationalsozialisten – trotz Fürsprache des Reichspräsidenten Hindenburg – mit einem Vertretungsverbot für seine Anwaltspraxis belegt. Sein Buch Und dennoch aufwärts. Eine deutsche Nachkriegsbilanz, in dem er sich kritisch mit dem Einfluss der Parteien in der Weimarer Republik auseinandersetzte, war eines der Bücher, die bei Bücherverbrennungen im Mai 1933 verbrannt wurden.[1]

Mit seiner Ehefrau Irma und vier Söhnen schiffte er sich Ende 1933 in seiner Heimatstadt Bremerhaven auf dem Lloyd-Dampfer Madrid nach Südamerika aus und emigrierte nach Brasilien. Hier kaufte er eine 100 Hektar große Kaffeeplantage – die Fazenda Janeta – in der Provinz Nordparaná im Bundesstaat Paraná nahe der von seinem Freund, dem Tropenlandwirt Oswald Nixdorf gegründeten Stadt Rolândia – benannt nach dem Wahrzeichen Bremer Roland – eine weithin bekannte Kolonie deutscher Siedler. In dieser Urwaldplantage wohnten 400 deutschen Familien. Er beriet auch die brasilianische Regierung (von 1930 bis 1945 regierte Getúlio Vargas als Präsident).

Caio Koch-Weser ist sein Enkel.

Politik

Partei

Koch-Weser beteiligte sich 1918 an der Gründung der DDP und war von 1924 bis 1930 Parteivorsitzender der DDP im Reich.

Im Juli 1930 führte Koch-Weser – ohne Wissen der DDP-Reichstagsfraktion – Fusionsverhandlungen mit dem Jungdeutschen Orden von Artur Mahraun, die zur Gründung der Deutschen Staatspartei führten. Angesichts der Wahlniederlage seiner Partei bei der Reichstagswahl trat Koch-Weser im Oktober 1930 vom Parteivorsitz und von allen anderen politischen Ämtern zurück. Er gehörte dem Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold an.

Abgeordneter

Von 1901 bis 1909 war Koch Mitglied des Oldenburgischen Landtages. Von 1909 bis 1913 gehörte er der Bremischen Bürgerschaft an. Von 1913 bis 1918 war er Mitglied des Preußischen Herrenhauses.

Ab 1919 saß er – mit dem Ortszusatz „Cassel“ im Namen – für die DDP in der Weimarer Nationalversammlung und gehörte dort demjenigen Ausschuss an, der die Vorberatung des Verfassungsentwurfs zur Aufgabe hatte.

1920 wurde er im Wahlkreis Weser-Ems in den Reichstag gewählt. Er gehörte ihm bis Oktober 1930 an, 1924 bis 1928 als Vorsitzender der DDP-Fraktion.

Öffentliche Ämter

Koch-Weser war von 1901 bis 1909 Bürgermeister von Delmenhorst, ab 2. April 1909 Stadtdirektor in Bremerhaven und von 1913 bis 1919 Oberbürgermeister von Kassel.

Koch-Weser amtierte vom 3. Oktober 1919 bis zum 4. Mai 1921 als Reichsinnenminister im Kabinett Bauer, im Kabinett Müller I (hier zudem als Vizekanzler) und im Kabinett Fehrenbach. Von Juni 1928 bis zum 13. April 1929 war er Reichsjustizminister im Kabinett Müller II. Bei der anschließenden Regierungsumbildung verlor er sein Ministeramt an Theodor von Guérard vom Zentrum, da die DDP bei der Reichstagswahl 1928 nur noch 4,9 % der Stimmen erreichen konnte.

Ehrungen

Denkmal in Bremerhaven
  • Erster Ehrenbürger von Delmenhorst (1928)
  • Bürgermeister-Koch-Straße in Delmenhorst-Düsternort
  • Erich-Koch-Weser-Platz beim Columbus-Center Bremerhaven wurde
  • Bronzebüste in Bremerhaven

Werke

  • Russland von heute – Reisetagebuch eines Politikers, 1928, Reprint vom Aschenbeck & Holstein Verlag, Delmenhorst/Berlin 2003.
  • Und dennoch aufwärts – Eine deutsche Nachkriegs-Bilanz, Ullstein, Berlin 1933.
  • Hitler and beyond. A German testament, A. Knopf, New York 1945.

Literatur

  • Attila Chanady: Erich Koch-Wesers politische Lehrjahre, in: Jahrbuch 61 der Männer vom Morgenstern. Bremerhaven 1982, S. 377-387.
  • Harry Gabcke: Erich Koch-Weser 1875-1944. Kommunalpolitiker. Reichminister. Vizekanzler (= Kleine Schriften des Stadtarchivs Bremerhaven, Bd. 3). Bremerhaven 1986.
  • Beatrix Herlemann, Helga Schatz: Biographisches Lexikon niedersächsischer Parlamentarier, 1919-1945, Verlag Hahnsche Buchhandlung, Hannover 2004, ISBN 3-7752-6022-6, S. 196 f.
  • Ludwig Luckemeyer: Erich Koch-Weser, in: Ders.: Kasseler Liberale in zwei Jahrhunderten. Festschrift anläßlich der 60. Wiederkehr des Tages der Wahl des Oberbürgermeisters der Stadt Kassel Erich Koch-Weser zum Mitglied der Verfassungsgebenden Deutschen Nationalversammlung als Abgeordneter der Deutschen Demokratischen Partei. Kassel 1979, S. 39-44.
  • Walter Mühlhausen: Die Gemeinde als Urzelle des Staates – Erich Koch-Weser als Kommunalpolitiker, in: Jahrbuch zur Liberalismus-Forschung 18 (2006), S. 79-100.
  • Walter Mühlhausen, Gerhard Papke (Hrsg.): Kommunalpolitik im Ersten Weltkrieg. Die Tagebücher Erich Koch-Wesers 1914-1918. R. Oldenbourg Verlag, München 1999, ISBN 3-486-56394-7.
  • Gerhard Papke: Der liberale Politiker Erich Koch-Weser in der Weimarer Republik. Nomos Verlag, Baden-Baden 1989, ISBN 3-7890-1638-1.
  • Martin Schumacher: „Der Mann von Ansehen“: Erich Koch-Weser, die „Deutschen Blätter“ und Udo Rukser 1943/44. Eine Dokumentation des Briefwechsels mit dem Herausgeber der „Revista Anti-Nazi“ in Santiago de Chile, in: Jahrbuch zur Liberalismus-Forschung 22 (2010), S. 181-214.
  • Herbert Schwarzwälder: Das Große Bremen-Lexikon. Edition Temmen, Bremen 2003, ISBN 3-86108-693-X.
  • Werner Stephan: Erich Koch-Weser – Schicksalsfigur der Weimarer Republik, in: liberal 13 (1971), S. 907-914.
  • Ulrich Suttka: Koch-Weser, Erich Friedrich Ludwig, in: Hans Friedl u.a. (Hrsg.): Biographisches Handbuch zur Geschichte des Landes Oldenburg, Oldenburg (Isensee) 1992, S. 379-383. ISBN 3-89442-135-5.
  • Konstanze Wegner: Koch-Weser, Erich. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 12, Duncker & Humblot, Berlin 1980, ISBN 3-428-00193-1, S. 280 f. (Digitalisat).

Einzelnachweise

  1. bremerhaven.de: Enkel eines großen Bremerhaveners: Caio Koch-Weser besucht Platz mit der Bronzebüste seines Großvaters. vom 10. Oktober 2007
Commons: Erich Koch-Weser – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien