Erik Peterson

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Erik Peterson Grandjean (* 7. Juni 1890 in Hamburg; † 26. Oktober 1960 ebenda) war römisch-katholischer Theologe.

Leben

Peterson hatte Vorfahren, die teils schwedischer, teils französischer Herkunft waren, und wuchs in Hamburg-Blankenese auf. Nach dem Studium der evangelischen Theologie in Straßburg, Greifswald, Berlin, Basel und Göttingen sowie seiner Promotion und Habilitation lehrte er seit 1920 als Privatdozent für christliche Archäologie und Kirchengeschichte in Göttingen sowie von 1924 bis 1929 als Professor für Kirchengeschichte und Neues Testament in Bonn. An Weihnachten 1930 konvertierte er in Rom in einem aufsehenerregenden Schritt vom evangelischen zum katholischen Glauben.

Da er im katholischen Deutschland keine geeignete Lehrmöglichkeit finden konnte, übersiedelte Peterson 1933 nach Rom, wo er mit der Römerin Matilde Bertini eine Familie mit fünf Kindern gründete. Es folgten Jahre größter wirtschaftlicher Not, die auch von einem kleinen kirchenhistorischen Deputat am Päpstlichen Institut für christliche Archäologie seit 1937 kaum gelindert wurde. Eine dauerhafte Rückkehr ins nationalsozialistische Deutschland, wo seine Wirksamkeit zunehmend politisch eingeschränkt wird, schloss Peterson aus. Erst 1947 wurde sein Lehrauftrag in Rom zu einer zunächst außerordentlichen, 1956 dann ordentlichen Professur für Patristik sowie für das Verhältnis von Antike und Christentum erweitert. Einige Wochen vor seinem Tod im heimatlichen Hamburg erhielt der bereits schwer erkrankte Peterson noch die Ehrendoktorwürden der Philosophischen Fakultät der Universität Bonn und der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität München. Sein Grab befindet sich auf dem Campo Verano in Rom, sein Nachlass in der "Biblioteca Erik Peterson" an der Universität von Turin.

Werk und Wirkung

Bis Anfang der 1920er Jahre befreite sich Peterson zunächst von früheren Bindungen an eine pietistische Religiosität sowie von einer anfangs unkritischen Faszination durch die Religionsgeschichtliche Schule und erarbeitete sich rasch ein umfassendes patristisches wie auch breites exegetisches Fundament. In der Art seiner philologisch-theologischen Interpretationen zeigte er sich von der in Göttingen heimischen Phänomenologie beeinflusst.

Internationale wissenschaftliche Reputation erlangte Peterson erstmals im Jahr 1926 mit der Publikation seiner erweiterten Habilitationsschrift über die antike Akklamation "Heis Theos" (Ein Gott!). Die kirchenhistorisch-religionsgeschichtliche Forschung setzte er in vielen Spezialstudien zum christlichen Altertum fort und gab damit wichtige Impulse zum Verständnis des antiken Gnostizismus, der Askese und Apokalyptik sowie zum Verhältnis von Judentum und Christentum (Sammelband fachwissenschaftlicher Aufsätze "Frühkirche, Judentum, Gnosis", 1959).

In Auseinandersetzung sowohl mit der liberalen Theologie z.B. Adolf von Harnacks wie auch mit der dialektischen Theologie Karl Barths und Rudolf Bultmanns - mit Barth stand Peterson in den gemeinsamen Jahren in Göttingen 1921 bis 1924 in engem, persönlichem Kontakt - provozierte Peterson 1925 mit den Traktaten "Was ist Theologie?" und 1928/1929 "Die Kirche" skandalträchtiges Aufsehen. Er plädierte für eine Theologie, die sich in Formen "konkreter Argumentation" auf die dogmatische Tradition der Kirche verpflichtet, und für eine Kirche, die sich auf apostolischem Fundament gegründet weiß. Dabei zentrierte sich Petersons Theologie in einem spezifischen Verständnis eschatologischer Öffentlichkeit. Die Folgen für den Kirchenbegriff diskutierte er 1928 in einem "Briefwechsel mit Adolf Harnack", den er 1932/33 mit einem "Epilog" als Begründung seiner Konversion veröffentlichte.

Als Theologe wirkte Peterson durch Vortragsreisen und Publikationen während der NS-Diktatur weiterhin vor allem im deutschsprachigen Raum mit sublimen ideologiekritischen Auseinandersetzungen in der Form von Schrift- und Geschichtsdeutung, die z.B. die Kategorie des Märtyrers neu beleuchteten ("Zeuge der Wahrheit", 1937). 1935 erschien in Auseinandersetzung mit der damaligen "Reichstheologie" seine Studie "Der Monotheismus als politisches Problem", die mit ihrer These von der "Erledigung jeder politischen Theologie", die den christlichen Glauben für politische Zwecke missbraucht, den Bruch der seit 1925 bestehenden Freundschaft mit Carl Schmitt einleitete und die bis heute lebhaft diskutiert wird. Im selben Jahr vereinigte das Büchlein "Von den Engeln" (1935) die liturgischen, politischen und mystischen Dimensionen der Theologie Petersons.

Petersons Schriften mit ihrer aus dem Neuen Testament und der Patristik gewonnenen Wiederentdeckung der Eschatologie wurden damals vor allem in der französischen Theologie als bahnbrechend rezipiert. Der Traktat "Die Kirche aus Juden und Heiden" (1933) beeinflusste u.a. Jacques Maritain, der sich in seiner Abhandlung "Les juifs parmi les nations" (Paris 1938) ausdrücklich auf ihn berief. Indirekt kommt Peterson damit die Rolle eines Anregers für die Wandlung der Haltung der katholischen Kirche zum Judentum zu, die nicht zuletzt auf Anregung Maritains auf dem Zweiten Vatikanischen Konzil vollzogen wird, obwohl Peterson gerade für diese Abhandlung "subtiler Antisemitismus" vorgeworfen worden ist (Karl Löwith).

Peterson blieb nach dem Vorbild seines früheren "geistigen Mentors" Søren Kierkegaard zeitlebens ein Außenseiter, ja sogar eine - wie es Karl Barth ausdrückt - "Randgestalt dieses Äons", wobei Peterson diese (nicht nur innerliche) Exilexistenz als eine der Radikalität des Christentums angemessene empfand, zumal in einer Welt, deren Beherrschung durch Kapitalismus, Konsumgier und Technikgläubigkeit er zeitlebens vehement kritisierte.

Am bekanntesten sind bis heute seine in den "Theologischen Traktaten" 1951 (neue Ausgabe Würzburg 1994) gesammelten Studien der Vorkriegszeit, die einen beträchtlichen Einfluss auf Theologen wie Karl Barth, Ernst Käsemann, Heinrich Schlier, Joseph Ratzinger, Jean Daniélou und Yves Congar ausübten.

Die meditativen "Marginalien zur Theologie" 1956 (neue Ausgabe Würzburg 1995) mit Aufsätzen u.a. über die "Theologie des Kleides", "Das Lachen Saras", den Existentialismus und die Gnosis sowie mit sehr persönlichen aphoristischen "Fragmenten" gewähren Einblicke in die spirituelle Tiefe eines mit zunehmendem Alter oft auch rätselhaften Denkers. Die Publikation seines reichen handschriftlichen Nachlasses bietet mittlerweile eine breitere Grundlage für eine systematischere Interpretation des Lebenswerkes Erik Petersons.

Literatur

Seit 1994 erscheinen Werke Erik Petersons in der Ausgabe „Ausgewählte Schriften“, die von Barbara Nichtweiß herausgegeben werden:

Vorlage:PND

  • Erik Peterson. In: Biographisch-Bibliographisches Kirchenlexikon (BBKL).
  • Webseite über Erik Peterson (enthält: Bibliographie der Veröffentlichungen Petersons (418 Titel) samt aller bis dato erfolgter Übersetzungen z.B. ins Französische, Italienische, Spanische und Englische; aktuelle Übersicht über ältere und neuere Forschungsliteratur; Nachrichten über den Fortschritt der Werkausgabe)