Hans Demme

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Hans Hermann Karl Demme (* 12. Februar 1900 in Alt-Kalzenau, Gouvernement Livland; † 18. Februar 1964 in Hamburg) war ein deutsch-baltischer Neurologe in Hamburg.

Leben[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Hans Demme war der Sohn des Arztes Carl Demme und dessen Ehefrau Frieda Demme geborene Conradi. Seine Schullaufbahn beendete er 1917 mit der Reifeprüfung am Privatgymnasium von Tideboehl in Riga. Von Dezember 1918 bis August 1920 war er als Freiwilliger der Stoßtruppe in der Baltischen Landwehr. Zeitgleich hatte er ein Studium der Medizin an den Universitäten Göttingen und Dorpat aufgenommen.[1] In Dorpat trat er dem Corps Curonia-Dorpat bei.[2] Sein Studium setzte er 1920 an der Universität Rostock fort[3] und schloss es dort 1924 mit Staatsexamen sowie Promotion zum Dr. med. ab.[4] Danach absolvierte er sein Medizinalpraktikum in Rostock, Hamburg und Freiburg im Breisgau. Als Assistent war er 1926 in Freiburg im Breisgau und von 1926 bis 1927 am Hygieneinstitut der Universität Rostock beschäftigt.[1] Von 1927 bis 1933 absolvierte er seine Facharztausbildung zum Neurologen an der Nervenklinik des Allgemeinen Krankenhauses Hamburg-Eppendorf bei Max Nonne.[5] Zwischenzeitlich habilitierte er sich 1930 in Hamburg.[6] Seine Antrittsvorlesung als Privatdozent im November 1930 im AK Eppendorf stand unter dem Titel „Mikrobiologische Probleme in der Neurologie“.[7]

Zeit des Nationalsozialismus[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Im Zuge der Machtübergabe an die Nationalsozialisten trat er zum 1. Mai 1933 der NSDAP (Mitgliedsnummer 3.279.016)[8] und im November 1933 der SA bei. Während der Weimarer Republik war er Anhänger der DVP.[7] Er gehörte neben ärztlichen Standesorganisationen auch dem NS-Dozentenbund an.[9] Ab Ende 1933 vertrat er die Privatdozenten der medizinischen Fakultät an der Universität Hamburg. Von Januar 1934 bis 1945 leitete er die Neurologische Abteilung am Allgemeinen Krankenhaus in Hamburg-Barmbek.

1934 wurde Demme zum Vertrauensmann der NSDAP-Reichsleitung an der Medizinischen Fakultät Hamburg ernannt. In dieser Funktion verfasste er „regelmäßig Berichte über Kollegen und Stellungnahmen für einzelne Berufungsverfahren an den Vorsitzenden der Hamburger Ärztekammer Willy Holzmann“.[7] Nach Einschätzung von Hendrik van den Bussche fuhr Demme als Vertrauensmann der NSDAP „einen behutsamen Kurs“, da er bei Berufungen den Gesichtspunkt der wissenschaftlichen Qualifikation „hoch bewertete und nie in eine Konfrontation mit der Fakultät geriet bzw. geraten wollte.“[10]

Demme, der bei der SA Ende Januar 1941 bis zum Sturmbannführer aufstieg, wurde bei dieser NS-Organisation Anfang Juni 1935 Hilfsreferent für Rassenhygiene. Des Weiteren wurde er ärztlicher Beisitzer am Erbgesundheitsgericht, wo er nach Inkrafttreten des Gesetzes zur Verhütung erbkranken Nachwuchses Gutachten erstellte und über die Anordnung von Zwangssterilisierungen mit entschied.[11] Er wurde von der medizinischen Fakultät der Universität Hamburg 1936 zum nichtbeamteten außerordentlichen und 1939 außerplanmäßigen Professor ernannt.[12] Von 1935 bis 1938 gehörte er dem Beirat der Gesellschaft Deutscher Neurologen und Psychiater an. Ab Oktober 1940 gehörte er dem Senat der Kolonialärztlichen Akademie der NSDAP an.[13] Während des Zweiten Weltkrieges war er von 1939 bis 1945 Sanitätsoffizier bei der Wehrmacht, zuletzt als Stabsarzt und beratender Neurologe im Wehrkreis X (Hamburg).[1]

Nachkriegszeit[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

In der Nachkriegszeit in Deutschland war Demme 1945/46 in interniert. Im Februar 1946 wurde er wegen seiner nationalsozialistischen Betätigung durch die Hamburger Gesundheitsverwaltung von der ärztlichen Praxis suspendiert und sein Arbeitsverhältnis mit dem AK Barmbek gekündigt.[14] Später arbeitete er als niedergelassener Nervenarzt in Hamburg. In der Entnazifizierung wurde er zunächst als „Mitläufer“ (1947), dann als „Entlasteter“ (1949) eingestuft.[15] Er war seit 1950 beratender Neurologe am Hafenkrankenhaus und wurde im Juni 1951 wieder in den Lehrkörper der medizinischen Fakultät der Universität Hamburg aufgenommen. 1955 wurde er Corpsschleifenträger des in Hamburg ansässigen Pépinière-Corps Suevo-Borussia.[16] Seit 1959 war er leitender Oberarzt am Allgemeinen Krankenhaus in Hamburg Harburg.[1]

In erster Ehe war Demme mit Enni geb. Grabbe († 1939) verheiratet.[1] Das Paar bekam drei Kinder.[17] In zweiter Ehe heiratete er 1959 Erika Kentmann.[1]

Schriften (Auswahl)[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Die Liquordiagnostik in Klinik und Praxis. Lehmann, München 1935.

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Hendrik van den Bussche: Akademische Karrieren im „Dritten Reich“. In: Hendrik van den Bussche (Hrsg.): Medizinische Wissenschaft im „Dritten Reich“. Kontinuität, Anpassung und Opposition an der Hamburgischen Medizinischen Fakultät. Dietrich Reimer, Berlin 1989, ISBN 978-3-496-00477-6, S. 63–117.
  • Michael Grüttner: Biographisches Lexikon zur nationalsozialistischen Wissenschaftspolitik (= Studien zur Wissenschafts- und Universitätsgeschichte. Band 6). Synchron, Heidelberg 2004, ISBN 3-935025-68-8, S. 38.
  • Ernst Klee: Das Personenlexikon zum Dritten Reich. Wer war was vor und nach 1945. 2. Auflage. Fischer-Taschenbuch-Verlag, Frankfurt am Main 2007, ISBN 978-3-596-16048-8.
  • Christine Pieper: Die Sozialstruktur der Chefärzte des Allgemeinen Krankenhauses Hamburg-Barmbek 1913 bis 1945. Ein Beitrag zur kollektivbiographischen Forschung, Lit, Münster, Hamburg London 2003, ISBN 3-8258-6495-2 (zugleich Dissertation an der Universität Hamburg)

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. a b c d e f Baltische Historische Kommission (Hrsg.): Eintrag zu Demme, Hermann Karl Hans*. In: BBLD – Baltisches biografisches Lexikon digital
  2. Christine Pieper: Die Sozialstruktur der Chefärzte des Allgemeinen Krankenhauses Hamburg-Barmbek 1913 bis 1945. S. 59.
  3. Siehe Immatrikulation von Hans Demme. In: Rostocker Matrikelportal. Abgerufen am 9. Januar 2020.
  4. Dissertation: Über die praktische Leistungsfähigkeit neuerer Methoden zur Anreicherung von Typhusbakterien im Stuhl.
  5. Christine Pieper: Die Sozialstruktur der Chefärzte des Allgemeinen Krankenhauses Hamburg-Barmbek 1913 bis 1945. S. 65.
  6. Habilitationsschrift: Die praktische und theoretische Bedeutung der Eiweißrelation im Liquor cerebrospinalis bei Nervenkrankheiten.
  7. a b c Christine Pieper: Die Sozialstruktur der Chefärzte des Allgemeinen Krankenhauses Hamburg-Barmbek 1913 bis 1945. S. 173.
  8. Bundesarchiv R 9361-IX KARTEI/6000043
  9. Christine Pieper: Die Sozialstruktur der Chefärzte des Allgemeinen Krankenhauses Hamburg-Barmbek 1913 bis 1945. S. 34.
  10. Hendrik van den Bussche: Akademische Karrieren im „Dritten Reich“. S. 107 ff.
  11. Christine Pieper: Die Sozialstruktur der Chefärzte des Allgemeinen Krankenhauses Hamburg-Barmbek 1913 bis 1945. S. 174.
  12. Hamburger Professorenkatalog
  13. Ernst Klee: Das Personenlexikon zum Dritten Reich. S. 104.
  14. Christine Pieper: Die Sozialstruktur der Chefärzte des Allgemeinen Krankenhauses Hamburg-Barmbek 1913 bis 1945. S. 172f.
  15. Michael Grüttner: Biographisches Lexikon zur nationalsozialistischen Wissenschaftspolitik. S. 38.
  16. Kösener Corpslisten 1960, 61/605.
  17. Wer ist Wer, Band 13. Schmidt-Römhild, 1958, S. 199.